Protocol of the Session on September 28, 2011

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte der Verwirrung gern etwas entgegensetzen. Ich bin der Meinung meiner Kollegin Steinmetzer-Mann: Wir haben über dieses Problem, über die Agro-Gentechnik in Brandenburg und darüber, dass wir keine wollen, hier schon des Öfteren debattiert; Frau Steinmetzer-Mann ist darauf eingegangen. Aber da eben neue Dynamik in die Diskussion gekommen ist - zum Beispiel das Honig-Urteil -, will ich gern noch einmal auf einige Gedankensplitter eingehen, die mir wichtig sind.

Zum einen will ich sagen: Meine kritische Position zu den angeblichen Vorteilen, die gentechnisch veränderte Pflanzen für die Entwicklung des ländlichen Raumes in Brandenburg bringen würden, ist Ihnen bekannt. Hierzu gibt es im Übrigen eine gute Tradition aller Umweltminister, meiner Vorgänger. Ich denke, das ist hier im Laufe der Jahre auch deutlich geworden.

Meine Sympathie für die Forderung, eine weitgehend gentechnikfreie landwirtschaftliche Produktion zu ermöglichen, haben Sie uneingeschränkt, das ist gar keine Frage. Daran, dass der Landesbauernverband und das Umweltressort gemeinsam den Verzicht auf den Anbau von MON-810-Mais propagiert haben, will ich Sie noch einmal erinnern; ich glaube, das war schon ein gutes Bündnis.

Natürlich sorgt die Landesregierung dafür, dass die Überwachungsbehörden Saatgut, Lebensmittel und Futtermittel angemessen und auch rechtzeitig kontrollieren. Das erfolgt zuverlässig und meistens völlig geräuschlos im Hinblick auf die Resonanz in den Medien - weil das auch immer ein Kritikpunkt ist, aber Herr Wichmann ist heute nicht hier.

Natürlich - ich gebe Ihnen Recht, liebe Kollegen - hätten wir dem Europäischen Netzwerk „Gentechnikfreie Regionen“ beitreten können und können das auch noch, nur sage ich: Das ist wirklich inkonsequent, weil es - auch das ist schon deutlich gesagt worden - nichts als ein symbolischer Akt wäre, dies zu propagieren, aber genau zu wissen - denn Brandenburg ist Spitzenreiter beim Anbau von MON-810-Mais -: Der Nachbar baut diesen Mais an. Aus meiner Sicht ist es nicht gerechtfertigt, dies zu tun. Die Glaubwürdigkeit des Parlaments wie der Landesverwaltung wird von den Bürgerinnen und Bürgern am aktiven und konkreten Handeln gemessen und nicht an irgendwelchen symbolischen Handlungen.

Die Diskrepanz zwischen dem, was wir gern hätten, und dem, was wir wirklich erreichen können, wird beim Thema AgroGentechnik immer wieder deutlich; die Vorrednerinnen und Vorredner haben das auch noch einmal sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Vielleicht kann Brandenburg mit den angekündigten Ermächtigungen zur Festlegung von Koexistenzabständen auf Landesebene jetzt eigene Regelungen treffen. Aber auch hier geht es um die verfassungskonforme Ausgestaltung des Anbaus zugelassener Gentechnikkonstrukte und nicht per se um die Verhinderung des Anbaus.

Ein nicht gelöstes Problem ist die Fehlentwicklung bei der Versorgung mit Futtermitteln, die aus einheimischen Produktionen nicht mehr gedeckt wird und zu massenhaften Importen aus

Ländern führt, welche diese Produkte mithilfe der Gentechnik anbauen. Wir brauchen also Instrumente, um gegenzusteuern, und das ist ganz schwierig, da die Gesetze, wie Sie wissen, auf Bundes- und EU-Ebene gemacht werden.

Ein Geburtsfehler der Ausgestaltung des Haftungsrechts - auch darauf sind Sie eingegangen - beim Anbau von GVO war bei der Verlagerung der Risiken auf die Landwirte deutlich geworden. Hier sollten wir gemeinsam überlegen, wie wir die erforderlichen Änderungen unseres nationalen Rechts erreichen können. Da gibt es Wege; die Schweiz hat es erfolgreich und beispielhaft vorgemacht.

Landeseigene Flächen vom kommerziellen Anbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen freizuhalten ist eine in der Theorie einfache, meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Demonstration politischer Willensbekundung. Ob und wie sich dies auch in eine gerichtsfeste Praxis umsetzen lässt, sollte zumindest mal geprüft werden. Aber ich sehe im Augenblick keine einfache Lösung.

Meine Damen und Herren! Gentechnikfreie Regionen sind das Ergebnis selbstbestimmter, freiwilliger Verabredungen von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Gebietskörperschaften. Sie spiegeln den Stand des Meinungsbildungsprozesses auf regionaler und kommunaler Ebene wider. Daran sollten wir anknüpfen. Da sollten wir uns einbringen. Das Ministerium bereitet gerade eine Wanderausstellung zur Aufklärung in der Sache vor. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Ich will insgesamt feststellen: Mehrheitlich sind wir uns im Ziel hier im Parlament sehr einig. Über den Weg werden wir uns, denke ich, weiter streiten. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall SPD, DIE LINKE sowie GRÜNE/ B90)

Damit sind wir am Ende der Debatte zum Tagesordnungspunkt 10 angelangt und kommen zur Abstimmung.

Ihnen liegt die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Infrastruktur und Landwirtschaft in Drucksache 5/4055 vor. Wer ihr Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Ich habe den Eindruck, nicht jeder weiß, worüber wir jetzt abstimmen. Es ist die durch den Ausschuss modifizierte Beschlussantragsformulierung der Fraktion GRÜNE/B90, über die jetzt abgestimmt wird, und das ist die Drucksache 5/4055. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sieht deutlicher aus. Wer widerspricht? - Gibt es Enthaltungen? - Es gibt zwei Enthaltungen.

(Senftleben [CDU]: Auszählen!)

- Es war trotzdem eine Mehrheit dafür, es hilft nichts, Herr Senftleben.

Wir haben eine weitere Beschlussfassung, nämlich den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion, Drucksache 5/4089. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mit überdeutlicher Mehrheit abgelehnt.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

100 Prozent Ökostrom für Brandenburgs Landesbehörden

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/4031

Dazu liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/4090 vor.

Der Abgeordnete Jungclaus eröffnet die Debatte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Brandenburg ist ein 2-Sterne-Land. Zweimal haben wir den Leitstern für erneuerbare Energien als bestes Bundesland erhalten. Wir würden der Landesregierung gern einen dritten Stern, nämlich für den behördeninternen Erfolg bei der Nutzung erneuerbarer Energien, übergeben. Leider sind wir noch nicht so weit. Schaut man sich die Energieträger an, aus denen sich der genutzte Strom in den Brandenburger Landesbehörden zusammensetzt, so stellt man fest, dass die erneuerbaren Energien einen Anteil von 59 % einnehmen. Das ist jedenfalls die Zahl, die mir vorliegt. In Ihrem Antrag sprechen Sie von 73 %. Laut der Antwort auf die Kleine Anfrage, die uns vorliegt, kommt der Strom zu 59 % aus erneuerbarer, zu 35 % aus fossiler und zu 6 % aus Kernenergie. Vielleicht können Sie zu einem möglichen Widerspruch in Ihrer Rede Stellung nehmen.

59 % - das ist gut, aber noch keine Auszeichnung wert. Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, die Stromversorgung zu 100 % auf erneuerbare Energie umzustellen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Kollege Beyer, das ist ein klarer Dafür-Antrag. Ich hoffe, die FDP outet sich nicht als Dagegen-Partei.

Brandenburg ist mit dem Festhalten an der Braunkohleverstromung momentan auf dem direkten Weg, seine Klimaschutzziele weit zu verfehlen. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung kann die Vollversorgung der Landesbehörden mit Ökostrom sein. Neben der Vorbildfunktion wäre ein Umstieg auch ein wichtiges Signal für die Branche der erneuerbaren Energien. Die verstärkte Nachfrage nach Ökostrom kann den Ausbau weiter vorantreiben und wichtige Arbeitsplätze sichern. Gerade in Brandenburg ist die Branche der erneuerbaren Energien ein wichtiger Arbeitgeber. Darüber hinaus können sie für regionale Wertschöpfung und Unabhängigkeit sorgen.

Es gibt heute keine vernünftigen Argumente mehr gegen eine Vollversorgung mit Ökostrom. Rechtsunsicherheiten, was die Zulässigkeit angeht, sind durch die Europäische Kommission und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beseitigt worden. Die fachlichen und rechtlichen Grundlagen liegen in einer Arbeitshilfe des Umweltbundesamtes vor. Bezüglich

der Umsetzbarkeit bedarf es also keiner intensiven Prüfung mehr. Selbst die benötigten Formulare und Leistungsbeschreibungen liegen als Muster vor und können sofort verwendet werden.

Auch das Preisargument kann nicht ausschlaggebend sein für eine Entscheidung gegen 100 % Strom aus erneuerbaren Energien. So sind bereits heute Anbieter auf dem Markt, die preislich mit konventionellen Stromanbietern mithalten können bzw. diese sogar unterbieten.

Im Jahr 2013 werden die Karten erneut neu gemischt. Ab diesem Zeitpunkt werden die konventionellen Stromerzeuger Zertifikate für ihre CO2-Emissionen kaufen müssen, und dies wird sich auch in Preissteigerungen für Strom aus fossilen Energieträgern niederschlagen. Ökostromanbieter werden dann preislich noch attraktiver. Rechnet man noch die volkswirtschaftlichen Externkosten durch Klimaschäden hinzu, ist Kohlestrom definitiv nicht mehr konkurrenzfähig. Durch den Stromverbrauch der Landesbehörden werden jährlich 30 000 t CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Mit nur 16 Windkraftanlagen würde diese Menge an CO2 vermieden werden.

Noch wichtiger wird der Umstieg, wenn man sich die Zunahme des Strombedarfs innerhalb der Landesbehörden anschaut. Der Braunkohleverstromung haben wir es zu verdanken, dass der Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 mit jährlich 23 t in Brandenburg doppelt so hoch ist wie im Bundesdurchschnitt. Wir sind daher auf jede Maßnahme zur Verbesserung unserer schlechten Bilanz angewiesen. Auch wenn der Umstieg nicht sofort Auswirkungen auf diese Werte hat, so hat es doch Symbolcharakter. Hier muss die Landesregierung Vorbild sein. Sie muss durch eine Vollversorgung mit Ökostrom zum Nachahmen animieren. Bisher fließt aus den Steckdosen der Brandenburger Landesbehörden noch jede Menge klimaschädlicher Braunkohlestrom. Erfreulicherweise nimmt die Anzahl der Bürgerinnen und Bürger, die zu einem Ökostromanbieter wechseln, stetig zu. Die Landesregierung sollte diesen vorbildlichen Bürgern folgen.

Der Bundestag wie auch das Bundesumweltministerium und seine nachgeordneten Behörden haben sich bereits für Strom aus 100 % erneuerbaren Energien entschieden. Eine Umstellung ist also machbar, sofern sie gewollt ist. Werden Sie also auch tätig. Bis Ende des Jahres haben Sie die Chance, die aktuellen Stromlieferverträge fristgerecht zu kündigen. Ab Anfang 2013 könnten dann 100 % Ökostrom geliefert werden. Zeigen Sie der Bevölkerung, dass Sie den Klimaschutz ernst nehmen. Steigen Sie mit dem Wechsel auf Ökostrom vom 2-Sterne-Land zum 3-Sterne-Land um. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete Geywitz spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass sie diesen Antrag eingebracht hat. Ich denke, es tut Brandenburg gut, dass es sich als Land der erneuerbaren Energien mit dem Thema beschäftigt. Der Kollege Jungclaus hat gesagt, wir seien gut, aber eben noch nicht perfekt. Sie haben auf die Quote hingewiesen. Ob es

nun 59 % oder 73 % sind - die Verwaltung vermag vielleicht zu sagen, woher die Zahlen stammen. Auf jeden Fall sind wir deutlich besser, was den Strombezug aus erneuerbaren Energien anbelangt, als die Bevölkerung. Insofern haben wir schon eine Vorreiterrolle. Aber ich denke, es ist ein Statement, was dem Land der erneuerbaren Energien gut zu Gesicht steht, wenn wir schnellstmöglich auf 100 % wechseln; nicht nur, weil man dann im Milibereich vielleicht die Abnahme des Stroms beeinflussen kann, sondern auch, weil man zeigt, dass der Konsument eine Marktmacht hat.

Wenn alle Wähler der Grünen in Berlin auf erneuerbare Energien umsteigen würden, wäre auch schon ein großer Beitrag geleistet. Insofern können Sie vielleicht auch in diese Richtung etwas werben.

Wir sind in der Lage, unsere Strombezüge zu regeln. Wir haben einen Entschließungsantrag eingebracht, der sich im Großen und Ganzen an dem orientiert, was auch die Grünen wollen, nämlich einen Umstieg von 70 % auf 100 %. Wir sind ein Land der erneuerbaren Energien, und wir sollten auch dementsprechend handeln. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und GRÜNE/B90)

Der Abgeordnete Bretz spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir sehr leid, aber ich muss etwas Wasser in den Wein schütten. Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sie haben in Ihrem Antrag etwas aufgeschrieben und einen Verweis auf eine Broschüre des Bundesumweltministeriums vorgenommen. Ich möchte Ihnen aus formalen Gründen sagen: Ich hätte mich schon gefreut, wenn Sie sich mit dem Antrag inhaltlich mehr Mühe gemacht und wenigstens die Hinweise und Ratschläge, die auf der Seite des BMU in einer 121 Seiten umfassenden Broschüre geschrieben stehen, umgesetzt hätten. Nein, ich komme zu dem Fazit - es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen -: Sie haben sich mit diesem Antrag aus meiner Sicht nicht viel Mühe gegeben. Sie wollten etwas Symbolpolitik betreiben - das haben Sie auch gesagt -, aber Sie müssen sich bitte gefallen lassen, dass in einem Parlament dann auch die Frage gestellt wird: Ist alles, was wir unter Symbolpolitik subsumieren, auch geradewegs rational vertretbar? Das zum Ersten.

Zum Zweiten möchte ich erläutern, wie unsere Stromnetze funktionieren. Stellen Sie sich einen geschlossenen Behälter mit Wasser vor. Es gibt eine Zuleitung und eine Ableitung. Nun passiert Folgendes: Wenn Sie zu viel Wasser in den Behälter füllen, sprich zu viel Strom einspeisen, und weniger entnehmen, wird der Behälter aufgrund des Überdrucks bersten. Entnehmen Sie mehr Wasser, als Sie zuführen, würde der Unterdruck wahrscheinlich ebenso zur Zerstörung des Behälters führen. Sprich: Unsere Stromnetze funktionieren nur dann, wenn wir genau die Menge Strom, die wir einspeisen, auch verbrauchen, und die Menge, die wir verbrauchen, einspeisen. Ist etwas in dieser Gleichung nicht korrekt, würden unsere Netz kollabieren.

(Beifall CDU)

Dritter Aspekt ist folgender: Es gibt - ich möchte mit dem breiten Irrtum, mit dem in der Bundesrepublik sehr viel Schindluder getrieben wird, etwas aufzuräumen versuchen - die Nobelpreisträger in den Wirtschaftswissenschaften Modigliani und Miller, die mehrere Theoreme aufgestellt haben, für die sie den Nobelpreis erhielten. Eines dieser Theoreme besagt: Wenn Sie auf der Aktivseite einer Bilanz eine Investition tätigen, ist der Erfolg dieser Investition unabhängig von der Frage, wie auf der Passivseite die Finanzierungsstruktur der Investition zusammengestellt ist. Abstrakt formuliert: Das Risiko der Investition ist unabhängig vom Risiko der Aufteilung der Finanzierungsströme.

(Bischoff [SPD]: Reden Sie auch noch zum Thema?)

- Ja, Herr Kollege Bischoff, ich gebe mir gerade Mühe, Ihnen aufzuzeigen, dass ich zum Thema spreche.

Wenn man bereit ist, meine Ausführungen zu akzeptieren und interdisziplinär zu denken, kommt man zu der Erkenntnis, dass das, was in der Betriebswirtschaft in den Bilanzen gilt, auch adaptiv auf die Stromseite zu übertragen ist. Warum? - Weil Sie auf der Stromseite ähnlich wie in der Bilanz eines Unternehmens eine Aktivseite - sprich: den Energieverbraucher - und eine Passivseite - sprich: die Energieerzeugung - haben.