Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schönen guten Morgen! Frau Lehmann, in der Tat ist das, was wir in den letzten Tagen und Wochen über Schlecker erfahren haben, nur die Spitze des Eisbergs. Denn wir wissen, das, was der „Spiegel“ da aufgedeckt hat, ist das, was Betriebsräte, Personalräte, Gewerkschaften uns seit Jahren erzählen, dass nämlich Unternehmer immer mehr versuchen, ihre regulär Beschäftigten durch Leih- oder Zeitarbeiter - wie ja der moderne Begriff ist - zu ersetzen.
Das ist anzuklagen, weil wir die Zeit- und Leiharbeit im Jahr 2003 im Rahmen eines der Hartz-Gesetze auf Bitten der Unternehmer hin geändert haben, weil Zeit- und Leiharbeit damals ein kleines Schmuddelimage hatte. Außerdem war es relativ schwierig, Leiharbeiter zu bekommen. Es war auch relativ schwierig, entsprechende Arbeitsverhältnisse so abzusichern, dass sie nicht zu festen wurden. Von den Arbeitsgerichten wurden dann Kettenverträge vermutet. Daraufhin hat man gesagt: Wir wollen das in andere und bessere gesetzliche Bahnen lenken.
Damals kam dann auch der Ansatz auf, dass wir für Equal pay sorgen müssen, das heißt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Leih- oder Zeitarbeit sind, so bezahlt werden müssen wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen. In der Debatte tauchte dann die Frage auf: Was machen wir, wenn der Leihunternehmer auch Tarifverträge mit Gewerkschaften abschließt? - Dann kann man doch dem zukünftigen Unternehmer, der die Leiharbeiter beschäftigen will, nicht auferlegen, dass der dann sozusagen mit neuen Tarifverträgen über diese Arbeitgeber bestimmt.
Das fanden Gewerkschaften, und das fand auch ich als Verhandlungsbeteiligter eine gute Lösung. Wir mussten nachher aber feststellen, dass wir da ziemlich weit in die Röhre geguckt haben, weil dann nämlich tatsächlich Tarifverträge abgeschlos
sen wurden, die aus meiner Sicht sittenwidrig waren, die einfach darauf basierten, dass Unternehmer zusammen mit einzeln handelnden Personen, die sich „Gewerkschaft“ nannten in der Regel waren es christliche Gewerkschaften -, Verträge machten, die sehr zulasten der Beschäftigten gingen.
Das, was wir damals eigentlich vorhatten, dass die Leiharbeitnehmer die gleiche Bezahlung im Unternehmen haben sollten wie die Kollegen, die dort schon regulär beschäftigt sind, wurde durch diese Regelung ersetzt, dass die Bezahlung nicht aufrechterhalten werden muss, wenn der Leihunternehmer mit dem Leiharbeitnehmer einen Extratarifvertrag hat.
Nach den Erfahrungen der letzten Jahre denke ich - das war jetzt Ihre Frage -, wir sollten schlicht und ergreifend sagen das wäre der einfachste Weg -, dass derjenige, der als Leihoder Zeitarbeiter in einem Unternehmen arbeitet, die gleiche Bezahlung bekommen muss wie die anderen Kollegen, die in diesem Unternehmen regulär arbeiten.
Da kann man noch über eine Zeitklausel reden, darüber, dass man eine Einarbeitungszeit, die - wie bei anderen Beschäftigten auch - akzeptabel wäre, mit einfließen lässt. Aber ansonsten, glaube ich, wäre Equal pay der normale Ansatz, den wir auch in anderen Ländern haben.
Ich erinnere daran: In Frankreich ist es so, dass Leiharbeitnehmer mehr Geld für die Beschäftigung bekommen, weil der Arbeitsplatz unsicherer ist als der der festangestellten Kolleginnen und Kollegen. Insofern wäre das, was ich gerade vorgeschlagen habe, nämlich Equal pay, durch die Bank weg ein erster und, glaube ich, ein besserer Ansatz. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Mit Ihrem Einverständnis werden wir die Fragen 63 und 64, die sich auf das gleiche Thema beziehen, gemeinsam beantworten lassen.
Wir beginnen mit der Frage 63 (Lärmschutzmaßnahmen im Rahmen des Ausbaus der BAB 10) des Abgeordneten Dr. Bernig.
Am 5. Januar 2010 startete das Planfeststellungsverfahren für den achtspurigen Ausbau der A 10 zwischen den Dreiecken Nuthetal und Potsdam. In den nächsten dreieinhalb Jahren soll der ca. 9 Kilometer lange Abschnitt des südlichen Berliner Rings auf beiden Seiten um je eine Spur erweitert werden. Hinzu kommen je zwei weitere Spuren für die Zu- und Abfahrten der Autobahnraststätten. In den betroffenen Gemeinden Schwielowsee und Michendorf drängen die Bürger bereits seit dem Sommer 2009 auf mehr Lärmschutz, als ursprünglich vorgesehen. Die Bürgerinitiative „Lärmschutz jetzt“ und die Bürgermeisterinnen haben konkrete Vorschläge für Lärmschutzmaßnahmen eingebracht, die bisher nicht in den Plänen berücksichtigt wurden. Dazu gehören die Verwendung von Flüsterasphalt und die Erweiterung von vorgesehen Lärmschutzwänden.
Ich frage die Landesregierung: Inwiefern wird sie im Rahmen dieses Planfeststellungsverfahrens die gemachten Vorschläge berücksichtigen und sich für erhöhte Lärmschutzmaßnahmen einsetzen?
Danke. - Die Frage 64 (Tempolimit als Lärmschutzmaßnahme an der A 10 im Bereich Nuthetal) stellt der Abgeordnete Jungclaus. Bitte sehr.
Die viel befahrene Autobahn 10, die auf acht Spuren ausgebaut werden soll, führt durch dicht besiedeltes Gebiet, durch wichtige Erholungsgebiete und sensible Naturräume. Anwohner im Bereich Nuthetal bemängeln, dass im Planfeststellungsverfahren Lärmschutzmaßnahmen nur unzureichend berücksichtigt werden. In einem Schreiben an den ehemaligen Verkehrsminister Dellmann forderten die Landtagskandidaten der Partei GRÜNE/B90 bereits im September 2009, die Möglichkeit eines Tempolimits zur Lärmreduzierung zu prüfen.
Ich frage die Landesregierung deshalb: Beabsichtigt sie, eine Geschwindigkeitsbegrenzung als Instrument zur Lärmreduzierung einzuführen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt zu diesem Vorhaben viele Nachfragen, und deshalb will ich erst einmal einige Ausführungen zum achtstreifigen Ausbau machen. Der Abschnitt zwischen dem Autobahndreieck Nuthetal und dem Autobahndreieck Potsdam ist der am meisten befahrene Abschnitt von Autobahnen im Land Brandenburg. Das hängt mit der positiven Siedlungsentwicklung im Landkreis PotsdamMittelmark zusammen. Das hat dann natürlich auch entsprechende Folgen beim Verkehrsaufkommen. Wir alle sorgen auch dafür, dass dann entsprechende Belastungen vorhanden sind.
Er ist auch eine ganz wichtige Transitstrecke. Sie ist Bestandteil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 11 - Berliner Ostring, Berliner Südring, dann A 2 bis nach Hannover. Die Dinge überlagern sich dort.
Eine Bundesautobahn ist bei einem Verkehrsaufkommen in der Größenordnung von 90 000 bis 100 000 Fahrzeugen in der Lage, diesen Verkehr bei sechs Streifen aufzunehmen. Die Prognosezahl für 2025 ist 126 000 Fahrzeuge. Die Zahl liegt also weit darüber. Deshalb gibt es keine Alternative zum achtstreifigen Ausbau dieses Autobahnabschnitts. Das Planfeststellungsverfahren ist eingeleitet, und die Bürger haben im Rahmen dieses Planfeststellungsverfahrens die Möglichkeit, ihre Einwendungen entsprechend einzubringen. Dazu möchte ich ausdrücklich auffordern. Ich denke, das ist auch eine gute Gelegenheit, entsprechende Nachbesserungen zu fordern.
In den Unterlagen sind gemäß den schalltechnischen Untersuchungen aktive Lärmschutzmaßnahmen - also Lärmschutzwän
de, Lärmschutzwälle - und passive Lärmschutzmaßnahmen, das heißt Fenster, Lüfter und was damit alles zusammenhängt, vorgesehen.
Für uns wäre auch hilfreich, wenn die Gemeinde Ferch die entsprechende Kategorie für ein Siedlungsgebiet vorsähe, damit diese auch noch einfließen könnte. Das ist Außenbereich, und damit sind die Grenzwerte andere.
Die Frage nach dem Tempolimit: Auch das wird geprüft, Herr Abgeordneter Jungclaus. Ich muss aber darauf hinweisen, dass das auch im Zusammenhang mit den Lärmschutzmaßnahmen geprüft werden muss. Das Wichtigste ist, dass bei einer achtstreifigen Autobahn auch Tempo 80 für eine Hauptlärmquelle, für Lkws, gilt. Das sollte man deutlich machen. Man sollte zwischen dem allgemeinen Tempolimit und dem Tempolimit für Lkws differenzieren.
Herr Staatssekretär, ich habe zwei Nachfragen. Die erste bezieht sich auf Ihren Hinweis zur Gemeinde Schwielowsee, was den Ortsteil Ferch betrifft. Der Flächennutzungsplan ist dort in Arbeit, und es wird noch eine Weile dauern, bis das vorgesehene Gebiet als ruhiges Gebiet ausgewiesen werden kann und somit auch die Grundlage für die Planungsbehörde da ist, um entsprechende Schallschutzmaßnahmen vorzusehen. Meine Frage ist: Sehen Sie mit Blick auf die Zukunft, was dieser Flächennutzungsplan festlegen wird, Möglichkeiten, hier schon entsprechende Maßnahmen einzuleiten?
Die zweite Frage ist: Die Lärmschutzmaßnahmen werden nach einer Lärmschutzrichtlinie berechnet, die von statistischen Durchschnittswerten, von berechneten Werten ausgeht. Das widerspricht dem Empfinden der Anwohner, weil es zu bestimmten Zeiten und je nach Wetterlage entsprechende Spitzenwerte gibt. Ich frage Sie: Sehen Sie Möglichkeiten, dass die Landesregierung auf Bundesebene Einfluss nimmt, um im Sinne neuerer Erkenntnisse, dass Lärmschutz Gesundheitsschutz ist, hier tätig zu werden, um andere Kriterien als Maßstab zu nehmen und dann bessere Lärmschutzmaßnahmen auf dieser neuen rechtlichen Grundlage zu gewährleisten?
Herr Dr. Bernig, die Landesregierung hat sich an die bestehenden Gesetzlichkeiten zu halten. Die Planfeststellungsbehörde hat entsprechend unabhängig zu agieren. Das ist im Planfeststellungsverfahren so vorgesehen, und das werden wir auch so handhaben, damit dieses rechtsstaatliche Verfahren entsprechend durchgeführt wird.
Was die Frage der Gemeinde Schwielowsee - Ortsteil Ferch betrifft, würde ich darum bitten, dass mit dem Ministerium Kontakt aufgenommen und das geprüft wird. Ich werde hier vom Rednerpult aus ohne eine eingehende Prüfung dieses Bereiches bzw. dieser Sachlage keine Zusagen machen können.
Meine Nachfrage betrifft den Lärmschutz, für weiter entfernte Teile, die auch vom Lärm betroffen sind, nicht nur für die dicht an der Autobahn lebenden Menschen, die tatsächlich am ärgsten betroffen sind und ich mir kaum vorstellen kann, wie man es dort auf Dauer aushalten kann. Da führt die Autobahn zum Teil über das eigene Grundstück oder den eigenen Hof. Menschen, die weiter weg wohnen, sind auch vom Lärm betroffen. Es wird immer wieder diskutiert, dass dieser sogenannte OPA, der offenporige Asphalt, helfen und in der Tat Lärmschutz gewährleisten könnte. Nun sind wir nicht Auftraggeber. Auftraggeber ist der Bund, es ist eine Bundesautobahn. Gibt es Gespräche des Ministeriums mit dem Bund, was diese Möglichkeit, einen besseren Lärmschutz zu erreichen, angeht?
Auch die Frage nach offenporigem Asphalt wird geprüft werden. Der Bund ist Baulastträger der Bundesautobahn, deshalb ist es eine Bundesautobahn. Wir sind Auftragnehmer bzw. machen das in Auftragsverwaltung und werden auch diese Frage erörtern. Der Bund wird eine Wirtschaftlichkeitsprüfung und Wirtschaftlichkeitsrechnung fordern, aber wir werden diese Dinge auch ins Verfahren einbringen.
Vielen Dank. - Damit kommen wir zur Frage 65 (Abschaffung der Direktwahl der Landräte), die der Abgeordnete Petke stellen wird.
Am Sonntag finden in den Landkreisen Barnim, Spree-Neiße, Elbe-Elster und Ostprignitz-Ruppin die Stichwahlen zu den Landratswahlen statt. Die SPD und die Linke haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass nach den Direktwahlen Schlussfolgerungen und Konsequenzen geprüft würden.
Ich frage die Landesregierung: Nach welchen Kriterien werden die möglichen Schlussfolgerungen und Konsequenzen aus den Landratswahlen in Brandenburg geprüft?
Ich muss den Präsidenten enttäuschen. Er hat mir eine Vorgabe gemacht, die ich nicht erfüllen werde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Petke, im Koalitionsvertrag steht: „nach den Landratswahlen“.
Sie fragen schon wieder vorher, welche Schlussfolgerungen wir nachher zu ziehen gedenken. Über die Kriterien wird bei der Frage des Quorums allenthalben diskutiert. Welche Schlussfolgerungen gibt es? Beim letzten Wahlwochenende war es natürlich das schlechte Wetter und bei weiterer Auslegungen bestimmter Sprichworte: „Wer ist schuld an Wind, Wetter und Schnee? - Die SPD!“
Da könnte man sagen, wir hätten es herbeigerufen, um zu beweisen, dass die Bevölkerung nach dieser Form der direkten Demokratie nicht unbedingt lechzt.
Wir haben, wenn man sich die Wahlbeteiligung vor Augen führt, festzustellen, dass es Unterschiede zwischen den Landkreisen, aber vor allem signifikante Unterschiede zwischen der Wahl der Landräte und der der Bürgermeister gibt. In Rheinsberg betrug die Wahlbeteiligung fast 50 %. Es lag also ganz eindeutig nicht am Wetter, sondern an der Frage, wie nach dem eigenen Mitwirkungsempfinden dieses Angebot angenommen wird. Wir werden abzuwarten haben, was bei der Stichwahl passiert. Dann ist noch eine Wahl im März, wie Sie wissen. Davor werden wir gar nichts tun, sondern diese abzuwarten haben. Die nächsten regulären Wahlen stehen für 2013 an, also haben wir davor alle Zeit, die notwendig ist, das intensiv miteinander zu diskutieren. - Vielen Dank.
Herr Minister, Sie haben das Quorum angesprochen, und gesagt, dass alle Beteiligten vor Ort bemüht seien, das Quorum aufzubringen, um die Direktwahl nicht im Sande verlaufen zu lassen. Deshalb meine Frage zu dem Sachverhalt, dass der Landrat des Kreises Spree-Neiße in einer hausinternen E-Mail im Intranet seinen Mitarbeitern mitgeteilt hat: Wenn jeder von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung noch drei oder vier Leute mitnimmt, wären es im positivsten Fall schon die 1 400 Stimmen, die ihm am 10. Januar gefehlt haben. Sind Sie der Meinung, Herr Minister, dass dies eine geeignete Art und Weise ist, die Wahlbeteiligung und die Wahlfreude bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erhöhen?