Protocol of the Session on November 9, 2011

(Allgemeiner Beifall)

Herr Abgeordneter Lakenmacher, Sie können die Aussprache jetzt fortsetzen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Innenminister! Meine Damen und Herren! Bereits im Jahr 2006 - es wurde gerade erwähnt - hatte die damalige Landesregierung den Gesetzentwurf zur Einführung der neuen polizeilichen Befugnisse in den Landtag eingebracht. Der Landtag hatte damals einen Prüfungszeitraum von zwei Jahren beschlossen. Im Jahr 2008 wurde er nach einer weiteren Debatte um drei Jahre verlängert.

Bereits 2008 - Sie wissen das - hätten wir hier gut mit einer schon unbefristeten Regelung leben können. Wir blicken jetzt auf einen Zeitraum von fünf Jahren der Überprüfung zurück.

Nun endlich sollen diese Maßnahmen unbefristet gesetzlich verankert werden.

Die Überprüfung dieser polizeilichen Maßnahmen hat ganz klar gezeigt, dass wir sie benötigen. Bei der automatischen Kennzeichenfahndung hat sich die Anzahl der Anwendungen vervielfacht. Die Maßnahme trägt ganz erheblich zur Steigerung der Aufklärungsquote bei.

(Beifall CDU)

Die Maßnahme ist nach dem Wegfall der Grenzkontrollen, der Personenkontrollen an der Grenze zu Polen, nach dem weiteren Abzug der Bundespolizei und nach der heute schon von der Landespolizei Brandenburg nicht mehr beherrschten Grenzkriminalität nötiger denn je geworden. Wie bekannt, leistet die Landesregierung mit ihrem beispiellosen Missbrauch des Begriffs „Reform“ - im Kern ein Personalabbau um 1 900 Stellen auch keinerlei Beitrag, um in Zukunft die Grenzkriminalität beherrschbar zu machen und die Menschen vor dieser Kriminalität zu schützen.

(Beifall CDU)

Der Bericht zur Wirksamkeit der Maßnahmen ist auch bezüglich der Handyortung absolut eindeutig. Die Maßnahme hat sich bewährt. Unsere Polizei hat die Maßnahme rechtsfehlerfrei angewandt. Der Einsatz moderner Technik hat neben der Verbrechensbekämpfung vor allem dem Lebensschutz gedient, insbesondere von Personen in hilflosen Lagen.

Ich bin sehr gespannt, wie sich heute hier die Linke zum Gesetzentwurf erklären wird. Herr Dr. Scharfenberg, Sie haben hier vor drei Jahren die nicht nachvollziehbare Ablehnung mit der Kritik zu begründen versucht, dass diese Maßnahmen eine beträchtliche Einschränkung der Bürgerrechte seien.

Ich sage Ihnen, worauf die Menschen in Brandenburg ein Recht, einen Anspruch haben und was die Einschränkung von Bürgerrechten bedeutet: Die Menschen haben das Recht auf innere Sicherheit im Land Brandenburg, und zwar überall, ob in den Städten, in den ländlichen Regionen oder entlang der Oder.

(Beifall CDU - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Garant für diese Sicherheit kann nur eine gut ausgestattete Landespolizei sein. Wenn dies nicht mehr oder nicht mehr überall in Brandenburg garantiert werden kann, wenn in Brandenburg Handwerksfirmen und Handwerkskammern Alarm schlagen - wie letzte Woche geschehen -, weil immer dreister gewordene Diebe Existenzen gefährden, wenn in Brandenburg Landwirte eigene Sicherheitskonferenzen organisieren, weil im Hinterland der Grenze keine Polizei mehr präsent ist und die Probleme ignoriert werden, dann ist es schlicht und ergreifend so, dass der Staat einer seiner Kernaufgaben nicht mehr gerecht wird und versagt.

Diese Kriminalitätslage ist durch nichts zu beschönigen. Herr Scharfenberg, Sie können Ihren beispiellosen Bruch an Wahlversprechen nicht nur Ihren Wählerinnen und Wählern nicht mehr erklären, sondern Sie können es auch innerhalb Ihrer Fraktion nicht mehr. Ich frage mich manchmal, wer in Ihrer Fraktion der innenpolitische Sprecher ist, der in der Presse gegen diese Polizeireform wettert.

So wichtig und richtig es ist, dass wir die Handyortung und die automatische Kennzeichenfahndung weiterhin ermöglichen: Die Folgen der eingeleiteten Strukturveränderungen bei der Brandenburger Polizei und dieses Personalabbaus werden schmerzlich zulasten der inneren Sicherheit und zulasten der Menschen in Brandenburg gehen. Diese Polizeistrukturreform ist nicht - wie gern behauptet wird - geräuschlos. Ich sage Ihnen: Es wird hier nicht nur knarren, sondern es wird heftig krachen, wenn 1 900 Stellen sukzessive abgebaut werden. Es wird krachen, wenn nach den zum Teil gut bedienten Führungsebenen die Bediensteten, zum Beispiel des Wach- und Wechseldienstes, in den nächsten Wochen erfahren werden, wo sie in Zukunft ihren Dienstort haben, nach welchem Arbeitszeitmodell sie arbeiten und wie sie verwendet werden. Diese Kollegen sind bei dieser Reform nicht mitgenommen worden. Ich frage mich wirklich, wie diese Menschen in Zukunft für den Dienst motiviert werden sollen.

Herr Abgeordneter Lakenmacher, diese Frage können Sie nicht weiter ausführen, denn Ihre Redezeit ist zu Ende.

Kurzum: Wir stimmen der unbefristeten Verortung der Maßnahme im Polizeigesetz zu. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Wir fahren mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Stark hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fast in Vergessenheit zu geraten scheint, dass seit dem 1. November ein wichtiger Teil der Polizeireform des Landes Brandenburg in Kraft ist. Mit dem Arbeitsstart von 16 Polizeiinspektionen und 33 Polizeirevieren ist die letzte Etappe der Polizeireform genommen worden, nachdem wir schon zu Jahresbeginn unsere Polizeistruktur dahin gehend geändert haben, dass wir ein Polizeipräsidium und vier regionale Polizeidirektionen an den Start geschickt haben.

An der Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen - die Grundlagen des Polizeigesetzes, das ist unbestritten, stehen heute zur Diskussion und der 1. November ist noch nicht so lange her -, unserem Innenminister zu gratulieren. Er hat die Reform relativ leise und kompetent organisiert, sodass wir jetzt eine fertige Polizeistruktur im Land Brandenburg haben. Es sind große Umbaumaßnahmen, die, wie ich finde, sehr professionell gehandelt worden sind. Dazu von unserer Seite noch einmal unseren Glückwunsch.

(Beifall SPD)

Warum beginne ich mit der Reform? Kern dieser Reform war es, die Kriminalitätsbekämpfung zu stärken und die Qualität der polizeilichen Arbeit vor Ort zu verbessern, jedenfalls auf dem Niveau zu halten - auch bei geringer werdendem Personalbestand. Deshalb spielt der Einsatz von moderner Technik zur

Entlastung und Umorganisation bei der polizeilichen Aufgabenerfüllung eine wesentliche Rolle.

Von meinen Vorrednern ist gesagt worden, dass wir uns im Parlament seit dem Jahr 2007 mit drei neuen Eingriffsbefugnissen auseinanderzusetzen haben: Es ist möglich, automatisch Kennzeichen zu erfassen, Handys zu orten und die Verkehrsüberwachung über Mobiltelefone zu organisieren. Diese Maßnahmen, die aus dem Instrumentenkasten der Polizei stammen, ihr also zur Verfügung stehen, sind von der Opposition - auch von der linken Seite - zunächst sehr kritisch betrachtet worden. Aber ich finde, das ist völlig in Ordnung, weil es starke Eingriffe in Bürgerrechte sind, die wir hierbei vornehmen. Bei der Organisation der inneren Sicherheit gilt es abzuwägen, ob es angemessen ist, diese Eingriffsnormen auf Kosten der Bürgerrechte zuzulassen.

Deshalb war es der SPD-Fraktion im Zusammenhang mit diesem Polizeigesetz und den Veränderungen, die wir 2006 vorgenommen haben, wichtig, die wissenschaftliche, unabhängige Begleitforschung in Auftrag zu geben. Ich denke, wir haben mit dem Max-Planck-Institut einen guten Griff getan. Heute sind die Ergebnisse vom Innenminister und auch von Ihnen dargestellt worden. Es liegt ein sehr gutes Gutachten auf dem Tisch. Der Innenausschuss hat sich mit dem Gutachten, das Herr Dr. Kilchling vorgestellt hat, lange auseinandergesetzt. Die Quintessenz ist, dass sich die Maßnahmen - Sie haben es bereits gesagt - bewährt haben.

Die Brandenburger Polizei ist mit dem Einsatz dieser Möglichkeiten sehr verantwortungsvoll umgegangen. Es ist rechtlich sehr professionell gehandelt worden, sodass zum jetzigen Zeitpunkt auch die Kritiker dieser Regelung eigentlich nur sagen können, dass sich die Reform unter diesen Rahmenbedingungen bewährt hat. Wir wollen sie weiterführen, also unbefristet in das Gesetz bringen, und als Möglichkeit der Eingriffspalette der Polizei hinzufügen.

Ich sage aber auch für unsere Fraktion, dass wir weiterhin gern eine Berichtspflicht an den Innenausschuss als Fachausschuss hätten. Auch das Parlament insgesamt wird sich weiterhin berichten lassen, wie all diese Instrumente in Brandenburg zur Anwendung kommen. Wir werden in den folgenden Sitzungen des Fachausschusses weiter beraten und, wie ich denke, eine gute Regelung finden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Stark. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Goetz hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum 1. Juli 2002 trat eine Polizeistrukturreform in Kraft. Insofern, Frau Kollegin Stark, brauchen Sie keine Sorge zu haben, dass ich irgendeine Reform vergessen könnte.

Diese Polizeistrukturreform war eigentlich keine Strukturreform, sondern eine Personalabbau- oder eine Polizeireduzierungsreform, die mit technischen Mitteln umgesetzt werden

sollte. Man versuchte also, mit Technik auszugleichen, was an Beamten nicht mehr vorhanden war.

Ich erinnere an die kurz danach eingeführte Videoüberwachung, die an vier Standorten in Brandenburg zunächst zur Erprobung eingesetzt und inzwischen verstetigt durchgeführt wird. Die Fraktion DIE LINKE war damals strikt gegen eine Videoüberwachung - berechtigterweise. Damals hieß es: Bitte nennt uns doch vier Standorte in Brandenburg, wo die Kriminalität ganz furchtbar ist, wo es ganz schrecklich zugeht, und dort installieren wir dann Videokameras, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, denn Beamte waren ja nicht mehr da.

Darauf kam keine Rückmeldung, woraufhin der Befehl erging, vier Standorte zu benennen. Das Ergebnis war der am besten bewachte Fahrradständer der Bundesrepublik - auf dem Bahnhofsvorplatz in Erkner. Das war damals, im Jahr 2002, Realität bis heute.

Bei der Polizeistrukturreform ging es offiziell darum, 725 Beamte einzusparen. Es sollten nur 725 Beamte weniger sein, später kamen noch rund 400 Kripobeamte hinzu. Am Ende sind es viel mehr geworden - die Versprechen waren andere.

Nun haben wir die nächste Reform, einen Abbau von 1 900 Stellen bei den Polizeibeamten - so ist es angekündigt worden. 8 900 Beamte sind schon nicht mehr da. Wenn wir uns die Haushaltsansätze für das Jahr 2012 anschauen, dann können wir froh sein, wenn wir im Jahr 2012 noch bei 8 000 Beamten bleiben, soweit ist der Personalabbau schon fortgeschritten.

Und wieder kommt das Mäntelchen, das beim Personalabbau drübergehängt werden soll, indem wieder gesagt wird: Wir installieren modernere Technik, verwenden diese auch und ersetzen dadurch Beamte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jede Technik, die irgendwo eingesetzt wird, braucht am Ende jemanden, der am Monitor oder im Streifenwagen sitzt, um die erhobenen Daten auszuwerten. Nur dann kann man wirklich vorwärtskommen und die innere Sicherheit gewährleisten. Sie werden fehlendes Personal bei der Polizei nicht ausgleichen können, indem Sie die Handyortung verstetigen oder die Kennzeichenerfassung einführen.

Ich höre schon, wie dann gesagt bzw. gefragt wird: Die automatische Kennzeichenerfassung schafft 7 000 Kennzeichen pro Stunde. Wie viel schafft ein Beamter? - Natürlich weniger. Somit ersetzt die automatische Kennzeichenerfassung Polizeibeamte. Das ist bereits gesagt worden.

Es ist ferner gesagt worden, Herr Innenminister, dass Dokumentation in der Polizei in Brandenburg vorbildlich sei. Aber das war sie eben nicht. Wir erhielten am 17. Oktober ein Schreiben des Innenministeriums, in dem stand, dass beim Einsatz dieser IMSI-Catcher, also der simulierten Funkzellen zur Überwachung, ursprünglich nur über einen Fall berichtet worden ist. Dieser war dann Teil des Gutachtens des Max-Planck-Instituts. Später mussten drei weitere Fälle nachgepflegt werden.

Das heißt, da hat die Dokumentation genau gefehlt. Ein halbes Jahr später ist herausgekommen: Ups, wir haben hier etwas

vergessen, nämlich drei Einsätze von Handyortung, die so eben nicht dokumentiert - nicht ordnungsgemäß dokumentiert - worden sind und in dem Bericht an den Landtag, an den Innenausschuss nicht aufgeführt waren. Also auch da ist ein Fehler passiert. Insofern wird deutlich: Wo immer etwas schiefgehen kann, da wird es auch schiefgehen. Das sind die grundsätzlichen Bedenken, die wir haben, wenn jetzt die Verstetigung von Handyortung und Kennzeichenerfassung erfolgen soll.

Richtig ist, dass es wohl in den vergangenen Jahren - jedenfalls, soweit die Fälle dem Max-Planck-Institut vorlagen - keine Missbrauchsfälle gab und man einigermaßen verantwortungsvoll mit den gegebenen Möglichkeiten umgegangen ist. Das ändert aber nichts daran, dass Missbrauchsfälle weiter möglich bleiben und es mir viel lieber wäre, das Geld, das für diese Technik ausgegeben wird, in Beamtenstellen umzusetzen, sodass dann mehr Beamte auf der Straße sind. „Weniger Häuptlinge, mehr Indianer“ ist immer versprochen worden; gehalten worden ist es nie.

Die schärfste Nummer bei dem Ganzen bietet natürlich wieder die Linkspartei. Ich habe zwei Pressemitteilungen vor mir liegen, eine vom 4. Dezember 2008, eine vom 11. Oktober 2011, beide Male die Linke; ich kann es auch hochhalten, damit man es anschauen kann. Herr Scharfenberg, Sie reden nach mir, ich lasse es am Pult liegen, damit Sie selbst noch einmal nachschauen können, was Sie 2008 gesagt haben und was Sie 2011 zum gleichen Thema sagen. 2008 hieß es:

„In Brandenburg werden die polizeilichen Befugnisse seit Jahren ausgeweitet, ohne dass dies wirklich erforderlich ist. Suggeriert wird dabei immer die Bekämpfung ganz erheblicher Straftaten; dem widersetzt sich die Linke.“

4. Dezember 2008.

2011: Alles wunderbar! Wir sind große Fans der Verstetigung von Handyortung und Kennzeichenerfassung.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Die Pirouette, Herr Scharfenberg, müssen Sie uns einmal erklären. Angesichts dieser Pirouetten würde ich anregen: Schließen wir einen Dynamo an, das löst gleichzeitig noch die polnischen Energieprobleme!