Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Sitzung des Bildungsausschusses am 29. März haben wir das Thema Sprachentwicklung beraten - erneut und wieder einmal. Warum haben wir es beraten? Grund dafür war, dass das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport in der Sprachförderung aus unserer Sicht einen anderen Weg gehen muss. Denn die bisher verfolgte kompensatorische - also nachgelagerte - Sprachförderung, die 2006 auf den Weg gebracht wurde, ist nicht so zielführend, wie das MBJS es bisher immer gedacht hat.
Ganz im Gegenteil: Die Evaluation der kompensatorischen Sprachförderung - EkoS - hat gezeigt, dass die Erfolge in der kompensatorischen Sprachförderung in Kitas in der Schuleingangsphase nicht gehalten werden können. Der Effekt, den wir erzielen, verpufft schlichtweg und es verstetigt sich nicht. Seit 2006 haben wir 2 400 Erzieherinnen und Erzieher geschult und für die personelle Umsetzung der Sprachstandsfeststellung und -förderung ca. 2,9 Millionen Euro ausgegeben. Meine Fraktion erkennt ausdrücklich an, dass die Landesregierung, das MBJS, in eine kompensatorische Sprachförderung investiert hat und auch die Sprachstandsfeststellungen verankert hat. Das muss man dem Bildungsministerium zugute halten und das muss man auch der Koalition, die hier bis 2009 regiert hat, zugute halten, meine Damen und Herren.
Leider wurde aber, wie so oft, erst gehandelt, als das Kind schon längst in den Brunnen gefallen war bzw. als die Kinder längst die Defizite hatten. In der Praxis ist das - das wissen wir alle - sehr aufwändig, die Effekte jedoch sind gering bis kaum vorhanden. Das hat uns dieser Evaluierungsbericht eindrücklich bestätigt. Das, was mitgenommen wird in die Primarstufe, in die ersten Klassen der Schule, ist spätestens in der 2. Klasse wieder verpufft.
Der Evaluationsbericht zum kompensatorischen Sprachförderung zeigt nun, was die Fachkräfte in den Kitas schon lange gewusst haben: dass wir unseren Schwerpunkt nicht auf die kompensatorische, sondern auf die alltagsintegrierte Sprachförderung legen müssen und dass die alltagsintegrierte Sprachförderung langfristige positive Effekte auf die Sprachkompetenz der Kinder hat. Die Sprachstandsförderung ist aber natürlich abhängig von der Qualität der Betreuung.
Da sind wir dann wieder bei der Betreuungsrelation, liebe Frau Ministerin: Wir brauchen eine bessere Betreuungsrelation in den Kitas in Brandenburg, denn sie ist der Indikator für die Qualität in der frühkindlichen Bildung. Brandenburg ist eines der Bundesländer mit der schlechtesten Betreuungsrelation. Das ist nichts, worauf man sich ausruhen kann. Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt: Die rot-rote Koalition hat das letzte Mal 2010 einen Antrag zur Kita-Förderung und zur Verbesserung der Betreuungsrelation eingebracht. Seitdem legen Sie die Hände in den Schoß und machen nichts.
Herr Büttner, Sie haben ja gerade den Zusammenhang zwischen Sprachentwicklung und Betreuungsrelation aufgemacht. Genau diese Frage wurde im Ausschuss auch mit einer externen Expertin beraten. Sie hat darauf hingewiesen - vielleicht erinnern Sie sich daran und können dies bestätigen -, dass es nach wissenschaftlicher Erkenntnis keinen expliziten Zusammenhang zwischen Gruppengröße und Sprachförderung gibt.
Die zweite Frage, die ich gern stellen würde: Sie haben die Vorgängerregierung bis 2009 positiv hervorgehoben. Vielleicht haben Sie auch zur Kenntnis nehmen können, dass die aktuell amtierende Regierung Maßnahmen ergriffen hat, von der die Expertin im Fachausschuss gesagt hat, dass sie in die richtige Richtung gehen.
Herr Kollege Krause, das Problem mit dem Zuhören ist immer, dass man bis zum Ende zuhören muss. Die Expertin hat im Bildungsausschuss zwar bestätigt, dass ein direkter Zusammenhang wissenschaftlich nicht nachweisbar ist; sie hat aber gleich im nächsten Satz gesagt, dass die Betreuungsrelation natürlich dennoch Einfluss auf die Sprachentwicklung hat.
Herr Kollege Krause, wenn Sie mal in den Kitas unterwegs sein sollten - ich gehe einmal davon aus, dass Sie das gelegentlich tun; ich auch, und zwar schon aufgrund der Tatsache, dass meine Kinder in Kitas sind -, dann werden Sie feststellen, dass die Erzieherinnen und Erzieher nur bei kleinen Gruppengrößen wirklich alltagsintegriert arbeiten können.
Wie Sie mit all den Kindern, die dort drin sind, mit einem so hohen Anteil an großen Kindergruppen sowie mit den vielen
bürokratischen Angelegenheiten, mit denen Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land belastet sind, diese Arbeit dann umsetzen wollen, bleibt mir schleierhaft. Deswegen müssen wir die Betreuungsrelation ändern, weil nur die entsprechende Betreuungsrelation auch dazu führen kann, dass wir individueller und begabungsgerechter fördern können. Das ist das Problem, und das verweigert die Landesregierung bisher. Darunter hat sie 2010 einen Schlussstrich gezogen. Wenn die Opposition in diesem Landtag nicht immer wieder Anträge vorgelegt hätte, würden wir über dieses Thema seit 2010 hier gar nicht mehr beraten. Und das ist falsch, Herr Krause!
Wenn der Betreuungsschlüssel in den Kitas endlich verbessert würde, dann könnte auch die Qualität der Betreuung gesichert werden und man müsste nicht ständig über neue Programme nachdenken, wie man bereits entstandene Defizite durch viel Geld und Mühe zu kompensieren versucht. Ich habe das auch im Bildungsausschuss gesagt, Herr Kollege Krause - ich habe dort auf Frau Wöllert als Vorsitzende des Sozialausschusses geschaut.
Wenn wir das Geld nicht im frühkindlichen Bildungsbereich ausgeben, dann werden wir uns im Sozialausschuss wieder darüber unterhalten, dass wir das Geld nachgelagert ausgeben müssen, und das ist deutlich teurer. Das wissen wir auch alle, und das wollen wir nicht. Deswegen lassen Sie uns beim Anfang anfangen und eine vernünftige frühkindliche Betreuung hinbekommen!
(Vereinzelt Beifall FDP sowie GRÜNE/B90 - Abgeord- neter Krause [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischen- frage)
- Nein, Herr Kollege Krause, Sie haben Ihre Chance gehabt; ich lasse jetzt keine Zwischenfragen mehr zu. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ich erinnere Sie an Ihr eigenes Wahlprogramm. Da steht das nämlich drin. Es heißt dort, dass Sie einen Stufenplan zur Verbesserung der Betreuungsrelation haben wollen. Was ist denn daraus geworden? Sie sind wieder einmal untergegangen in dieser Koalition und haben sich von der SPD letztendlich nur vorführen lassen. Das ist Ihr Problem!
Sprachförderung sollte eben nicht in einem separaten Kurs erfolgen, sondern kontinuierlich - durch Vorlesen, durch Singen etc. -, in der gesamten Kindergartenzeit, also alltagsintegriert. So ist es erst möglich, sich intensiver auf jedes einzelne Kind zu konzentrieren und die Sprachentwicklung individuell zu fördern.
Das Problem ist aber, dass sich das Ministerium in dieser Frage stur stellt. Man erhält den Eindruck, die Landesregierung habe nach der leichten Anhebung des Personalschlüssels vor zwei Jahren mit dem Thema frühkindliche Bildung abgeschlossen.
Im Endeffekt befinden wir uns aber immer noch unter den Schlusslichtern im Ländervergleich. Genau das ist auch der Denkfehler: Wenn man sich auf Priorität für Bildung festlegt, dann muss man es von Anfang an durchziehen, das heißt, bevor die Kinder in das Schulleben eintreten.
Dazu gehört eben auch eine gute Sprachentwicklung der Kinder, denn wir wissen alle: Ohne gute Sprachentwicklung haben die Kinder Probleme beim Lesen, beim Schreiben, beim Rechnen usw. Deswegen ist uns als Opposition dieses Thema auch so wichtig, und deswegen wollen wir, dass sich in diesem Land endlich etwas ändert.
Wir brauchen uns überhaupt nicht zu wundern, wenn die Schüler aus Brandenburg in der Lesekompetenz bundesweit am schlechtesten abschneiden. Es wurden über Jahre hinweg falsche Schwerpunkte im frühkindlichen Bildungsbereich gesetzt. Anstatt sich immer zu fragen, wie man die entstandenen Defizite kompensieren soll, sollte sich das Ministerium endlich darüber im Klaren sein, wie man grundlegende Maßnahmen ergreift, um die Defizite erst gar nicht entstehen zu lassen. Das ist der Kernansatz, meine Damen und Herren!
Das geht nur, in dem man früh und an den richtigen Stellen ansetzt. Darum investieren Sie doch bitte in den frühkindlichen Bereich! Sorgen Sie dafür, dass die Personalausstattung in den Kitas besser wird! Und hören Sie auf, sich mit Kompensationsmaßnahmen, die im Endeffekt eh nichts bringen, ins rechte Licht rücken zu wollen. Das schafft Chancengerechtigkeit für alle Kinder, und wir könnten die Gelder, die Sie zum Beispiel für das Schüler-BAföG ausgeben, für bessere investieren und für wichtigere Dinge einsetzen, denn auch im schulischen Bereich gibt es mehr als genug Punkte, wo man ansetzen könnte.
Alltagsintegrierte Sprachförderung zieht auch nach sich, dass eben nicht nur ein paar Erzieherinnen und Erzieher eine Ausbildung auf diesem Gebiet haben, sondern alle. Darum muss die Sprachentwicklung auch fest in der Erzieherausbildung verankert sein. Denn alle Erzieher führen mit den Kindern im Alltag Sprachförderung durch, in dem sie ihnen vorlesen, mit ihnen singen und entsprechende Spiele machen.
Das nützt aber alles nichts, wenn man auch hier langfristig wieder mit zu spät einsetzenden Fördermaßnahmen arbeitet. Nur wenn man die Kompetenzen von Anfang an vermittelt und Weiterbildung zulässt, hat man eine Chance auf bessere Sprachförderung. Sie haben diese Chance, indem Sie dem Antrag von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen, da Sie dadurch Ihren Willen dazu dokumentieren. Denn was sagt dieser Antrag aus? Er sagt, Sie sollen in Zusammenarbeit mit der Kita-Initiative Brandenburg und den Trägern von Kindertagesstätten einen Stufenplan erarbeiten. Das ist genau das, was Sie als Linke in Ihrem Wahlprogramm gefordert haben! Da übernehmen wir schon mal etwas von Ihnen - dann stimmen Sie doch wenigstens zu, wenn wir schon Ihre Forderung übernehmen!
Das Zweite ist: Sie sollen in den Kindertagesstätten dafür sorgen, dass die Leitungsfreistellung in angemessenem Umfang
ermöglicht werden kann. Sie wissen alle, dass die Leiterinnen von Kindertagesstätten genau das fordern, denn sie brauchen es, um ihre Leitungsfunktion wahrnehmen zu können. Die Erzieherausbildung soll so gestaltet werden, dass die integrierte Sprachentwicklung intensiv und fest verankert wird.
Insofern, meine Damen und Herren, bekräftige ich unsere Forderung: Handeln Sie endlich! Investieren Sie in unsere Kinder! Denn das schafft am Ende Chancengerechtigkeit und das ist die beste Sozialpolitik, meine Damen und Herren. Deswegen: Stimmen Sie diesem Antrag zu! - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner für Ihren engagierten Redebeitrag. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort, den die Abgeordnete Muhß halten wird.
Ja, auch ich weiß: Steter Tropfen höhlt den Stein. Es geht natürlich immer noch besser in Kita und Schule, wenn es um Betreuungsschlüssel, Ausbildung und Ausstattung geht. Manchmal habe ich aber doch den Eindruck: Wenn Sie noch nach einem Antrag suchen, holen Sie diesen einfach aus der Schublade, denn der geht immer - notfalls auch mit Nuancen.
Ich beginne mit dem Betreuungsschlüssel: Wie Sie wissen - Sie haben es ja eben selbst gesagt -, haben wir diesen bereits verändert, und zwar bei den 3- bis 6-Jährigen von ehemals sieben auf jetzt sechs Erzieher.