Protocol of the Session on September 28, 2011

Von daher tut es gut, auch darauf zu verweisen: Wie ist die Lage überhaupt?

(Holschuher [SPD]: Können Sie mal etwas zur Sache sa- gen?)

- Herr Holzschuher, ich weiß, dass Sie wenig informiert sind. Sie waren aber - zumindest körperlich - in mehreren Landtagssitzungen in diesem Jahr anwesend und wissen, dass selbst der Fachminister das Agrarprogramm der CDU-Landtagsfraktion in Brandenburg erwähnt hat wie alle anderen Redner der Fraktionen auch - Sie nicht, Sie sind Jurist und müssen das nicht wissen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wie ist die Situation in der Europäischen Union überhaupt? 1980 lag der Agraranteil an den EU-Ausgaben noch bei 72 %. Er wird 2013 bei 39 % liegen, und Sie wissen, er wird weiter sinken. Daher kann man den Landwirten nicht sagen, es bleibe alles so, wie es ist, Punkt, aus, wie Sie vorhin ausführten, sondern es wird nicht nur anders werden, es wird auch weniger werden.

Wie verteilen sich die Direktzahlungen im Haushaltsjahr 2009 in der Europäischen Union? 2009 wurden in der EU der 27 Mitgliedsstaaten Direktzahlungen in Höhe von rund 39 Millionen Euro verteilt.

Ich lasse die Aufteilung jetzt einmal aus und komme direkt zu Deutschland. Im Jahr 2009 haben 350 000 Zuteilungsberechtigte in Deutschland 5,5 Milliarden Euro an Direktzahlungen erhalten. Betriebe mit Zahlungsansprüchen von mehr als 300 000 Euro - 300 000 Euro spielen auch aktuell in der Diskussion bzw. in der Entscheidungslage der Europäischen Union eine Rolle - entsprechen exakt 0,5 %. Das sind 1 730 von 350 000 Agrarbetrieben in Deutschland.

Ich komme nun zu Brandenburg, damit wir die hiesige Situation bewerten können, und greife dabei auf das Statistische Jahrbuch des Landes aus dem Jahr 2009 zurück. Auf der Grundlage der Daten von 2007 verzeichneten wir in Brandenburg 6 700 Landwirtschaftsbetriebe verschiedenster Gesellschaftsformen.

(Bischoff [SPD]: Sprecht doch einfach mal mit den Land- wirten! - Frau Hackenschmidt [SPD]: Das versuchen sie schon lange!)

Etwa 88 % aller Landwirtschaftsbetriebe sind Betriebe mit einer Größe von bis zu 500 ha. Lediglich 2,5 % der Betriebe in Brandenburg haben eine Größe von mehr als 1 500 ha. So viel zur besonderen Situation der Agrarwirtschaft in Brandenburg, nämlich: Die übergroße Zahl der Landwirtschaftsbetriebe sind Betriebe mit weniger als 500 ha und keine Großbetriebe.

In Brandenburg gingen im vergangenen Jahr Betriebsprämien in Höhe von 356 Millionen Euro an etwa 5 700 anspruchsberechtigte Betriebe. Dazu sage ich auch: Zu Beginn einer neuen Förderperiode ist es völlig normal, zu überprüfen - alle fünf

Jahre -, wie die Lenkungswirkung solcher steuerlicher Mittel schließlich sprechen wir über Steuergelder und über nichts anderes, auch wenn es sich dabei um die Steuergelder aller EU-Bürger handelt - ist.

Ziel der Direktzahlung, Frau Gregor-Ness, ist es nicht, in Deutschland Lebensmittelpreise niedrig zu halten. Wissen Sie, Frau Gregor-Ness, wir leben in einem der höchstentwickelten und reichsten Länder dieser Welt. Insofern ist es doch ein Witz, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass anderswo Menschen verhungern und Sie in unserem hochindustrialisierten und leistungsstarken Land sagen: Wir brauchen diese Mittel, um Lebensmittel zu subventionieren. Andersherum beklagen die Landwirte zu Recht, dass die Lebensmittelpreise in Deutschland unterdurchschnittlich niedrig sind.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90 - Zurufe von der SPD)

Wir sehen auch, dass wir weitere Probleme haben. Es ist nicht unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Mittel der Steuerzahler in die Taschen börsennotierter Agrarkonzerne gespült werden. Wir wollen, dass die gezahlten Agrarsubventionen in Brandenburg bleiben,

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

dass sie unsere Familienbetriebe stützen und eine landwirtschaftlich geprägte Struktur befördern. Insofern bin ich sehr froh darüber, dass sich vieles aus dem Programm, das wir im Januar veröffentlicht haben, in den aktuellen und vom Europaparlament beschlossenen Vorschlägen wiederfindet, dass nämlich nicht nur Großagrarstrukturen gefördert werden, sondern die Landwirtschaft als eine bäuerliche Landwirtschaft zu verstehen ist, die von Familienbetrieben und von Betrieben, die für diese Tradition stehen, geführt wird. Das ist unser Ziel.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90 - Zuruf der Abgeordne- ten Hackenschmidt [SPD])

Nun noch einmal zu meinem Ausruf „Guten Morgen!“. Ich möchte in Erinnerung rufen, wie der Verlauf der Diskussion war. Am 18. November des vergangenen Jahres hat der Agrarkommissar Ciolos seine Thesen in den Raum gestellt. Sie alle - außer Herr Holzschuher - kennen diese vielleicht. Am 25. April 2011 hat Herr Deß - zuständiger Europaabgeordneter den Deß-Bericht vorgelegt, in den 1 200 Änderungsvorschläge aufgenommen wurden. Ebenfalls am 25. April hat der Agrarausschuss des Europaparlaments dieses Papier befürwortet, die Einführung einer Obergrenze für Direktzahlungen gefordert und die Kommission aufgefordert, bei einer degressiven Gestaltung der Direktzahlungen objektive Kriterien der Beschäftigung in den Betrieben ertragswirksam zu berücksichtigen. Auch der mitberatende Ausschuss für Regionale Entwicklung hat diese These bzw. dieses Papier bestätigt.

Am 23. Juni 2011 - an diesem Tag wurde es im Landtag bereits einmal behandelt; ich hatte Geburtstag

(Oh! bei der SPD - Frau Hackenschmidt [SPD]: So schlägt das Schicksal zu!)

wurde der Deß-Bericht vom Europäischen Parlament auch mit den Stimmen der Sozialdemokraten in der vorgelegten Form verabschiedet. Insofern können wir, meine Damen und Herren,

hier natürlich anderer Meinung sein, dennoch gibt es in Europa hinsichtlich der weiteren Verfahrensweise über alle Parteigrenzen hinweg weitreichende Übereinstimmung, was sich auch bis Brandenburg herumsprechen wird. In zwei Wochen wird der Agrarkommissar seine abschließenden Empfehlungen dazu bekanntgeben.

Meine Damen und Herren, ich gehe jetzt auf Ihre Anträge ein. Wir werden beiden Anträgen nicht zustimmen.

(Oh! bei der SPD)

Warum? - Es steht im Grunde genommen nicht viel darin. Zudem sind sie auch widersprüchlich. Einerseits sagen Sie, es solle alles so bleiben, wie es ist, andererseits sprechen Sie sich in Punkt 5 dafür aus, dass langfristig die Agrarsubventionen beendet werden sollen. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass es Herr Folgart vorzieht, heute in Vietnam zu sein und dort zu kämpfen.

(Zuruf der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

Vielleicht habe ich nachher noch 30 Sekunden. - Danke schön.

(Bischoff [SPD]: Das war eine historische Rede! - Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Der Abgeordnete Dr. Luthardt spricht für die Linksfraktion.

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Gäste! Auf meiner Sommertour durch den Landkreis Barnim sah ich ein Banner, das an einer Scheune eines landwirtschaftlichen Betriebes hing mit der Aufschrift: „Wir ackern für Deutschland!“ - Das kennen Sie sicherlich.

Die Landwirtinnen und Landwirte Brandenburgs ackern, säen und ernten für uns Lebensmittel. Das ist sehr wichtig. Sie tun aber noch mehr. Sie pflegen unsere Kulturlandschaft, erzeugen Energie, verarbeiten und vermarkten ihre Produkte und schaffen Arbeitsplätze auf dem flachen Land. Immerhin gibt es 36 500 Beschäftigte in 5 600 Betrieben. Aber es sind nicht nur die Landwirte, sondern auch - das möchte ich ausdrücklich betonen - die Obstbauern und diejenigen im Gemüsebau, in der Fischerei und Forstwirtschaft.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Heute diskutieren wir jedoch vorrangig über die Landwirtschaft. Wie sieht es in Brandenburg aus? Welche Stärken, Schwächen, Chancen oder Risiken gibt es für die Landwirtschaft in Brandenburg? - Meines Erachtens haben wir zukunftsfähige Strukturen und Betriebe - große und kleine - nebeneinander. Es gibt einen hohen Selbstversorgungsgrad in der Region Berlin und Brandenburg. Zudem steht Berlin als großer Markt für landwirtschaftliche Produkte direkt vor unserer Haustür.

Auch haben wir noch gut ausgebildete Fachkräfte, einen hohen Anteil an ökologisch produzierenden Betrieben und einen Zuwachs an Verarbeitungsbetrieben - zum Beispiel Molkereien

insbesondere in den letzten zwei Jahren. Auch die sehr guten Einrichtungen der Forschung und des Versuchswesens sind nicht zu vergessen. In Eberswalde gibt es die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung mit den „grünen“ Studiengängen.

Wo Stärken sind, gibt es natürlich auch Schwächen. Welche sind das? - Wir haben relativ niedrige Bodenwertzahlen in Brandenburg - das ist uns bekannt - und einen Humusschwund auf unseren Feldern. Zudem gibt es einen relativ geringen Grad der Veredelung von landwirtschaftlichen Produkten und ein nicht ausgeschöpftes Potenzial auf dem Berliner Markt. Unsere Tierbestände nehmen jährlich ab - das kann alles nachgelesen werden -, wodurch auch Arbeitsplätze im ländlichen Raum verloren gehen. Zudem fehlt uns der berufliche Nachwuchs.

Auch werden die Energiepflanzen - vor allem Mais - immer mehr angebaut, und zwar - in diesem Jahr ist es wieder überall zu sehen - ohne Fruchtwechsel, was ein Indiz für Monokultur ist. Darüber hinaus gibt es eine zunehmende Unkenntnis der Stadtbevölkerung bezüglich der Landwirtschaft, der Urproduktion in Brandenburg.

Welche Chancen gibt es für die Landwirtschaft in Brandenburg? - Wir können regionale Wirtschaftskreisläufe installieren. Damit meine ich die Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung von Produkten. Zudem ist eine Eigenversorgung mit Energie in den Dörfern möglich, die hauptsächlich aus betrieblichen Anlagen gewonnen werden kann, zum Beispiel Biogas, Windkraft und Solar. In diesem Mix können wir dazu kommen, dass Dörfer sich selbst mit Energie versorgen. Auch gibt es nach wie vor eine steigende Nachfrage nach hochwertigen regionalen und ökologischen Nahrungsmitteln.

Welche Risiken gibt es, die von außen auf unsere Landwirtschaft in Brandenburg wirken? - Es wurde bereits gesagt, dass es sich dabei um die deutlich wahrnehmbaren Veränderungen des Klimas - insbesondere Extreme: unter anderem krasser Wechsel von Trockenheit, Starkniederschlägen und Barfrösten handelt, wie wir es in diesem Jahr exemplarisch erlebt haben. Das kennen wir alles.

Zudem gibt es einen fortschreitenden Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen durch Infrastrukturmaßnahmen. Allein im Landkreis Barnim sind in den letzten zehn Jahren 5 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen abhanden gekommen. Das sollte uns zum Nachdenken anregen.

Auch haben wir eine verstärkte Landnahme durch nicht landwirtschaftliche Kapitalgesellschaften in Brandenburg. Dazu kommen steigende Bodenpreise und die nach wie vor unbefriedigende Verkaufspraxis der BVVG.

Und: Wir müssen natürlich damit rechnen - damit komme ich auch zum Kern unserer heutigen Diskussion -: und uns darauf einstellen, dass wir ab 2014 weniger europäische Mittel bekommen werden. Zwar wird die Kommission erst Mitte Oktober ihre Vorschläge vorstellen, jedoch war unsere Fraktion nicht müde. Wir sind vor einigen Wochen nach Brüssel gefahren und haben uns dort über die wesentlichen Eckdaten informiert. Also, Herr Dombrowski, wir schlafen nicht, sondern sind da ganz gut dran.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Es ist vorgesehen - so wurde uns gesagt -, dass Landwirte, die öffentliche, für die Gesellschaft nützliche, über den Markt nicht bezahlbare Güter bereitstellen, mit Direktzahlungen honoriert werden sollen. Dieser Ansatz wird als „Greening“ bezeichnet und deckt sich mit den Positionen der Linken. 30 % der Mittel - in Deutschland sind das 1,5 Milliarden Euro - soll das ausmachen. Daneben sollen wenigstens 5 % der Nutzfläche ohne Dauergrünland als ökologische Schwerpunktflächen nachgewiesen werden. Auch das ist eine Forderung der Linken. Dies wären genau die Flächen für unser vor kurzem beschlossenes Moorschutzprogramm und hätte einen positiven Effekt für die Landwirte in Brandenburg. Weiter in diese Richtung geht das Umbruchverbot von Dauergrünland.

Zu den Kappungsgrenzen, die sich auch in den Vorschlägen der Kommission wiederfinden: Oberhalb einer Basisbetriebsprämie von 150 000 Euro soll in Stufen gekürzt werden. Hierzu gibt es eine eindeutige Position der Linken: Diese Kappungsgrenzen benachteiligen die landwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland, die von jeher größer waren als die im Westen, und werden von uns kategorisch abgelehnt.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich wundere mich doch etwas - mit Blick auf den Bund -, wie hier auf Landesebene verkehrte Welt gespielt wird; es ist sehr spannend.

(Bischoff [SPD]: Ja!)

Die CDU ist plötzlich zu der Überzeugung gekommen, dass große Betriebe böse und kleine Betriebe gut sind. Die FDP ist gegen die Kappungsgrenzen, und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die Kappung, also zurück zu kleinen Betrieben.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)