Protocol of the Session on June 5, 2013

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Wir kommen nun zum Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Frau Abgeordnete Fortunato hat das Wort.

Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich etwas zu Herrn Hoffmann sagen: Der Werbeblock kommt sonst immer zum Schluss, aber schon an dieser Stelle weise ich Sie darauf hin, dass das Aktionsbündnis jüngst eine Broschüre zu verschiedenen Aktionsformen gegen Rechts herausgebracht hat. Ein Passus widmet sich Gemeinden, die sich mit Sitzblockaden gegen die Rechten gewehrt haben. Das sollten Sie einmal lesen, das ist sehr interessant.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Nun zu meiner Rede. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! „Tolerantes Brandenburg“ - wenn ich mich mit Bürgern unterhalte und die Rede auf meine Funktion „Sprecherin für ‚Tolerantes Brandenburg‘“ kommt, ernte ich mitunter fragende Blicke: Tolerantes Brandenburg? Wie jetzt? Toleranz? Gibt es dafür ein Konzept? Ist das nötig?

Ich sage dann immer: Ja, das ist notwendig - immer wieder und immer noch. Dazu brauchen wir die Partner und die Initiativen des „Toleranten Brandenburgs“, das seit mittlerweile 15 Jahren sehr gute Arbeit leistet. Es war und ist eine gute Sache. Meine Vorredner haben schon ausführlich über die Bedeutung des Jubiläums und über die Fortschritte in der Arbeit gesprochen. Dem kann ich mich im Namen meiner Fraktion nur anschließen. Wir danken all jenen, die nicht nachlassen, sich in unterschiedlichsten Initiativen und Projekten für eine tolerantere Gesellschaft zu engagieren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube, wir alle unterschätzen manchmal, was es bedeutet, kontinuierlich, aktiv, kreativ vor Ort, in den Städten und Gemeinden, zu arbeiten und Menschen zu sensibilisieren. Dafür kann man nicht oft genug Dankeschön sagen.

Wir im Land Brandenburg haben eine lange Tradition, wenn es um Toleranz geht. Ich meine jetzt nicht unbedingt nur Friedrich II. mit dem sogenannten „Toleranzedikt“ und dem Spruch: „Es lebe jeder nach seiner Fasson!“ Wer Beispiele aus der jüngeren Geschichte sucht, sollte sich diesen Bericht des „Toleranten Brandenburgs“ intensiv durchlesen.

Wie die meisten Menschen in unserem Land, so sind auch meine Fraktion und ich der Meinung: Toleranz für rechtes Gedankengut gibt es nicht. Menschenverachtende Ansichten und deren Propagierung in der Öffentlichkeit - dafür ist in Brandenburg kein Platz.

Lassen Sie mich deswegen an dieser Stelle noch einmal Folgendes sagen: Ein kluges Signal in diese Richtung wäre ein einstimmiges Votum dieses Hauses für eine Änderung der Verfassung Brandenburgs.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es ist eben nicht Privatsache, wenn Menschen mit anderen kulturellen Wurzeln diskriminiert werden. Es ist eben nicht Privatsache, wenn Menschen mit anderer Hautfarbe beschimpft oder, wie jüngst geschehen, ermordet werden. Es ist auch nicht Privatsache, wenn man wie vor einigen Wochen in Finowfurt privat rechtsextreme Musik zelebriert, um es für die Verbreitung von rechtem Gedankengut zu nutzen.

Zum Glück, meine Damen und Herren, hat in Finowfurt die oft zitierte Zivilgesellschaft zum Ausdruck gebracht, was sie davon hält, nämlich nichts.

Die Erkenntnis von der Notwendigkeit, sich dort den braunen Musikfans entgegenzustellen, und der Mut dazu sind das Ergebnis einer Arbeit über Jahre. Diese Erkenntnis ist gewachsen. Dass dem so war, ist dem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“, seinen Partnern und vielen anderen Initiativen zu verdanken.

Die eindrucksvolle Bilanz von 15 Jahren ist leider kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Wo demokratische Strukturen fehlen und Raum gelassen wird für Rechtsextreme, versuchen diese Einfluss in den Kommunen zu gewinnen. Neue Anhängerinnen und Anhänger sollen immer wieder mit Rattenfängermethoden und vermeintlich bürgernahen Themen rekrutiert werden.

Rechte Organisationen lösen sich auf und entstehen in anderer Form an anderer Stelle neu. Die Erscheinungsformen des Rechtsextremismus wandeln sich. Genau an dieser Stelle, meine Damen und Herren, sehe ich den Ansatzpunkt für die weitere Arbeit der Initiativen und Partner des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“. Mehr denn je sind moderne und spannende Ideen gefragt, wenn es um Aufklärungsarbeit, Proteste und die Vernetzung von Aktivitäten geht. Dazu braucht es eine auf Dauer gut ausgestattete Koordinierungsstelle und ein gut ausgestattetes Handlungskonzept, sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht.

In den letzten Jahren gab es immer wieder Unruhe bei den Akteuren, sei es durch den Umbau der Förderung, durch die Veränderung des Fokus oder durch die sogenannte Extremismusklausel. Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“, am 23. Juni 1998 von der Landesregierung beschlossen, sollte weiter gestärkt werden.

Ich bin gleich am Ende. - Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre nicht von Schaden, wenn sich noch mehr Landtagsabgeordnete als bisher für die Arbeit dieses Netzwerks, dieses Handlungskonzepts interessieren und engagieren würden. Lassen Sie uns nicht nur wie heute Abend Jubiläen zum Anlass nehmen, Gespräche zu führen, sondern lassen Sie es Bestandteil unserer täglichen Arbeit werden.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Ich darf Gäste begrüßen; den Seniorenbeirat aus Neuzelle. Herzlich willkommen im Landtag zu Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

(Goetz [FDP]: Moment!)

- Entschuldigung. Herr Goetz hat eine Kurzintervention angemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Fortunato, bitte verstehen Sie es nicht falsch. Es ist nicht böse gemeint, ich will aber auf einen Lapsus hinweisen, der mich stört.

Wir haben ein breites Spektrum von demokratischen Parteien. Das reicht von ganz weit links bis nach ganz weit rechts. Es gibt aber auch Menschen, die sich außerhalb dieses demokratischen Spektrums bewegen. Das sind die Extremisten, mit denen wir uns hier auseinandersetzen und mit denen sich auch das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ befasst.

Sie haben mehrfach von „rechtem Gedankengut“ und „rechten Organisationen“ gesprochen. Ich habe vom Grundsatz her nichts gegen rechtes Gedankengut, auch wenn es nicht meines ist. Ich habe auch nichts gegen linkes Gedankengut, auch wenn es ebenso wenig meines ist. Ich habe etwas gegen extremistisches Gedankengut auf jeder Seite, insbesondere dann, wenn es gewalttätig wird, im rechtsextremen Bereich und woanders auch.

Ich bitte das zu berücksichtigen. Man sollte nicht die eigene Position entwerten, indem man sprachlich Leute einbezieht, die dort nicht hineingehören.

Das war es auch schon. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Frau Fortunato, Sie haben die theoretische Möglichkeit, darauf zu reagieren.

(Frau Fortunato [DIE LINKE]: Ich denke, man hat uns schon verstanden!)

Danke. - Damit kommen wir jetzt zum Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es spricht die Abgeordnete Frau Nonnemacher.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste aus Neuzelle! Am 23. Juni jährt sich zum 15. Mal der Beschluss der Landesregierung, das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ zum ressortübergreifenden Leitbild der Regierungstätigkeit zu erheben, um Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in die Schranken zu weisen.

Der vierte Bericht der Landesregierung zum Landtagsbeschluss „Rechtsextremismus konsequent bekämpfen“ stellt dieses Jubiläum zu Recht in den Vordergrund und lässt die Akteure des Beratungsnetzwerkes, die Landesintegrationsbeauftragte und die einzelnen Ministerien sowie wissenschaftlichen Sachverstand zu Wort kommen.

Uns wird die deprimierende Ausgangslage in den 90er-Jahren eindrücklich vor Augen geführt. Brandenburg, das kompromittierte Land - Herr Ness hatte diesen Begriff, wie ich finde, zu Recht in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt. Brandenburg, das kompromittierte Land, machte mit rassistischen Morden an Andrzey Fratczak und Amadeu Antonio bis hin zur tödlichen Hetzjagd auf Farid Guendoul in Guben, mit Mordversuchen, Brandanschlägen auf Asylbewerbereinrichtungen und Übergriffen auf Berliner Schulklassen mit hohem Anteil an Migrantenkindern Negativschlagzeilen. Das besorgniserregende Ausmaß an rechtsextremistischer Gewalt und der verbreitete Ausländerhass müssen als zeitgeschichtlicher Kontext auch bei einem Sündenfall des Brandenburger Verfassungsschutzes, der V-Mann-Affäre Piatto, herangezogen werden. Dies soll problematische Entscheidungen nicht entschuldigen, aber verständlicher machen.

Dass Brandenburg mit seinen Problemen nicht allein stand, daran erinnert uns auch der 20. Jahrestag des entsetzlichen Brandanschlags von Solingen, bei dem fünf Frauen und

Mädchen umgebracht wurden. Auch dies und der Verweis auf die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Hoyerswerda sollen unsere Verantwortung in Brandenburg nicht kleinreden, sondern einordnen.

Verantwortung übernommen und Initiative gezeigt haben in den 90er-Jahren viele. Zu Recht immer wieder hervorgehoben werden Almuth Berger und Manfred Stolpe. Die Gründung eines mobilen Beratungsteams im Jahr 1992 und des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Mai 1997 sind mit ihren Namen verbunden.

Dirk Wilking vom Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung beschreibt in dem Bericht anschaulich, dass das Handlungskonzept anfangs von vielen für eine reine PR-Maßnahme gehalten wurde. Heute wird eigentlich von niemandem mehr bezweifelt, dass das Konzept ein großer Erfolg ist und sich insgesamt sehr bewährt hat.

Brandenburg hat in den letzten 15 Jahren einen guten Weg weg vom Leugnen, Bagatellisieren und Relativieren von rechtsextremistischer Gewalt hin zu klarer, unmissverständlicher Positionierung gegen diese menschenverachtenden Einstellungen und zur Ermutigung der demokratischen Zivilgesellschaft - genommen. Es ist auf diesem Weg ein besseres Land geworden.

Heute wird der Gesetzesinitiative zur Änderung unserer Verfassung ein ähnlicher Vorwurf gemacht: Es handele sich bei der Antirassismusklausel um PR- und Symbolpolitik. Ich halte das für falsch. Ich glaube fest daran, dass eine positive Staatszielbestimmung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit der Zeit eine normative Wirkung entfalten und Brandenburgs Weg zur Förderung von Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit wirkungsvoll unterstützen wird.

(Beifall B90/GRÜNE und SPD)

Genauso wird das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ nicht mehr belächelt, sondern es ist zu einem effektiven und wachsenden Beratungs- und Handlungsnetzwerk gediehen, welches geschätzt wird und auch in der Fläche des Landes auf immer aufgeschlossenere Akteure trifft. Die vielen Aktivitäten der zahlreichen Kooperationspartner legen davon Zeugnis ab. Ihnen sei für ihr Wirken herzlich gedankt.

Vor allem wissen wir: Salbungsvolle Reden sind zu Jubiläen in Ordnung, ein tolerantes Brandenburg braucht aber die stetige Aktivität der pluralistischen demokratischen Gesellschaft.

Wieder steigende Zahlen von rechtsextremistischen Gewalttaten, die Integration von Einwanderern und Asylbewerbern, Wahlkämpfe, bei denen sich Rechtspopulisten in Szene setzen werden, und die Begleitung der Wahl mit 16 Jahren sind aktuelle Herausforderungen für uns alle.

Ich komme zum Schluss. - Ich freue mich in diesem Sinne auf die nächsten Tage der Demokratie im August in Potsdam; denn die beste Prophylaxe gegen Extremismus und Intoleranz ist die Stärkung der Demokratie. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE und SPD)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, damit ist der Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen worden. Ich schließe Tagesordnungspunkt 5.

Ehe ich Tagesordnungspunkt 6 aufrufe, möchte der Ministerpräsident noch eine Information loswerden.

Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Sie informieren, dass der zuständige Katastrophenstab beschlossen hat, die Stadt Mühlberg zu evakuieren. Die Evakuierung wird in Kürze beginnen, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Ich bitte Sie um Ihr Verständnis die Stimmung können Sie sich vorstellen bei der Lage -, dass ich jetzt dort hinfahren werde. - Vielen Dank.