Protocol of the Session on January 20, 2010

Herr Abgeordneter Petke, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schulze zu?

Vom Kollegen Schulze gerne.

(Frau Lehmann [SPD]: Immer gerne!)

Gerne ist besser.

Gerne ist besser als immer. - Herr Kollege Petke, ich stelle mir gerade die Frage, wer die CDU daran gehindert hat, bis zum Oktober 2009 eine moderne Kommunalverfassung vorzulegen.

(Prof. Dr. Schierack [CDU]: Na Sie! - Heiterkeit bei der CDU)

Kollege Schulze, ich sage es Ihnen gern. Wir haben eine moderne Kommunalverfassung vorgelegt. Es lag sogar ein Gesetzentwurf vor, es lag ein Eckpunktepapier vor, in dem genau das Klagerecht enthalten war. Wer es wieder herausgenommen hat, das war schlicht Ihre Fraktion oder Ihr Teil der Landesregierung. Wenn Sie dazu Nachhilfe brauchen, wie das damals gelaufen ist, kann ich Ihnen gerne noch einmal das Eckpunktepapier des damaligen Innenministers zur Verfügung stellen. Darin standen zum Beispiel die Direktwahl der Landräte, aber natürlich auch das Klagerecht.

Aber kommen wir zur Sache zurück. Wir sind für eine starke kommunale Selbstverwaltung. Das beinhaltet auch, dass die Kommunen ein eigenes Recht auf wirtschaftliche Betätigung haben. Aber dieses Recht auf wirtschaftliche Betätigung kann in einer sozialen Marktwirtschaft nicht grenzenlos sein. Da muss es Grenzen geben. Stichworte sind Subsidiarität, Örtlichkeitsprinzip und anderes. Die Kunst der kommunalen Selbstverwaltung - da spreche ich den ehemaligen Bürgermeister an besteht auch - nicht nur auf der kommunalen Ebene, sondern manchmal im Leben insgesamt - in der Beschränkung. Gerade in Brandenburg - die Risikoberichte kennen wir ja - haben kommunale Unternehmen nicht immer das getan - trotz aller Kontrolle durch hauptamtliche und ehrenamtliche Vertreter -, wofür sie da sind, nämlich die Kommune zu stärken und Daseinsvorsorge zu betreiben. Insofern haben wir - das haben Sie zu Recht angesprochen - Punkte einbezogen, um Vorsorge zu betreiben.

Aber ich habe die SPD nie verstanden, warum letzten Endes beim Klagerecht eine solche Konsequenz da gewesen ist, das nicht zu akzeptieren. Ich habe es angesprochen: Vonseiten der Geschäftsführer der kommunalen Unternehmen hat mir niemand gesagt, dass wir das Klagerecht nicht brauchen oder dass sie dagegen sind. Wenn man das Gesetz richtig anwendet, muss man auch keine Furcht haben, das Klagerecht zu akzeptieren. Das einzige Argument, was es vonseiten der Sozialdemokraten damals gegeben hat, war, dass dann möglicherweise durch lange rechtsstaatliche Verfahren Investitionen und Arbeitsplätze verhindert werden. Das ist zwar in der Sache nie belegt worden, aber wie das so ist in der Politik: Man argumentiert mit Arbeitsplätzen, und damit haben Sie sich durchgesetzt.

Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass wir damals durch diesen Kompromiss, den wir politisch geschlossen haben, gehindert wurden, ein wirklich modernes, kommunales Wirtschaftsrecht in Brandenburg einzuführen.

Nun muss man nicht an jedem Punkt der Meinung der FDP sein. Da gibt es durchaus Unterschiede, und zwar zu Recht. Aber wer sagt eigentlich, dass jemand, wenn er ein Gesetz einhält, Furcht vor einer Klage haben muss? Auf jedem anderen Gebiet besteht die Möglichkeit, gerade beim staatlichen Handeln oder quasi staatlichen Handeln, dass jemand vor Gericht geht und feststellen lässt, wer Recht hat.

Hier soll das nicht so sein. Es geht da um andere Beweggründe. Diese Beweggründe sind, dass damit natürlich politischer Einfluss verbunden ist, dass, wenn kommunale Selbstverwaltung im Zweifel dazu führt, dass sich Unternehmen auch in Bereiche ausdehnen, in denen sie per se nichts zu suchen haben, natürlich die Möglichkeit gegeben ist, politischen Einfluss auszuüben. Da komme ich wieder einmal zur Finanzkrise: Der politische Einfluss in den letzten 24 Monaten sah ja so aus, dass wir im Wesentlichen auf Bundes- und Landesebene, ja die Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland allesamt reparieren mussten, was in bestimmten Bereichen von Banken, die staatlich waren, angerichtet worden ist,

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

die aber über die Sparkassen sehr wohl auch einen kommunalen Einfluss hatten.

(Lachen bei der SPD)

- Da können Sie gern lachen. Ich lache nicht, wenn ich die Summen sehe. Die Sparkassen haben schon ihre Anteile an den Landesbanken, weil man sich eben nicht beschränkt hat. Insofern, glaube ich, werden wir in den nächsten Jahren nicht umhinkommen - bei der gegenwärtigen Mehrheit sehe ich da keine Erfolgsaussicht -, immer wieder die Frage zu diskutieren: Wie kommen wir zu vernünftigen, fairen Rahmenbedingungen, um einen Ausgleich zwischen dem Recht auf kommunale wirtschaftliche Betätigung und den Spielregeln einer sozialen Marktwirtschaft zu schaffen, in der es eben so zugehen soll, dass jeder die gleichen Rahmenbedingungen hat.

Ich bin Ihnen, Kollege Richter, ausdrücklich dankbar für Ihre Bemerkung: Manchmal kann es der eine besser, und manchmal kann es der andere besser. - Dann müssen Sie aber auch den Mut haben, die Regeln so zu schaffen, dass der, der besser ist, auch zeigen kann, dass er besser ist. Wenn der Private von

vornherein ausgeschlossen ist, weil die Regeln den Öffentlichen begünstigen, nutzt diese Ansage überhaupt nichts.

Zusammenfassend kann ich sagen: Wir bleiben an dem Thema dran. Die Kommunalverfassung hat sich bewährt. In diesem Bereich sind wir damals gemeinsam zu kurz gesprungen, und ich denke, es lohnt sich, dies entsprechend im Landtag zu debattieren. Wir werden dem Antrag der Freien Demokraten zustimmen. - Danke schön.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petke. - Wir kommen nun zum Redebeitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Ludwig erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die wirtschaftliche Tätigkeit von Kommunen ist - da stimme ich den Vorrednerinnen und -rednern ausdrücklich zu - essentieller Bestandteil des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung. Dieses ist von unserem Grundgesetz und der Landesverfassung geschützt. Das heißt, wer in diesen Bereich durch Gesetz eingreifen will, muss schon eine sehr genaue Abwägung treffen.

Sehr geehrter Herr Kollege Petke - bei Herrn Tomczak klang es ebenso an -: Es geht bei der Ausgestaltung dieses Rechts auf kommunale Selbstverwaltung durch die Kommunalverfassung im Land Brandenburg eben nicht um die Gestaltung der Marktordnung, sondern um die Ausgestaltung dieses grundgesetzlich geschützten Rechts von Kommunen auf kommunale Selbstverwaltung, eben einschließlich der wirtschaftlichen Tätigkeit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das hat ausweislich vieler Protokolle - viele der hier sitzenden Landtagsmitglieder haben daran mitgewirkt - im Landtag der vergangenen Legislatur dazu beigetragen, aus guten Gründe das Gesetzeswerk so zu fassen, wie es jetzt vorliegt.

Folgendem hier konstruierten Missverständnis möchte ich ausdrücklich entgegentreten: Dass die Kommunen sich an dieses Recht halten, wird im Land Brandenburg eben nicht nur durch die Gerichte überprüft, sondern unterliegt einer sehr umfangreichen und aktiv tätigen kommunalen Aufsicht - sowohl in den Landratsämtern als allgemeine untere Landesbehörde als auch im Innenministerium. Es besteht also schlicht kein Bedarf, hier ein zusätzliches Klagerecht einzuführen. Das ist unsere grundsätzliche Kritik auch an der doch recht frühen Gesetzesinitiative der FDP, die eben doch nicht bis 2011, bis zur Novellierung der Kommunalverfassung, warten kann. Dieser mangelnde Bedarf wird meines Erachtens durch die umfangreichen Prüfungsergebnisse der Kommunalaufsicht bestätigt.

Den Kollegen Tomczak, Stadtverordneter in Königs Wusterhausen, wird nicht überraschen, dass auch mir als früherem Bürgermeister der Stadt dazu umfangreiche eigene Erkenntnisse vorliegen, denn ich durfte seitenweise der sehr wohl aktiven Kommunalaufsicht bei Beschwerden aus seiner oder einer anderen Fraktion zum Thema kommunale wirtschaftliche Tätigkeit umfangreich berichten.

Die Koalition aus SPD und Linke im Landtag setzt gegen dieses Prinzip, das hier verlangt wird - nämlich auch diesen Bereich radikal für den Markt zu öffen -, einen Entschließungsantrag, in dem sie ihre Position zur kommunalen Selbstverwaltung in Brandenburg bekräftigt. Darin bleibt die wirtschaftliche Tätigkeit nicht nur ein Selbstverwaltungsrecht, sondern sie soll auch ausdrücklich in Brandenburg dazu dienen, flächendeckend den Zugang von Einwohnerinnen und Einwohnern unseres Bundeslandes zu Dienstleistungen offen zu halten.

Die kommunalen Verantwortungsträger - das sind Verwaltungen und Vertretungen im Land Brandenburg - können sehr wohl abwägen, inwieweit sich eine Gemeinde im Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit noch im Rahmen des Gesetzes bewegt. Wir vertrauen diesen Verantwortungsträgern und lehnen den Gesetzentwurf deshalb ab. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ludwig. - Nun erhält die Fraktion GRÜNE/B90 das Wort. Herr Abgeordneter Vogel, bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worüber reden wir heute? Grundsätzlich gilt, dass die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen auch nach der Novellierung des Brandenburgischen Gemeindewirtschaftsrechts nur unter strengsten Voraussetzungen erlaubt ist. So hat eine Gemeinde im Interesse der sparsamen Haushaltsführung dafür zu sorgen, dass die Leistungen, die von privaten Anbietern in gleicher Qualität und Zuverlässigkeit bei gleichen oder geringeren Kosten erbracht werden können, Privatunternehmen übertragen werden.

Den Kommunen ist die Erfüllung von Aufgaben der Privatwirtschaft aus rein finanzwirtschaftlichem Interesse durch das Gesetz untersagt, eine Betätigung ausschließlich zur Stärkung der Einnahmenseite ist ebenfalls nicht möglich. Impulse für eine Rekommunalisierung über den Bereich der öffentlichen Aufgaben hinaus in rein privatwirtschaftliche Aktivitäten hinein sind durch das Gesetz nicht gegeben. Das Gesetz verlangt zudem eine angemessene kommunale Prüfung vor dem Beginn einer unternehmerischen Betätigung der Kommunen. Wir halten es daher für ausgesprochen problematisch, Privatunternehmen in dem von der FDP gewünschten Umfang ein gerichtliches Vorgehen gegen einzelne Kommunen bezüglich deren wirtschaftlicher Tätigkeit zu ermöglichen.

Zum einen sehen wir die Einhaltung der Schutzvorschriften bei der Kommunalaufsicht gewährleistet; Herr Ludwig hat das, finde ich, sehr deutlich gesagt. Zum anderen aber muss die aus Größe und finanzieller Ausstattung resultierende Wirtschaftsmacht potenzieller Interessen einbezogen werden. Entgegen der Vermutung der FDP werden in erster Linie nicht regionale Kleinunternehmer, sondern national und international agierende Unternehmen der Ver- und Entsorgungsindustrie die ersten Interessenten an einer weitestgehenden Ausnutzung solcher Klagemöglichkeiten sein.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt SPD und DIE LIN- KE)

Die großen privaten Unternehmen in der Ver- und Entsorgungswirtschaft, einschließlich der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, sind den Kommunen in ihrer finanziellen Ausstattung in einem so starken Maße überlegen, das Einschüchterungspotenzial einer angedrohten Klage ist so ungemein groß, dass eine freie Entscheidungsmöglichkeit für eine nach dem Gesetz zulässige kommunale Aufgabenwahrnehmung mitunter allein aus Angst vor lang andauernden kostenträchtigen gerichtlichen Auseinandersetzungen unmöglich gemacht wird. Unser gemeinsamer Wunsch nach leistungsfähigen und selbstverantwortlichen Städten wird deshalb durch die Einräumung eines derartigen Klagerechts in seinen Grundfesten angegriffen.

Die FDP-Fraktion fördert mit ihrem Angriff nicht die Effizienz und nicht den Wettbewerb im kommunalen Raum, sondern greift direkt und gezielt die kommunale Existenzfähigkeit vieler Gemeinden an.

(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90)

Wir sehen sogar die Gefahr, dass die Einschränkung der kommunalen Entscheidungsmöglichkeiten zwischen kommunaler und privater Erbringung der Daseinsvorsorge zu privaten regionalen Monopolen führen wird, deren Marktmacht und Verhalten nicht durch die Androhung einer Rekommunalisierung eingeschränkt werden können.

Erfahrungen lehren uns, dass die Privatisierung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht immer die erforderlichen qualitativen Ansprüche erfüllt und dass die Zuverlässigkeit beeinträchtigt wird. Die Aufgabenerfüllung durch kommunale Unternehmen ist im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen gerade in Krisenzeiten verlässlicher. Deren fehlende Abhängigkeit von Mindestgewinnen und die nicht vorhandene Marktaustrittsoption führen zu einer verlässlichen Absicherung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. Gerade in schrumpfenden Regionen werden Einrichtungen der Daseinsvorsorge aufgrund niedriger Gewinnmöglichkeiten nur beschränkt privatisierbar sein. Es besteht die Gefahr, dass sich die Privatunternehmen mit Rosinenpickerei - ich erinnere an die Diskussion über die Altpapierverwertung - die gerade noch lukrativen Geschäftsfelder herauspicken und die Gemeinden auf den Verlustbringern sitzen bleiben. Das kann niemand wollen.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt SPD und Die LIN- KE)

Ich denke, wir müssen gerade in dem heterogenen Flächenland Brandenburg anerkennen, dass unsere Kommunen die Zentren der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Deshalb sollten wir deren Eigenverantwortung stärken und ihnen auch zutrauen, ihren Standort am effizientesten zu entwickeln und zu verwalten.

Insbesondere Kommunen sind an einer funktionierenden Privatwirtschaft an ihrem Standort interessiert und wissen am besten über die Entwicklungen vor Ort Bescheid. Deshalb können sie auch am besten beurteilen und entscheiden, ob sie Aufgaben der allgemeinen Daseinsvorsorge selbst betreiben oder fremd vergeben.

Diese Aussagen finden sich in ähnlicher Form im Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen wieder, den wir genauso

ausdrücklich unterstützen, wie wir den Antrag der FDP ablehnen. - Danke sehr.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort erhält die Landesregierung. Herr Minister Speer hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Zugang zu den Gerichten ist grundgesetzlich garantiert und wird auch durch die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg nicht eingeschränkt, wie Sie es suggerieren. Die bloße Existenz eines kommunalen Unternehmens ist kein Klagegrund. Das wird durch diese Kommunalverfassung klargestellt - nicht mehr und nicht weniger.

Die CDU hat - das ist in der Debatte deutlich geworden, die wir in der letzten Legislatur geführt haben - in ihrer teilweise heftig ausgeprägten Marktreligiosität Verstärkung von den Freien Demokraten bekommen. Ob Sie sich darüber freuen sollten, ist Ihre Sache.

Wenn Sie, Herr Goetz, in Ihrem Antrag schreiben - ich muss zitieren; sonst käme mir das nicht über die Lippen -:

„Staatswirtschaft“