nach der Wende zu dieser Orientierung führen müssten. Wenn ich mich nicht stark irre, wird Thüringen von der CDU regiert. Das Problem gibt es also nicht nur in Brandenburg.
Eine Anhörung und eine Vielzahl von Stellungnahmen machten die Unterschiede deutlich: Die kommunalen Spitzenverbände, Vertreter der kommunalen Aufgabenträger, der Landeswasserverbandstag, der Verband kommunaler Unternehmen und andere plädierten eindeutig für eine längere Frist. 20 Jahre halten sie für ausreichend, um die komplizierten Aufgaben rechtssicher zu erledigen und keine Einnahmeausfälle für kommunale Zweckverbände zu riskieren. Die Vertreter der Grundstücksnutzer und verschiedene Bürgerinitiativen wollten möglichst kurze Fristen oder sogar die sofortige Feststellung der Verjährung, um Zahlungen generell auszuschließen. In diesem Spannungsfeld bewegte sich die Debatte.
Der vorgelegte Gesetzentwurf ist aus meiner Sicht ein gerade noch vertretbarer Kompromiss. Die mögliche Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren wird nicht voll ausgereizt, sondern um 15 Jahre verkürzt. Kommunale Aufgabenträger, die bisher keine gültigen Satzungen erlassen und Beitragsbescheide verschickt haben, müssen jetzt mit aller Kraft daran arbeiten, diese Aufgaben bis zum 03.10.2015 zu erledigen. Das ist in einigen Bereichen der kommunalen Ebene eine gewaltige Aufgabe, aber die Bürger, die Beitragsschuldner haben ein Recht zu erfahren, ab wann sie nicht mehr mit Bescheiden rechnen müssen nämlich ab dem 03.10.2015.
Das alles wird mit dieser Gesetzesänderung erreicht. Ich verhehle nicht meine Sorge, dass einige kommunale Aufgabenträger es vielleicht nicht schaffen, das alles in der nun gesetzten Frist rechtssicher auf den Weg zu bringen, und dass dies zu Einnahmeausfällen für die kommunalen Zweckverbände - letztendlich für die Kommunen - führen kann. Nach meiner Auffassung wäre eine Begleitung der kommunalen Aufsichtsbehörde und des Innenministeriums sehr wünschenswert. - Ich bitte der Überweisung an den Innenausschuss zuzustimmen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Richter. - Wir kommen zum Beitrag der FDP-Fraktion; Herr Abgeordneter Goetz hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Einige von Ihnen werden sicherlich einmal Rom besucht haben. Das kann man aus verschiedenen Gründen tun, unter anderem zur Besichtigung beeindruckender, 2000 Jahre alter Bauwerke. Nicht jedes ist ein Prachtbau; es gibt auch viele Profanbauten, zum Beispiel Viadukte und Kanalisationsanlagen, die seit 2000 Jahren unter Rom ihren Dienst tun. Die Römer können sehr froh sein, dass ihre Stadt in Italien liegt. Läge Rom in Brandenburg, müssten sie damit rechnen, für ihre 2000 Jahre alten Viadukte und Kanalisationen zu Altanschließerbeiträgen herangezogen zu werden.
Ich weiß, dass immer gesagt wird, Altanschließeranliegen seien gar nicht betroffen. Die Realität ist eine andere. Eine Kontroll
überlegung reicht aus, um zu verstehen, was gemeint ist, wenn gesagt wird, dass wir nur für das Beiträge erheben, was nach 1990 gebaut wurde. Wenn man so herangehen wollte, kann man Neuanschließern, die jetzt ein Haus bauen und ihr Grundstück anschließen, nicht das Gleiche sagen wie den Altanschließern: Ihr werdet für alles veranlagt, was schon da ist, was schon einmal gebaut worden ist. - Dann müsste man zu differenzierten Beiträgen kommen. Diese könnten deutlich machen, dass wir uns mit den Anschlüssen unterschiedlich befassen. Genau das passiert nicht, und deswegen ist es so, dass die Römer in Brandenburg für ihre alten Viadukte vermutlich noch zahlen müssten.
In einer Kleinen Anfrage habe ich vor kurzem die Landesregierung nach den tatsächlichen Verhältnissen in Brandenburg befragt. Aus der Antwort der Landesregierung möchte ich Ihnen zwei Sätze vorlesen:
„Der Landesregierung liegen daher keine Übersichten darüber vor, welche einzelnen kommunalen Aufgabenträger keine Beiträge erheben. (…) Mangels Anzeige- und Genehmigungspflicht der Gebührensatzungen liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse über die von den Gemeindevertretungen oder Verbandsversammlungen eigenverantwortlich beschlossenen Gebührensätze vor.“
Da frage ich mich doch, meine Damen und Herren von der Landesregierung, Herr Innenminister: Auf welcher Grundlage möchten Sie hier Gesetze verabschieden, wenn Sie über die tatsächlichen Verhältnisse im Land Brandenburg allenfalls auszugsweise - sofern überhaupt - Kenntnis haben? Im Übrigen: Soweit die Landkreise kommunalaufsichtlich agieren, tun sie das als untere Landesbehörde. Erzählen Sie mir bitte nicht, dass Sie keine Möglichkeit haben, diese Kenntnis zu erlangen. Verblüffend ist, dass Sie sie nicht beiziehen, um den Gesetzentwurf weiter zu bearbeiten.
Die Bayern-Entscheidung ist bei verschiedenen Gelegenheiten angesprochen worden. Natürlich gilt sie auch für Brandenburg; das Grundgesetz gilt in ganz Deutschland. Die gleichen Grundrechte und Pflichten gelten in Bayern wie bei uns - auch der gleiche Anspruch, zu Rechtssicherheit zu gelangen.
Diese Rechtssicherheit, dieser Rechtsfrieden sind elementarer Bestandteil unseres Rechtsstaates und damit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Übrigens hatten wir diese Rechtssicherheit bis 2004, bis dieser Landtag in seiner unglaublichen Weisheit auf die Idee kam, für Satzungen in das Kommunalabgabengesetz das Wort „rechtswirksam“ einzufügen, sodass bereits verjährte Tatbestände wieder aufgerufen wurden
und Leute, die sicher waren, keine Beiträge mehr zahlen zu müssen, Jahrzehnte später doch noch herangezogen wurden.
Dieses Recht beinhaltet auch Verjährung. Es ist übrigens - Kollege Holzschuher, auch Sie sind Anwalt - weitgehend rezipiertes römisches Recht. Was die Römer vor 2000 Jahren hatten, hat über viele Umwege seinen Weg in unser Recht gefunden unter anderem ins BGB -, und Bestandteil der römischen Rechtsinstitute, die wir heute haben, ist eben auch die Verjäh
rungsregelung. Schon die alten Römer kannten das; sie nannten es „longi temporis praescriptio“, sie wussten also genau, welche Folgen damit verbunden sein sollen, wie man Rechtsfrieden gestalten kann - vor 2000 Jahren! Schade, dass diese Erkenntnis aus dem alten Rom die Landesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf noch nicht erreicht hat; wünschenswert wäre es.
Auch die alten Römer hatten den Wunsch, Rechtsfrieden herzustellen. Sie wollten, dass Ansprüche zügig verfolgt werden, auch, weil mit der Zeit der Sachverhalt immer unklarer wird. 20 Jahre später fällt es schwerer, zu rekonstruieren, was 1995, 1994, 1993 oder auch 1970 war. Leute werden zu Beiträgen herangezogen, die ihre Großeltern oder frühere Grundstückseigentümer vor 20 Jahren schon gezahlt haben; sie können das aber nicht belegen. Das hängt damit zusammen, dass Gebietskörperschaften verschmolzen oder Verbände neu gebildet worden sind, die teilweise keinen Überblick mehr darüber haben, was gewesen ist.
Herr Kollege Holzschuher, Sie sprachen von Verhältnismäßigkeit, Gerechtigkeit und Gleichbehandlung. Na selbstverständlich, jede Verjährung beinhaltet ein wenig Ungleichbehandlung. Das ist automatisch Bestandteil dieses Institutes und insofern zu berücksichtigen; es ist nichts Besonderes, was man in jedem Falle ausschließen wollte. Wenn man das wollte, müsste man Verjährung ganz abschaffen. Aber ich glaube, das will hier keiner. Mit einer faktisch 25-jährigen Verjährung belohnen Sie zumindest teilweise Verbände, die es sich scheinbar auf die Fahne geschrieben haben, mit Sollbruchstellen in ihren Satzungen die Verjährung immer weiter hinauszuschieben und auf diese Weise Rechtsfrieden nicht eintreten zu lassen. Sie bestrafen Bürger, die in Vorleistung gehen müssen, um sich dagegen zu wehren, und Sie verhindern Investitionen gerade großer Unternehmen, weil ihnen wegen dieser Altanschließerbeiträge das nötige Geld fehlt.
Natürlich sind wir bereit, im Innenausschuss weiter über dieses Thema zu reden. Aber eines ist auch klar: Mit Ihrer vorgelegten Regelung verhindern Sie Rechtsfrieden und treiben tausende Brandenburger vor die Gerichte. Nicht mit uns! - Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort; Herr Abgeordneter Scharfenberg hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine kurze Bemerkung zu meinen Vorrednern, Herrn Wichmann und Herrn Goetz: Sie müssen sich entscheiden, ob Sie kurzfristig politisches Kapital aus diesem Thema schlagen oder zu einer langfristig tragfähigen Lösung zugunsten der Betroffenen beitragen wollen. Das ist der Spagat, in dem Sie sich jetzt noch bewegen.
Die von der Landesregierung vorgelegte Sechste Novelle zum KAG ist im Ergebnis der Entscheidung des Bundesverfassungs
Dieser Beschluss zu einem konkreten Fall in Bayern entfaltet zwar, wie wir mittlerweile wissen, keine unmittelbare Wirkung für das Land Brandenburg, setzt jedoch mit seinen klaren Aussagen zu einer Verjährungshöchstfrist hohe Maßstäbe. Das hat zu großen Erwartungen, insbesondere bei den Altanschließern im Land Brandenburg, geführt; ich denke, das ist schon in der Einführung durch den Innenminister deutlich geworden.
Dazu darf ich in Erinnerung rufen: Die Linke hat sich in den vergangenen fünf Jahren - so lange reden wir intensiv darüber stark der Frage angenommen, wie eine gerechte Lösung für die sogenannten Altanschließer gefunden werden kann, die nach den Verwaltungsgerichtsentscheidungen von 2007 damit konfrontiert waren, nachträglich Herstellungsbeiträge für ihre schon vor 1990 vorhandenen Trinkwasser- und Abwasseranschlüsse zahlen zu müssen. Wir haben uns in den Jahren 2008 und 2009 für eine Stichtagsregelung eingesetzt, mit der Altanschließer letztlich von Beiträgen befreit worden wären. Damit konnten wir uns jedoch nicht gegenüber der damaligen schwarz-roten Koalition durchsetzen.
Mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichts von 2012 ist unter diese lange Diskussion ein Schlussstrich gezogen worden. Bei nüchterner, realistischer Betrachtung müssen wir feststellen, dass eine Stichtagsregelung, wie wir sie im Jahr 2008 wollten, heute nicht mehr möglich ist. Dafür sind die Prozesse in den Verbänden zu weit vorangeschritten.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll allerdings dem Missstand abgeholfen werden, dass mit der KAG-Änderung von 2004 und der Einfügung der Voraussetzung einer rechtswirksamen Satzung die vierjährige Verjährungsfrist faktisch ausgehebelt werden kann, wenn Satzungen wiederholt für rechtswidrig erklärt werden. Die Folge ist - das konnten wir zur Kenntnis nehmen -, dass Herstellungsbeiträge in Abhängigkeit von der rechtlichen Wirksamkeit der Satzungen zumindest theoretisch zeitlich unbegrenzt erhoben werden können. Mit der von der Landesregierung vorgeschlagenen Festlegung einer Verjährungshöchstfrist kommen wir den Erwartungen des Bundesverfassungsgerichts nach,
mehr Rechtssicherheit und mehr Vertrauensschutz zu schaffen. Das Gelächter aus den Reihen der CDU-Fraktion verstehe ich überhaupt nicht.
Sie haben in der vergangenen Wahlperiode nichts, aber auch gar nichts für dieses Thema getan. Das will ich an dieser Stelle noch einmal deutlich feststellen. Sie sollten ganz ruhig sein!
Im Ergebnis einer Verständigung in der Koalition soll diese gesetzliche Verjährungsfrist nicht, wie ursprünglich in einem Formulierungsvorschlag des Innenministeriums vorgesehen, 20 Jahre betragen, sondern auf 15 Jahre begrenzt werden. In Verbindung mit der - einmalig vorgesehenen - Verjährungshemmung
für den Zeitraum 1990 bis 2000 ergibt sich, dass die endgültige Verjährung der Ansprüche gegenüber Altanschließern im Jahr 2015 eintritt. Die Festsetzung einer solchen Frist hat zur Folge, dass dieser quälende Prozess nicht endlos weitergeht, sondern einen klaren Endpunkt erhält. Das bedeutet aber auch - das will ich gar nicht beschönigen -, dass die Altanschließer bis zu diesem Zeitpunkt mit Herstellungsbeiträgen veranlagt werden können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vielfältigen Proteste von Altanschließern, zum Beispiel in Bernau, Nuthetal und Luckau Vertreter sind heute anwesend - sind aus unserer Sicht letztlich Ausdruck dessen, dass die Verbände ihre gesetzlichen Möglichkeiten für eine von uns befürwortete Besserstellung der Altanschließer zu wenig nutzen. Dabei haben die Verbände einen eigenen Handlungsspielraum. Ich nenne zum Ersten die Umstellung auf das Gebührenmodell, das die Erhebung von Herstellungsbeiträgen überflüssig macht. Zweitens gibt es seit 2009 die Möglichkeit, differenzierte Herstellungsbeiträge zu erheben, mit denen Altanschließer geringer als Neuanschließer belastet werden. Drittens können und sollen Härtefallregelungen zur Anwendung gebracht werden, wenn es um existenzielle Fragen geht. Wir sagen sehr klar: Es darf im Zusammenhang mit der Erhebung von Herstellungsbeiträgen nicht so weit kommen, dass selbstnutzende Hauseigentümer deswegen ihr Haus bzw. ihr Grundstück veräußern müssen. Dafür gibt es solche Härtefallregelungen.
Wir erwarten von der Landesregierung, dass die Verbände bei der Inanspruchnahme dieser Alternativen nicht behindert, sondern mit Rat und Tat unterstützt werden. Unter dieser Voraussetzung fordern wir die Verbände auf, ihren gesetzlich vorgesehenen Spielraum zugunsten der Altanschließer zu nutzen.
Wir kommen nunmehr zum Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Frau Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Jetzt sind wir also bei der sechsten Änderung des Kommunalabgabengesetzes, und wieder steht die Frage der Anschlussbeiträge im Mittelpunkt der Diskussion. Die Landesregierung hat uns einen Vorschlag vorgelegt, wie eine zeitlich genau gefasste Verjährungsregelung in das Kommunalabgabengesetz aufgenommen werden soll. Damit hat sie erfreulich schnell gehandelt - eine Schnelligkeit, die ich mir an manch anderer Stelle auch wünsche, zum Beispiel bei der Informationsfreiheit.
Leider gilt auch hier, dass dieser schnelle Beschluss erhebliche Risiken für das Land beinhaltet, sehr teuer für den Landeshaushalt werden könnte und das Potenzial hat, in den Gemeinden neue Konflikte zu provozieren.
Angestoßen durch das viel zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März dieses Jahres zur Verjährung von Beiträgen in einem Fall in Bayern hatte die Landesregierung zunächst andere Schlussfolgerungen gezogen als im vorliegenden Gesetzentwurf. In der ersten „Formulierungshilfe zur Regelung einer zeitlichen Obergrenze zum Vorteilsausgleich im KAG“ schrieb der Innenminister noch im April: „In Abwägung aller Interessen sollte die zeitliche Obergrenze für den Vorteilsausgleich regelmäßig 20 Jahre betragen …“ Hinzu käme eine 10-jährige Hemmfrist vor dem Hintergrund der Sondersituation nach der Wiedervereinigung. Beitragsforderungen wären damit bis zum 3. Oktober 2020 vollstreckbar gewesen.
Der Innenminister hat sich aber unter dem Druck des Koalitionsausschusses korrigiert. Jetzt kommt die Landesregierung in ihrer Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass 15 Jahre Verjährungshöchstfrist ausreichend seien. Damit würden entsprechende Forderungen spätestens Ende 2015 verjähren. Weshalb eine Verjährungshöchstfrist von 15 Jahren nun auf einmal angemessener erscheint, wird nicht begründet, zumal der Gesetzgeber einen sehr breiten Spielraum hat, wie Herr Innenminister Holzschuher selbst dargelegt hat.