Protocol of the Session on June 6, 2013

Herr Minister, ich sage es Ihnen: Davon halten die Menschen in Brandenburg nichts.

(Minister Dr. Woidke: Nein!)

Die Menschen in Brandenburg verlangen rund um die Uhr geöffnete Polizeireviere. Das ist auch ihr Recht, und zwar überall bei uns im Land Brandenburg, Herr Minister.

(Beifall CDU)

Ich gebe Ihnen dazu ein Beispiel: Ein Opfer einer gerade begangenen Straftat - so ein Opfer steht ja unter dem Eindruck der schlimmen Tat in einem starken Schock- und Erregungszustand und braucht besondere Einfühlung und Zuwendung will doch nicht nachts an einem geschlossenem Polizeirevier mit einer Wechselsprechanlage reden und dort sein Anliegen dem zig Kilometer entfernten Polizeibediensteten, der irgendwo in einer Inspektion sitzt, vortragen müssen.

(Frau Gregor-Ness [SPD]: So ein Quatsch! - Frau Alter [SPD]: Quatsch!)

Herr Minister, glauben Sie mir: So ist eine bürgernahe Polizei nicht machbar. Das ist bürgerferne Polizeiverwaltung.

(Beifall CDU)

So werden Sie notwendiges Vertrauen der Menschen in unsere Polizei in Brandenburg nicht erreichen.

(Günther [SPD]: Aus welcher Quelle wissen Sie das?)

Nicht nur Frankfurt (Oder) benötigt ein rund um die Uhr geöffnetes Polizeirevier, nein, alle Reviere dieses fünftgrößten Flächenlandes der Bundesrepublik müssen rund um die Uhr für die Menschen geöffnet bleiben.

(Beifall CDU - Minister Dr. Woidke: Das sind sie auch! Sagen Sie das doch dazu!)

- Herr Minister, geöffnet bleiben! Alles andere schadet der Sicherheit und wird das Sicherheitsgefühl der Menschen weiter schwächen, wird zum Beispiel dazu führen, dass die Anzeigebereitschaft der Menschen noch weiter zurückgeht und das Dunkelfeld tatsächlicher Kriminalitätsbelastung steigt.

(Zurufe von der SPD)

Herr Minister, wenn Sie eine zukunftsfähige Polizei wollen,

(Frau Gregor-Ness [SPD]: Das ist eine Aktuelle Stunde und keine Märchenstunde! Mein Gott!)

wenn Sie die Mindestbesetzung in den Polizeirevieren absichern wollen - Sie wissen, dass Sie da schon jetzt erhebliche Probleme haben -, dann müssen Sie auch Ihre Pläne für einen massiven Personalabbau stoppen. Sie hantieren heute immer noch mit den von Ex-Innenminister Speer völlig aus der Luft gegriffenen sogenannten Zielzahlen beim Personalbestand. Ich sage Ihnen: Stellen Sie den tatsächlichen Stellenbedarf der Polizei endlich ehrlich über eine Aufgaben- und Sicherheitsanalyse fest, wie es die CDU-Fraktion hier immer gefordert und auch parlamentarisch beantragt hat.

Wenn Sie das tun, dann muss in eine solche Personalbedarfsanalyse einfließen, dass Brandenburg seit Jahren eines der Flächenländer mit der höchsten Kriminalitätsbelastung ist, mit Baden-Württemberg also nicht verglichen werden kann. Selbstverständlich muss auch einfließen, dass Brandenburg eine über 250 km lange EU-Binnengrenze hat, mit den daraus resultierenden dramatischen Problemen. Das Stichwort ist hier die Eigentumskriminalität - ein Phänomen, das uns noch lange beschäftigen wird. Eine ehrliche Bedarfsermittlung verbietet es, Herr Minister, dass man den zu Recht besorgten und frustrierten Menschen in diesen Regionen vormacht, dass der Einsatz von drei Hundertschaften der Polizei eine dauerhafte Lösung zur wirksamen Bekämpfung dieses Problems sein wird.

Das zeigt auch das Paradoxe Ihrer Innenpolitik: Einerseits setzen Sie diese drei Hundertschaften in Ost-Brandenburg ein, andererseits bauen Sie bis zum Jahr 2020 genau in diesen Regionen ca. 750 Polizeipersonalstellen ab.

Herr Minister, Gutgläubigkeit hat immer Grenzen, und - glauben Sie es mir - die betroffenen Menschen merken genau, dass Sie kein dauerhaft tragendes Konzept haben. Ich verstehe die Menschen, die deshalb frustriert und verunsichert sind. Und so traurig das ist, Herr Minister, das sind bei Weitem noch nicht alle Probleme, denen Sie sich in der Innenpolitik gegenübersehen.

Es gibt in weiten Teilen Brandenburgs einen Vertrauensverlust der Bürger in den Staat. Wir haben keine Sicherheit mehr, wir haben eine weit verbreitete öffentliche Unsicherheit,

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Die Sie verbreiten!)

und Sie wissen: Es gibt nur wenige Faktoren, die das Lebensgefühl der Menschen in so hohem Maße beeinflussen wie die Gewissheit, ohne Angst vor Kriminalität und ohne Angst um das eigene Eigentum leben zu können. Deshalb fordern nicht nur die Menschen in Ostbrandenburg, sondern auch die Petenten beispielsweise aus Oberspreewald-Lausitz, die vor wenigen Wochen hier hinten saßen und Antworten von Ihnen gefordert, aber nicht bekommen haben und frustriert wieder nach Hause fahren mussten, oder auch Menschen im Berliner Umland, die vom Anstieg der Einbrüche massiv betroffen sind und mittlerweile übrigens den Einsatz von Hundertschaften auch in ihrer Region einfordern - was ich verstehen kann -, all diese Menschen fordern, dass Sie endlich schlüssige und dauerhafte Antworten geben. Sie fordern, dass Sie in der Innenpolitik in langen Linien denken, und Sie stehen hier in der Verantwortung, Herr Minister.

(Beifall CDU)

Wie wollen Sie in Zukunft befriedigende Aufklärungserfolge und bessere polizeiliche Ermittlungsergebnisse erzielen, die auch gerichtsverwertbar sind? Sie wissen genau, dass die Justiz im Land seit langem Alarm schlägt. Richter und Staatsanwälte bemängeln, dass die verwertbare Strafverfolgung deutlich gesunken ist und polizeiliche Ermittlungsergebnisse oft nicht mehr dazu taugen, vor Gericht als Beweismittel anerkannt zu werden und Täter zu überführen. Herr Minister, genau dazu ist polizeiliche Ermittlungsarbeit da.

Sie wissen, dass der Vorsitzende des Bundes Brandenburgischer Staatsanwälte eine Überlastung der Polizei beklagt. Auch

er spricht von einer bedenklichen Entwicklung: weniger Polizei auf der Straße und fehlende Zeit für die Beamten, die dringende Beweissicherung durchzuführen oder Zeugen zu vernehmen. Wie Sie wissen, kritisieren selbst leitende Oberstaatsanwälte und der Generalstaatsanwalt dieses Landes die Polizeireform und sind unzufrieden mit der Polizeiarbeit. Herr Innenminister, in Anbetracht dieser Kritik führt es nicht weiter, wenn Sie auf Personalversammlungen der Polizei Seitenhiebe gegen Ihre Kritiker aus der Justiz austeilen.

(Widerspruch von Minister Dr. Woidke)

- Ja, das machen Sie.

Ich sage Ihnen: Diese Kritik richtet sich nicht an unsere Polizisten, die in Anbetracht und trotz der Umstände alles für die Sicherheit des Landes tun und denen wir danken müssen, sondern direkt an Ihre Adresse. Deswegen rate ich Ihnen: Nehmen Sie diese fachliche Kritik ernst, versperren Sie sich nicht! Wie wollen Sie sonst die massiv angestiegenen Einbrüche, vor allem im Speckgürtel, wirksam bekämpfen? Sie haben darauf immer gleiche Antworten. Sie lauten: Wir werden mit einem neuen Konzept und gebündelten Kräften vorgehen. Aber Sie haben kein wirksames neues Konzept, und Kräfte zum Bündeln haben Sie schon gar nicht mehr. Die Wahrheit ist, dass Sie jede fünfte Stelle bei der Polizei abbauen.

(Bischoff [SPD]: Da klatscht noch nicht mal die CDU!)

Ich kann die Kette der Probleme endlos fortführen. Der eingerichtete Kriminaldauerdienst beispielsweise ist vom Ansatz her genau richtig. Aber wenn dort nicht genug Personal vorhanden ist, um das zu leisten, was er auf dem Papier im fünftgrößten Flächenland leisten soll, dann warten die Menschen eben stundenlang auf ihn. Das ist die Realität. Dieselben Probleme haben Sie beim Wach- und Wechseldienst. Und warum? Weil Sie die Polizei in der Fläche des Landes ausgedünnt haben und weiter ausdünnen.

(Minister Dr. Woidke: Falsch!)

Teilweise ist sie nicht mehr vorhanden.

(Minister Dr. Woidke: Auch das ist falsch!)

- Richtig, Herr Minister!

(Beifall CDU)

Ich sage Ihnen einmal, was heute Polizeialltag ist. Sprechen Sie einmal mit den Beamten! Die Beamten fahren teilweise bis zu 40 Kilometer allein im Funkstreifenwagen, um ihre Schichtpartner aufzunehmen, um überhaupt einsatzbereit zu sein. So wird mit Steuergeldern umgegangen! Dann kommt eine Hetze von Einsatz zu Einsatz. Zwischendurch müssen sie zum Schreiben in die Dienststelle, und dann passiert alles wieder von vorn. Ich kann Ihnen nur sagen: Unsere Polizisten arbeiten auf Totalverschleiß unter dem Limit. Das wird nicht lange gutgehen.

(Beifall CDU)

Klar ist auch: Dann bleibt eben keine Zeit mehr für Präsenz auf der Straße und Ermittlungsdruck, zum Beispiel bei Kontrolldelikten wie der Drogenkriminalität. Ich habe es schon mehr

fach angesprochen: Crystal-Meth, Drogenkriminalität - Herr Minister, das ist ein Problem in Brandenburg. Aber bei uns verschwindet es leider im Dunkelfeld, und die Resultate Ihrer Reformen sind immer länger werdende Interventionszeiten, eine geringere Einsatzbereitschaft der Polizei, stundenlanges Warten der Menschen auf die Polizei, auf den Funkstreifenwagen, Menschen, die den Hinweis am Telefon bekommen, die Verkehrsunfallaufnahme doch selbst zu besorgen - über Privatfotos und Ähnliches - und nicht bei jeder Lappalie gleich die Polizei zu rufen

(Holzschuher [SPD]: Das ist doch wohl richtig, oder?)

sowie weniger Polizeipräsenz auf unseren Straßen.

Herr Minister, Sie wissen, dazu kommt ein nie da gewesener Unmut innerhalb der Polizei. Die Polizisten haben innerlich gekündigt, fühlen sich nicht mitgenommen. Allein die gestiegenen Krankenstände - wir sind jetzt im Schnitt bei 35 Tagen im Jahr 2012 - im Schnitt! - sprechen eine deutliche Sprache und ich frage Sie: Was haben Sie dagegen getan? Sie haben nichts getan. Ich sehe keine Maßnahmen, die hier wirksam sind bzw. werden.

(Beifall CDU)

Herr Minister, die Menschen und die Polizisten des Landes erwarten von der Politik, dass sie Fehlentwicklungen erkennt, eingesteht und korrigiert. Es ist fünf vor zwölf für die innere Sicherheit im Land Brandenburg. Schaffen Sie jetzt Vertrauen und schlagen Sie das nicht verantwortbare Erbe des Sicherheitsabbaus des Ex-Innenministers endlich aus!

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Meinen Sie Herrn Schönbohm?)

Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Stark spricht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lakenmacher, ist es richtig, dass uns das Mikrofon an der Seite verrät, dass Sie heute ein Werbevideo drehen und aus diesem Grund das Thema der Aktuellen Stunde nicht ändern konnten und wir zum ca. 135. Mal über Sicherheitsfragen reden, obwohl die Menschen im Land am heutigen Tag ganz andere Sorgen haben?