Protocol of the Session on January 26, 2012

Meine Damen und Herren, und Sie schlagen vor, sich am Beispiel der Verträge zwischen Vattenfall und betroffenen Randgemeinden in Sachsen ein Beispiel zu nehmen. Dazu ist erstens festzustellen: Das sind Verträge, die ein Unternehmen mit einer Kommune schließt. Selbstverständlich begleiten wir das, und selbstverständlich führen wir unsere politischen Gespräche dahin gehend, dass wir uns sehr schlecht vorstellen können, dass es unterhalb des Niveaus von Schleife zu einem Regelwerk in Brandenburg kommt. Wir unterstützten selbstverständlich auch die betroffenen Gemeinden in ihren Verhandlungen wenn denn welche geführt werden -, um genau dieses Ergebnis hier zu erreichen. Insofern bleibt es auch bei unserer Aussage, die wir in verschiedenen Gremien, in verschiedenen Beratungen und auch vor Ort in verschiedenen Veranstaltungen getroffen haben, dass das für uns der Maßstab ist, dem wir uns verpflichtet fühlen.

Insofern, meine Damen und Herren, ist das, was Sie vorschlagen, bereits Realität oder aber ist bereits vorgeschlagen worden, und es hängt jetzt auch an dem Willen der Betroffenen, beispielsweise das Gremium „Dialogforum Braunkohle“ einzurichten. Ich hoffe sehr, dass es dazu kommt; es würde uns allen nutzen. Insofern, meine Damen und Herren, empfehle ich, den Antrag nicht anzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Zuruf von der CDU: Das merken wir uns!)

Die antragstellende Fraktion erhält noch einmal das Wort. Der Abgeordnete Bretz spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Redebeitrag war kurz, knapp und kernig. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie unserem Antrag einfach gefolgt wären. Dann hätten wir auch schnell ein Ergebnis gehabt.

Liebe Frau Kollegin Gregor-Ness, Sie wissen, ich schätze Sie außerordentlich als eine sehr sachliche, sehr hilfreiche und sehr kollegial arbeitende Kollegin.

(Zuruf von der CDU: Schleimerei!)

- Das meine ich so, wie ich es sage. Aber was Sie heute als Redebeitrag geleistet haben, hat mich insofern verwundert, als ich dachte, dass ich Sie gerade in dieser Frage mit Herz und

Verstand an meiner Seite hätte. Deshalb hat mich Ihr Beitrag vom Ergebnis her verwundert.

(Beifall CDU)

Ich will noch einmal klarstellen, was uns bewogen hat, diesen Antrag zu stellen, und ich sage noch einmal: Es ist der Wunsch von Minister Vogelsänger gewesen, der gesagt hat:

„Ich hätte...“

- Herr Minister Vogelsänger

„... größtes Interesse daran, dass der Begriff ‚Tagebaurandgemeinde‘ gesetzlich besser fixiert wird.“

Deshalb ist dieser Antrag da. Schauen Sie doch einmal: Alle Vorredner haben gesagt, wie wichtig das Thema sei, wie ernst man es nehmen müsse. Sie haben sogar gesagt, wir kämen zu früh. Noch nie in meinem politischen Leben hat mir jemand den Vorwurf gemacht, dass ich mit einer Idee zu früh käme. Das ist mir wirklich noch nie untergekommen.

(Beifall CDU)

Von daher glaube ich: Wenn Sie sagen, wir kämen zu früh, glaube ich, dass wir eher zur richtigen Zeit kommen. Deshalb ist es entscheidend, festzustellen, dass wir als Landtag eine Gelegenheit verpasst haben, hier eine Idee zu entwickeln, wie wir mit dem Thema umgehen. Wir haben es deshalb auch so formuliert, wie wir es formuliert haben: dass wir versuchen können, eine gute Lösung zu diesem Thema zu finden. Ich denke - und sage es noch einmal -: In Anbetracht der Last, die die Betroffenen vor Ort zu tragen haben, wäre es ein wichtiges, ein richtiges und ein gutes Signal, wenn sich dieses Hohe Haus der Sorgen und Nöte in dieser Form angemessen widmen wollte. Das wird wegen Ihres Abstimmungsverhaltens leider nicht der Fall sein. Das bedauern wir. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der CDU-Fraktion „Tagebaurandgemeinden ernst nehmen!“ auf Drucksache 5/4630. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Modellprojekt „Landlehrerin/Landlehrer in Sicht“

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/4634

Die Abgeordnete von Halem spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Sie ist gerade nicht im Saal. Wenn Sie nichts dagegen haben, ziehen wir den Beitrag der SPDFraktion vor. Der Abgeordnete Günther spricht zu uns.

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass ich als Erster sprechen muss, denn ich hätte gern zunächst erfahren, wo in Brandenburg eigentlich das Land beginnt. Aber ich gestehe, ich habe so etwas wie eine innere Abwehrreaktion gegen neue bildungspolitische Modellprojekte insgesamt, denn der Keller im MBJS ist wohl noch voll von den alten, zumal die Argumentation für eine Lehrertätigkeit beispielsweise in einer kleinen Grundschule in der Prignitz heute schon klar auf der Hand liegt:

Wer die richtige Qualifikation hat, findet mit hoher Sicherheit schon heute einen Platz im Referendariat; denn die Anzahl der Plätze haben wir genau deshalb deutlich erhöht, damit sich junge Lehrerinnen und Lehrer einen dann auch hoffentlich positiven Eindruck auch von unseren ländlichen Schulen machen können. Wer dann bei uns in einer kleinen ländlichen Schule hängen bleibt - hoffentlich sind es viele -, dem bieten wir einen sicheren Arbeitsplatz mit regelmäßiger Bezahlung selbstverständlich - und das auf Lebenszeit. All das sind Dinge, die gerade im ländlichen Raum heute leider noch keine Selbstverständlichkeit sind. Wer dorthin geht, findet kleine Klassen mit einem meist auch sehr ländlichen Klima, das eben anders ist als im städtischen Bereich. Auch einen Kitaplatz kann man gerade im ländlichen Raum heute fast garantieren. Und in aller Regel wird der Bewerber dann auch freundlich aufgenommen, zumal wenn er gebraucht wird und er oder sie klarmacht, dass er oder sie sich dort dauerhaft engagieren und bleiben möchte.

Wer neben all dem auch noch Wert auf schöne Landschaft, frische Luft, günstige Boden- und Mietpreise und herzliche Menschen legt, der ist bei uns in Brandenburg auf dem Lande genau richtig.

Was ihn oder sie der Wahrheit halber aber auch erwartet: Da sind dann immer weniger Einwohnerinnen und Einwohner und immer weniger Geld für Land und Kommunen. Wer trotzdem bereit ist, in die Prignitz zu gehen, den werden jedes Schulamt und jede Kommunalverwaltung, jeder Schulleiter gern bei allen wichtigen Dingen des Lebens beraten. Dazu brauchen wir wirklich kein Netzwerk, denn das ist heute schon tägliche Realität in Brandenburg.

Ich bin sehr für Werbung, auch für den Lehrerberuf. Noch besser aber finde ich Informationen, ehrliche Informationen über die schönen wie auch über die schwierigen Seiten, über die persönlichen Voraussetzungen, die regionalen und die fachlichen Bedarfe. Natürlich ist es das Schönste, wenn dann eine junge Lehrerin aus dem ländlichen Raum auch wieder in diese Region zurück will. Allerdings muss man deutlich sagen: Versprechen können wir das beim Beginn eines Studiums nicht, und zwar von beiden Seiten, weder vonseiten der Bewerberin noch vonseiten des Schulamtes.

Die Studie des IRS, auf die sich der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezieht, konstatiert, zumindest verbal, eine hohe Bereitschaft, im ländlichen Raum Lehrer zu sein. Gleichzeitig wissen wir, dass Schülerzahlen und damit der Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern gerade hier noch einmal deutlich zurückgehen werden. Beide Effekte zusammen sprechen - ich sage es einmal ganz vorsichtig - von heute aus betrachtet eigentlich nicht für einen strukturellen Lehrermangel. Sollte allerdings der Drang aufs Land doch deutlich

geringer sein, als die Umfrage annehmen lässt, werden wir über die im Antrag genannten Maßnahmen hinaus nicht über weiche, sondern über sehr harte Maßnahmen reden, und da geht es dann auch ganz klar um das, was jeden Monat auf der Gehaltsabrechnung von Lehrerinnen und Lehrern steht.

Wer dauerhaft Lehrerinnen und Lehrer aufs Land holen möchte, der wird an solchen harten Fakten nicht vorbeikommen. Alles andere ist - wie in dem Werbespot von Sparkassen, den Sie vielleicht kennen - wie das Winken mit bunten Fähnchen, wenn man sonst nichts zu bieten hat. Damit kommt man zwar in die Zeitung oder ins Fernsehen, aber man bekommt keine Lehrerinnen und Lehrer nach Brandenburg. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau von Halem, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorneweg: Es tut mir leid, dass ich zu spät bin. Ich war bei rbb AKTUELL. Dort erfährt man ja immer das Alleraktuellste. Aber das wichtigste Aktuellste, nämlich die Verschiebung der Redezeit, habe ich dort nicht erfahren.

Das Modellprojekt „Landlehrerin/Landlehrer in Sicht“ - die Replik habe ich schon gehört, jetzt fange ich noch mal von vorne an. Im Wahrig, dem deutschen Wörterbuch, hat das „Landei“ nicht mal einen Eintrag. Die Finnen haben kein Problem damit, Lehrerinnen und Lehrer für ländliche Regionen zu gewinnen, da hat das Leben fernab von Großstädten offensichtlich ein anderes Image. Das ist bei uns anders. Bei uns fehlen sie, die Landeier, nicht nur im Wörterbuch. Nach langen Jahren der Überhangverwaltung stehen wir jetzt vor der umgekehrten Fragestellung. Nach Berechnungen des Brandenburger Bildungsministeriums werden vom Schuljahr 2011/12 bis einschließlich Schuljahr 2014/15 3 100 Lehrkräfte aus dem Schuldienst ausscheiden, die meisten aus Altersgründen.

Diese 3 100 Lehrkräfte müssen bis zum Schuljahr 2014/15 wegen annähernd gleichbleibender Schülerzahlen komplett ersetzt werden. Pro Jahr müssten im Schnitt 775 Lehrkräfte neu eingestellt werden. Aber nur 450 Lehrkräfte werden jährlich in Brandenburg fertig ausgebildet. Kommen dann tatsächlich junge Lehrkräfte aus anderen Bundesländern zu uns und füllen die Lücke? Und wie gelingt es uns, sie für die ländlichen Regionen zu begeistern? - Das wird sicherlich nicht einfach, denn nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Bundesländern liegt der Bedarf teilweise deutlich über den Ausbildungszahlen. Laut einer KMK-Studie liegt der jährliche bundesweite Bedarf an neuen Lehrkräften bis zum Jahr 2015 bei 26 000 bis 27 000 Nachwuchskräften. Dem steht das jährliche Angebot von 24 000 bis 25 000 neuen Lehrkräften gegenüber. Daraus ergibt sich eine Unterversorgung über alle Schulformen und Länder hinweg von 2 000 bis 3 000 Lehrkräften.

Zudem müssen natürlich die Fächerkombinationen und Schulformen passen. Brandenburg braucht in den nächsten Schuljahren bis zu 75 % Lehrerinnen und Lehrer für Primarstufe und

Sekundarstufe I, aber die meisten Lehramtsstudierenden wählen das Lehramt am Gymnasium.

Von diesem Dilemma sind die strukturschwachen und ländlichen Gebiete bundesweit betroffen. Der Lehrermangel dort hat inzwischen alle Schularten und fast alle Fächerverbindungen erfasst. Bereits jetzt resultiert daraus eine Konkurrenzsituation unter den Bundesländern, die sich noch verschärfen wird. Es hängt von vielen Faktoren ab, wohin neue Lehrkräfte gehen: der Art der Anstellung, der Höhe der Bezahlung - sie liegt für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger andernorts bis zu 500 Euro höher als in Brandenburg -, den Arbeitsbedingungen wie Stundendeputat, Aufstiegschancen, Fortbildungsmöglichkeiten und anderes und auch von den weichen Standortfaktoren. Umgekehrt hängt die Attraktivität ländlicher Regionen im berlinfernen Raum auch für Wirtschaftsunternehmen in hohem Maße von einem guten Schulangebot ab. Gute Arbeitskräfte gehen dorthin, wo es für ihre Kinder gute Schulen gibt.

Die Landesregierung hat den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Die Sicherstellung der Lehrkräfteversorgung im ländlichen Raum ist weder ein Selbstläufer, noch wird sie zum Nulltarif zu haben sein. Um einen Eindruck davon zu bekommen, an welchen Stellschrauben überhaupt zu drehen wäre, haben wir beim Leibniz Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner eine Studie mit dem schönen Titel „Möglichkeiten für eine ausreichende Versorgung mit Lehrkräften in Schulen peripherisierter Regionen Brandenburgs“ in Auftrag gegeben. Im Rahmen dessen wurden Lehramtsstudierende und -kandidatinnen und -kandidaten sowie Schulleiterinnen und Schulleiter, Schulrätinnen und Schulräte und Dezernentinnen und Dezernenten befragt. Herausgekommen ist ein umfassender Katalog von Maßnahmen, die von den unterschiedlichen Akteuren dem Land Brandenburg als Arbeitgeber, der Schule als direkter Arbeitsplatz und den Kommunen als Schulträger - umgesetzt werden können, um neue Lehrkräfte zu gewinnen und zu halten. Das Ergebnis: Wir können uns das Landei backen.

Ich will Sie hier nicht mit Details langweilen und nenne Ihnen deshalb nur einige Beispiele für die Anschaulichkeit. Das Land könnte zum Beispiel den Lehramtskandidaten mehr Planungssicherheit durch Vorverträge oder zügigere Vertragsschließungen geben. Schulen könnte das Land mehr Selbstständigkeit und bessere Beteiligung an der Personalauswahl gewähren. Das Referat im ländlichen Raum könnte durch dezentralere Seminarstandorte erleichtert werden. Die Kommune könnte erwägen: eine bessere Willkommenskultur und offensivere Einbeziehung der Lehrkräfte ins gesellschaftliche Leben, Unterstützung bei Wohnungssuche und Arbeitsplatzsuche für den oder die Partnerin. Einzelnen Schulen als potenzielle Arbeitsorte wird vorgeschlagen: mehr Attraktivität durch ein klares Profil, zum Beispiel musikalisch, mathematisch, sportlich, ein Mentoringoder Coachingprogramm für Referendarinnen und Referendare oder eine bessere Willkommenskultur, verbunden mit einem guten, kollegialen Austausch.

Mit dem Modellprojekt wollen wir erreichen, dass trotz der hohen bundesweiten Nachfrage mehr Lehrerinnen und Lehrer für eine Anstellung in ländlichen Regionen Brandenburgs gewonnen werden können. Dafür sollen regionale Akteure vernetzt, eine gemeinsame Strategie entwickelt und eine langfristige Personal- und Schulentwicklungsplanung in den Kommunen aufgestellt werden. Wenn Sie jetzt sagen, das klänge ja nach kommunalen Bildungslandschaften - umso besser.

Es ist Ihnen hoffentlich aufgefallen: Die Forderungen dieses Antrages sind im Konjunktiv formuliert. Wir wollen das Modellprojekt, aber zu dessen Ausgestaltung liefern wir hier nur die Diskussionsgrundlage. Ich möchte gern, dass sich der Ausschuss damit befasst, wie wir uns dem Landei nähern können.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir setzen mit dem Beitrag des Abgeordneten Hoffmann für die CDU-Fraktion fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kollegin von Halem, Sie wollen diskutieren, wie Sie sich dem Landei nähern. Das Landei hat sich jetzt dem Rednerpult genähert.

(Lachen der Abgeordneten Stark [SPD] - Heiterkeit)

Ich komme ja aus so einer Region, über die wir hier reden, aus der Prignitz. Deshalb freue ich mich natürlich auch über diesen Antrag, dessen Anliegen wir durchaus teilen. Bislang ist die Lehrerversorgung in Brandenburg noch gesichert. Wenn wir aber hingucken, sehen wir die Herausforderungen, die auf uns warten.

Herr Günther, Ihre Einschätzung war mir ein bisschen zu optimistisch. Wir wissen natürlich, dass die Lehrerschaft in den Dörfern, in den Kleinstädten, in der Peripherie im Durchschnitt älter ist als im Speckgürtel, und viele der Lehrer gehen auch in den nächsten Jahren in Pension, sodass wir da tatsächlich vor einem großen Umbruch stehen.

Die gute Nachricht ist, dass junge Absolventen und Lehrer in diesem Land endlich wieder eine Chance haben und die Lehrerschaft in unseren Schulen dadurch im Schnitt deutlich jünger wird. Gegenwärtig gelingt es den Schulämtern noch, die benötigten Lehrkräfte einzustellen. Aber es zeichnet sich ab, dass das künftig schwieriger sein wird, insbesondere in den ländlichen Regionen.