Protocol of the Session on February 22, 2012

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Der Abgeordnete Dr. Scharfenberg übernimmt dies.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion ist Ausdruck einer Tonnenideologie, die in der CDU immer mehr Raum greift.

(Lachen und Zurufe bei der CDU)

„Masse statt Klasse“ scheint die Devise für ein Vorgehen zu sein, das die Anzahl der Anträge, aber nicht den Inhalt in den Mittelpunkt stellt. Es ist alles eine Frage des Maßes, und auch Ihre Begründung, Herr Lakenmacher - Sie mögen das ja gut gemeint haben -, war angesichts der realen Zustände in diesem

Land natürlich völlig überzogen, und da erreicht man sehr leicht das Gegenteil von dem, was man will.

Im Dezember ist der Haushaltsbeschluss für 2012 gefasst worden, mit dem sich die konkrete Personalplanung verbindet. Dazu gehören auch die Stellen bei der Polizei. Ich weiß, dass Sie das nicht gern hören, aber hier kann ich an meine Vorredner anknüpfen: Für diese Personalplanung einschließlich des Jahres 2012 trägt die CDU noch unmittelbare Verantwortung, denn das ist 2009 festgelegt worden, als Sie noch in der Regierung waren und den zuständigen Minister gestellt haben.

Machen wir es ganz konkret: Die neuen Polizeistrukturen sind erstmals im Haushalt 2012 dargestellt. Danach haben wir für das neue Polizeipräsidium 6 741 Stellen für Beamte festgeschrieben. In den beiden bisherigen Polizeipräsidien waren es 5 483 Beamtenstellen. Mit LESE und LKA, die jetzt in das Präsidium integriert sind, waren es im vergangenen Jahr 6 702 Beamtenstellen.

(Zuruf: Vier!)

Rechnen Sie mal mit! - Ich frage mich, welchen Personalabbau Sie da stoppen wollen. Sie haben auch richtig gesagt: Wir stehen am Anfang dieses Personalabbaus, der für den Zeitraum bis 2020 abgesteckt worden ist. Die Strukturreform steht unter dem Anspruch, mit einer veränderten Polizeistruktur Personaleinsparungen zu ermöglichen, um dem zunehmenden Konsolidierungsdruck gerecht werden zu können. Das haben Sie auch als Oppositionsfraktion akzeptiert, denn Ihr Gegenvorschlag zur Polizeistrukturreform sah einen weiteren Personalabbau um 900 Stellen auf 8 000 Stellen vor. Das wird nach der jetzigen Planung 2016 erreicht sein. Offensichtlich haben Sie sich das jetzt schon wieder anders überlegt - oder?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist selbstverständlich, dass der bis 2020 geplante Personalabbau bei der Polizei kein Selbstzweck ist, sondern nur unter der Voraussetzung stattfinden kann, dass die öffentliche Sicherheit landesweit gewährleistet wird. Da sind wir uns alle einig. Das ist unstrittig. Deshalb ist auch unstrittig, dass, ausgehend von den Umsetzungsschritten, gegebenenfalls nachgesteuert werden muss. Sie haben zur Kenntnis nehmen können, dass bereits jetzt die Zielstellungen für die Personalentwicklung bis 2020 nach oben korrigiert worden sind. Es sollen dann nicht mehr nur 40 000 Landesbedienstete, sondern 42 000, also 2 000 mehr, sein, um dem Bedarf in diesem Land gerecht werden zu können.

(Zuruf von der CDU)

Ich bin mir allerdings nicht sicher, welche Reaktion das bei der CDU auslöst, denn keiner weiß, was Sie mit Ihrer populistischen Arbeitsteilung eigentlich wollen. Die Fraktionsvorsitzende und der finanzpolitische Sprecher kritisieren die Inkonsequenz des Finanzministers bei der Konsolidierung des Haushalts.

(Burkardt [CDU]: Richtig!)

Sie fordern einen stärkeren Sparwillen.

- Ja, ich weiß, dass Sie das ständig machen, Herr Burkardt.

Andere aus Ihrer Fraktion tun genau das Gegenteil und fordern in ihrer inhaltlichen Zuständigkeit mit Vehemenz mehr Mittel

zum Beispiel für Bildung, Hochschulen, Kultur und für den sozialen Bereich. Da sind wir ja gar nicht so weit auseinander, aber Sie stellen solche Forderungen eben auch für die Polizei, wobei Sie - nebenbei bemerkt - bei der Haushaltsberatung im Innenausschuss auf jegliche Anträge verzichtet haben.

(Lachen bei der CDU)

Dafür hätten Sie nämlich auch die Deckungsquellen nachweisen müssen, und diese Mühe haben Sie sich gar nicht erst gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Was also wollen Sie eigentlich? Wenn man Ihren Beschreibungen von katastrophalen Zuständen bei der Arbeit der Polizei und der Kriminalitätsentwicklung folgen würde, müsste man stehenden Fußes die doppelte Anzahl Polizisten vorsehen.

(Mindestens! bei der SPD)

Da bleibt dann aber immer noch die Frage, wie man das bezahlen soll und wieso der Polizeischlüssel in anderen Ländern deutlich niedriger ist und trotzdem keine Anarchie herrscht. Zudem würden Sie damit, wie gesagt, Ihre eigenen Beschlüsse infrage stellen, die bis zum laufenden Jahr wirksam sind.

Noch eine Bemerkung zu Ihrem Verweis auf den Stellenabbau beim Verfassungsschutz: Ich bin mir sicher, dass mit dem geplanten Stellenabbau in der Abteilung Verfassungsschutz der gesetzliche Auftrag nicht infrage gestellt wird. Wir haben es doch damit zu tun, dass Herr Schönbohm in seiner Amtszeit den Ehrgeiz hatte, diese Abteilung im MI personell aufzublasen. 1999 hat Herr Ziel 93 besetzte Stellen beim Verfassungsschutz übergeben. Sechs Jahre später, unter Innenminister Schönbohm, waren 127 Stellen besetzt.

Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg, ich bitte Sie...

- Ich komme zum Ende. - Einen solchen Aufwuchs hat es in anderen Ländern offensichtlich nicht gegeben. Insofern meinen wir, dass mit der in der Personalplanung abgesteckten Entwicklung, bis 2014 wieder auf 90 Stellen zu kommen, sozusagen der Normalzustand wiederhergestellt ist.

Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg, Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.

Der Antrag der CDU ist reine Propaganda und wird deshalb von uns abgelehnt. - Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN fort. Frau Abgeordnete Nonnemacher erhält wiederum das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In dem vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion werden verschiedene Themenfelder miteinander verwoben. Einmal geht es erneut um die Polizeistrukturreform mit ihrem erheblichen Personalabbau, und dann klingen die kürzlich hier behandelten Probleme der Grenzkriminalität an. Schließlich unterstellt der Antrag einen Anstieg im Bereich der politisch motivierten Kriminalität Stichwort: drohende Gewaltspirale - und leitet zum Stellenabbau beim brandenburgischen Verfassungsschutz über.

Unsere Meinung zur Polizeistrukturreform „Polizei Brandenburg 2020“, die von der Mehrheit des Parlaments hier beschlossen wurde, obwohl der Landtag an der näheren Ausgestaltung der Reform gar nicht beteiligt wurde, haben wir immer wieder vorgetragen. Wir verschließen uns nicht der Notwendigkeit von Reformen und Personalreduzierungen, wir halten die Zielzahl von 7 000 Kräften jedoch für drastisch und nicht aufgabenkritisch untersetzt.

Wenn die CDU-Fraktion allerdings jetzt schon der Meinung ist, dass die Sicherheit in diesem Land nicht mehr gewährleistet wird und die Sicherheitskräfte in Brandenburg den ihnen gestellten Aufgaben nicht mehr nachkommen, so irritiert uns das. Der beschlossene Stellenabbau hat ja noch gar nicht richtig Gestalt angenommen; derzeit bewegen wir uns bei ca. 8 800 Kräften. Die behauptete Überlastung müsste somit ihre Ursachen in neuen strukturellen Problemen oder einer explodierenden Kriminalität haben - beides lässt sich nicht belegen.

Die Kriminalitätsentwicklung in Brandenburg in den Jahren 1996 bis 2007 nebst Prognoseszenarien bis 2030 ist vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung im Zusammenhang mit dem Landeskriminalamt wissenschaftlich untersucht worden. Laut dieser Regionalanalyse ist die Kriminalitätsbelastung in der Langzeitbetrachtung kontinuierlich gesunken. Auch die Entwicklung der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik in den letzten Jahren belegt keine generell ansteigende Kriminalität. Natürlich müssen die Daten immer sorgfältig analysiert werden: Es gilt Deliktgruppen, Aufklärungsquoten und regionale Besonderheiten differenziert zu betrachten und ins Verhältnis zu setzen.

Bei den Diebstahlsdelikten stehen Kfz-Diebstahl und Tageswohnungseinbrüche weiterhin im Fokus. Die in einigen Bereichen sinkenden Aufklärungsquoten müssen Konsequenzen haben. Die in der Aktuellen Stunde zur Grenzkriminalität schon diskutierten Maßnahmen wie Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Verbesserung der kriminalpolizeilichen Ermittlungsarbeit gerade bei spezialisierter Bandenkriminalität sind richtig. Natürlich muss in solchen Bereichen auch der Personalbedarf einer ständigen aufgabenkritischen Überprüfung unterzogen werden. Die verallgemeinernde Aussage, dass ständig steigende Deliktzahlen sinkenden Aufklärungsquoten gegenüberstünden, lässt sich jedoch nicht belegen.

Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik für 2011 wird uns am 29. Februar 2012 vorgestellt werden. Vermutlich wird auch sie nicht belegen, dass das Land in Kriminalität versinkt. Dasselbe ist für die politisch motivierte Kriminalität zu sagen. 2010 sank

die Zahl der Straftaten nach der PMK-Definition um 28 % und erreichte den niedrigsten Stand seit 2001.

Über die Rolle des Verfassungsschutzes wird seit dem Bekanntwerden der unfassbaren NSU-Morde letzten Herbst intensiv und kontrovers diskutiert. Ob man die Sicherheit in unserem Land und den Schutz der Verfassung überhaupt noch dem Verfassungsschutz überlassen könne, wurde da gefragt, und es wurden Dinge wie „auf dem linken Auge sind sie blöd und auf dem rechten Auge blind“ gesagt.

Im Deutschen Bundestag und in Thüringen wurden Untersuchungsausschüsse eingesetzt, um eklatante Versäumnisse der Sicherheitsbehörden aufzuklären. Weder die kritische Presse noch parlamentarische Kontrollgremien haben jedoch bisher in Brandenburg irgendeinen Anhalt dafür erbracht, dass der Verfassungsschutz hier seine Aufgaben nicht in guter Qualität erfüllt. Gerade auf die strikte Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien und auf Prävention und Vernetzungsarbeit - beispielsweise im Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ - orientiert sich die Arbeit, und das nötigt uns Respekt ab. Die Grünen stehen zum Brandenburger Verfassungsschutz und wollen ihn auch nicht - wie andere - abschaffen. Allerdings bleiben wir bei unserer Meinung, dass bei schmerzhaftem Personalabbau im Polizeibereich der Verfassungsschutz ebenso seinen Beitrag leisten muss. Diese Debatte hatten wir bereits im Juni 2010 anlässlich des CDU-Antrags „Bekämpfung des Rechts- und Linksextremismus...“

Frau Abgeordnete Nonnemacher, Ihre Redezeit ist überschritten.

Ich komme zum Ende. - „... auf gleichem Niveau beibehalten“ geführt. Insgesamt halten wir Ihren wenig differenzierten Antrag für einen untauglichen Versuch, Ihr Profil im Politikfeld innere Sicherheit zu schärfen, und werden ihn deshalb ablehnen.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD sowie DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Für die Landesregierung ergreift Herr Minister Dr. Woidke das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Lakenmacher, diesen Antrag einen „Schaufensterantrag“ zu nennen ist eine Beleidigung für den Brandenburger Einzelhandel.

(Lachen und vereinzelt Beifall bei SPD und DIE LINKE)

Bemerkenswert ist auch, dass dieser Antrag - das haben einige Vorredner bereits ausgeführt - im klaren Widerspruch zu den bisherigen Beiträgen der CDU-Fraktion in der Debatte um die Polizeireform steht.

Ende 2011 hatte die Polizei in Brandenburg gut 8 600 Beschäftigte. Es ist wahr, dass ein weiterer Personalabbau vorgesehen

ist. Wahr ist allerdings auch - Herr Scharfenberg ist darauf eingegangen -, dass dieselbe Fraktion, die heute diesen Antrag in den Landtag einbringt, noch im vorletzten Jahr selbst unter großem Getöse ein Polizeireformkonzept vorgelegt hat, das einen Personalabbau auf 8 000 Polizeibedienstete vorsah. Wem von Ihnen der Antrag nicht mehr vorliegt, dem gebe ich ihn gern zum Nachlesen. Was soll denn jetzt gelten? Runter auf 8 000 oder Abbau sofort stoppen? Beides zusammen wird wohl schwierig.

Als die CDU-Fraktion damals ihr durchaus erwägenswertes Polizeireformkonzept vorgestellt hatte, hat sie sich noch an den Realitäten und den Herausforderungen für das Land Brandenburg orientiert. Mittlerweile sind Sie von diesem Punkt weit entfernt, meine Damen und Herren. Ich zitiere Frau Ludwig und Herrn Petke:

„Gleichwohl müssen wir die bestehenden Strukturen an die sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen.“