Protocol of the Session on September 28, 2011

- Natürlich eine Dienstreise, und zwar im Auftrag des Deutschen Bauernverbandes, logischerweise nicht aus Jux und Tollerei. Uns ist schon bewusst, dass Pflicht eigentlich die Plenartagung ist.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Wie peinlich!)

Während der Rede von Herrn Beyer wurde gefragt, warum diese Stunde eigentlich aktuell ist. Ich antworte: Sie kann nicht aktueller sein. Es ist die Plenarsitzung unmittelbar vor der Präsentation der Pläne der EU-Kommission am 12. Oktober. Deshalb ist es genau heute wichtig und richtig, hier noch einmal über unsere Forderungen an die Reform der GAP zu erinnern.

Die Brandenburger Landwirtschaft ist auf einem guten Weg. Die von der EU, vom Bund und vom Land gewährten Transferzahlungen haben maßgeblich dazu beigetragen, den Transformationsprozess in der ostdeutschen und brandenburgischen Landwirtschaft seit 1990 zu begleiten und zu gestalten. Es ist eine Agrarstruktur entstanden, welche im Hinblick auf die Vielfalt der Rechtsformen sowie im Hinblick auf Flächenausstattung und Tierbestandsgrößen gute Voraussetzungen für Wettbewerbsfähigkeit bietet. Mit öffentlichen Mitteln geförderte Investitionen trugen dazu bei, Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Erträge auf den Feldern, insbesondere aber auch in den Ställen zu erhöhen und zu stabilisieren. Die Produkt- und Prozessqualität wurde gesteigert, die Kosten wurden gesenkt und neue wirtschaftliche Standbeine erobert.

Die Leistungen der Landwirtschaft können wir gar nicht hoch genug schätzen, zumal die natürlichen Standortbedingungen in Brandenburg nicht die besten sind. Ein hoher Anteil ertragsschwacher Böden und ausgeprägte Frühsommertrockenheiten sowie in den letzten Jahren vermehrt extreme Niederschläge führen zu starken Ertragsschwankungen. Trotzdem gibt es unsere leistungsfähige Landwirtschaft. Dies zeigen unsere im Bundesvergleich hohen Milchleistungen ebenso wie die im Vergleich durchaus beträchtlichen Bruttoinvestitionen von - vorsichtig geschätzt - rund 350 Millionen Euro und laufende Lohnzahlungen von rund 500 Millionen Euro. Allein diese wenigen Zahlen verdeutlichen, welchen Beitrag die Branche Landwirtschaft für unsere Wirtschaftsleistung im Land erbringt.

Die Aufgaben, die die Landwirtschaft bewältigen muss und durch unsere Unterstützung auch bewältigt, sind beträchtlich. Auf der einen Seite - Kollege Beyer führte das bereits aus - gibt es die steigende Nachfrage nach Agrarprodukten für die Ernährungswirtschaft. Auf der anderen Seite steht ein erhöhter Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen und Biomasse für die Energiegewinnung im Fokus. Das Ganze ist verbunden mit steigenden Produktionsanforderungen. Um diesem Spagat gerecht zu werden, brauchen unsere Landwirte Unterstützung und verlässliche Politik.

Die langfristigen Vorstellungen zur Entwicklung der Agrarwirtschaft Brandenburgs sind eingebettet in eine Strategie zur

nachhaltigen Entwicklung der ländlichen Räume insgesamt. Sie basieren auf der Überzeugung, dass Landwirtschaft, Gartenbau und Fischerei für funktionsfähige ländliche Räume unerlässlich sind. Deshalb richten sich alle unsere agrarpolitischen Aktivitäten auf die Sicherung von Rahmenbedingungen, die zur Erhaltung und Schaffung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze im ländlichen Raum und zur Erhöhung der regionalen Wertschöpfung beitragen. Strukturbrüche - auch infolge mittel- und langfristig rückläufiger staatlicher Transferleistungen - müssen wir verhindern.

Damit bin ich bei der EU-Agrarpolitik. Wir müssen aufpassen, dass wir die Landwirtschaft nicht mit Auflagen und Anforderungen überfrachten. Wir haben bereits 19 detaillierte Umweltund Produktionsstandards durch Cross Compliance gesetzt. Das fängt bei der Düngung an, geht über Tierhaltungsanforderungen bis hin zu Erosionsschutz. Es gibt Fachrecht, es gibt Gesetze; an diese halten sich unsere Bauern. Das tun sie auch gern. Denn sie sind sich bewusst, dass Boden ein hohes Gut ist.

Was passiert, wenn die Auflagenschraube überdreht wird, haben wir zum Beispiel in der Eiererzeugung erlebt. Sie wurde zu großen Teilen einfach ins Ausland verlagert. Glücklicherweise haben wir das in Brandenburg durch Investitionsförderung stoppen und die Betriebe „am Netz“ halten können. Insgesamt aber ging die Produktion um ein Viertel zurück. Die Zahl der Haltungsplätze nahm um ein Drittel ab.

Die hohen Standards, die von der EU vorgegeben werden, müssen allerdings für alle gelten. Wenn es um eine Gemeinsame Agrarpolitik geht, kann es nicht sein, dass zum Beispiel bei den EU-Beitrittsländern die Anforderungen des Cross Compliance erst einmal zurückgestellt werden. Wenn einige eine Verschärfung der Greening-Auflagen fordern, muss berücksichtigt werden, wo wir in Deutschland bereits stehen. Das Wirtschaften und Wertschöpfen mit der Landwirtschaft müssen möglich bleiben. Schlagworte wie „Agrarfabriken“ und „Agrarindustrie“ sind im Zusammenhang mit Greening völlig fehl am Platze. Das belegen die Zahlen. Ich weise da auf die Landwirtschaftszählung hin, die zum Beispiel zu den Agrarfabriken interessanterweise ergeben hat, dass die Kühe in Brandenburg durchaus häufiger auf der Weide stehen als in Bayern und dass hierzulande in großen Betrieben öfter die Fruchtfolge gewechselt und mehr konservierende Bodenbearbeitung praktiziert wird als andernorts. Auch das gehört zur Wahrheit.

Berechnungen der EU-Kommission zufolge bedeuten die Greening-Pläne der EU eine Mehrkostenbelastung von rund 45 Euro je Hektar für Deutschland. Wer die Ertragslage und die Einkommen in der Landwirtschaft kennt, weiß, dass dies die Existenz gefährden kann, wenn diese Kosten nicht ausgeglichen oder abgewendet werden.

Damit bin ich auch schon beim Geld und der Finanzierung der GAP. Wie Sie wissen, hat die Kommission einen ersten Haushaltsentwurf vorgelegt. Dieser sieht weniger Geld für den Agrarbereich vor.

Von einem Ausgleich steigender Kosten ist also überhaupt keine Rede. Unsere Möglichkeiten, als Land finanziell einzugreifen, sind gering; auch das dürfte in diesem Haus jedem klar sein. Wir müssen hierbei in Zukunft mehr Wert darauf legen, neben der Unterstützung für die Agrarumweltmaßnahmen und der Beibehaltung der Ausgleichszahlungen für Betriebe in benach

teiligten Gebieten Investitionen zur weiteren Steigerung der Produktivität stärker in den Fokus zu rücken. Eine Verlagerung von einzelnen Umweltmaßnahmen in die erste Säule der EUAgrarpolitik würde nicht zu einer Erhöhung der Wertschöpfung, sondern zu steigenden Kosten ohne Ausgleich führen. Die Direktzahlungen in der ersten Säule sind und bleiben wichtig für die Landwirtschaft in Brandenburg.

Die Entkopplung der Zahlungen 2005 war ein wichtiger und meiner Meinung nach auch richtiger Schritt - a) zu mehr Marktorientierung und b) zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Übrigens sind dieser Forderung nach Entkopplung konsequent nur Deutschland, England und Irland gefolgt. Mit der Entkopplung und der Angleichung der Direktzahlungen für Acker und Grünland haben wir unseren Beitrag zum Greening unserer Meinung nach geleistet. Diesen Weg müssen andere Länder erst konsequent gehen.

Der Begriff „Gemeinsame europäische Agrarpolitik“ darf nicht zu einer Worthülse verkommen. Ein Angleichungsprozess der Direktzahlungen zwischen den Mitgliedsstaaten ist zu begrüßen; denn auch dies gehört zu einer Gemeinsamen Agrarpolitik. Eine Kappung der Direktzahlungen ab einer bestimmten Hektargröße als Finanzierung ins Spiel zu bringen ist allerdings nicht der richtige Weg.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Damit würde durch die EU eine aktive Agrarstrukturpolitik betrieben. Einzelne Regionen und Länder würden benachteiligt, darunter auch wir in Brandenburg. Dies kann nicht in unser aller Sinn sein. Deshalb sage ich: Ein Hektar ist ein Hektar, egal wer ihn bearbeitet.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Diese Zahlungen werden ja nicht einfach so, sondern für hohe Standards gewährt. Sie sind ein Ausgleich auch für politisch gewollte niedrige Verbraucherpreise und somit eine Einkommensunterstützung für unsere Landwirte. Die Direktzahlungen sind hektarbezogen und sollten es auch bleiben. Punkt. Aus.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wenn die EU anführt, sie möchte nicht den Golfplatzbetreiber oder - in Zukunft - unseren Flughafenbetreiber fördern, so ist dies richtig, doch ich frage: Warum sind diese politischen Maßnahmen nicht schon umgesetzt? Denn auch jetzt sind Direktzahlungen nicht für Golfplätze und Flughäfen bestimmt. Es geht also nur darum, ordentlich umzusetzen und zu kontrollieren. Mehr Marktorientierung, mehr Wettbewerbsfähigkeit und zukunftsfähige Arbeitsplätze im ländlichen Raum sind durch Kappung der Direktzahlungen jedenfalls nicht zu erreichen.

Eines dürfen wir keineswegs vergessen: Nur eine leistungsfähige und moderne Landwirtschaft ist in der Lage, die hohen Auflagen und Ansprüche, die die Gesellschaft hat, zu erfüllen. Dazu brauchen wir aktiv wirtschaftende Betriebe - egal, ob groß oder klein -, denen wir optimale Bedingungen ohne betriebsgrößenabhängige Benachteiligungen schaffen. Dank des Engagements der Brandenburger Landwirte und der Unterstützung durch die Landespolitik in den vergangenen zwanzig Jahren nimmt Brandenburg im bundesweiten Vergleich auch im

Flächenanteil - es sind nämlich 10 % des ökologischen Landbaus - den Spitzenplatz ein.

Im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen erhält der ökologische Landbau den größten finanziellen Anteil. Wir möchten auch zukünftig gezielte Fördermaßnahmen unterstützen, um den Anteil von aus Brandenburg stammender Ökoware am Berliner und bundesdeutschen Biomarkt zu gewährleisten.

Zusammenfassen lassen sich unsere Forderungen wie folgt:

Erstens. Selbstverständlich benötigt die EU zur Bewältigung der künftigen Herausforderungen auch in Zukunft eine wirkungsstarke Gemeinsame Agrarpolitik - sowohl in der ersten Säule als auch in der zweiten. Dafür sollten wir einstehen.

Zweitens. Für die Jahre nach 2013 muss daher eine eindeutige und verlässliche Finanzierungsgrundlage für beide Säulen der GAP geschaffen werden.

Drittens. Aus Brandenburger Sicht ist die Einkommensstabilisierung durch die erste Säule der GAP erforderlich, und wir sprechen uns ganz klar für den Erhalt aus. Künftige Zahlungen sollten allerdings nach dem Prinzip „öffentliche Zahlung für öffentliche Güter“ gestaltet und stärker bzw. konkreter an gesellschaftlich gewünschten Leistungen ausgerichtet und gerade deshalb nicht in Abhängigkeit von der Betriebsgröße degressiv ausgestaltet oder gar gekappt werden.

Im Hinblick auf die zweite Säule wird die Fortführung und Weiterentwicklung des ELER unterstützt. Dabei sollte der Beitrag des ELER zur Diversifizierung der Wirtschaft im ländlichen Raum, zur Förderung von Innovation und Kreativität sowie zur Bewältigung der Auswirkungen des demografischen Wandels auch im ländlichen Raum gestärkt werden. Hinsichtlich der operativen Umsetzung bedarf es einer spürbaren Vereinfachung der Regelungen sowie größerer regionaler Flexibilität, insbesondere auch im LEADER-Bereich. Auch beim ELER sollten die Rahmenbedingungen für die Nutzung innovativer Finanzierungsinstrumente geprüft werden.

Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam streiten - für unsere Landwirtschaft in Brüssel. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich für meinen Teil unterstütze jedenfalls vorbehaltlos die Kampagne des Deutschen Bauernverbandes „Unsere Leistung ist Ihr Geld wert“. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Dombrowski spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um gleich mit meiner Vorrednerin zu beginnen, die die Kampagne des Deutschen Bauernverbandes begrüßt hat: Ich würde es begrüßen, wenn der Vertreter des Deutschen Bauernverbandes und des Landesbauernverbandes, Herr Folgart, nicht in Vietnam wäre, sondern hier in diesem Landtag;

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

denn die Landtagssitzungen sind ganzjährig geplant, die Vietnamreise ist es sicherlich auch. Da der Vorsitzende des Bauernverbandes kein ordentliches Mitglied des Agrarausschusses ist und deshalb nicht an dessen Sitzungen teilnimmt, möchte ich an dieser Stelle nur sagen: Engagement stelle ich mir anders vor.

(Bischoff [SPD]: Das ist jetzt überflüssig und unverhält- nismäßig!)

Frau Kollegin Gregor-Ness, mit vielen Forderungen, die Sie hier nachdrücklich unterstrichen haben, kann ich mitgehen und sagen: Das entspricht unserer Meinung, Punkt, aus. Dies aber zu einem Zeitpunkt in die Diskussion zu bringen, zu dem wir wissen, dass der Agrarkommissar Ciolos seine abgestimmten Vorgaben nach einer halbjährigen Diskussion in zwei Wochen öffentlich mitteilen wird, dazu kann ich nur sagen: Guten Morgen! Die Regierungsfraktionen und die Landesregierung haben zur Kenntnis genommen, dass irgendetwas zur Entscheidung ansteht!

(Beifall CDU)

Kollege Beyer, Sie haben gesagt, die Brandenburger müssten mit einer Stimme sprechen. Ja, im Grunde haben Sie damit Recht - in einem Chor vielleicht; aber die hohe Schule des Chorgesangs ist der Choral, vielstimmig und nach der gleichen Melodie. Das heißt, dass man zusammen beginnt und zusammen endet, aber mit deutlichen Zwischentönen das Niveau und die Qualität dieses Gesangsvortrages erhöht.

(Bischoff [SPD]: Sprecht doch mit unseren Bauern über unsere Politik!)

Daher besteht das Geheimnis einer guten und erfolgreichen Agrarpolitik nicht darin, dass alle das Gleiche erzählen, sondern darin, dass man auch die Zwischentöne und Probleme zur Kenntnis nimmt.

(Beifall CDU)

Vor allem muss man verstehen, dass Agrarpolitik in Deutschland nicht allein von der Bundesregierung, erst recht nicht vom Landtag Brandenburg gemacht wird, egal, wer in Berlin regiert.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: So egal ist das nicht!)

Agrarpolitik wird in Europa und in Deutschlands 16 Bundesländern gemacht.

(Görke [DIE LINKE]: Mittlerweile ist es egal, wer in Berlin regiert!)

Wenn Sie, Frau Gregor-Ness, sich hier so vehement für die Beibehaltung der Direktzahlungen und gegen eine Deckelung ausgesprochen haben, dann wissen Sie natürlich auch, dass zwei SPD-geführte Landesregierungen diese Kappung der Direktzahlungen in den Koalitionsvertrag geschrieben haben.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90 - Holzschuher [SPD]: Was sagen Sie denn? Das ist doch interessanter!)

Von daher tut es gut, auch darauf zu verweisen: Wie ist die Lage überhaupt?