Was wären die Auswirkungen auf die Kommunen oder Zweckverbände, wenn das Widerspruchsverfahren bis zum letztinstanzlichen Urteil des EuGH ruht? Sollen die Kommunen bis zu zwölf Jahre warten, bis sie entsprechende Beitragseinnahmen einziehen können? - In so manchem Fall könnte das zur Insolvenz von Zweckverbänden führen. Ist das wirklich so von Ihnen beabsichtigt?
Der Überweisung in den Innenausschuss wird meine Fraktion zustimmen, auch wenn uns die vorgeschlagenen Änderungen nicht hilfreich und die Auswirkungen auf das gesamte KAG nicht absehbar erscheinen.
Das Verfassungsgericht hat eigeninitiativ den Rahmen der Verfassungsbeschwerde stark erweitert. Eine tiefgreifende Überprüfung der Altanschließer-Problematik ist also zu erwarten. Vor dem Hintergrund dieses Urteils können wir dann Änderungen des Kommunalabgabengesetzes vornehmen. Ob damit dieses Land allerdings zur Ruhe kommt, wird sich noch zeigen, stellt doch der VDGN in seinem Mitgliederjournal schon einmal die Frage: Wie objektiv sind die Richter am Verfassungsgericht in Brandenburg?
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Dr. Woidke erhält das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich etwas zurückblicken: Wir beschäftigen uns in diesem Haus seit dem Jahr 2007 sehr intensiv mit der Frage der sogenannten Altanschließer. Ich kann mich an sehr viele und sehr vehemente Debatten in diesem Hohen Haus erinnern.
Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Rechtslage in diesem Bereich eine äußerst komplizierte ist, obwohl es sich um einen denkbar einfachen Fakt handelt. Grundlage für das OVG-Urteil ist nämlich die Frage der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Bürger haben für die gleiche Leistung unterschiedlich bezahlt - in diesem Fall für die Leistung im Abwasserbereich durch nicht rechtgemäße Satzung. Diese Unterschiede müssen ausgeglichen werden. Nicht mehr und nicht weniger ist der Auftrag aus dem OVG-Urteil, der sich für uns ableitet.
Seit dem Urteil ist viel Zeit vergangen. Alle wissen inzwischen - am besten, meine sehr verehrten Damen und Herren, wissen es die betroffenen Zweckverbände -, dass sie um eine Gleichbehandlung von sogenannten Neu- und Altanschließern nicht herumkommen.
Um den Kommunen vor Ort die Problemlösung zu erleichtern ich merke noch einmal an, dass es sich hierbei um eine pflichtige kommunale Selbstverwaltungsaufgabe handelt - hat der Landtag im Jahr 2009 die Möglichkeiten der Kommunen durch Änderung des Kommunalabgabengesetzes erweitert. Ich halte diese Änderung aus heutiger Sicht nach wie vor für richtig. Sie hat sich in der Praxis bewährt. Zudem wurde gesetzlich klargestellt, dass in bestimmten Härtefällen Beitrag gestundet oder auch eine Ratenzahlung vereinbart werden kann.
Ich führe regelmäßig Dienstberatungen mit kommunalen Aufgabenträgern durch. Dort wird unter anderem über Best-Practice-Beispiele in Verbänden gesprochen und hier speziell natürlich über den Umgang mit Altanschließern: Wie kann man im System des Verbandes diese Ungerechtigkeiten, die das OVG zu Recht kritisiert hat, ausgleichen? - Daneben haben wir mit Rundschreiben und individueller Beratung den Aufgabenträgern die kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten erklärt und erläutert.
Ich weiß, dass inzwischen viele der Aufgabenträger - für sie möchte ich hier eine Lanze brechen; denn sie haben in diesem Land nicht immer eine einfache Arbeit - ihre Spielräume zugunsten der betroffenen Grundstückseigentümer nutzen und großzügig mit Stundung und Ratenzahlung umgehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zum Gesetzentwurf der CDU: Die Aufgabenträger - ich bin dankbar dafür, dass die Vorredner bereits darauf eingegangen sind - haben schon jetzt die Möglichkeit, Musterverfahren auszuwählen. Sie haben zum Teil sogar ein großes Interesse daran, um die restlichen Widerspruchsverfahren in dieser Zeit ruhen zu lassen. Herr Wichmann, die Kommunen nutzen diese Möglichkeit im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung sehr verantwortungsvoll und entscheiden selbstverständlich auch unter Zweckmäßigkeitsaspekten.
Der vorliegende Gesetzentwurf will diese Handlungsspielräume der Kommunen deutlich einschränken. Ich sagte bereits: Es handelt sich hier um eine pflichtige kommunale Selbstverwaltungsaufgabe. Es werden Regelungen für das Widerspruchsverfahren und für das verwaltungsgerichtliche Verfahren vorgeschlagen. Diese sind so kompliziert, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, dass sogar Juristen aus meinem Haus Probleme hatten, diese nach dreimaligem Lesen zu verstehen. Insofern vereinfachen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf die Rechtslage nicht nur nicht, sondern verkomplizieren sie im Land Brandenburg. Damit schaffen Sie keine Rechtssicherheit, sondern zusätzliche Unsicherheit.
Nach Ihrem Willen sollen Kommunalvertreter - im demokratischen Verfahren gewählte Vertreter von Kommunen - nicht mehr selbst entscheiden können, ob Musterverfahren durchgeführt werden, sondern diese sollen von oben durch das Land angeordnet werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine starke Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung. Eine solch starke Einschränkung muss sehr wohl überlegt sein.
Nach vorläufiger Prüfung besteht für weite Teile des Gesetzentwurfs auch eine Menge an weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Beispiel dazu: Unter anderem besitzt das Land keine Gesetzgebungskompetenz für die Regelung gerichtlicher Verfahren. Das ist Ihnen sicherlich entgangen.
Ich halte den Gesetzentwurf der CDU nicht für eine geeignete Diskussionsgrundlage im Innenausschuss. - Danke sehr.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Woidke. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung.
Die CDU-Fraktion beantragt die Überweisung des Gesetzentwurfes der CDU-Fraktion - Fünftes Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) -, der Ihnen in der Drucksache 5/5814 vorliegt, an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen.
Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dem Überweisungsantrag ist mit deutlicher Mehrheit nicht Folge geleistet worden.
Wir kommen damit zur Abstimmung des Gesetzentwurfes in der Drucksache 5/5814 - Fünftes Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG). Ich bitte die Schriftführer um Aufruf der Namen.
Haben alle Abgeordneten die Möglichkeit erhalten, ihr Votum abzugeben? - Dann bitte ich um die Auszählung der Stimmen.
Wir haben das Ergebnis der Abstimmung. 53 Abgeordnete haben mit Nein gestimmt, 17 mit Ja und zwei haben sich enthalten. Demzufolge ist dem Gesetzentwurf mehrheitlich nicht zugestimmt worden, er ist abgelehnt.
Es liegen zwei Anmeldungen für eine persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten vor. Ich bitte zum Ersten Herrn Abgeordneten Holzschuher, diese Erklärung abzugeben.
Meine Damen und Herren, ich habe dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion nicht zugestimmt. Das liegt nicht daran, dass ich das Musterverfahren ablehne - ich weiß, das ist genauso die Meinung der Mitglieder meiner Fraktion wie auch der Mitglieder der Fraktion DIE LINKE -, im Gegenteil, die Verbände sind gut beraten - und sie tun das auch in geeigneten Fällen , vor Ort Musterverfahren zu führen. Das trägt zur Befriedung bei bzw. kann jedenfalls zur Befriedung vor Ort beitragen. Aber es gibt aus meiner Sicht keine denkbare Möglichkeit, für alle Fälle gleichgeartet in einer Regelung pauschal über das Land gesetzlich festzulegen, wann solche Verfahren möglich sind. Das ist weder verfassungsrechtlich denkbar, noch wäre eine Regelung denkbar, die in allen geeigneten Fällen zur Beruhigung beiträgt. Deswegen ist der von der CDU vorgeschlagene Weg aus meiner Sicht vollständig ungeeignet, Friede ins Land zu bringen und Gerechtigkeit zu schaffen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Holzschuher. - Eine weitere persönliche Erklärung wird der Abgeordnete Jürgens abgeben.
Auch ich halte Musterklageverfahren für eine Möglichkeit, um die Probleme von Altanschließerinnen und Altanschließern zu reduzieren und ihnen zu helfen. Ich finde allerdings, dass der
Gesetzentwurf der CDU diesem Anliegen nicht Rechnung trägt, also eine sinnvolle Lösung nicht herbeiführen könnte. Deswegen habe ich den Gesetzentwurf abgelehnt.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jürgens. - Wir sind nunmehr am Ende des Tagesordnungspunktes angelangt.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Ludwig hat das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nicht erst seit der Sommerpause wird unter den Touristikern unseres Landes Brandenburg über eine Tourismusabgabe debattiert, so zum Beispiel auf dem 19. Brandenburgischen Tourismustag in Potsdam im September des vergangenen Jahres.
Im Kreise der Touristikerinnen und Touristiker ist es Konsens, dass Bund, Länder und Kommunen trotz des Steueraufkommens, das aus dem Tourismus generiert wird, zukünftig nicht allein die öffentlichen touristischen Infrastrukturen finanzieren können. Diese Debatten hat nun unsere rot-rote Koalition aufgegriffen und einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vorgelegt, der es mehr Kommunen als bisher ermöglichen soll, eine Tourismusabgabe einzuführen.
Dass es zumindest bei Teilen der Opposition hier im Landtag und darüber hinaus noch eine Menge Aufklärungsbedarf gibt, zeigen entsprechende Presseerklärungen während der gesamten Sommerpause.
Wie sehen die Fakten aus? Bislang haben lediglich die ausgewiesenen, also prädikatisierten Kur- und Erholungsorte die Möglichkeit, die sogenannte Fremdenverkehrsabgabe von Betrieben und Kurtaxe von Gästen einzufordern. Zusätzlich können Kommunen, die im Verhältnis zu ihren Einwohnerinnen und Einwohnern die siebenfache Zahl an Übernachtungen aufweisen, die Fremdenverkehrsabgabe erheben. Diese Möglichkeit, zusätzliche finanzielle Einnahmen zu generieren, soll jetzt im Rahmen unseres Gesetzentwurfes auch weiteren touristisch aktiven Orten im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung eingeräumt werden. Schon heute haben sechs brandenburgische Kommunen eine Tourismusabgabe nach der bestehenden Regelung eingeführt, darunter Rheinsberg, Lüb
Warum wollen wir diesen Kreis erweitern? Wir alle kennen doch das Problem, vor dem viele Kommunen im Land Brandenburg stehen. Die Radwege sind zwar vor etlichen Jahren gebaut worden, finanziert meist von Land, Bund oder Europäischer Union, nun aber - nach einigen Jahren - bröselt der Asphalt, die Abfalleimer sind kaputt, und niemand weiß, wer den Erhalt der Wege bezahlen soll. Eine pflichtige Aufgabe ist das weder für den Bund noch für das Land oder die Kommunen. Deshalb wollen wir eine Tourismusabgabe, die von all jenen bezahlt wird, die auch von der touristischen Infrastruktur profitieren.
Wichtig ist uns aber dabei, dass die Kommunen selbst entscheiden können, ob und in welcher Höhe sie erheben wollen. Das Gesetz erlaubt dabei keine Beliebigkeit, Herr Kollege Homeyer, sondern berechtigt nur bei denen, die von der touristischen Infrastruktur profitieren, zur Erhebung dieser Abgabe. Es besteht kein Anlass zu der Sorge, dass die Tourismusabgabe auch bei anderen wirksam erhoben werden könnte. Das Gesetz ist hier eindeutig formuliert.
Neben einer Tourismusabgabe wurde auch immer wieder diskutiert, ob es eine spezielle Bettensteuer für Hoteliers geben soll. Aber das Beispiel unserer Landeshauptstadt Potsdam zeigt, wie einseitig diese Abgabe wäre. Jedes Jahr besuchen 18,5 Millionen Touristinnen und Touristen und andere Ausflügler die Landeshauptstadt, aber in Potsdam werden nur 900 000 Übernachtungen pro Jahr gezählt - die meisten Gäste übernachten in Berlin. Nein, in der Einführung einer Bettensteuer sieht die Fraktion DIE LINKE keine Lösung für Brandenburg, denn das Beherbergungsgewerbe würde dabei allein und somit einseitig belastet. In Brandenburg machen die Erträge aus Übernachtungen nur einen Teil der touristischen Wertschöpfung aus. Zwei Drittel des touristischen Umsatzes werden durch den Tagestourismus generiert.
Natürlich haben wir uns auch die andere Seite der Medaille angeschaut - also angehört. Die betroffenen Anbieter sind über die eventuellen Mehrbelastungen selbstverständlich nicht erfreut. Unter der Voraussetzung jedoch, dass zum einen die Belastung auf alle Beteiligten gerecht verteilt und zum anderen die Zweckbindung für touristische Aufwendungen im Gesetz festgeschrieben wird, stoßen die Pläne auf Akzeptanz. Das ist zumindest mein Eindruck. Dafür sprechen auch die guten Erfahrungen, die allerorts mit der Tourismusabgabe gemacht wurden, so zum Beispiel in den klassischen Bäderorten an der See. Die Akzeptanz einer solchen Abgabe steigt grundsätzlich, sobald die tatsächliche Umsetzung bzw. Nutzung der Mittel in den Orten sichtbar wird. Schließlich profitieren von einem gepflegten Ortsbild, instand gehaltenen Fuß- und Radwegen oder barrierefreien Zugängen nicht nur die Gäste, sondern auch die Einwohnerinnen und Einwohner vor Ort.