Protocol of the Session on December 16, 2009

rer Bürger für das MfS/AfNS tätig gewesen ist“. Ein Abgeordneter kann also einerseits etwa auch dann unwürdig sein, wenn er anderen Bürgern nicht geschadet haben sollte; andererseits kann er würdig sein, auch wenn er anderen nachhaltig Schaden zugefügt haben sollte. Das ist schon sehr seltsam.

Sie schränken diese Regelung aber auch dahingehend ein - das Bundesverfassungsgericht lässt Ihnen keine andere Wahl -, dass es eine zeitliche Limitation gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat 1997 geurteilt, dass Erkenntnisse, die von vor 1970 stammen, nicht einbezogen werden dürfen, weil es eine Zeitschranke gibt. Nun sind wir im Jahr 2009, das heißt, korrekterweise müssten alle Erkenntnisse, die aus der Zeit vor 1981 stammen, unter den Tisch fallen. Aber das trauen Sie sich wiederum auch nicht, weil dann der Zeitraum so klein würde, dass Sie eigentlich keine Handhabe mehr hätten.

Zur Feststellung der „Parlamentsunwürdigkeit“ - welch ein Begriff! - schlagen Sie ein dreistufiges Verfahren vor, das an jeder Stelle durch eine Mehrheit bzw. eine Drittelminderheit beendet werden kann. Hier setzt unsere grundlegende Kritik an. Auch wir hatten ursprünglich das Präsidium als den Ort vorgeschlagen, an dem dieser Diskurs stattfinden und die Entscheidungen vorbereitet werden sollten. Allerdings haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Präsidium kein Ort des herrschaftsfreien Diskurses ist; ich erinnere an die Sitzordnung in diesem Landtag. Im Präsidium sitzen keine Sachverständigen, sondern Parteipolitiker mit parteipolitischen Interessen. Man sitzt über die politische Konkurrenz in einem „Geheimverfahren“ zu Gericht, wenn ich Ihren Gesetzentwurf zugrunde lege. Das Parlament soll dann noch die Rolle des Notars übernehmen und den Verfahrensvorschlag des erweiterten Gremiums mit Zweidrittelmehrheit bestätigen. Da der betroffene Abgeordnete dann vor dem Verfassungsgericht seinen Ausschluss anfechten kann, wird er nach Lage der Dinge sein Mandat sowieso nicht verlieren. Das Beispiel Sachsen, wo das Verfassungsgericht auf die Klage einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments hin ein Landtagsmandat entziehen könnte und trotzdem bekennende IMs im Landtag sitzen, zeigt die Grenzen solcher Enthebungsverfahren auf.

Was ist also das schärfere Schwert - öffentlicher Diskurs, so, wie wir es wollen, oder Ihr Gesetzentwurf? Ich denke, unser Vorschlag.

Warum halten wir den Ansatz des Ausschlusses für besonders problematisch? Das Strafrecht kennt nach der Großen Strafrechtsreform den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte als Nebensanktion nicht mehr. Mit § 45 Strafgesetzbuch ist nurmehr der Verlust der Wählbarkeit für fünf Jahre bei einer Verurteilung zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe verbunden. Wir reden aber nicht von Straftatbeständen, sondern von moralisch und ethisch verwerflichem Verhalten. Das deutsche Strafrecht sieht die Leitgedanken „angemessene Bestrafung der Schuld“ und „Resozialisierung“ im Mittelpunkt, „Rache“ ist ausdrücklich untersagt. Wir sind der Auffassung, dass für einen Mandatsentzug mindestens ähnliche Ansprüche und Maßstäbe anzulegen sind. Die Frage, die sich eine christliche Partei stellen muss, ist, ob für sie das 3. Buch Mose oder das Neue Testament Handlungsleitfaden ist.

Was steht im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion? Aufklärung und öffentliche Diskussion oder Strafe? Warum ist unser Vorschlag besser, den wir jetzt gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE und der SPD ausgearbeitet haben?

Heutzutage ist angeblich die größte Strafe für Politiker, nicht in der Zeitung zu stehen. Für ehemalige IMs dürfte das allerdings nicht gelten. Öffentlich am Pranger zu stehen, sich vor Freunden und Verwandten, Parteifreunden und Wählern für seine kleinen und großen Lebenslügen, für jahrelangen Betrug rechtfertigen zu müssen ist eine härtere Strafe, als eine Abstimmung im Landtag über sich ergehen zu lassen. Die Sanktion ist die öffentliche Diskussion. Sie betrifft nicht nur den Abgeordneten, sondern auch seine Partei. Jede Partei hat die Möglichkeit zu demonstrieren, wie sie mit solchen Fällen in den eigenen Reihen umgeht.

Ich komme zum Schluss. Ihr Gesetzentwurf wird im Gegensatz zu unserem Alternativvorschlag zur Aufklärung und öffentlichen Diskussion wenig bewirken. Über Ihre Ausführungen zur Volksdemokratie, auf die Herr Holzschuher bereits eingegangen ist, möchte ich mich nicht weiter auslassen. Sie sind aber geeignet, unsere repräsentativ-parlamentarische Demokratie infrage zu stellen. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält noch einmal die antragstellende Fraktion. Herr Dombrowski, Sie haben noch zwei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank für die Stellungnahmen der anderen Fraktionen, die ich in der Tat für fair halte. Alle, auch kritische Anmerkungen sind selbstverständlich berechtigt, denn es geht um wirklich schwerwiegende Dinge.

Herr Kollege Holzschuher hat von „jeder Demokratie der Welt“ gesprochen. Sie haben es schon gesagt: In Sachsen und Thüringen gibt es andere Regelungen. Ob diese Regelungen, die dort in Einzelfällen nicht gegriffen haben, auf Brandenburg übertragbar sind, werden wir im Zuge der Anhörung feststellen. Zumindest sind die Fragen so formuliert.

Herr Kollege Görke hat im Rückblick auf die letzte Wahlperiode gefragt, wie die Koalitionsfraktionen mit einem entsprechenden Antrag der damals größten Oppositionspartei umgegangen wären. Herr Görke, ich kann Ihnen versichern: Wenn die Fraktion DIE LINKE einen Antrag auf eine gesetzlich geregelte Stasiüberprüfung gestellt hätte, hätte die CDU-Fraktion mit Freuden zugestimmt.

(Beifall CDU - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Das ist aber ein ganz schwerer Gedächtnisverlust!)

- Frau Kaiser, wenn Sie eine Frage haben, melden Sie sich doch. Ich beantworte sie gern. Das verschafft mir noch einmal zusätzliche Redezeit.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Nein, ich habe keine Frage!)

Ich möchte auf den Hinweis des Kollegen Vogel auf die christliche Partei eingehen: Ja, die CDU fühlt sich christlichen Werten und Grundwerten verpflichtet. Die Mitglieder unserer Partei sind jedoch nicht ausschließlich Christen. Ich kann Ihnen sagen: Zumindest in meinem Kreisverband Havelland gibt es

mehrere Mitglieder, die Moslems sind. Wir wenden dennoch lieber das Grundgesetz als die Sharia an.

Zu Ihrem Hinweis, dass der Inhalt unseres Gesetzentwurfs ähnlich wirksam ist, wie es die dritten Zähne sind: Herr Kollege Vogel, Sie wissen vielleicht, ich bin von Beruf Zahntechniker. Sie können sicher sein, mit den Prothesen und dem Zahnersatz, den ich in meinem Berufsleben gefertigt habe, können Sie auch noch nach 20 Jahren Nüsse knacken.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich bedanke ich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die avisiert haben, dass der Gesetzentwurf überwiesen wird. Ich verspreche in der Anhörung eine sachliche Diskussion. Wir werden sehen, wie wir uns dann hoffentlich gemeinschaftlich entscheiden können - so oder so. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Debatte über den Tagesordnungspunkt 6 angelangt. Die CDU-Fraktion hat die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/89 an den Hauptausschuss beantragt. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist diesem Antrag mehrheitlich zugestimmt und der Gesetzentwurf an den Hauptausschuss überwiesen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetz zum Vertrag über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern (Vertrag zur Ausführung von Artikel 91c GG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/95

1. Lesung

Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/95 an den Hauptausschuss. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist dieser Gesetzentwurf überwiesen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf.

Gesetz zur Änderung der Brandenburgischen Bauordnung

Gesetzentwurf der Landesregierung

1. Lesung

Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der Landesregierung. Es spricht Frau Ministerin Lieske.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Änderung der Brandenburgischen Bauordnung umfasst lediglich eine redaktionelle Klarstellung, da der bisherige Wortlaut in unserer Bauordnung Fehlinterpretationen zulässt. Es werden keine materiell-rechtlichen Änderungen vorgenommen. In der Praxis hat die Änderung keine Auswirkung, da die entsprechenden Vorschriften der Bauordnung auch bisher stets EUrichtlinienkonform angewendet wurden.

Anlass für das Gesetz zur Änderung von § 17 Brandenburgische Bauordnung ist ein im April dieses Jahres gefasster Beschluss der Bauministerkonferenz zur Änderung von § 20 Musterbauordnung. Die Vorschrift regelt im Einzelfall den Nachweis der Verwendbarkeit von Bauprodukten.

Ich erspare mir, Ihnen diese Richtlinie vorzulegen, weil ich davon ausgehe, dass wir den Gesetzentwurf an den Ausschuss überweisen und dort noch Gelegenheit haben werden, uns damit zu befassen.

Hintergrund der Änderung von § 20 Musterbauordnung ist ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedsstaat Deutschland. Die Kommission ist der Auffassung, dass § 20 Musterbauordnung bzw. die entsprechende Regelung in § 17 Brandenburgische Bauordnung gegen die entsprechende EURichtlinie 90/396 EWG, also gegen die Gasgeräterichtlinie, verstößt, weil diese Regelung eine Zustimmung im Einzelfall für das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Gasgeräten erlaubt.

(Unruhe)

Das genau widerspricht der Gasgeräterichtlinie, da sie dies abschließend regelt. In Artikel 8 Abs. 5a Gasgeräterichtlinie heißt es - ich weiß, dass es nicht ganz so interessant für alle ist, zuzuhören, aber ich bitte Sie trotzdem um ein wenig Aufmerksamkeit -: Falls die Geräte auch von anderen Richtlinien erfasst sind, die andere Aspekte behandeln und in denen eine CEKennzeichnung vorgesehen ist, wird mit dieser Kennzeichnung angegeben, dass auch von der Konformität dieser Geräte mit den Bestimmungen dieser anderen Richtlinie auszugehen ist. Es wird also hinreichend deutlich. Ob jedoch das Kriterium die Anforderungen des Bauproduktegesetzes und die sonstigen Vorschriften erfüllt oder nur auf Letzteres zu beziehen ist, wird nicht deutlich.

Unabhängig davon kann die Regelung, wie es sich in dem Vertragsverletzungsverfahren gezeigt hat, dahin gehend missverstanden werden, dass es die Zulassung des Verwendungsnachweises durch Zustimmung im Einzelfall in den von der Vorschrift erfassten Fällen auch ermöglichen sollte, Abweichungen auch von anderen Vorschriften zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft oder gar darüber hinaus selbst von anderen Richtlinien zuzulassen. Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

Die Länder haben diese Vorschrift in der Vergangenheit stets so ausgeführt, wie es der vorgeschlagenen Neuformulierung entspricht. Die Gasgeräterichtlinie steht über Landesrecht. Die

entsprechenden Vorschriften der Bauordnung waren daher stets richtlinienkonform ausgelegt. Das heißt, eine Zustimmung im Einzelfall wird nur dann erteilt, wenn die einschlägige Richtlinie auch Raum dafür lässt. Das ist bei der Gasgeräterichtlinie wie schon ausgeführt - nicht der Fall. Es ist bisher noch keine Zustimmung im Einzelfall für Gasgeräte erteilt worden. Die Änderung des § 20 der Musterbauordnung ist mit dem Bundesministerium abgestimmt und wird von den Ländern umgesetzt. In Berlin ist diese Umsetzung bereits erfolgt. Um das Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden, ist eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Baumusterordnung erforderlich.

Ich freue mich darauf, die Diskussion im Ausschuss fortführen zu können und dann in einer 2. Lesung hier die Änderung der Musterbauordnung bzw. der Brandenburgischen Bauordnung vorzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Für die CDU-Fraktion erhält Herr Genilke das Wort.

Frau Präsidentin, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund des drohenden Beschwerdeverfahrens 2006/4298 der EU-Kommission liegt uns hier eher ein formaler Gesetzentwurf zur Änderung der Brandenburgischen Bauordnung vor. Die Kommission ist der Auffassung, dass § 17 Abs. 1 der Bauordnung gegen die Richtlinie 90/396/EWG, auch Gasgeräterichtlinie genannt, verstößt. Inhaltlich dient der Gesetzentwurf daher einer eher rechtlichen Klarstellung des § 17 Abs. 1 in Bezug auf seine Vereinbarkeit mit der genannten Richtlinie. So sollen die Voraussetzungen für die Zulassung von Gasverbrauchseinrichtungen in Zukunft im Einzelfall genauer und unmissverständlich geregelt werden. Wie in der Begründung zum Gesetzentwurf dargelegt, entspricht es in keinem Falle dem Sinn und Zweck der in der Brandenburgischen Bauordnung verankerten Vorschrift, die entsprechenden europäischen Richtlinien zu umgehen. Die nun beabsichtigte Klarstellung folgt dabei nur der von den Ländern bereits angewandten Rechtspraxis und ist somit grundsätzlich zu begrüßen.

Die Bauminister der Länder haben sich diesbezüglich in ihrer Bauministerkonferenz - auch das haben wir gerade von der Ministerin gehört - auf eine einheitliche Änderung der Musterbauordnung verständigt, was für andere Bereiche der Bauordnung leider nicht immer der Fall ist. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, dieses Problem hier kurz anzusprechen. So höre ich vonseiten der Fachleute, die sich mit dem Baurecht auseinanderzusetzen haben, immer wieder die Klage, dass die einzelnen Landesbauordnungen immer weiter von der Musterbauordnung abwichen. Die Realität zeigt, dass eine Abstimmung zwischen den Ländern nicht immer gewährleistet ist und wir mittlerweile eine Zersplitterung in 16 verschiedene Landesbauordnungen zu verantworten haben. Das wird uns in Zukunft noch einmal beschäftigen; denn diese Zersplitterung

macht gerade im Verflechtungsraum von Berlin-Brandenburg wenig Sinn und stellt die Ingenieurbüros, die es sich nicht leisten können, nur in Brandenburg tätig zu sein, vor große Herausforderungen.