Protocol of the Session on September 25, 2013

(Senftleben [CDU]: Und der Bürger!)

Was wir hier mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung vorliegen haben, ist ein verantwortlicher Kompromiss, ein

Ausgleich der vielen Interessen, die auch in der Anhörung formuliert worden sind. Es geht nämlich nicht darum - wie die Grünen es gern hätten -, sofort und unverzüglich im Land Brandenburg offene Daten für alle zu fordern; nein, wir sind nicht umsonst gehalten, das in einer Bundesarbeitsgruppe mit allen anderen Bundesländern gemeinsam vorzubereiten. Da ist es doch sinnvoll, wenn wir den offenen Zugang für Kommunen, Landes- und Bundesverwaltungen gemeinsam vorbereiten. Alles andere wäre Stückwerk. Schauen Sie beispielsweise nach Hamburg - meine Kollegin von den Grünen wird nachher loben, wie toll das läuft, aber Fakt ist, dass man dort kurz vor einer Verfassungsklage steht, weil es eben nicht so gut läuft.

Daher sind wir an dieser Stelle ganz klar - deshalb dieser Entschließungsantrag - für Open Data, also für die Umkehr des Prinzips, dass der Bürger einen Antrag stellt und bezahlt. Wir wollen im Umkehrschluss, dass zukünftig alle Daten, die die Leute brauchen, um mitzubestimmen und um durchzusehen, ins Netz gestellt werden. So etwas muss gut vorbereitet sein. Insofern schätze ich die Meinung der Landesdatenschutzbeauftragten. Wir kommen da gemeinsam zum Zuge; es dauert nur noch ein wenig.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Jetzt noch einmal zu dem, was Sie gesagt haben: Sie sagten, wir seien eines der wenigen Länder, die dieses Recht in der Verfassung hätten. Das ist nicht ganz korrekt. Wir sind sogar das einzige Land, das seit fast 20 Jahren diesen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht und Informationszugang in der Verfassung geregelt hat.

Wir hatten damals - das ist richtig - eines der modernsten Gesetze dieser Art. Nach meiner Einschätzung haben wir noch immer ein sehr modernes Gesetz. Da gibt es sicher noch Spielräume und auch noch Novellierungsbedarf, liebe Kollegin Nonnemacher - ganz ohne Frage. Wir stehen hier, wie gesagt, in der Verantwortung. Es betrifft sehr viele Verwaltungseinheiten; deshalb muss man es Schritt für Schritt machen. Wie Sie wissen, wollen wir 2014 in Kooperation mit der Bund-LänderKommission erste Ergebnisse zu „Open Data“ haben, und dann wird es mit der Umsetzung auch gut vorangehen.

Noch einmal zusammenfassend: Was haben wir gemacht? Wir haben die Klarheit des Gesetzes verbessert und wir haben den Anwendungsbereich, wo Akteneinsicht grundsätzlich möglich ist, deutlicher formuliert. Wir haben auch Ausschlussbereiche definiert, beispielsweise beim Verfassungsschutz.

Wenn Sie vorhin gesagt haben, dass die Behörde entscheidet, von welcher Information die Bürger in welcher Form Gebrauch machen können, dann ist das falsch. Richtig ist, dass wir auch das Recht auf Kopien eingeführt haben. Das entscheidet nicht die Behörde, sondern der Bürger kann für sich entscheiden, welche Art der Informationsgewinnung er in Anspruch nehmen will.

Was hatten Sie noch gesagt? Ein großer Wurf ist es nicht; das hatte ich erklärt. Es hat lange gedauert; über ein Jahr haben wir in Anhörungen und Fachgesprächen das Thema erörtert. Ich denke, dass das, was wir Ihnen heute vorgelegt haben, ein guter Kompromiss ist. Zusammen mit diesem Entschließungsantrag, der in die richtige Richtung weist, bitte ich um Ihre Zustimmung.

Leider müssen wir den Gesetzentwurf der Grünen und die Entschließungsanträge von CDU und FDP ablehnen, denn unsere gehen nach meiner Ansicht wirklich wesentlich weiter, koordinieren den Sachverhalt besser und sind in die richtige Richtung gewandt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Goetz spricht für die FDP-Fraktion. - Der Mantel ist eine juristische Demonstration, keine politische deshalb wohl gerade noch zulässig.

Ich darf das tragen! - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie sich über meinen Aufzug wundern, die Anwaltsrobe - das verdanken wir Friedrich Wilhelm I. Friedrich Wilhelm I. hat 1812 einen Kabinettserlass herausgebracht, in dem es hieß:

„Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene, schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.“

So Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, 1812.

Das Ganze hatte einen Grund: Die Anwälte hatten schon zu absolutistischen Zeiten die Obrigkeit - damals bis zum König - so weit geärgert, dass dort erhebliche Missstimmung eingetreten war. Das heißt, schon vor knapp 300 Jahren haben die Anwälte der Obrigkeit, der absolutistischen Mehrheit, die Grenzen ihres eigenen Absolutismus aufgezeigt.

Einige Jahre später im vorigen Jahrtausend kam dann dieser Landtag auf die Idee, ein Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz zu erlassen. Das war 1998, wobei es damals tatsächlich das modernste und einzige Gesetz dieser Art in ganz Deutschland war. Damit war Brandenburg Spitzenreiter im bundesdeutschen Vergleich. Was heute, einige Jahre später, dabei herausgekommen ist, ist ein Gesetzentwurf der Landesregierung, der eigentlich immer noch im vorigen Jahrtausend stehengeblieben ist. Wir haben verschiedene Diskussionen dazu gehabt und letztlich ist im Innenausschuss - ich glaube, es war vorige Woche - das Recht auf Kopie bzw. die Anfertigung von Kopien als Sternstunde der Rechtssetzung proklamiert worden. Das kann nicht allen Ernstes so gemeint gewesen sein!

Ich kann Ihnen sagen: Wenn ich als Anwalt irgendwo hingekommen bin und Akteneinsicht genommen habe, dann habe ich immer meine Kopien bekommen - egal nach welcher Vorschrift. Wenn einmal eine Behörde störrisch war, habe ich mein Diktaphon gezückt und eine halbe Stunde lang so laut diktiert, dass mir aus lauter Verzweiflung letztlich die gewünschten Kopien gezogen wurden. Insofern ist das gelebte Wirklichkeit und kein echter Fortschritt, der in diesem Gesetz auch nur ansatzweise irgendwie zu vollziehen wäre.

(Vereinzelt Beifall FDP)

Wir stellen also fest, dass mit diesem Entwurf die Angelegenheit im letzten Jahrtausend stehen geblieben ist, also im Grun

de ganz nahe bei Friedrich Wilhelm I. Zwar soll irgendwo davon ausgegangen werden, dass Rechte erweitert werden; jedoch ist genau das Gegenteil der Fall.

Wir haben bei diesem Entwurf gegenzusteuern versucht, indem wir als Fraktion der FDP und der Grünen bereits einen eigenen Antrag in den Landtag eingebracht haben. Dieser Antrag ist von Ihnen, meine Damen und Herren von der rot-roten Regierungskoalition, abgelehnt worden, wobei vom damaligen Innenminister, dem jetzigen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, durchaus Hoffnung gemacht worden war, dass man im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens ansatzweise berücksichtigen würde, was die Fraktionen von FDP und Bündnisgrünen mit diesem Antrag vorgeschlagen hatten. Das Ergebnis ist ein Trauerspiel. Nichts davon wurde wirklich vollzogen.

Erfreulich ist am Ende, dass Sie sich jetzt einen Entschließungsantrag als demokratisches Feigenblatt vorhängen, um den schlechten Gesetzentwurf der Landesregierung irgendwie besser, irgendwie erfreulicher erscheinen zu lassen. Das genaue Gegenteil ist trotzdem auch hier wieder der Fall. Es ist eben genau das, wie ich es auch eben genannt habe: ein Feigenblatt, das Sie vor den Gesetzentwurf der Landesregierung legen, um damit am Ende freundlicher auszusehen.

Natürlich steht einiges darin, was richtig ist, und wenn Sie es vergleichen, werden Sie feststellen, dass ein Teil des von uns vorgelegten Entschließungsantrags dem sogar entspricht. Der wesentliche Unterschied ist, dass wir sagen, die Landesregierung möge bis I. Quartal 2014 liefern, also bis zum 31. März. Sie geben bis zum 30. April Zeit. Vieles andere ist aber sehr ähnlich.

Ich wollte, die Landesregierung hätte es getan. Zeit dafür war nun wirklich genug. Wenn man bewertet, was hier letztlich vorgelegt wird, kommt man zu dem Ergebnis, dass dieser Gesetzentwurf den Namen, den der Landtag in anderer Besetzung dem Gesetz im Jahr 1998 gegeben hat, letztlich nicht mehr verdient. Eigentlich ist das, was heute vorliegt, ein Informationszugangsverhinderungsgesetz, weil es wirklich weit hinter den heutigen Möglichkeiten zurückbleibt.

(Beifall FDP)

Sie können nicht allen Ernstes mit Zuse-Computern argumentieren, die irgendwann in den 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgelegt worden sind, wenn Sie hier mit Ihrem jetzigen Gesetzentwurf kommen. Wir haben ganz andere Möglichkeiten. Wir brauchen den Informationszugang. Wir haben eine Bürgergesellschaft, wo sich auch die Verwaltung zunehmend als Dienstleister einer freien Gesellschaft und nicht als Obrigkeit begreift. Eben genau dazu - zur Wahrnehmung dieser Rechte - gehört der umfassende Informationszugang in jeder Hinsicht. Von daher ist richtig, was Kollege Wichmann angesprochen hat: dass es natürlich darum geht, alle Möglichkeiten, wie Informationen dargeboten werden können, zur Verfügung zu stellen, um den Betroffenen, den Interessierten, den Bürgern, die letztlich unsere Gesellschaft ausmachen, dann die Wahl zu überlassen, wie dieses Medium gewählt werden soll.

Für uns ist klar, wie es ausgeht: Der Gesetzesentwurf der Landesregierung ist für uns nicht zustimmungsfähig. Wir werden ihn - wie die CDU auch - ablehnen. Wir werden dem CDU-Antrag zustimmen, natürlich auch unserem Antrag. Den rot-roten

Antrag werden wir mit einer Enthaltung bedenken, weil wir sagen, er ist nur ein vorgeschobenes Papier, um die Unzulänglichkeiten des eigenen Gesetzentwurfes zu bemänteln.

Der Antrag der Grünen geht wesentlich weiter als der Gesetzentwurf der Landesregierung. Das ist uns insofern sehr sympathisch; wir werden ihm zustimmen, auch wenn er einige Schwierigkeiten in der praktischen Handhabung beinhaltet, das sehen wir schon so, aber dieser Gesetzesentwurf wäre ein echter Fortschritt, gemessen an dem, was uns hier leider vorgelegt worden ist. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Dr. Scharfenberg spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich über das große Interesse und das große Engagement zum Thema Akteneinsicht, das hier an den Tag gelegt worden ist. Das war ja nicht immer so in diesem Landtag. Ich gestatte mir, darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Thema insbesondere in den zehn Jahren, in denen die CDU den Innenminister gestellt hat, überhaupt keine Rolle gespielt hat.

(Beifall DIE LINKE und Buh-Rufe bei FDP und CDU)

Da war Friedhofsruhe an der Stelle. Es wurden eifrig Abwehrschlachten veranstaltet, und das muss an der Stelle auch einmal gesagt werden.

Ihr Beitrag, Herr Goetz, hatte einen gewissen Unterhaltungswert, aber man sollte bei der Bewertung eines so wichtigen Themas immer das Maß finden, und ich finde, Sie haben dieses Maß nicht gefunden.

Nach einem langen Diskussionsprozess entscheiden wir heute über zwei Gesetzentwürfe zum Recht auf Akteneinsicht und zur Informationsfreiheit. Es ist unbestritten, dass es bei diesen Themen angesichts der europäischen und bundesweiten Entwicklung Handlungsbedarf im Land Brandenburg gibt; da sind wir uns alle einig. Die Frage war, wie groß der Schritt ausfallen würde, den wir mit dieser Novellierung gehen können. Aus diesem Blickwinkel löste der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf keine Begeisterungsstürme aus, nicht zuletzt, weil er sich dem direkten Vergleich mit dem zweifellos wesentlich weitergehenden Entwurf der Grünen stellen musste.

In der Anhörung zu beiden Gesetzentwürfen wurde einerseits sichtbar, dass der Entwicklungsrahmen für Transparenz der Verwaltungsarbeit und für mehr Bürgerbeteiligung erweitert werden muss. Andererseits zeigte sich, dass die Zwänge und Grenzen praktischer Verwaltungsarbeit nicht ausgeblendet werden können.

Im Ergebnis der Anhörung konnten sich die Koalitionsfraktionen auf einige Änderungen zum Regierungsentwurf verständigen. Auch wenn diese Änderungen unter meinen Erwartungen liegen, so führen sie doch zweifellos zu einer Verbesserung des Gesetzentwurfs.

Mit den umfangreichen Änderungen im § 2 wollen wir das AIG verständlicher und damit auch anwenderfreundlicher machen. Das geschieht, indem der Begriff der Behörden und der Bezug auf das Landesorganisationsgesetz aufgelöst und konkretisiert werden.

Wir haben uns auch mit dem Katalog der Institutionen beschäftigt, die vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen werden sollen. Hier konnten wir uns darauf einigen - Herr Wichmann hat freundlicherweise schon darauf aufmerksam gemacht -, dass diese Ausnahme vom Akteneinsichtsrecht nicht, wie ursprünglich vorgesehen, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, also den rbb, gelten soll und auch nicht für die ILB. Auch damit sind wir einer Empfehlung aus der Anhörung gefolgt, und ich finde es ausgesprochen mutig, dass ausgerechnet die CDU den Verfassungsschutz hier ausnehmen will. Das hat mich doch etwas überrascht.

Eine dritte Änderung bezieht sich auf § 7, der eigentlich Anlass für die Novellierung war, und ich bitte darum, das nicht herunterzureden. Dazu wird in der Begründung auf den 2008 und 2010 vom Landtag in Zusammenhang mit der Behandlung der Tätigkeitsberichte der Landesbeauftragten erteilten Auftrag an die Landesregierung hingewiesen, das Akteneinsichtsrecht mit einem gesetzlich fixierten Anspruch auf die Anfertigung von Kopien zu verbinden. Natürlich war das immer ein Problem, auf das wir aufmerksam gemacht worden sind.

Herr Goetz, wenn Sie nur positive Erfahrungen gemacht haben vielen Bürgern ist es offensichtlich anders gegangen. Dieser Auftrag war mit dem Regierungsentwurf nicht erfüllt. Deshalb schlagen wir eine eindeutige Formulierung vor. In diesem Zusammenhang soll auch - nur zur Klarstellung - das Recht zur Anfertigung von Notizen aufgenommen werden, was auch keine Selbstverständlichkeit ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über den Rahmen der vorliegenden AIG-Novelle hinaus halten wir es für erforderlich, dass das Land Brandenburg mit der europaweiten Entwicklung der Informationsfreiheit Schritt hält. Bisher gibt es nur erste Ansätze für Open Data, die systematisch und zielgerichtet ausgebaut werden müssen. Dafür haben wir Ihnen den Entschließungsantrag vorgelegt. Uns geht es dabei darum, mit Blick auf die bundesweite GovData-Plattform und möglichst kompatibel in Landesverantwortung zielgerichtet und zügig ein eigenes Portal zu entwickeln. Dazu könnte zum Beispiel das vorhandene Portal Brandenburg.de genutzt und ausgebaut werden. Das ist eine Möglichkeit, auf die wir hinweisen. Dafür haben wir inhaltliche Zielstellungen vorgegeben. So sollen bestehende Plattformen genutzt und möglichst eingebunden werden, wobei auch die Kompatibilität mit bereits beim Bund und der EU bestehenden Plattformen zu berücksichtigen ist.

Wichtig ist auch, dass von vornherein eine Einbindung der Kommunen vorbereitet wird. Dazu sind weitere Abstimmungen erforderlich, um die Kommunen nicht zu überfordern und nicht an den Folgen des Konnexitätsprinzips zu scheitern.

Eine weitere Vorgabe besteht in der Maschinenlesbarkeit und Nutzbarkeit der Datensätze. Das muss technisch umgesetzt werden. Da wir einen möglichst breiten Zugang und eine möglichst unbeschränkte Nutzung der veröffentlichten Daten sichern wollen, sind die kostenfreie private Nutzung und der kos

tenfreie Zugang ohne Angabe von personenbezogenen Daten für jedermann anzustreben. Zu all dem ist dem Ausschuss für Inneres bis zum 30. April des nächsten Jahres ein Bericht vorzulegen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Nonnemacher. Und ich begrüße unsere nächste Besuchergruppe, unsere Gäste vom Einstein-Gymnasium in Potsdam. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)