Protocol of the Session on February 23, 2012

In einer gemeinsamen Stellungnahme der Menschenrechtsverbände, der Kirchen und der Flüchtlingsräte vom 20. Januar dieses Jahres wird darauf verwiesen, dass die Ablehnung von Eilanträgen durch das Gericht bereits ohne schriftliche Begründung rechtskräftig werde, sodass die Betroffenen abgeschoben werden können, bevor sie die Möglichkeit erhalten, weiteren Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Das Verfahren ist für die betroffenen Schutzsuchenden extrem belastend und fehleranfällig. So wurden Asylanträge von Menschen aus Eritrea als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Danach stellte sich jedoch heraus, dass sie doch begründet waren. Die Menschen waren indes bereits abgeschoben.

Auch auf der EU-Ebene steht das deutsche Flughafenasylverfahren momentan auf dem Prüfstand. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einer Entscheidung vom 2. Februar 2012, also jüngst, festgestellt, dass ein Asylschnellverfahren den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzen könne. Darüber hinaus hat der UNO-Ausschuss gegen Folter Deutschland aufgefordert, Asylbewerbern bereits vor der Anhörung durch die Asylbehörden Zugang zu unabhängiger, qualifizierter und unentgeltlicher Rechtsberatung zu garantieren.

Mittels einer Bundesratsinitiative können wir dazu beitragen, dass nicht nur in Berlin, sondern auch auf anderen Flughäfen unserer Republik Menschen nicht mehr ein solches Schnellverfahren durchlaufen müssen.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt DIE LINKE und SPD)

Menschenrechtsverbände, Kirchen, Flüchtlingsräte und auch wir Grünen fordern seit Jahren die Abschaffung des Flughafenverfahrens, da es sich in humanitärer Hinsicht, aber auch in seiner rechtlichen Qualität von dem Asylverfahren, das Flüchtlinge im deutschen Inland durchlaufen, deutlich unterscheidet. Wir möchten diesen Menschen gern die Chance auf ein ordentliches Asylverfahren geben, sie also als Gäste bei Freunden empfangen.

Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die mir gestellten Fragen eingehen: Herr Lakenmacher, für Herrn Otto Schily fühle ich mich nur sehr eingeschränkt zuständig und verantwortlich.

(Heiterkeit)

Was die Zusammenarbeit mit anderen grünen Landtagsfraktionen oder der Abgeordnetenhausfraktion betrifft: Wir tauschen uns aus und lassen uns auch gern inspirieren. Wir schreiben aber Anträge nicht eins zu eins ab, sondern entwickeln selbst welche.

(Beifall GRÜNE/B90 und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Das Wort erhält die Landesregierung. Herr Minister Dr. Woidke wird die Aussprache fortsetzen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haltung der Landesregierung zum Flughafenasylverfahren ist klar und eindeutig: Über Sinn und Zweck dieses verkürzten Asylverfahrens muss kritisch nachgedacht werden.

Ich habe immer betont - im Rahmen der Aussprache zu entsprechenden Anträgen und auch in Beantwortung von Anfragen aus diesem Hohen Haus -, dass nur der Bund eine Änderung der geltenden Rechtslage vornehmen kann. Es war und ist eine Entscheidung des Bundes, auf welchen Flughäfen Asylverfahren vor der Einreise durchgeführt werden.

Das Innenministerium hat sich mehrfach - 2001, 2005 und zuletzt im Jahr 2010 - für die Aussetzung des Verfahrens am Flughafen Schönefeld eingesetzt. Diese Bemühungen blieben leider erfolglos.

Aus diesem Grund begrüße ich den heute vorliegenden Antrag. Er trägt die Angelegenheit dorthin, wo sie hingehört. Das Asylverfahrensgesetz kann nur durch die Bundesregierung bzw. den Deutschen Bundestag geändert werden. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um den Bund in diesem Punkt zum Handeln zu bringen - sei es über den Bundesrat, indem wir auf

die Unterstützung anderer Bundesländer setzen; sei es im direkten Kontakt mit den zuständigen Stellen auf Bundesebene.

Ich sage aber auch deutlich: Solange das Flughafenasylverfahren geltendes Recht ist, wird es von uns zivilen Ungehorsam weder geben noch geben können. Rechtliche Verpflichtungen, etwa den Betrieb einer Aufnahmeeinrichtung am Flughafen BER, müssen wir genauso erfüllen wie die Flughafengesellschaft, die gesetzlich verpflichtet ist, das dafür erforderliche Gebäude zur Verfügung zu stellen.

Falls die Bundesregierung sich weigern sollte, eine Änderung vorzunehmen, und das Flughafenasylverfahren bestehen lässt, ist es unsere Pflicht, für eine angemessene Unterbringung, Versorgung und Betreuung der Asylsuchenden an diesem Standort zu sorgen. Dieser humanitären Verantwortung müssen wir gerecht werden. Wir würden ihr nicht gerecht, wenn wir die seit 1993 in Schönefeld vorhandene Unterkunft weiter nutzten. Diese befindet sich bekanntermaßen in einem äußerst maroden Zustand und liegt noch dazu unmittelbar an einer Startbahn.

Frau Fortunato hat dankenswerterweise schon einen sehr sensiblen Punkt angesprochen: die Betreuung von Jugendlichen. Wir haben gegenüber dem Bund deutlich gemacht, dass die Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in der Aufnahmeeinrichtung für uns nicht denkbar ist. Es reicht nicht aus, Jugendliche nur unterzubringen und zu versorgen; sie haben auch Anspruch auf intensive soziale Betreuung. Zu diesem Zweck hat das Land Brandenburg in Fürstenwalde ein besonderes Heim für alleinreisende Jugendliche geschaffen, um das uns andere Bundesländer beneiden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass dort auch die am Flughafen BER ankommenden unbegleiteten Jugendlichen Aufnahme finden können.

Herr Minister Dr. Woidke, möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Lakenmacher beantworten?

Aber gern, von Herrn Lakenmacher immer.

Herr Lakenmacher, bitte.

Vielen Dank, Herr Innenminister. Da Sie die Betreuung ansprechen: Die Flüchtlingsräte - das kam heute ein wenig zu kurz - kritisieren die rot-rote Landesregierung für die Bewerkstelligung der Betreuung, von der Sie gerade geredet haben, durch einen privaten Anbieter mit Gewinnabsicht. Können Sie das bestätigen? Wenn ja, was sagen Sie dazu?

Wir stehen mit den Flüchtlingsräten in intensivem Kontakt und sind auch bereit, in weitere Diskussionen einzutreten. Wenn es Probleme gibt, sind wir gesprächsbereit. Mir ist bis heute von diesem Problem nichts bekannt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss betonen, dass der Umgang mit Flüchtlingen aus aller Welt in Europa einer grundsätzlichen Neuausrichtung bedarf. Wenn nordafrikanische Staaten oder Staaten im Nahen Osten bereit sind, solidarisch Hunderttausenden von Flüchtlingen Aufnahme zu gewähren, dann darf das um ein Vielfaches reichere Europa nicht einfach wegblicken, seine Türen verschließen und die Tore noch höher bauen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Woidke - Wir sind am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung. Ihnen liegt der Antrag unter dem Titel „Auf das Flughafenasylverfahren verzichten - Flughafenasylverfahren abschaffen!“, eingebracht von der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in der Drucksache 5/4765 vor. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen ist dieser Antrag dennoch mit großer Mehrheit angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5.

Ich hoffe, Sie sind alle noch fit, denn es liegt uns jetzt eine größere Zahl an Anträgen zur Beratung vor.

Ich eröffne Tagesordnungspunkt 6:

Die Gesundheit der Bürger schützen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN des Abgeordneten Schulze des Abgeordneten Goetz

Drucksache 5/4708 (2. Neudruck)

in Verbindung damit:

Fluglärm begrenzen - Gesundheit der Anwohner schützen - 3. Start- und Landebahn am Flughafen BER ausschließen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN des Abgeordneten Schulze des Abgeordneten Goetz

Drucksache 5/4753 (2. Neudruck)

und

Verschonung der Ortsmitte von Blankenfelde-Mahlow von doppelter Überfliegung von und zur nördlichen Start- und Landebahn des neuen Flughafens BER

Antrag des Abgeordneten Schulze

Drucksache 5/4754

Ferner liegen Ihnen vor: der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU in Drucksache 5/4801, der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/4817 - Neudruck - sowie der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/4804.

Es wird diverse namentliche Abstimmungen geben. Deswegen sollten die Parlamentarischen Geschäftsführer schon einmal nach den fehlenden Abgeordneten Ausschau halten.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag des Antragstellers. Herr Abgeordneter Schulze hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde die Redezeit von 15 Minuten nicht ausnutzen. Der Grund ist schlicht und einfach: Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns nun endlich Taten sehen!

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben meine Anträge letztlich inspiriert und initiiert. Der Landtag hat am 16. Dezember vergangenen Jahres einen Beschluss gefasst - Drucksache 5/4348 -, der dem einen oder anderen vielleicht noch im Hinterkopf ist. Er enthält durchaus ein paar Punkte, bei denen ich mir dachte: Wenn der Landtag Brandenburg mit so breiter Mehrheit solche Forderungen aufstellt, dann lasst uns diese doch substanziieren!

Worte sind das eine, Taten das andere. Die Bürgerinnen und Bürger wollen Taten sehen!

Ich darf aus dem Beschluss zitieren:

„1. Der Landtag lehnt die Volksinitiative ab.“

Daran erinnert sich vielleicht noch jeder. Aber dann ist zu lesen:

„2. Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und dritte Start- und Landebahn ausschließen.“