Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute Morgen ausführlich über den Bologna-Prozess diskutieren können. Ich möchte dennoch einige wenige Worte über den vorliegenden Antrag verlieren.
Wir haben über langfristig und kurzfristig umzusetzende Maßnahmen diskutiert und uns dafür ausgesprochen, dass auf längere Sicht evaluiert werden sollte, inwieweit der Bologna-Prozess an den Brandenburger Hochschulen wirkt. Für uns sind dabei drei Punkte wichtig: die Qualität der Lehre, die soziale Dimension und die Internationalisierung. Diesen Bericht zu erstellen wird etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, weil wir auf einen Punkt besonderen Wert legen, nämlich dass alle - ich betone: alle - relevanten Gruppen, also auch die Studierenden, in diesen Prozess einbezogen werden. Darauf werden wir auf jeden Fall achten. Wir erwarten den Bericht der Landesregierung im IV. Quartal 2010. Kurzfristiger angelegt - und damit sehr ambitioniert, wie ich heute Morgen schon sagte - ist die Evaluierung, die wir in Bezug auf konkrete Punkte, die im Brandenburger Hochschulgesetz zu regeln sind, von der Landesregierung erwarten.
Wir haben heute früh alles ausführlich besprechen können. Einen Punkt möchte ich jedoch noch ausdrücklich erwähnen: Es geht uns auch um die Möglichkeiten zur paritätischen Beteiligung in demokratisch gewählten Hochschulgremien. Das alles hängt zusammen. Studierende, die sich an der Gremienarbeit beteiligen, sich einbringen, mitdiskutieren und nicht nur an ihre eigene Studienzeit, sondern auch darüber hinaus denken, wenden dafür etliche Zeit auf. Mitunter kann es vorkommen, dass sie viele Dinge koordinieren und daher in eine Teilzeitstudienphase eintreten müssen. Wir - ich spreche auch für die Fraktion DIE LINKE - wollen ausdrücklich, dass sich Studierende um ihre Angelegenheiten kümmern, sich in den demokratischen Prozess einbringen und sich beteiligen können, sodass sie nicht nur Fachwissen anhäufen, sondern auch für das Leben lernen.
Frau Melior, ist Ihnen bekannt, dass das Hochschulgesetz des Landes Brandenburg speziell für Studenten, die sich in Gremien engagieren, Sonderregelungen enthält, damit sie länger studieren können und ihr gesellschaftliches Engagement berücksichtigt wird?
Das habe ich nicht in Zweifel gezogen, sondern gesagt: Wir wollen, dass die Landesregierung evaluiert, inwiefern die Studierenden die Möglichkeiten tatsächlich wahrnehmen und wie sich beides miteinander vereinbaren lässt. Wenn vonseiten der Studierenden gesagt wird, dass es an dieser Stelle Probleme gebe, dann muss die Nachfrage erlaubt sein. Genau darauf soll der Fokus gelegt werden.
Lassen Sie mich einen dritten und letzten Punkt ansprechen: die BAföG-Novelle, die zum 1. Oktober 2010 einzubringen ist. Die einzige Möglichkeit von Brandenburger Seite, darauf Einfluss zu nehmen, ist eine Bundesratsinitiative. Dabei geht es um drei wichtige Punkte. Von der Bundesregierung wurden die Erhöhung der BAföG-Sätze, die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten und die Erhöhung der Altersgrenze in Aussicht gestellt. Damit sind wir einverstanden. Mit einem Punkt erklären wir uns jedoch nicht einverstanden, nämlich dass das alles an Leistungsstipendien gekoppelt werden soll; denn das belohnt wieder diejenigen, die die besseren Ausgangsbedingungen haben. Da werden wir kritisch bleiben. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte es begrüßt, wenn ich Ihren Antrag erhalten hätte, bevor ich Ihre Presseerklärung gelesen habe. Sie hat mich am 8. Dezember, während der Wissenschaftsausschuss getagt hat, erreicht und liest sich wie folgt: Bologna-Reform: Änderungen im Hochschulgesetz sind nötig. - Damit hat die Regierungskoalition, noch bevor der Antrag heute diskutiert wird, erklärt, dass das Hochschulgesetz geändert werden müsse.
Gott sei Dank wird im eigentlichen Antrag kein einziger Punkt genannt, bei dem eine Änderung des Hochschulgesetzes nötig
wäre. Im Antrag geht es um Weiterentwicklung und eine Bilanz. Dennoch zeigt sich mit der Erklärung „Änderungen im Hochschulgesetz nötig“ eines: Die Regierungskoalition hat das Ergebnis der Bilanz bereits vorweggenommen. Die Forderung, eine Bilanz der Wirkung der Bologna-Reform unter Einbeziehung aller relevanten Gruppen und geeigneter Experten zu erarbeiten, wird damit bedeutungslos. Das Ergebnis steht ja schon fest. Jeder basisdemokratische Ansatz, den Sie ja wollen, ist in diesem Schriftstück im Kern bereits torpediert, wenn man schon zu Beginn das Resultat kennt.
Zudem hat Ministerin Münch bereits klar festgestellt, dass die Forderungen der Studierenden nicht die Regelungen im Hochschulgesetz tangieren und das erst seit kurzem in Kraft getretene Hochschulgesetz derzeit nicht zur Überarbeitung ansteht.
Meine Damen und Herren, nun zum Inhalt. Es steht darin: Die Landesregierung wird beauftragt, Dinge zu untersuchen, die ganz klar die Autonomie der Hochschule betreffen. Forderungen umzusetzen wie das Ausschöpfen der Bandbreite von sechs bis acht Semestern ist heute schon möglich, liegt aber auch in der Selbstverwaltung der Hochschulen. Die oberste Landesbehörde hat in diesem Punkt lediglich die Rechts-, aber nicht die Fachaufsicht. Es wird auch nach statistischen Angaben gefragt, obwohl einige Fragen, wie zum Beispiel die Gründe der Studienabbrecher, in der Statistik nicht beantwortet werden.
Meine Damen und Herren, mit der in Ihrem Antrag gewählten Sprache wird suggeriert, dass die Hochschulen in Brandenburg aufgrund des Bologna-Prozesses schlecht aufgestellt seien. Ich meine, wir haben heute herausgearbeitet, dass das ganze Gegenteil der Fall ist; ich habe das schon in der Aktuellen Stunde zu erläutern versucht.
Ein nächster Punkt: Aus Sicht der Union ist es heute noch gar nicht möglich, eine qualifizierte Bilanz zu ziehen, denn es gibt zurzeit nur wenige Studenten in Brandenburg, die den Bachelor- oder den Masterstudiengang durchlaufen oder den entsprechenden Abschluss haben. Zu diesem Ergebnis wird letzten Endes auch die Landesregierung kommen müssen. Es gibt bereits Studien - zum Beispiel des Instituts für Wirtschaftsforschung Köln -, die besagen, dass das Bachelorstudium in Brandenburg zu einem guten Erfolg kommen könnte.
Ich spreche noch einmal über das BAföG: Unter der rot-grünen Bundesregierung ist der Streit um das BAföG erst eingefroren worden, die Große Koalition unter der schwarz-roten Regierung war es, die es wieder aufgetaut hat. Wenn Sie die zurzeit im Bund geführte Diskussion hören, stellen Sie fest: Auch da sind natürlich verbesserte BAföG-Regelungen impliziert.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sagen, der Bologna-Prozess müsse noch einmal auf den Prüfstand, halte ich dies in Anbetracht der Größe und Tragweite der Reform für fahrlässig. Ich sage noch einmal: Wirkung analysieren, wo nötig Korrekturen vornehmen! Aber dieser Antrag ist aus meiner Sicht überflüssig, weil dies einzig und allein die Autonomie der Hochschulen betrifft. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute Vormittag ausgiebig zu dem Thema referiert. Vielleicht nur einige ergänzende Anmerkungen zu dem, was Prof. Schierack gerade sagte.
Wir haben über die Selbstverwaltung auch der Universitäten geredet. Wir haben über die notwendigen Schritte geredet, die an den Universitäten durchgesetzt werden müssen, über die wir im Parlament gar nicht entscheiden können. Wir können aber dazu sagen: Es sind Maßnahmen nötig. Es sind auch Maßnahmen nötig, um zu hinterfragen, wie praxisrelevant unsere Studiengänge sind.
In welcher Richtung muss denn nachgebessert werden? Welcher Studiengang ist wirklich betroffen? Wie gesagt, wenn die Studenten an der BTU nicht streiken, weil sie zwar punktuell Nachforderungen haben, aber prinzipiell mit ihrem Studium und den Bedingungen zufrieden sind, frage ich mich: Welche Studiengänge sind es in Potsdam, die zu diesem großen Streik führen?
Wenn ich die Geisteswissenschaften betrachte, zum Beispiel den Bereich Archäologie, aus dem ich komme, und mich mit dem Landesarchäologen unterhalte, sagt er mir: Herr Lipsdorf, die Absolventen mit Bachelor-Abschluss sind nicht einsatzfähig, weil ihnen die Praxis fehlt. Ein Archäologe mit BachelorStudium bekommt keine Arbeit, weil parallel Grabungstechniker ausgebildet werden, die die gleiche fachliche Qualifikation jedoch zusätzlich - Praxis haben. - Das ist ein wichtiger Punkt, den wir auch beachten sollten, der aber, wie gesagt, auch den Universitäten übergeben werden muss.
Über die Arbeitsmarktakzeptanz werden wir in ein bis zwei Jahren Näheres wissen; eher nicht, weil wir in Brandenburg eben nicht so viele Menschen mit Bachelorabschlüssen haben.
Eine Sache noch: In der „Frankfurter Allgemeinen“ wurde kolportiert, dass 6,7 Semester Bachelor-Studiengang mit 10,2 Semestern Diplom- bzw. Magisterstudiengängen gleichzusetzen seien. Ein Magister-Studium ist eben kein Bachelor-Studium; das muss man ganz deutlich sagen. Auch hier herrscht offensichtlich noch Unklarheit, was Bachelor, Master und Magister überhaupt bedeuten. All diese Dinge müssen vielleicht in der Öffentlichkeit noch einmal ordentlich kommuniziert werden, damit klar ist, worüber wir reden.
Zu der Anfrage, inwiefern Konsequenzen zu ziehen sind, stimme ich Herrn Prof. Schierack zu: Es ist weniger die Aufgabe des Parlaments, sondern wirklich mehr der Universitäten. Das möchte ich deutlich betonen. Dann erübrigt sich auch so manche Diskussion an dieser Stelle.
B90 das Wort. - Sie verzichtet auf einen Redebeitrag. Dann erhält die Landesregierung das Wort. Frau Ministerin Münch, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute Morgen bereits sehr ausführlich zu diesem Thema gesprochen. Ich denke, das meiste, was zu diesem Antrag zu sagen ist, ist heute Morgen in der Diskussion schon gesagt worden.
Herr Kollege Schierack, Sie haben vollkommen Recht: Es geht nicht darum, die Autonomie der Hochschulen einzuschränken, und eine Bilanz ist nach einem solch relativ kurzen Zeitraum tatsächlich schwierig. Trotzdem denke ich: Die Bilanz, die wir im Laufe des nächsten Jahres ziehen können, ist keine schlechte. Das, was wir zeigen können - die Zahlen -, ist gut. Ich habe heute Morgen bereits die Studie zitiert, die zeigt, dass gerade der Fachhochschul-Bachelor-Abschluss sehr wohl von der Wirtschaft anerkannt wird und dazu führt, dass die Absolventen in gute Berufe starten können.
Was die Qualität der Lehre betrifft, so ist sie uns speziell im Hochschulgesetz ein besonderes Anliegen; wir geben in diesen Bereich besondere Mittel. Das werden wir auch in den Zielvereinbarungen nochmals festlegen. Die Internationalisierung haben wir uns ohnehin auf die Fahnen geschrieben.
Außerdem finden schon sehr viele Anliegen Ihres Antrags bereits Niederschlag in den KMK-Beschlüssen, die ich heute Morgen noch einmal dargelegt habe. Insofern laufen wir da in eine ganz ähnliche Richtung. Was die Aufnahmekapazitäten angeht, so spielen sie bei jeder neuen Immatrikulation eine Rolle.
Sie haben speziell das Thema der Teilzeitstudiengänge oder der Teilzeitmöglichkeiten angesprochen. Die Hochschulen haben bereits die Möglichkeit, ein Teilzeitstudium einzurichten. Da gibt es zwei verschiedene Modelle. Einerseits kann man ein Studium als Teilzeitstudium - beispielsweise berufsbegleitend ausrichten, andererseits können sich Studierende als Teilzeitstudierende einschreiben. Da gibt es ganz unterschiedliche Optionen, und wir müssen gemeinsam mit den Hochschulen analysieren, welche Form möglich wäre. Das hat natürlich auch Finanzflüsse zur Folge.
Das Thema BAföG, das Sie zum Schluss ansprachen, ist bereits aufgegriffen worden. Es gibt eine Bundesratsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz, das sich um eine BAföG-Erhöhung bemüht, der wir uns angeschlossen haben. Außerdem werden wir derzeit von den aktuellen Entwicklungen in Berlin überrollt, da die Bundeswissenschaftsministerin ebenfalls BAföGErhöhungen angekündigt hat. Es gibt da sehr weitgehende finanzielle Zusagen. Insofern sind wir da, glaube ich, mitten im Fluss.
Wir werden Ihren Antrag natürlich sehr konstruktiv bearbeiten und in unsere Arbeit einfließen lassen. Ich gehe davon aus, dass wir die Berichte im gesetzten Zeitrahmen abliefern können. Danke schön.
Damit ist die Rednerliste erschöpft, und ich stelle den Antrag 5/122 zur Abstimmung. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ohne Enthaltungen ist der Antrag mehrheitlich angenommen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Es ist spät am Tage, die Reihen sind trotzdem noch gut gefüllt. Das ist schön, das freut mich. Es ist nämlich ein Thema, das mir am Herzen liegt, und ich glaube, es wird noch interessant hier.