Protocol of the Session on November 14, 2012

tige Bewertung allerdings - auch das war und wurde in der Diskussion deutlich - sind die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen 2013 und 2014 abzuwarten. Erst dann liegen verlässliche Daten und Ergebnisse vor, die es uns ermöglichen, die Wirkung der Instrumente im Kinderschutz real einschätzen zu können.

Zur weiteren Stärkung der Kindergesundheit und des Kinderschutzes haben die Regierungsfraktionen die Landesregierung aufgefordert, entsprechende Maßnahmen, gegebenenfalls gesetzliche Regelungen, vorzubereiten und dem Landtag vorzulegen. Dabei sollten folgende Bereiche in den Blick genommen werden: Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes, Verbesserung des Rückmeldewesens der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte, Schließung der bisherigen Lücke zwischen Schuleingangs- und Schulabgangsuntersuchungen, Verbesserung der Kooperation zwischen Gesundheits- und Jugendämtern, Gesundheitsprävention an Schulen und die Zusammenarbeit bei Angeboten der Frühen Hilfen mit denen der Frühförderung. Alle diese Dinge galt es weiterzuentwickeln.

Eben dieser Bericht, meine Damen und Herren, liegt uns heute vor. Der Bericht zeigt deutlich: In puncto Kindergesundheit, in puncto Kinderschutz hat sich viel entwickelt, bzw. vieles befindet sich in der Entwicklung. Eine zentrale Rolle spielt der öffentliche Gesundheitsdienst: in der Frühförderung, im Kitabereich, aber auch in der Schule und in der Jugendhilfe. Das ist absolut richtig und notwendig. Es stellt die Gesundheitsämter vor große Herausforderungen, für die sie auch entsprechend aufgestellt sein müssen, unter anderem auch personell.

Frau Blechinger, die Bemühungen zur Optimierung des Rückmeldewesens der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte werden im Bericht sehr deutlich. Diese Bemühungen werden mit Sicherheit auch Früchte tragen. Sehr anzuerkennen ist hierbei das Engagement der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Landesregierung hat der Verwaltungsvereinbarung „Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hilfen“ Ende August zugestimmt. Damit werden vor allem interdisziplinäre Netzwerkstrukturen im Kinderschutz weiterentwickelt.

In den „Netzwerken Gesunde Kinder“ kann das ehrenamtliche Engagement gestärkt und somit auch gestützt werden. Dass diese Angebote mit den regionalen Frühförderstellen enger verzahnt werden, ist nur zu begrüßen. Umso wichtiger erscheint mir, die Frühförderung nun endlich als Komplexleistung zu verstehen. Unser gemeinsamer Antrag für die morgige Sitzung bekommt da noch einmal eine ganz besondere Bedeutung.

Zu den weiteren Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen im Schulalter gibt der Bericht - gut zuhören, Frau Blechinger! - nicht wirklich eine Antwort. Um die Lücke zwischen den Schuleingangs- und den Schulabgangsuntersuchungen zu schließen, ist mehr als Aufklärung und allseitige Information erforderlich. Hier benötigen wir feste Strukturen. Gerade in diesem Zeitraum unterliegen Kinder einer gravierenden physischen und psychischen Entwicklung, zum Teil auch Belastung, die medizinisch in den Blick genommen werden muss. Derzeit bieten leider nicht alle Krankenkassen für diesen Zeitraum Vorsorgeuntersuchungen an.

Ich bin mir mit der Kollegin Wöllert darin einig, dass wir dieses Thema im Fachausschuss nochmals vertieft diskutieren wollen. Ich empfehle diesbezüglich ein Fachgespräch mit allen

Beteiligten und denke dabei an die Krankenkassen, die Kassenärztliche Vereinigung und den Landesverband der Pädiater.

Derzeit - das ist das Fazit - bedarf es keiner gesetzlichen Regelung. Dieser Aussage stimmen wir zu. Wir denken, dass die Wirksamkeit der bestehenden Instrumente regelmäßig überprüft werden muss und die Instrumente angewandt werden müssen. Mit der gegenwärtigen Struktur sehen wir dabei recht gute Möglichkeiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und vereinzelt bei der Fraktion DIE LINKE)

Der Abgeordnete Büttner spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben über den Kinderschutz und die Kindergesundheit bereits im Juni-Plenum diskutiert. Das ist eine interessante Debatte. Ich gebe Ihnen dann einmal die dritte Auslegung ein und desselben Berichts, den wir offensichtlich gelesen haben, was aber auch das Spannende an diesen Debatten ist.

Meine Damen und Herren, der von der Landesregierung vorgelegte Bericht zeigt, dass Brandenburg in den vergangenen Jahren einiges im Bereich Kinderschutz und Kindergesundheit unternommen hat und dass die einzelnen Maßnahmen auch Wirkung zeigen. So ist etwa die Inanspruchnahme der U8-Untersuchung von 79 % im Jahr 2009 auf 86 % im Jahr 2011 gestiegen, was nur zu begrüßen ist.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig! - Frau Melior [SPD]: Ge- nau!)

Zudem bewerten wir, dass die Informationspolitik der Landesregierung zu diesem Thema auf einer soliden Basis steht. Die Überarbeitung des Leitfadens „Früherkennung von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ ist sinnvoll - genauso, wie die vom Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz geplante Broschüre, mit deren Hilfe Familien aufgeklärt und auf die Früherkennungsuntersuchungen hingewiesen werden sollen.

Insgesamt gibt es also ein gutes Angebot an Informationen und Netzwerken im Land, die auf politisches Handeln, aber insbesondere auf die ehrenamtliche Arbeit vor Ort zurückgehen. Insofern an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön und Anerkennung für diese ehrenamtliche Arbeit vor Ort!

(Beifall FDP und SPD)

Daneben gibt es aber eine Reihe von Punkten, bei denen wir Handlungsbedarf sehen. Im Zentrum stehen hierbei Familien, die weder ihre Kinder an den U-Untersuchungen teilnehmen lassen noch das Beratungsangebot wahrnehmen. Damit liegen keine Informationen über den Entwicklungsstand des Kindes sowie die soziale Situation in dessen häuslichem Umfeld vor.

Dabei geht es auch um die Ärzte und ihre Aufgabe, Familien über die Notwendigkeit und die Vorteile der regelmäßigen Teilnahme an U-Untersuchungen zu informieren sowie die Teilnahmebestätigung - wie es im Brandenburgischen Gesundheits

dienstgesetz vorgeschrieben ist - an die zuständige Stelle im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, LUGV, zu schicken. Ich selbst habe mehrfach erlebt, dass mir immer wieder die Aufforderung zugesandt wurde, mit meinem Kind zur U-Untersuchung zu gehen, obwohl wir schon längst bei der U-Untersuchung waren, die Rückmeldung jedoch nicht an das LUGV weitergeleitet wurde.

Aus unserer Sicht ist auch die Situation bei den Schuluntersuchungen unbefriedigend. Die Lücke, die derzeit zwischen den Schuleingangs- und den Schulabgangsuntersuchungen klafft, muss geschlossen werden. An dieser Stelle helfen auch keine freiwilligen und kostenpflichtigen Regelungen, wie sie von einigen Krankenkassen angeboten werden. Vielmehr benötigen wir eine verlässliche Finanzierung für die U10- und U11- sowie für die J1- und J2-Untersuchungen, damit die Gesundheitsämter und die Schulen einen vergleichsweise regelmäßigen Überblick über die körperliche Entwicklung der Schüler haben. Die derzeitige Kostenregelung ist ein Anfang, bleibt unter dem Strich aber Flickwerk.

Meine Damen und Herren, die Probleme der Gesundheitsämter sind uns durchaus bewusst, dennoch dürfen die Kinder nicht unter den Versorgungsengpässen leiden. Insofern ist es wichtig, dass die Kassenärztliche Vereinigung endlich mit den Krankenkassen gemeinsam Lösungen entwickelt.

In der Frage, wie mit Familien umzugehen ist, über die bei den entsprechenden Stellen keinerlei Informationen über den Stand der Entwicklung des Kindes vorliegen und welche auch nicht auf Nachfragen und Hinweise der Gesundheitsämter reagieren, wandeln wir auf einem schmalen Grat. Einerseits ist die Betreuung und Erziehung der Kinder natürlich Aufgabe und Pflicht der Eltern. Jedoch müssen wir erkennen, dass es eben Eltern bzw. Elternteile gibt, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind und im Zweifel die Gesundheit und damit auch die Entwicklung ihrer Kinder gefährden. An dieser Stelle müssen wir die Frage nach den Kompetenzen der Gesundheitsämter in Verbindung mit denen der Polizei klären und gegebenenfalls neu beantworten.

Vor diesem Hintergrund ist es eine gute Nachricht, dass vor allem in Familien mit niedrigem Sozialstatus die Untersuchungen stärker in Anspruch genommen werden. Nach wie vor gilt: Jedes Kind, welches in seiner Entwicklung zurückbleibt, ist eines zu viel.

Aber auch die Ärzte füllen ihre Schnittstellenfunktion zwischen den Familien und den Ämtern noch nicht optimal aus. Insbesondere - ich habe es bereits angesprochen - das Rückmeldewesen an die zentrale Stelle innerhalb des LUGV muss noch besser werden.

Wir als FDP-Fraktion bleiben bei unserer Einschätzung, dass es sinnvoll wäre, aufbauend auf dem Bundeskinderschutzgesetz ein Ausführungsgesetz für das Land Brandenburg zu erarbeiten, in dem die Handlungsfelder und Kompetenzen aller Akteure im Bereich Kinderschutz gebündelt werden und durch welches wir einen Kinderschutz aus einem Guss organisieren. Ein solches Ausführungsgesetz sollte fraktionsübergreifend erarbeitet werden. Vielleicht gelingt es uns, das Thema im Land - trotz der bevorstehenden Wahlkämpfe - zu forcieren und zu einer guten Lösung zu kommen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP sowie des Abgeordneten Dombrowski [CDU])

Nun erhält die Abgeordnete Wöllert für die Linksfraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! - Frau Blechinger, Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben: Ich werde nicht in Lobhudelei für den Bericht verfallen. Diesem Anspruch werde ich nicht gerecht. Ich werde aber auch nicht nur das aufzählen, was nicht in Ordnung ist. Vielmehr müssen wir nach Lösungen suchen, wie wir die Sache anpacken können. Dazu hätte ich auch gern von Ihnen einige Ansätze gehört, statt lediglich Kritikpunkte zu vernehmen.

Das, was ich positiv finde, ist das in dem Bericht der Landesregierung formulierte Ziel:

„Ziel der Landesentwicklung ist es, das gesellschaftliche Bewusstsein für den Kinderschutz als Querschnittsaufgabe und die Konzepte der Kinderschutzarbeit in Prävention und Intervention zu stärken, damit Kinder im Land Brandenburg gesund und sicher aufwachsen.“

Diesbezüglich gibt es sicherlich keinen Dissens zwischen allen Fraktionen dieses Hauses. Genau diese Aussage wäre auch ein richtiger Ansatzpunkt.

Wenn wir als Ausgangspunkt nehmen, dass wir von einem ganz engen Begriff des Kinderschutzes ausgegangen sind und nun die Thematik schon viel weiter fassen - unter Beteiligung aller Institutionen, unter Einbeziehung der Familie und familienpolitischer Maßnahmen sowie der Gesundheit -, sind wir bereits einen Schritt vorangekommen. Nun gilt es, dies weiter auszubauen.

Nun habe auch ich einige kritische Punkte anzumerken. Unter anderem haben wir aus gutem Grund darauf hingewiesen, dass es eine große Lücke zwischen der Schuleingangs- und der Schulabgangsuntersuchung gibt. Das, was diesbezüglich konstatiert und an Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt wurde, ist einfach nicht zufriedenstellend. Hier müssen wir andere Lösungen finden.

Erstens: Die Jugenduntersuchungen erfassen nicht das Alter. Selbst beim Rückmeldewesen und 100%iger Inanspruchnahme dieser Untersuchung würde die Rückfrage erst ab einem Alter von 15 Jahren erfolgen können. Damit wäre man bereits direkt in den Schulabgangsuntersuchungen. Insofern ist diese bereits rein technisch nicht möglich.

Zweitens: Des Weiteren gibt es eine Problematik, die auch den Ärztinnen und Ärzten des öffentlichen Gesundheitsdienstes bekannt ist: Die Früherkennungsuntersuchungen beim niedergelassenen Arzt unterscheiden sich deutlich von den Untersuchungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Sie sind also nicht gleichartig.

Drittens: Die Untersuchung bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten liefert keine Gesundheitsdaten, die Rückschlüsse für das Handeln der Landesregierung anschließend zulassen.

Insofern spielen alle drei Faktoren hier eine Rolle.

Nicht untersucht wurden hingegen Kooperationsmöglichkeiten mit den Krankenhäusern. Diesen Schwerpunkt gab es bereits. Ich erinnere mich dabei an Folgendes: Im Havelland gab es ein Modell mit Verträgen, nach denen die Untersuchungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes auf ein kommunales Krankenhaus übertragen wurden und es diesbezüglich Möglichkeiten gab. Aus diesem Grund sind wir gefragt - unter den Bedingungen, mit denen wir es nun einmal zu tun haben -, kreativ nach Möglichkeiten zu suchen, wie wir das weiter ausbauen können.

Überhaupt nicht mitgehen kann ich mit dem Gedanken der Neutralität der Schule, das heißt, dass dort keine niedergelassenen Ärzte hindürften. Ich habe unter Ärzten gefragt, wo es diese Regelung gibt; sie ist hier keinem bekannt gewesen. Das ist wirklich jenseits dessen, was fachlich zu verantworten ist, und ich bitte das nochmals zu überdenken.

Lassen Sie mich mit einem Zitat von Prof. Klaus Hurrelmann enden, dem Verfasser der World-Vision-Studie zu Kindern, in der diese selbst befragt wurden, und dies als Auftrag für uns nehmen. Er sagte einmal in einer Veranstaltung:

„Das oberste Ziel der Politik für Kinder muss es also sein, die Verantwortung der ganzen Gemeinschaft zu wecken und das Kind in die Familie, in die ganze Gemeinschaft einzubeziehen und nicht davon auszugehen, dass Erziehen eine Privatsache der Eltern sei. Dieser Fehler passiert unserem System sehr schnell. Das Erziehen der Kinder als eine öffentliche Verantwortung zu verstehen, die von den Eltern zwar privat koordiniert wird, an der sich aber die ganze Gesellschaft beteiligen muss - dieses Verständnis muss erst wachsen.“

Ich denke, dem ist nicht viel hinzuzufügen. Dazu gehört auch die große Politik, die nach einer Berechnung der Bundesregierung pro Jahr circa 180 Milliarden Euro für die Familienpolitik ausgibt. Das ist viel, auch international; aber der große Batzen darin sind Ehegattensplitting und Kindergeld. Hier sollten wir wahrscheinlich insgesamt ein Umdenken einleiten, wie wir das besser koordinieren können.

(Ein akustisches Signal ertönt.)

Ich höre schon auf. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich hoffe, im neuen Landtag werden wir größere rote Lampen haben, damit sie niemand mehr übersehen kann. - Wir kommen zum Beitrag der Abgeordneten Nonnemacher für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute den Bericht der Landesregierung zur Kindergesundheit und zum Kinderschutz. Der Titel des Berichtes erinnert uns daran, dass im Koalitionsvertrag steht:

„Die Koalition prüft, nach einer Evaluation bestehender Instrumente, alle Regeln … in einem ,Kindergesundheitsund Kinderschutzgesetz’ zusammenzufassen.“

Wir sind natürlich gespannt, ob der Bericht dazu führt, ein Landeskinderschutzgesetz in Angriff zu nehmen, wie wir Grünen es seit Langem fordern, denn wir wissen alle: Kinderschutz kostet auch Geld, und so ein Kinderschutzgesetz würde endlich verbindlich klären, woher wir dieses Geld nehmen wollen.

Wenig überraschend behauptet der Bericht jedoch, die Landesregierung halte bereits heute ein komplexes System vor, um gesundheitliche Chancengleichheit zu erreichen. Brandenburg befinde sich in einem fortlaufenden Prozess, die Kindergesundheit und den Kinderschutz langfristig zu stärken. Dazu bedürfe es nur noch mehr Transparenz, um den Familien die Angebote bekannt zu machen, und noch besserer Verzahnung. Neuer landesgesetzlicher Regelungen, eines Landeskinderschutzgesetzes bedürfe es derzeit nicht - na so was!