Protocol of the Session on March 22, 2012

Hinzu kommt, dass sich die finanzielle Situation der Älteren in unserem Land - Stichwort Altersarmut - und der Kommunen verschlechtern wird und die Heimunterbringung auch an die Grenzen der Finanzierbarkeit stößt, ganz abgesehen davon, dass sich die überwältigende Mehrheit der Betroffenen wünscht, bis zum Lebensende in der eigenen Wohnung zu bleiben.

Die Förderung von lokalen und regionalen Unterstützungsnetzwerken, in denen jüngere Alte den Hochbetagten Hilfe und Dienstleistungen anbieten, ist deshalb aus demografischen und

finanziellen Überlegungen dringend geboten. Die Idee der sogenannten Seniorengenossenschaften wurde schon in den 80erJahren des vergangenen Jahrhunderts in Kanada und den USA entwickelt. Sie gingen aus Nachbarschaftsinitiativen hervor, haben aber auch starke Bezüge zu alternativen Wirtschaftsmodellen wie Tauschringsystemen oder Zeitbanken. Das große geistige und körperliche Potenzial rüstiger Älterer, die über viel Zeit verfügen, wird zur Unterstützung hilfebedürftiger Hochbetagter genutzt.

Der Grundgedanke der Seniorengenossenschaft besteht darin, sich in aktiven Zeiten als Leistungsgeber einzubringen und Zeitboni anzusparen. Diese können dann später bei eigener Hilfebedürftigkeit eingelöst werden. In Deutschland erhielt diese Idee Auftrieb, als auf Initiative des damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth das Land Baden-Württemberg bereits 1990 ein Modellprogramm für Seniorengenossenschaften ausschrieb.

Die Seniorengenossenschaften stellen ein Zwischending zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit, dem Leistungsaustausch auf Verrechnungsbasis, der Tauschringe und einer Teilvergütung von Arbeitsleistungen dar. Manche dieser Initiativen haben sich als erfolgreich erwiesen, andere sind nach kurzer Zeit eingeschlafen. Verbreitet sind Kooperationen mit professionellen Anbietern, eine Ausweitung des Dienstleistungsangebots und auch die Zahlung von Entgelten statt reiner Zeitboni. Anhaltend ist aber das Interesse an solchen Initiativen, die entweder als selbstständige gemeinnützige Vereine - manchmal auch angegliedert an Seniorenbeiräte oder Agenda-21-Gruppen - agieren.

Ich will das Modell Seniorengenossenschaften nicht idealisieren; einige Schwachpunkte wurden schon angesprochen. Es wird allein nicht unsere Probleme der immer älter werdenden Gesellschaft lösen, aber das Motto von 1990 „Nicht die Alten sind das Problem, sie sind die Lösung des Problems“ ist immer noch aktuell und trifft den Nerv einer Rentnergeneration, die noch nie so gesund, so gebildet und so aktiv war wie heute und die sich weiterhin am gesellschaftlichen Leben beteiligen möchte.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt DIE LINKE)

So ist es richtig und zu begrüßen, dass die Förderung von Netzwerken für Ältere als Maßnahme 24 im Seniorenpolitischen Maßnahmenpaket der Landesregierung auftaucht. Der dort in Aussicht gestellte Leitfaden soll als Impulsgeber für vorhandene und zukünftige Initiativen dienen. Das im Antrag der CDUFraktion geforderte Konzept zur Unterstützung von Gründungen von Seniorengenossenschaften geht in die gleiche Richtung. Wenn zwei Akteure das Gleiche fordern und diese Forderung richtig ist, dann kann man - wie offensichtlich die Mehrheit hier - die Schlussfolgerung ziehen, den Antrag abzulehnen. Unsere Fraktion zieht die Schlussfolgerung, dass wir diesen guten Antrag unterstützen werden.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Staatssekretär Schroeder spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Ihrem Antrag haben Sie große Sensibilität für die Herausforde

rungen der Zukunft, für die große demografische Frage bewiesen: Wie können wir leben und wie können wir in einer älter werdenden Gesellschaft so viel Selbstbestimmung ermöglichen, wie irgendwie denkbar ist? Wir wissen alle: Die bestehenden Institutionen allein werden dafür nicht ausreichend sein. - Wir benötigen Ergänzungen, wir benötigen Reformen in den bestehenden Institutionen, und das bedeutet vor allen Dingen: Wir brauchen mehr Schnittstellen zwischen bestehenden Institutionen und selbst organisierten Formen des Lebens und Zusammenlebens.

In diese Richtung gehen Ihr Antrag und unser Punkt 24 des Maßnahmepakets. Diese Landesregierung hat sich sehr frühzeitig darum bemüht, ein attraktives, modernes Leitbild des Alterns zu entwickeln, und das ist eine große Herausforderung. Man muss sich klarmachen: In der Vergangenheit wurde das Alter sehr stark mit Defiziten in Verbindung gebracht. In der Vergangenheit war die Frage der Beteiligung von Älteren kein Thema, welches wirklich auf der Agenda der Politik stand. Da haben wir einen Paradigmenwechsel vollzogen, und dieser Paradigmenwechsel bedeutet, dass Ältere in Zukunft selbstbestimmt ihr Alter mitentwickeln und -gestalten sollen. Das heißt, wir haben ein anderes Leitbild, und dieses Leitbild bedeutet das engagierte, kompetente Altern, bei dem die Betroffenen selbst mitbestimmen und gestalten sollen.

Der zweite entscheidende Punkt in diesem Zusammenhang ist eher die Aktivierung. Das heißt, Ältere sollen aktiv am Leben in dieser Gesellschaft beteiligt werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Schier?

Ich würde lieber erst ausführen und dann auf die Zwischenfrage eingehen.

Das ist nicht möglich.

In diesem Fall müssen Sie mich gar nicht fragen, denn dann ist das alternativlos.

Frau Schier, Sie sind jetzt alternativlos.

Herr Staatssekretär, die Seniorengenossenschaften sind unter Maßnahme 24 des Maßnahmenpakets aufgeführt. Sie reden ja ein wenig um den heißen Brei herum.

Ich bin doch noch gar nicht fertig!

Die Seniorengenossenschaften wären ja eine weitere Schnittstelle. Warum tun Sie sich damit so schwer?

Weil wir eine Schnittstelle haben wollen, die funktioniert. Um funktionierende Schnittstellen zu erreichen - das ist von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern sehr deutlich zum Ausdruck gebracht worden -, braucht man eine Idee, eine Vorstellung davon, wo die Schnittstelle ansetzt, wer die Schnittstelle trägt, in welchem institutionellen Rahmen sie sich bewegt.

Deshalb haben wir gesagt - hier setze ich noch einmal an -: Das Leitbild, die Leitlinien von 2007 sind unzureichend; wir brauchen ein ganz konkretes Maßnahmenpaket. - In diesem konkreten Maßnahmenpaket befindet sich Position 24, an die Sie unmittelbar anknüpfen. In Position 24 haben wir gesagt: Wir überlegen uns, wie die Menschen vor Ort votieren, was sie dort machen wollen. - Deshalb ist das zunächst einmal ein Projekt - von unten gedacht und in Kooperation mit uns.

Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Es soll passgenau sein, und wir würden das gern mit Ihnen weiterentwickeln - das ist unsere Einladung an Sie -, insofern wertschätzen wir Ihre Initiative sehr und sagen: Das ist ein guter Hinweis. - Aber es bedarf dieses Hinweises nicht im Sinne eines neuen Projekts, sondern das Projekt besteht, und an dieses bestehende Projekt kann man sehr wohl anknüpfen. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir - ich denke, im Frühjahr, wenn erste Ergebnisse hinsichtlich der Schnittstellen, hinsichtlich der Weiterentwicklung von Genossenschaften und anderer Formen des Zusammenlebens vorliegen - mit Ihnen und anderen Kräften guten Willens, die an der Weiterentwicklung einer reformorientierten Seniorenpolitik interessiert sind, ins Gespräch kommen könnten.

Von daher glauben wir, dass das Paket, das wir hier vorgelegt haben und das in Kooperation mit den Senioreninitiativen dieses Landes entwickelt worden ist, eine gute Plattform ist, um diese Idee aufzunehmen und eine gute Zukunft für das Leben im Alter in diesem Bundesland zu gestalten. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir sind damit beim Schlusswort der antragstellenden Fraktion. Die Abgeordnete Schulz-Höpfner spricht noch einmal zu uns.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe es als unser Recht, aber auch unsere Pflicht an, dass wir diesem Programm zur Seniorenpolitik tatsächlich aktiv Luft einhauchen - nicht nur heiße Luft, sondern Aktivität!

(Beifall CDU)

Genau das ist ja das Ansinnen, und Sie haben befürwortet, dass wir hier wirklich aktiv etwas auf den Weg bringen wollen. Ich habe nur nicht verstanden, Herr Staatssekretär: Besteht dieses

Projekt? Wo besteht es? Wer hat es initiiert? - Mir ist ein derartiges Projekt „Seniorengenossenschaften“ noch nicht bekannt.

Es hat mich auch sehr gefreut, dass ich so viel Zustimmung dafür bekommen habe, dass wir hier gemeinsam etwas auf den Weg bringen. Ich bin nur enttäuscht, dass man sich letztendlich nicht zu einer Zustimmung durchringen kann.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind gerade die Seniorinnen und Senioren selbst - ich betone: selbst -, die auf uns und mich als fachpolitische Sprecherin zugekommen sind und gesagt haben: Wir würden das gern initiieren - es steht im Programm -, wir wollen dem Ganzen Leben einhauchen.

(Beifall CDU)

Sie brauchen dafür Unterstützung; das habe ich vorhin schon ausgeführt. Wir sollten - da nehme ich das Angebot des Staatssekretärs sehr gerne sehr ernst - dieses Unterstützungsangebot annehmen und dann gemeinsam etwas auf den Weg bringen. Herr Staatssekretär, Sie haben eigentlich die Begründung dafür geliefert, hier Aktivitäten zu entfalten, diesen Antrag in den Ausschuss zu überweisen und dann mit den Seniorinnen und Senioren, mit dem Seniorenrat gemeinsam etwas auf den Weg zu bringen.

(Beifall CDU)

Wir sollten, um an die Ausführungen anzuknüpfen und die Diskussion weiter anzuregen, die fehlenden Akzente oder Stücke zu einem Gesamtkonzept hinzufügen und vor diesem Hintergrund den Antrag in den Ausschuss überweisen. Ich hoffe, Sie können dem zustimmen; denn die Seniorinnen und Senioren haben wirklich schon selbst Arbeit geleistet und sich schon so viel Mühe gemacht, hier etwas aktiv auf den Weg zu bringen. Wenn wir diese Aktivitäten als Parlament nicht begleiten, auch öffentlich, dann, muss ich sagen, bin ich schon...

(Schippel [SPD]: Die sind selbstständig!)

- Das habe ich nicht in Zweifel gezogen. Genau das ist ein Zeichen der Selbstständigkeit unserer Seniorinnen und Senioren, wenn sie sich selbst Gedanken machen. Aber dass wir als Parlament das aktiv begleiten, das ist unsere Pflicht.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Du solltest gar nicht so laut sein, du gehörst bald dazu. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Frau Schulz-Höpfner, als aufmerksamer Zuhörer entnehme ich Ihren Worten einen Antrag auf Überweisung an den zuständigen Fachausschuss?

(Frau Schulz-Höpfner [CDU]: Ja!)

Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen.

(Oh! bei der CDU - Zurufe)

Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen ist der Überweisung des Antrags nicht zugestimmt worden.

Ich stelle den Antrag in Drucksache 5/4912 in der Sache zur Abstimmung. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.