Protocol of the Session on December 4, 2009

(Beifall GRÜNE/B90, CDU, SPD sowie DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur zweiten Runde dieser Debatte. Ich weise noch einmal darauf hin: Sobald die gelbe Lampe blinkt, haben Sie jeweils noch eine Minute Redezeit.

Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Dombrowski spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat in seinem Vortrag eine denunziatorische Diskussion und das niedrige Niveau der Diskussion beklagt. Er hat eine zweite Chance für Täter eingefordert. Ich frage: Wo bleibt die erste Chance für die Opfer nach 19 Jahren Landesregierung Brandenburg?

(Beifall CDU)

Der Ministerpräsident hat sich bemüht, wie andere Redner auch, das Thema der entdeckten Stasitätigkeiten in der Fraktion DIE LINKE auf die Fälle Hoffmann und Adolph zu beschränken. Ich komme dazu noch einmal. Er hat - das finde ich wichtig - im Gegensatz zu anderen Meinungsäußerungen aus seiner Partei, der SPD, eingeräumt, dass es seit 1990 keine systemati

sche Überprüfung des Landtages Brandenburg gegeben hat. Herr Ness, der nach mir noch sprechen wird, hat dies erst vor zwei Tagen anders dargestellt, nämlich dass es 1995 und auch 1999 solche Überprüfungen gegeben habe. Der Ministerpräsident war schon früher im Landtag. Von daher war er an dieser Stelle auch wirklich besser informiert.

Der Ministerpräsident hat erklärt, das Geheimnis der Versöhnung heiße Erinnerung. Ja, Herr Platzeck, da haben Sie Recht. Das Problem ist aber, dass sich viele nicht erinnern wollen, nicht erinnern können oder sich erst dann erinnern, wenn ihnen auf die Sprünge geholfen wird. Ich halte es jedenfalls für anmaßend, dass sich noch weitere Redner darüber beschwert haben, dass die Presse eine Aufgabe wahrnimmt, die ihr im demokratischen Rechtsstaat ausdrücklich zukommt, nämlich auf Missstände hinzuweisen, auch wenn sie den Betreffenden nicht gefallen. Das sind einmal die einen und einmal die anderen. An dieser Stelle war es jedenfalls sehr wichtig.

Der Ministerpräsident hat von Philistertum gesprochen. Er hat mich da direkt angesprochen.

(Ministerpräsident Platzeck: Ich habe Pharisäer gesagt!)

- Ja, Philister, Pharisäer, Sie haben Verschiedenes gebraucht.

Auch wenn es Ihnen vielleicht nicht gefällt: Ich habe nie zu denen gehört und werde nie zu denen gehören, die 17 Millionen DDR-Bürger, einschließlich 2,4 Millionen SED-Mitglieder und mehrere Hunderttausend Mitglieder der Blockparteien, dafür verurteilen werden, dass sie dort gelebt oder dort mitgemacht haben. Jeder, der in der DDR gelebt hat, weiß, dass auch in der SED nicht 2,4 Millionen Schweinehunde waren. Wer das nicht selbst nachvollziehen konnte, der kann das auch in Berichten von „IM Marisa“ nachlesen, in denen darüber berichtet wurde, was andere SED-Mitglieder über den Chef der SEDKreisleitung gesagt haben. Daran kann man sehen, dass auch innerhalb der SED Leute sehr wohl verstanden hatten, dass ihre Führungskader ein unrühmliches, ein mieses Spiel trieben. Dass sie dennoch mitgemacht haben, werfe ich ihnen nicht vor, denn wenn man in einer Diktatur lebt, muss man sich - wenn auch nicht zwangsläufig - irgendwie einrichten. Wer Karriere machen wollte, der hat mitgemacht. Von daher kann man nicht erwarten, dass 17 Millionen DDR-Bürger 17 Millionen Helden waren.

Auch denen, die sich in Parteien engagiert haben, aus unterschiedlichsten Gründen, möchte ich nicht andichten, dass sie deswegen alle krumme Hunde waren, sondern es sind auch viele ehrliche Menschen dabeigewesen. Das betrifft im Übrigen auch die Blockparteien. Die CDU hat keinen Grund, sich von ihrer Geschichte, sowohl der Gründung in ganz Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg als auch der Abspaltung in der DDR, zu distanzieren. Wir stellen uns dem. Ich habe es letztens schon gesagt: Unmittelbar nach der Wende, im Frühjahr 1990, haben der damalige Landesvorsitzende Lothar de Maizière und ich als Schatzmeister auf alles bekannte und unbekannte Vermögen aus DDR-Zeiten verzichtet. Das haben Sie nie gemacht, hätten Sie nie machen können, sonst wären Sie Millionen losgeworden.

Meine Damen und Herren, wer die Geschichte der CDU, auch der DDR-CDU, verfolgen möchte, der kann sich gerade hier in Potsdam darüber informieren, unter welchen Umständen der

erste Landesvorsitzende der CDU Wolf zu Tode gekommen ist. Tun Sie es doch einfach!

(Beifall CDU)

Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Ich habe in den zehn Jahren hier im Landtag kein einziges Mal in der Debatte die Linke, die PDS angegriffen, weil sie früher die SED war. Ich habe mich immer um Sachlichkeit bemüht, und ich weiß, dass auch der eine oder der andere in der PDS-Fraktion, in der Fraktion DIE LINKE, wie sie jetzt heißt, dies ausdrücklich gewürdigt hat. Es gibt eben nicht nur schwarz und weiß. Der Kollege Woidke sprach von medialer Hinrichtung von Abgeordneten. Lieber Dietmar Woidke, das, was du vorgetragen hast, ist unter deinem Niveau geblieben; denn du hast kein Wort für die Opfer gefunden. Das finde ich schade.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, hier wird immer von zwei Fällen gesprochen. Der Fall des Kollegen Luthardt wird so dargestellt, dass er ja seinen Wehrdienst geleistet habe usw., das sei ja alles nicht so schlimm. Ja, es ist nicht schlimm. Nur, Kollege Dr. Luthardt, stehen Sie doch dazu! Stehen Sie doch dazu, dass Sie im Mai 1978 Ihre Verpflichtungserklärung unterschrieben haben,

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

die lautete:

„Ich verpflichte mich, alle meine Kräfte und Fähigkeiten einzusetzen, um die ehrenvollen Pflichten und Aufgaben eines Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit zu erfüllen.“

Das können Sie doch tun. Es ist doch nichts dabei. Sie waren hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. So ist das.

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Wenn das so ist, dann können Sie auch sagen, dass Sie die Verpflichtungserklärung unterschrieben haben. Von daher reden wir eben nicht nur von IMs, sondern wir reden auch von den Hauptamtlichen.

Es geht nicht zuallererst um die Frage, ob die Linkspartei die Gesamtschuld für die Entwicklung der DDR tragen muss, sondern es geht um Aufrichtigkeit hier im Landtag. Man kann von Leuten - das finde ich jedenfalls -, die über Jahre ihr eigenes Tun verschwiegen haben, die andere getäuscht und betrogen haben, nicht erwarten, dass sie ehrliche Politik machen. Das gehört aufgearbeitet, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Das Wort erhält die SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Ness spricht.

Sehr geehrter Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wahrscheinlich ist das heute die wichtigste Debat

te, die im Brandenburger Landtag in den letzten Jahren stattgefunden hat. Es geht um die Vergangenheit, es geht um unsere Gegenwart, es geht aber auch um die Akzeptanz von parlamentarischer Demokratie überhaupt in unserer Gesellschaft. Ich glaube, dass es um noch viel mehr geht als nur um das Stasithema, das heute hier im Mittelpunkt steht. Es geht auch darum, ob Wahlergebnisse akzeptiert werden können

(Oh! bei der CDU)

und ob Regierungsbildungen akzeptiert werden können.

Heute reden wir hier über das Thema Vergangenheitsaufarbeitung, wir reden über die Opfer der Staatssicherheit, wir reden über Täter, wir reden darüber, wie wir als Parlament damit umgehen. Wir werden im Dezember ein Abgeordnetengesetz verabschieden, mit dem klar festgelegt wird, dass alle Abgeordneten dieses Landtages in einem ordnungsgemäßen Verfahren überprüft werden. Wir werden eine Kommission einsetzen, die Empfehlungen aussprechen wird, wenn es Informationen gibt, die es rechtfertigen, dass Abgeordnete diesem Haus nicht mehr angehören sollten. Ich glaube, dass das ein geordnetes und sinnvolles Verfahren ist, dem sich übrigens die SPD-Fraktion 1999 unterzogen hat. Wenn Herr Dombrowski heute kritisiert, dass das in der Vergangenheit nicht geschehen ist, dann will ich ihn daran erinnern, dass die letzten zehn Jahre die CDU mit uns gemeinsam eine Regierung gebildet hat. Ich habe an den Koalitionsverhandlungen 2004 teilgenommen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es eine Initiative der CDU gab, eine Stasiüberprüfung durchführen lassen zu wollen. Wir alle hier in diesem Parlament müssen zu unserer gemeinsamen Verantwortung stehen. Seit 1990 hat es keine Stasiüberprüfung gegeben. Sie ist weder von der CDU noch von meiner Fraktion beantragt worden.

(Frau Prof. Dr. Wanka [CDU]: 1991!)

Das war ein Versagen; deshalb müssen wir das jetzt ändern. Aber da sollten wir uns auch nicht gegenseitig die Schuld zuschieben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wenn wir jetzt aber über die Bildung dieser Regierung reden,

(Zuruf der Abgeordneten Prof. Dr. Wanka [CDU])

dann sollten wir uns alle erst einmal das Wahlergebnis in Erinnerung rufen. Das Wahlergebnis sah so aus, dass die SPD wie auch 2004 stärkste Fraktion geworden ist, dass die Linke wie auch 2004 zweitstärkste Fraktion geworden ist und die CDU mit weniger als 20 % auf Platz drei gelandet ist. Danach hat es Sondierungsverhandlungen gegeben. Die SPD hat es sich nicht leichtgemacht, eine neue Regierung zu bilden und eine Entscheidung zu treffen.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Wir haben uns dann aus inhaltlichen Gründen dafür entschieden, eine Regierung mit der Linken zu bilden. Unmittelbar nach dieser Entscheidung, bevor einer der Stasifälle, über die wir heute diskutieren, öffentlich geworden ist, erklärte der damalige Bundesinnenminister, der Verfassungsminister der Bundesrepublik Deutschland, diese Regierungsbildung zu einer

Regierungsbildung der Schande. Ich glaube, dass das auch etwas ist, was die Demokratieakzeptanz hier in Brandenburg und in Ostdeutschland infrage gestellt hat. Er hat nämlich 400 000 Wählern der Linkspartei in diesem Land, 100 000 mehr, als die CDU erreicht hat, mitgeteilt, dass sie eine Partei der Schande gewählt haben, die eigentlich nie mitregieren darf.

Ich glaube, was die CDU in diesem Hause wirklich überdenken muss, ist, ob sie dauerhaft 30 %, in bestimmten Regionen unseres Landes 40 %, der Wählerinnen und Wähler ausgrenzen will, außerhalb unseres demokratischen Spektrums stellen will. Das tun Sie gerade. Das geht nicht.

(Zuruf der Abgeordneten Prof. Dr. Wanka [CDU])

Wenn Sie es praktisch sehen, dann machen Sie das vor allem auf regionaler Ebene ganz anders. Darauf hat der Ministerpräsident hingewiesen.

(Zuruf der Abgeordneten Prof. Dr. Wanka [CDU])

Sie sind auch noch bigott.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich glaube, wenn wir diese Diskussion umfassend führen wollen, dann müssen wir das Stasithema aufarbeiten, dann müssen wir das Thema der DDR-Vergangenheit aufarbeiten. Wir müssen aber auch darum werben, Menschen für Demokratie zu gewinnen. Was ich aufseiten der Opposition - ich nehme die Grünen ausdrücklich aus - feststelle, ist, dass ein Teil der ostdeutschen Gesellschaft dauerhaft ausgegrenzt, ihr Wahlverhalten nicht akzeptiert werden soll und jedenfalls nicht bei demokratischer Regierungsbildung mit einbezogen werden darf, weil Teile von Mitgliedern eine problematische Vergangenheit haben. Das ist nicht akzeptabel. Das geht so nicht. So werden wir den Zusammenhalt in unserer demokratischen Gesellschaft in Brandenburg nicht hinkriegen.

(Zurufe der Abgeordneten Prof. Dr. Wanka und Senftle- ben [CDU])

Ich bitte Sie, dass wir das gemeinsam überdenken und zu einem vernünftigen, demokratischen Miteinander zum Wohl des Landes Brandenburg über alle Parteien hinweg kommen. Danke.