Protocol of the Session on June 7, 2012

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal betonen, welchen Stellenwert wir der Arbeit der Musikschulen beimessen sollten. Altbundeskanzler Helmut Schmidt sagte einmal:

„Lasst uns dafür sorgen, dass in unseren Wohnungen und in unseren Schulen gesungen und Musik gemacht wird, auf dass die Nachwachsenden lernen, daran Freude zu haben. Es wird Zeit für jene Sprache, die unsere Seele ohne Umwege erreicht.“

(Beifall der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Oder kurz und knapp frei nach Nietzsche:

„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“

Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Lipsdorf spricht für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann es jetzt nur noch mit Singen toppen, in der Tat.

Meine Damen und Herren, wir haben uns im Ausschuss mit diesem Bericht auseinandergesetzt. Ich bedanke mich erst einmal ausdrücklich dafür, dass Sie diesen sehr schwierigen Bericht und auch die Schlussfolgerungen so schön zusammengefasst haben.

Ich glaube, mehr muss man an der Stelle gar nicht sagen, sondern wir warten jetzt auf das Gesetz, und dann diskutieren wir vielleicht noch einmal ausführlicher im Ausschuss und dann im Landtag darüber.

Aber, meine Damen und Herren, ich muss Ihnen leider sagen, Sie sind nicht ganz up to date.

„Bundesweit erster Musik- und Kunstschulverband in Brandenburg

… am 21. Mai beschloss der Landesverband der Musikschulen Brandenburg die Aufnahme der brandenburgischen Kunstschulen und die Erweiterung zum Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg (VdMK).“

Damit hat der LVdM nicht nur ein Zeichen gesetzt, sondern Verantwortung übernommen. Einer langjährigen und langwierigen Evaluierung hat er Handlung entgegengesetzt. Als das im AWFK Thema war, wurden konkrete Maßnahmen daraus abgeleitet. Damit ist auch eine Kritik der FDP von vor zweieinhalb Jahren erfüllt worden. Sie erinnern sich vielleicht noch, das war das mit den Tischtennisbällen. Wir hatten gesagt, dass es sich nicht um musische Bildung handelt, sondern sich eigentlich um musikalische Bildung handeln sollte. Jetzt kann man nämlich in der Tat und ordnungspolitisch korrekt von musischer Bildung für alle reden. Man kann dahin gehend mit diesen Tatsachen auch ein neues Gesetz schaffen und das bitte mit einfügen. - Ich bedanke mich und ich freue mich darauf.

(Beifall FDP)

Der Abgeordnete Groß spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Der Bericht geht auf einen Landtagsbeschluss vom 25. Februar 2010 zurück und soll die Grundlage für eine eventuelle Novellierung des Musikschulgesetzes sein.

Zum Engagement der Musikschulen stimme ich den Ausführungen von Ihnen, Frau Ministerin Dr. Kunst, Frau Kollegin Heinrich und auch Frau Kollegin Theiss zu. Sie haben dazu schon ausgeführt, auch insbesondere zum überdurchschnittlichen Engagement vieler Beteiligter. Und was nicht ganz unbedeutend ist, verehrte Damen und Herren Kollegen: Wir haben im Gegensatz zu anderen Bundesländern ein Musikschulgesetz.

Zu den Optimierungsvorschlägen des Projektverantwortlichen gestatten Sie mir, kurz die Position der Fraktion DIE LINKE dazu darzulegen.

Wir unterstützen solche Maßnahmen, die zu einer Reduzierung des Verwaltungsaufwandes führen. So halten wir es durchaus für richtig, wenn die Berechnung der Förderbeiträge zukünftig aufgrund der Daten aus dem Kalenderjahr erfolgt, das dem Förderjahr vorausgegangen ist, und nicht mehr aus dem laufenden. Auch die vorgesehene Änderung der Bemessungsgrundlage zur Mittelerteilung hat das Ziel, den Verwaltungsaufwand zu minimieren. Der zukünftige Verteilerschlüssel soll sich nicht mehr an der Zahl der Unterrichtsstunden, sondern an der Zahl der Schülerinnen und Schüler an den zertifizierten Musikschulen ausrichten. Das sehen wir mit großer Skepsis und können es nur dann mittragen, wenn gewisse für alle vertretbare Übergangslösungen gefunden würden. Unsere Skepsis begründet sich darauf, dass die Ausreichung der Landesmittel nach Schülerzahlen zu einem Abbau des kostenintensiven Einzelunterrichts führen könnte, den wir aber gerade benötigen, um Spitzenkräfte auszubilden.

Entgegen den Intentionen des Förderprogramms, die kostenintensiven Bereiche wie Talentförderung und studienvorbereitende Ausbildung zu fördern, werden bei einer Förderung nach Schülerzahlen explizit Bereiche wie die musikalische Früherziehung oder der Gruppenunterricht unterstützt, die bereits jetzt für die Träger in den meisten Fällen kostendeckend ausfinanziert sind. Wir aber brauchen beides. Außerdem führt die Förderung nach Schülerzahlen zu einer Ungleichgewichtung zwischen großen und kleinen Musikschulen. Sie birgt zudem die Gefahr in sich, dass Musikschulen die geringeren Landeszuschüsse durch eine Reduzierung der Personalkosten auszugleichen versuchen. Das hätte die Abnahme fester und die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse zur Folge. Deshalb halten wir zumindest eine Mischfinanzierung als Übergangslösung für dringend notwendig.

Am problematischsten ist für uns die Frage der Zertifizierung. Wir halten es durchaus für wichtig und notwendig, dass Musikschulen zertifiziert werden, ihnen praktisch ein Gütesiegel verliehen wird, sie die Bezeichnung „Anerkannte Musikschulen im Land Brandenburg“ führen dürfen und ihnen damit die Förderfähigkeit bescheinigt wird. Ernsthaft zu fragen ist allerdings, ob es neuer Qualitätskriterien bedarf oder ob die im Gesetz jetzt schon festgeschriebenen nicht ausreichend sind. Die Hauptfrage bleibt für uns, ob ein externes Zertifizierungsinstitut, wie es das MWFK übrigens nach anfänglicher Ablehnung jetzt plant, das richtige Instrument ist, vor allem angesichts der beabsichtigten Minimierung des Verwaltungsaufwandes oder auch aus finanziellen Gründen.

Außerdem plädieren wir dafür, die gegenwärtige Form der Ausreichung der Fördermittel beizubehalten. Sie erfolgt bislang durch Beleihung des LVdM im Rahmen der satzungsgemäßen Aufgaben. Die Beleihung verlangt vom LVdM Objektivität und rechtskonformes Handeln, das er bisher auch an den Tag gelegt hat. Zu prüfen wäre allerdings, in welcher Weise zusätzlicher Verwaltungs- und Zeitaufwand zugunsten einer präziseren Prüfung der Förderungsvoraussetzungen zu erreichen wäre. Gerade in Bezug auf die Art der Zertifizierung und der Ausreichung der Fördermittel erwarten wir ein Aufeinanderzugehen von MWFK und LVdM und ein Aushandeln von Kompromisslösungen, die nachhaltig tatsächlich zu einer Verringerung des Verwaltungsaufwandes führen.

Für zukunftsfähig halten wir die Aufnahme der Jugendkunstschulen in das Musikschulgesetz. - Ich sehe das rote Zeichen. Wenn Sie noch einen Satz gestatten? – Wir konnten uns bei der letzten AWFK-Sitzung davon überzeugen, welche positiven Wirkungen von einem Zusammengehen von Musik- und Jugendkunstschulen ausgehen und wie Potenziale dadurch gebündelt werden können. - Ich würde gerne noch etwas sagen. Aber ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Groß. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Frau Abgeordnete von Halem hat das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden beim Musikschulgesetz über eine Zwischenetappe auf dem Weg hin zu einem novellierten Musikschulgesetz; und das ist auch gut so. Denn bevor wir den Gipfel erklimmen, müssen wir noch einige Ausrüstungsfragen klären.

Bei der Zwischenetappe, die uns heute vorliegt, gibt es viel Begrüßenswertes. Musik ist Teil der kulturellen Bildung und damit insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung per se wünschenswert. Auch der vorgelegte Bericht ist insgesamt ein Gewinn; denn er wirft eine Menge vernünftiger Fragen auf.

Wir begrüßen im Großen und Ganzen den Vorschlag, die bisher getrennten Verfahren zur Bestimmung der Förderfähigkeit von Musikschulen und zur Berechtigung zum Führen der Bezeichnung „Anerkannte Musikschule im Land Brandenburg“ zusammenzulegen. Man fragt sich, welche Gründe eigentlich bislang dagegen gesprochen haben.

Erfreulich sind auch die Bestrebungen, einheitliche Qualitätskriterien zu formulieren und das geplante Zertifizierungsverfahren in externe Hände zu legen. Auch die Änderung des Finanzierungsschlüssels von erteilten Stunden hin zu unterrichteten Menschen ist aus unserer Sicht grundsätzlich sinnvoll. Unterrichtete Stunden zu bezuschussen bevorzugt über die Maßen den Einzelunterricht und geht zulasten der Breitenwirkung.

Es bleiben eine ganze Reihe von Fragen offen.

Erstens. Was bedeutet bei der Mittelzuweisung das größere Gewicht nach unterrichteten Menschen für die peripheren Räume? Was bedeutet es, dass Kurse nur bei einer Mindestteilnehmerzahl zustande kommen können und damit am Ende das kulturelle Angebot in den ländlichen Räumen weiter ausgedünnt wird?

Zweitens. Wie regeln wir den sinnvollen Ausgleich zwischen Spitzen- bzw. Begabtenförderung und Breitenwirkung, wenn der Zuschuss nach der Anzahl der Schülerinnen und Schüler bemessen wird? Bleibt die Hochbegabtenförderung dann zwangsläufig auf der Strecke?

Drittens. Auch wenn die meisten Musikschulen sozial Bedürftigen eine Ermäßigung einräumen, gibt es doch sehr zu denken,

wenn, wie dem Bericht zu entnehmen ist, nur 3,9 % der Gesamtschülerschaft 2008 von einer Ermäßigung profitiert haben. Das kann viele Gründe haben. Sie ändern aber nichts an der Tatsache, dass die soziale Ausgewogenheit offensichtlich mangelhaft ist.

Bei durchschnittlichen Jahresunterrichtsgebühren von 400 Euro bis 600 Euro ist das von der Bundesregierung gepriesene Bildungspaket nur ein „Lächerlichkeitspäckchen“. Ja, es ist auch richtig, dass der Anteil der Landesförderung an der Gesamtfinanzierung bei den Musikschulen nur 10 % ausmacht. Dass aber deshalb mit dem Verweis auf komplizierte Datenerfassung auf gezielte Förderung sozial Benachteiligter komplett verzichtet wird, ist aus unserer Sicht ein Armutszeugnis.

Noch schwieriger ist es - viertens - für die Menschen mit Behinderungen. Deren Anteil an der Gesamtschülerschaft der Musikschulen beträgt lediglich 0,94 %. Von Inklusion ist das Lichtjahre entfernt.

Man mag vielleicht ein gewisses Verständnis dafür aufbringen, dass die Landesregierung aufgrund des geringen Anteils, den die Landesförderung überhaupt ausmacht, keine soziale Lenkungswirkung erwartet und sich deshalb vor dem erwartbar hohen Verwaltungsaufwand scheut. Sich wegzuducken und diese Fragen ohne jegliche Hilfestellung allein den Kommunen bzw. den einzelnen Musikschulen überzuhelfen, ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg. Wir appellieren deshalb an die Landesregierung, bis zur Einbringung des neuen Musikschulgesetzes genau zu prüfen, ob nicht vielleicht soziale Aspekte genau wie ein vernünftiger Ausgleich zwischen Breitenwirkung und Begabtenförderung Eingang in den Katalog der Qualitätskriterien finden könnten.

Darüber hinaus stellte sich - fünftens - die Frage, wie Musikschulen mit der normalen Schule verzahnt werden können. Welche Rolle könnten Musikschulen bei der Ausgestaltung von Ganztagsschulen spielen, vor allem, wenn im Grundschulbereich immer wieder davon geredet wird, der Kunstunterricht und der Musikunterricht könnten zusammengelegt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige Debatte hat viele Anregungen gegeben. Lassen Sie uns an diesem Rüstzeug arbeiten und auf die nächste Etappe gespannt sein.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Das Wort erhält nunmehr der fraktionslose Abgeordnete Dr. Hoffmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im November 2009 konnte die Volksinitiative „Musische Bildung für alle“ über 28 000 Unterschriften vorlegen. Sie waren alle gültig. Im Kern ging es damals um Verbesserungen des Musikschulgesetzes in mindestens drei Punkten. Erstens: Musizieren im Klassenverband. Zweitens: Talentförderung und Ensemblespiel.

Drittens: mehr Festanstellungen an den öffentlichen Musikschulen.

Der Landtag lehnte die Volksinitiative ab. Das war aber nur der erste Teil des Beschlusses. Im zweiten Teil wurde beschlossen, dass die Landesregierung das Musikschulgesetz bis zum Ende des Jahres 2010 zu evaluieren und entsprechend zu novellieren habe. Doch damit sieht es nicht gut aus, weil der Bericht mehr als ein Jahr später kam und die ursprüngliche Fassung des Gutachtens die notwendigen inhaltlichen und formalen Anforderungen nicht erfüllte.

Das zuständige Ministerium versuchte zu retten, was noch zu retten ist. Aber auch in dem jetzt vorliegenden Bericht finden sich Vorschläge, die hoffentlich nicht in Gänze zur Wirkung kommen. Das betrifft zum Beispiel einen für Lehrkräfte und Talentförderung ungünstigen Vorschlag zur Änderung der Schlüsselzuweisungen. Die Kolleginnen und Kollegen haben dazu bereits einiges gesagt.

Wirtschaftlichkeit muss der Aufgabenerfüllung von Musikschulen dienen, meine ich, nicht umgekehrt, wie manchmal der Bericht gedeutet werden könnte.

Zertifizierungen: Unverständlich ist mir, warum Musikschulen extern bewertet werden sollen, wo es doch einen äußerst kompetenten Fachverband der Musikschulen gibt. Im Übrigen: Das jetzt gültige Gesetz sieht nicht vor, dass nur öffentliche Musikschulen Mitglied des LVdM werden können. Es war auch nicht als ein neues Gesetz nur für öffentlich geförderte Musikschulen gedacht.

Offen ist aber vor allem die Kernfrage, wie musikalisch und pädagogisch qualifiziertes Personal langfristig an Musikschulen gebunden werden kann.

Trotz aller Probleme: Die Leistungen der Musikschulen im Land Brandenburg und die Förderung durch die Landesregierung sind insgesamt und im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr positiv zu bewerten. Die Volksinitiative „Musische Bildung für alle“ hat sich gelohnt - trotz der Ablehnung. Ich möchte nur an das erfolgreiche und gut finanzierte Projekt „Klasse! Musik“ erinnern. Dadurch und durch die Plattform „Kulturelle Bildung“ und durch die Diskussion über die kulturpolitische Strategie 2012 in Fachforen hat die musisch-ästhetische Bildung insgesamt einen starken Impuls im Land erhalten. - Achten wir gemeinsam darauf, dass es noch besser wird! - Vielen Dank.