Protocol of the Session on September 26, 2012

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wie sieht es mit guter Arbeit und fairen Löhnen in Deutschland aus? - Die Beschäftigung der letzten zehn bis elf Jahre war in Deutschland durch zwei Trends gekennzeichnet. Erstens: Trotz steigender Erwerbstätigenzahlen in den letzten zehn Jahren haben wir einen hohen Anteil atypischer Beschäftigungsformen. Mehr als 28 % der Erwerbstätigen waren im Jahr 2010 in Teilzeit beschäftigt und 15 % hatten ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis.

Auf die Leiharbeit und die befristeten Arbeitsverhältnisse möchte ich an der Stelle nicht gesondert eingehen, aber sie bei den atypischen Beschäftigungsformen der Vollständigkeit halber erwähnt haben.

Zweitens: Der Niedriglohnsektor hat deutlich an Gewicht zugelegt. Im Jahr 2010 machte der Niedriglohnsektor 21,4 % aller Beschäftigten aus. Im europäischen Kontext liegt Deutschland damit deutlich über dem OECD-Durchschnitt. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn im Niedriglohnbereich lag im Jahr 2010 bei 6,60 Euro und damit deutlich unter den jeweiligen Niedriglohnschwellen.

Ein besonderes Niedriglohnrisiko weisen Geringqualifizierte, Frauen sowie besonders junge und alte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf. Diese Entwicklung der letzten zehn Jahre auf dem Arbeitsmarkt bereitet mir, ehrlich gesagt, große Sorgen - ganz allgemein, aber auch im Konkreten in puncto Rente und Altersarmut. Ganz klar: Ein gesetzlicher Mindestlohn muss endlich her, wenn die Menschen eine Perspektive haben sollen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Dass im SPD-Rentenkonzept auf diesen Mindestlohn gesetzt wird, macht Sinn und ist richtig.

Zudem müssen alle Voraussetzungen am Arbeitsmarkt geschaffen werden, die eine gute Rente durch eigene Erwerbsarbeit ermöglichen. Davon sind wir heute leider noch weit entfernt. Von den etwa 18 Millionen Rentnerinnen und Rentnern sind derzeit nur etwa 2,5 % auf Sozialhilfe - der Grundsicherung im Alter - angewiesen. Da aber in den letzten Jahren die atypischen Beschäftigungsformen sowie der Niedriglohnsektor stark angewachsen sind, verstärkt sich auch das Armutsrisiko im Alter, was zugleich die gesetzliche Rentenversicherung schwächt. Zur Bekämpfung des Risikos der Altersarmut ist deshalb die Stärkung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung von großer Bedeutung.

(Frau Schier [CDU]: Jawohl!)

- Ich dachte, die CDU wollte klatschen. - Aber wohl doch nicht.

Neben der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ist vor allem die gesetzliche Durchsetzung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei Frauen und Männern sowie bei Leiharbeitern und Festangestellten“ erforderlich. Insgesamt brauchen wir ein höheres Einkommensniveau. Die aktuellen Rentenvorschläge der Bundesregierung berücksichtigen diese Gesichtspunkte nicht und sind somit wenig hilfreich bei der Bekämpfung der Altersarmut. Im Gegenteil. Die Bundesregierung fördert mit ihrer Tatenlosigkeit in der Arbeitsmarktpolitik sogar die Erwerbs- und Altersarmut. Schlimmer noch: Sie nimmt dies billigend in Kauf und plant bereits jetzt mit einer steigenden Zahl an Personen, die in den nächsten Jahren auf die Zuschussrente angewiesen sein werden, von 25 000 im Jahr 2014 auf 550 000 im Jahr 2020 und 1,4 Millionen Menschen im Jahr 2030.

Ich sage deutlich: Wenn uns die Reform am Arbeitsmarkt nicht gelingt, sehe ich kaum Möglichkeiten, am bereits beschlossenen Rentensenkungsniveau weiter festzuhalten. Deshalb bin ich froh, dass der SPD-Parteivorstand am Montag diese Frage vorerst ausgeklammert hat. Somit bleibt uns Zeit für unsere weite, umfassende Diskussion in die Gesellschaft hinein.

Die Anerkennung der Lebensleistung und der Schutz vor Armut sind nicht allein durch die Reform der gesetzlichen oder privaten Rentenvorsorge zu bewältigen. Mindestens ebenso notwendig sind Veränderungen in der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik. Dies im Gesamtzusammenhang zu diskutieren braucht Zeit.

Künftige Alterssicherungspolitik muss auch flexiblere und sozialverträgliche Regeln für den Übergang aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Die Entscheidung der

Großen Koalition aus dem Jahr 2007 zur Heraufsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf das 67. Lebensjahr für Versicherte mit weniger als 45 Versicherungsjahren war eine Konsequenz der deutlich gestiegenen Lebenserwartung, des späteren Eintritts ins Arbeitsleben und der sinkenden Zahl von erwerbstätigen Beitragszahlern.

Diese Entscheidung stellen wir als SPD nicht infrage. Allerdings muss die Situation am Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutlich besser werden. Der Umbau einer alters- und alternsgerechten Arbeitswelt ist erforderlich, um längeres, gesundes Arbeiten zu ermöglichen. Niemand darf für Langzeitarbeitslosigkeit und Niedriglohn bei den Rentenbezügen bestraft werden. Diese Fehlentwicklung auf dem Arbeitsmarkt der vergangenen Jahre kann dem Einzelnen nicht angelastet werden.

Hierfür will die SPD als zweite Stufe der Grundsicherung eine Solidarrente in Höhe von 850 Euro einführen - finanziert aus Steuermitteln ohne Bedürftigkeitsprüfung im klassischen Sinn. Sie beschränkt sich lediglich auf die regelmäßigen Einkünfte wie Unterhalt, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstigen Altersvorsorgen. Mit der Einführung der Solidarrente wird auch sichergestellt, dass sich lebenslange Arbeit und Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung lohnen. Niemand muss fürchten, nach einem langen Berufsleben lediglich das niedrige Niveau der heutigen Grundsicherung zu erhalten.

Auch in Brandenburg wird die Gesellschaft immer älter. Das Durchschnittsalter steigt bis zum Jahr 2030 von derzeit knapp 45 Jahren auf 53 Jahre. Das Verhältnis der Erwerbstätigen zu den Rentnern steigt von gegenwärtig 36 auf 78. Anders formuliert heißt das: Im Jahr 2030 stehen 100 erwerbsfähigen Menschen 78 Rentner gegenüber - eine Vervierfachung in nur 40 Jahren. Angesichts einer umlagefinanzierten Rentenversicherung wird darin das Finanzierungsproblem sichtbar.

Mit den Leitlinien zur Seniorenpolitik - ergänzt um das seniorenpolitische Maßnahmenpaket - versuchen wir in der Landesregierung, präventiv bzw. vorsorgend die Beschäftigungschancen vor allem für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern. Aber, meine Damen und Herren, Rentenpolitik ist Bundessache.

Für die Sozialdemokraten ist und bleibt in der Rentenpolitik wichtig: Lebensleistung muss sich lohnen. Die entscheidende Säule hierfür ist die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung. Das erfordert eine langfristige finanzielle Reserve im System der Rentenversicherung. Und was macht die Bundesregierung? - Sie senkt die Beiträge von derzeit 19,9 auf 19,1 % im Wahljahr. Damit spielt sie mit den Gefühlen der Menschen. Zudem erfolgt das zulasten einer sicheren Finanzierung aus dem Rentensystem. - Herzlichen Dank.

(Zuruf des Abgeordneten Büttner [FDP] - Beifall SPD so- wie des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Die Abgeordnete Schulz-Höpfner setzt die Debatte für die CDU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat in der Vergangenheit immer wieder Versuche gegeben, die Rente zu verbessern. Zugeben muss man, dass dies meist lediglich zur Verschlimmbesserung führte. Es helfen aber auch keine Horrorszenarien oder eine große Verunsicherung der Menschen. Die Menschen wollen Sicherheit für ihr Alter. Sie wollen wissen, was sie am Ende ihres Arbeitslebens erhalten, und dies auch nachvollziehen können. Das muss man ganz deutlich an den Anfang stellen. Insofern glaube ich auch, dass wir die Debatte um zukunftsfeste Renten nur im großen Konsens in der Gesellschaft, in der Politik sowie in der Arbeitswelt gemeinsam bestreiten können. Anders wird es nicht gehen.

(Beifall CDU und FDP)

Damit, dass es durchaus unterschiedliche Ansätze gibt, kann man gut leben. Die Debatte um die besten Lösungen muss geführt werden. Dennoch muss am Ende ein großer, breit getragener Konsens der gesamten Gesellschaft stehen.

Die damalige rot-grüne Bundesregierung hat die Absenkung des Rentenniveaus vorgeschlagen und auch beschlossen, was bereits selbstkritisch angemerkt wurde. Auch die Besteuerung der Renten, insbesondere bei Paaren, die aus einem Rentenempfänger und einem Berufstätigen bestehen, hat zu einer deutlichen steuerlichen Mehrbelastung geführt und wurde ebenfalls von Rot-Grün beschlossen.

Natürlich darf man sich dann nicht wundern, dass diese Beschlüsse auch tatsächlich zu einer geringeren Rente führen und insbesondere die Durchschnittsverdiener betroffen sind. Somit ist es schon mit einiger Ironie zu betrachten, wenn ausgerechnet die Grünen heute im Landtag zum bundespolitischen Rundumschlag in Sachen Rente ausholen.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE] - Beifall CDU und FDP)

Selbstverständlich ist das ein wichtiges Thema, das uns alle angeht. Das will ich damit auch nicht gesagt haben - nicht, dass anschließend jemand sagt: Sie wollen wohl gar nicht darüber sprechen -, aber wir bringen uns als Partei dort in die Debatte ein, wo wir tatsächlich etwas bewegen können. Dass wir hier im Land unsere Anliegen vortragen, ist durchaus gerechtfertigt. Dennoch sind bundespolitische Debatten vom hiesigen Pult aus unangebracht; denn wir haben im Land genug zu tun und mit vielen Problemen zu kämpfen, sodass man sicherlich ein anderes Thema hätte wählen können.

(Beifall CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Brandenburger Arbeitsmarktstrukturen mit den vielen KMU, mit den kleinst-, klein- und mittelständischen Unternehmen kennt, weiß auch, dass in vielen Unternehmen - insbesondere für ungelernte Arbeitskräfte und Hilfstätigkeiten - kaum Bruttolöhne von 2 500 Euro überhaupt gezahlt werden können. Diese Diskussion, meine Damen und Herren, geht nach meinem Dafürhalten an der Wirklichkeit vorbei und ist einigermaßen lebensfremd.

(Beifall CDU)

Offensichtlich bemerken SPD und Grüne erst jetzt, welche Auswirkungen ihre eigenen Beschlüsse haben. Viele Rentner werden trotz eines ausgefüllten Lebens in Arbeit nur die Regelaltersrente bekommen; steigende Mieten und Preise belasten natürlich auch die Rentnerinnen und Rentner im Land, und besonders alleinstehende Rentner werden dadurch hart getroffen. Und: Sie wollen und sollen ja auch noch am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Das ist für mich ein besonders wichtiger Aspekt, dass zur Altersarmut dann nicht noch eine Altersvereinsamung kommt. Das heißt bei realistischer Betrachtung, dass es in Zukunft mehr Wohngemeinschaften und auch Seniorengenossenschaften geben wird. Aber dann muss man auch die Verantwortung, die man hier im Land trägt, übernehmen und endlich an der Front aktiv werden.

(Beifall CDU)

Natürlich kann man den Eindruck gewinnen, dass jetzt hektisch Konzepte diskutiert werden, wie man Altersarmut verhindern kann. Frau von der Leyen will die Zuschussrente und diese aus Beiträgen finanzieren; die SPD möchte eine steuerfinanzierte Zuschussrente. Das alles wirft natürlich wieder neue Fragen auf: Mit der beitragsfinanzierten Zuschussrente belaste ich die Beitragszahler, mit der steuerfinanzierten natürlich den Steuerzahler. Rente würde, wenn es nach Letztgenanntem ginge, nicht mehr nach den zuvor geleisteten Beiträgen gezahlt. Ein ehemaliger Arbeitnehmer, der etwas mehr als die Zuschussrente erhält, hat diese für andere mitfinanziert, ohne selbst davon zu profitieren. Da hätte man gleich auf die Absenkung des Rentenniveaus verzichten können.

(Beifall CDU)

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch das Problem der Unterbrechung der Erwerbsbiografien ansprechen - sei es durch Arbeitslosigkeit, Kindererziehung oder Pflegezeiten -, und ich möchte es ganz schlicht so zusammenfassen: Für diejenigen, die einen Beitrag geleistet, die gearbeitet haben - wo und was auch immer, ob in Teilzeit oder im Minijob, sie haben gearbeitet -, die Kinder erzogen und die Familienangehörige gepflegt haben, muss ein würdiges Altern mit einer eigenen Rente gesichert werden. Das muss der Grundsatz für uns alle sein.

(Beifall FDP, GRÜNE/B90 - Frau Lehmann [SPD]: Weitersagen!)

Ich spreche mich aber auch ganz klar gegen die Subventionierung durch Zuschussrenten für notorische Drückeberger und Arbeitsverweigerer aus!

(Beifall CDU - Oh! bei der SPD)

Und das muss man den Menschen auch ehrlich genau so sagen. Ich kann Ihnen dazu gern Beispiele nennen. Wer sein Leben wissentlich so gestaltet, muss mit einer Mindestfinanzierung im Alter leben - so deutlich muss man es den Menschen dann auch sagen. Ich spreche aber ausdrücklich eben nicht von denen, die arbeiten wollen, sondern von denen, die nicht wollen.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der richtige Weg für ein solides Auskommen im Alter ist und bleibt, die zweite und

dritte Säule der Alterssicherung auszubauen, so wie das ursprünglich einmal geplant war. Die betriebliche und private Vorsorge muss für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möglich und selbstverständlich werden. Daher ist die anstehende Senkung des Rentenbeitrags ab dem 01.01.2013 ein richtiges Signal.

Hätte Rot-Grün etwas für die Durchschnittsverdiener tun wollen, damit diesem Personenkreis mehr Netto vom Brutto bleibt, hätte man sich im Bundesrat nicht gegen die steuerliche Entlastung aussprechen dürfen. Wenn die Durchschnittsverdiener steuerlich überproportional beansprucht werden, bleibt ihnen logischerweise weniger für die private Altersvorsorge.

Hören Sie deshalb auf, den Menschen Sand in die Augen zu streuen! Nutzen Sie die Möglichkeiten, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr von ihrem Geld zu lassen, und bringen Sie die Menschen in Arbeit!

(Krause [DIE LINKE]: Lächerlich! - Beifall CDU)

Nutzen Sie die Möglichkeiten, in Zeiten des Fachkräftemangels Menschen zu qualifizieren und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Zeit der millionenschweren Arbeitsmarktprogramme - das haben, glaube ich, selbst Sie gemerkt - ist vorbei. Die haben meiner Meinung nach auch nicht den gewünschten Effekt gebracht.

Zur Mindestlohndebatte lassen Sie mich so viel anmerken: Frau von der Leyen hat am 13.09.2012 im Bundestag gesagt:

„Richtig ist auch, dass gute Arbeit auf Dauer fair bezahlt werden muss.“

(Beifall CDU)