Protocol of the Session on August 30, 2012

Am 26. Juni 2012 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) abschließend über die Rechtmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft nach deutschem Jagdrechtssystem. Danach muss der Kläger die Jagd auf seinem Grund und Boden nicht dulden.

Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie dieses Urteil für die Grundeigentümer und natürlich auch für die Jagdausübung in Brandenburg?

Zum gleichen Thema stellt der Abgeordnete Dr. Luthardt Frage 1040 (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschen- rechte zum deutschen Jagdrecht).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 26.06.2012 festgestellt, dass die Pflicht von Eigentümern kleinerer Grundstücke zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft und zur Duldung der Jagd auf ihren Grundstücken die Eigentumsrechte unzulässig einschränkt. Damit sind diese Regelungen des deutschen Jagdrechts nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.

Ich frage die Landesregierung: Welche Konsequenzen müssen ihrer Auffassung nach im Jagdrecht auf Bundes- und auf Landesebene gezogen werden?

Der Abgeordnete Dombrowski stellt die Frage 1041 (Konse- quenzen des EGMR-Urteils zur Mitgliedschaft in einer Jagdge- nossenschaft).

Ich lasse den Vortext weg, da er den gleichen Tenor hat, und frage die Landesregierung: Welche Konsequenzen und vor allem Gefahren erwartet sie aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft für die Jagd in Brandenburg?

Minister Vogelsänger wird antworten.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist immer schwierig, wenn man als Minister aufgefordert wird, ein Gerichtsurteil zu bewerten. Ich sage es einmal so: Kollege Beyer war gestern ebenfalls im Waldbesitzerverband anwesend. Dort wird dieses Gerichtsurteil mit großer Sorge gesehen, und ich teile diese.

Mit Urteil vom 26. Juni 2012 hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Pflichtmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft abschließend für unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention erklärt. Ich sagte: abschließend; insofern muss man sich damit auseinandersetzen.

Das bedeutet konkret: Bis zur Änderung der nationalen Gesetzgebung gilt das bestehende Recht mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen hinsichtlich einer Pflichtmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften fort. Danach haben Mitglieder einer Jagdgenossenschaft gegenwärtig keine Möglichkeit, ihren Austritt zu erklären.

Jedoch ist der Gesetzgeber nun aufgefordert, das deutsche Jagdrecht nach Maßgabe des Urteils anzupassen. Zwischen dem Bund und den Ländern besteht Übereinstimmung darin, die notwendige rechtliche Anpassung durch Änderung des Bundesjagdgesetzes zeitnah vorzunehmen. Für eine solche Vorgehensweise haben sich zwischenzeitlich auch verschiedene Verbände und Landnutzer ausgesprochen - nicht unbedingt nur aus Freude, sondern auch, weil man zur Kenntnis genommen hat, dass dieses Urteil abschließend ist. Dessen weitere Auswirkungen werden insbesondere auch davon bestimmt sein, wie viele Grundeigentümer von der künftigen Möglichkeit eines Austritts aus der Jagdgenossenschaft Gebrauch machen.

Je umfänglicher dieser Flächenanteil ist, desto schwieriger wird sich die Jagdausübung gestalten. Ich brauche niemandem zu sagen, dass das eine Gefahr hinsichtlich des Ansteigens der Wildbestände und damit höherer forstwirtschaftlicher Schäden bedeutet, was letztendlich nicht im Interesse des Landeswaldbesitzers oder des Privatwaldbesitzers sein kann. Dieses Problem ist Thema der Agrarministerkonferenz vom 26. bis 28. September. Ich werde selbstverständlich im Fachausschuss über die Ergebnisse berichten.

Es gibt eine Nachfrage von Herrn Vogel.

Danke, Herr Minister. Sie haben Ihre einführenden Worte noch etwas korrigiert; denn Sie müssen natürlich ein Gerichtsurteil bewerten, weil es unmittelbar Auswirkungen auf das Land Brandenburg haben wird.

Es handelt sich beim Jagdrecht nach der Verfassungsreform nur noch um Bundesrahmenrecht. Letztlich sind Sie bzw. wir als Landtag aufgefordert, unser Jagdrecht selbstständig auszugestalten. Die Frage ist, ob eine Regelung zu diesem Thema zwingend durch das Bundesgesetz vorgegeben ist, wir also keine Abweichungskompetenz haben, oder ob es ein Teil ist, den das Land selbstständig ausfüllen kann und muss.

Herr Abgeordneter Vogel, ich halte eine Zersplitterung des Jagdrechts in der Bundesrepublik Deutschland, bei der es zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern andere Bestimmungen als in Brandenburg gibt, nicht für zielführend. Insofern halte ich es für richtig, dass dies Thema der Agrarministerkonferenz ist und dass wir dieses Rahmenrecht gemeinsam so ausgestalten, dass wir möglichst einheitliche Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Vielen Dank. - Wir kommen damit zur Frage 1042 (Gefähr- dung von IOS-Projekten) des Abgeordneten Jungclaus.

Die Projekte der Initiative Oberschule (IOS) sollen Jugendliche bei der Berufsorientierung unterstützen, Praxislernen und den Erwerb von sozialen Schlüsselkompetenzen ermöglichen. Sie befördern die Schulentwicklung und die multiprofessionelle Zusammenarbeit an Schulen und werden von Ministerin Münch nicht ohne Grund immer wieder hoch gelobt. Dazu passt nicht, dass aktuell - wie auch schon im vergangenen Jahr - immer wieder von Trägern, übrigens nicht nur in Bezug auf IOS-Projekte, von einem Bearbeitungsstau und von Komplikationen mit den Anträgen auf Fördermittel des ESF zu hören ist.

Bis wann plant das Ministerium diese Probleme behoben zu haben, damit nicht noch mehr Projekte ausfallen müssen?

Diese Frage beantwortet Ministerin Münch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Jungclaus, es gibt keinen Grund, sich darum Sorgen zu machen. Die IOS-Projekte sind nicht gefährdet. Denn auch für das gerade begonnene Schuljahr sind wieder ca. 350 IOS-Schulprojekte an etwa 125 Oberschulen mit erwarteten weit über 20 000 teilnehmenden Schülerinnen und Schü

lern zwischen Schulen, Projektträgern und Regionalpartnern verhandelt worden. Ich verstehe daher Ihre Nachfrage als eine zum aktuellen Stand.

Vor dem Start der IOS-Förderrunde für das Schuljahr 2012/13 erfolgte eine Prüfung zu einer Frage der Umsetzung, die mittlerweile beantwortet ist. Bis zur Beantwortung mussten wir aber das Verfahren anhalten, um dem entsprechenden Projektträger Sicherheit geben zu können. Diese Frage ist geklärt, und deswegen ist die IOS-Förderrunde in dieser Woche auch gestartet.

Wie Sie zu Recht gesagt haben, ist es uns mit IOS gelungen, die Oberschulen zu stärken. Unterstützt durch die Schulprojekte entwickeln Schülerinnen und Schüler an unseren Oberschulen soziale Kompetenzen und vor allem auch eine deutlich verbesserte Kompetenz für die Berufswahl. Auch die Lehrkräfte lernen, gleichzeitig Methoden und Sichtweisen, die von den schulexternen Partnern in die Projekte eingebracht werden, Stück für Stück selbst anzuwenden.

Bei der Evaluation im Jahr 2010 wurde das Programm ausdrücklich gelobt und eine Fortsetzung dringend angeraten. Insofern bin es nicht nur ich, sondern es sind auch die Evaluatoren, die dieses Programm völlig zu Recht loben. Wir folgen diesem Rat und setzen die IOS-Projekte für die gezielte Berufsvorbereitung der Schülerinnen und Schüler an den Oberschulen und natürlich für den erfolgreichen Start in das Berufsleben fort.

Es gibt Nachfragen.

Vielen Dank, Frau Ministerin Münch. Es freut uns natürlich, wenn zwischen Fragestellung und Fragebeantwortung eine positive Entwicklung eingetreten ist. Nichtsdestotrotz sind die Abrechnung und das Antragsverfahren schon so gestaltet, dass es in der Vergangenheit zu einem gewissen Stau kam. Insofern würde mich interessieren, welche Überlegungen es in Ihrem Hause gibt, wie dieses Antrags- und Abrechnungsverfahren so gestaltet werden kann, dass zukünftig auf der einen Seite nicht einige Projekte abgesagt werden müssen und auf der anderen Seite trotzdem eine hohe Qualität der Bildungsprojekte gewährleistet wird.

An der Qualität besteht überhaupt kein Zweifel. Aber Sie wissen, es handelt sich um ESF-Gelder, bei denen immer wieder nachgeprüft wird, ob sie korrekt verausgabt und wie sie eingesetzt werden. Eine solche Nachprüfung ist zwingend erforderlich, denn wir müssen ja Rechenschaft gegenüber dem Geldgeber ablegen. Es bestanden entsprechende Fragen hinsichtlich des Verfahrens und der Vertragsgestaltung. Es ging nicht um einen Stau, sondern um eine prinzipielle Frage. Diese hat sich zum Glück mittlerweile geklärt, und insofern konnten wir das Ganze auch freigeben. Ich gehe davon aus, dass wir das im nächsten Jahr hoffentlich ähnlich werden gestalten können, denn es ist ja unser gemeinsames Interesse, die IOS-Projekte nicht aufzuhalten.

Der Abgeordnete Baer stellt die Frage 1043 (Altersdiskrimi- nierung).

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 20. März 2012 entschieden, dass eine altersbedingte Urlaubsstaffelung wie im § 26 des Tarifvertrags Länder bzw. des Tarifvertrags öffentlicher Dienst gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt.

Ich frage daher die Landesregierung: Welche Konsequenzen hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichts für die Arbeitsverträge der im Landesdienst Beschäftigten?

Innenminister Woidke antwortet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Baer, ja, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März hat Konsequenzen für die Tarifbeschäftigten im Landesdienst, da nach dem Alter gestaffelte Urlaubsregelungen wegen des Verstoßes gegen die §§ 1 und 3 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unwirksam sind.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder, zu der auch Brandenburg gehört, hat sich seit März mehrfach mit dieser Thematik befasst. Die Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 18. Juli 2012 beschlossen, im Rahmen des § 26 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder für die Jahre 2011 und 2012 übertariflich altersunabhängig einen Urlaub von jeweils 30 Arbeitstagen zu gewähren. Entsprechendes gilt für alle gleichlautenden tarifvertraglichen Urlaubsregelungen, zum Beispiel für Waldarbeiter und Auszubildende.

Da Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2011 längstens bis zum 30. September 2012 übertragbar sind und dann ersatzlos verfallen, wird im Hinblick auf die Wahrung des Urlaubsanspruchs für 2011 ausnahmsweise gestattet, dass der übertarifliche Urlaubsanspruch bis zum 30. Juni 2013 übertragen und eingelöst werden kann. Der Übertragungszeitraum für den Mehrurlaubsanspruch für 2012 endet unverändert am 30. September 2013.

Die Tarifvertragsparteien sind gehalten, die gleichlautende Regelung des § 26 durch eine diskriminierungsfreie Regelung zu ersetzen. Aus diesem Grunde wird die Tarifgemeinschaft deutscher Länder die Regelung des § 26 nach § 39 zum 31. Dezember 2012 kündigen. Entsprechendes gilt für gleichlautende tarifvertragliche Vereinbarungen. Die Tarifgemeinschaft Deutscher Länder strebt eine entsprechende Neuregelung in der Entgeltrunde 2013 mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes an. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Vielen Dank. - Vom Thema „Altersdiskriminierung“ kommen wir wieder zur Jugend: Ich begrüße unsere neue Gästegruppe,

Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Wittstock (Dosse). Die Fragestunde ist sicher interessant für euch.

(Allgemeiner Beifall)

Wir kommen zur Frage 1044 (Abbau von Umweltstandards beim Netzausbau?), die von der Abgeordneten SteinmetzerMann gestellt wird.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat öffentlich gefordert, zugunsten eines beschleunigten Netzausbaus europäische Umweltstandards abzubauen. Brandenburg ist auf der einen Seite an der Beschleunigung der Energiewende interessiert, trägt auf der anderen Seite aber auch Verantwortung für den Erhalt der biologischen Vielfalt innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten. Das Naturschutzgesetz und die europäischen Naturschutzrichtlinien sehen die Abwägung der verschiedenen Belange vor.

Daher frage ich die Landesregierung: Wie beurteilt sie die Notwendigkeit und die Möglichkeit, zugunsten des Netzausbaus Änderungen im europäischen Naturschutzrecht zu veranlassen?

Minister Christoffers wird darauf antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, der Vorstoß des Bundeswirtschaftsministers Rösler hat ein ziemlich breites Echo erfahren. Vom Netzbetreiber bis hin zur Landespolitik wurde sich dazu geäußert.

Erstens: Selbstverständlich ist zu verzeichnen, dass wir hier vor großen Herausforderungen stehen. Auf der einen Seite müssen wir die gesellschaftliche Abwägung vornehmen: Was ist uns die Energiewende hier wert? Welche Veränderungen müssen wir vornehmen? - Auf der anderen Seite müssen wir den hohen gesellschaftlichen Stellenwert des Naturschutzes beachten und berücksichtigen.

Insofern halte ich pauschale Forderungen nach einer Veränderung bzw. Korrektur von naturschutzrechtlichen Regelungen nicht für zielführend. Im Einzelfall und auch, wenn eine Trassenführung feststeht, werden wir uns gemeinsam darum kümmern müssen, welche Kompromisse wir einzugehen haben. Das wird mit Sicherheit ein Aufeinander-Zugehen aller Beteiligten beider Seiten erforderlich machen. Dennoch bin ich mir sicher, dass es uns gelingen wird, diese Herausforderungen zu bewältigen. Pauschale Forderungen helfen dabei jedoch wenig.

Zweitens: In Brandenburg ist bislang noch kein Leitungsausbau an naturschutzfachlichen Belangen gescheitert. Zwar gab es immer wieder sehr umfassende und intensive Abwägungsgespräche, jedoch haben wir letztlich immer einen Kompromiss gefunden.

Drittens: Wir stehen vor der Aufgabe, das Brandenburger Naturschutzgesetz zu novellieren. Ich glaube, die Festlegung der

Vogelschutzgebiete würde die Rechtssicherheit in dieser Debatte tatsächlich weiter erhöhen. Zudem würden wir zu qualitativ richtigen Abwägungsverfahren kommen.

Insofern: Pauschale Korrekturen und Forderungen lehne ich ab. Wir müssen uns gemeinsam zu der Erkenntnis durchringen, dass Netzausbau und Energiewende auf der einen Seite ein mindestens genauso hohes schützenswertes Gut ist wie naturschutzrechtliche Belange auf der anderen Seite, und anschließend gemeinsam entsprechend handeln. Wenn alle Beteiligten von diesem Grundsatz ausgehen, werden wir auch Kompromisse bei bestehenden Konflikten finden. - Vielen Dank.