Protocol of the Session on September 28, 2011

(Frau Gregor-Ness [SPD]: Wo war er denn so lange?)

Lassen Sie sich nicht aufhalten.

Herr Präsident, keine Angst, das habe ich gar nicht vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten heute früh schon einen großen Tagesordnungspunkt im Rahmen der Aktuellen Stunde zum Thema Landwirtschaft. Wir haben diesbezüglich einen relativ großen, nicht immer gewöhnlichen Konsens zu einem wichtigen Punkt erzielt. Heute, Herr Kollege Dombrowski, haben wir an dieser Stelle - wenn ich das richtig verstanden habe - nun den Choral, also diese verschiedenen Zwischentöne; denn es liegen in der Tat von allen Fraktionen entsprechende Anträge vor. Dies ist natürlich nicht ganz richtig; denn ein Antrag ist der Antrag der Regierungsfraktionen SPD und DIE LINKE. Dennoch habe ich den Eindruck, dass man in gewisser Weise sagen kann: Es liegen Anträge von allen Fraktionen vor; denn man muss im Leben schon wissen, was man will.

Genau das scheint mir doch zum Teil das Problem zu sein, wenn ich es auch sehr begrüße, dass wir dieses Thema in dieser Breite und mit diesen völlig unterschiedlichen Meinungen angehen. Wenn man zu dem Ergebnis kommt - das steht im ersten Punkt des Antrags der Regierungsfraktionen -, die Erforschung von Chancen und Risiken der modernen Gentechnik sollen weiter unterstützt werden, dann muss man natürlich auch sagen, was man möchte. Das ist meines Erachtens das große Problem.

Die Agro-Gentechnik wird zwar im ersten Schritt im Laborver

such angegangen, aber der zweite Schritt, der unausweichlich kommen muss, ist immer der Schritt des Freilandversuchs. Dieser muss möglich sein. Jedoch wird einerseits formuliert das scheint der zweite Antrag im eigentlichen Antrag zu sein -: aber auf keinen Fall auf landeseigenen Flächen. Dort soll es verboten werden. Andererseits wird begrüßt, wenn brandenburgische Landwirte auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verzichten. Insofern frage ich mich: Wo denn dann? Etwa in der heimischen Badewanne? Wo soll das Ganze funktionieren? - Das erschließt sich uns nicht. Irgendwie müssen wir schon sagen, was wir wollen.

Der von den Regierungsfraktionen vorgelegte Antrag mutet ein wenig wie der Versuch an, ein bisschen schwanger zu sein. Das geht natürlich nicht.

(Frau Gregor-Ness [SPD]: Mit Gentechnik schon!)

- Ob das in Zukunft mithilfe der Gentechnik funktioniert, werden wir vielleicht einmal sehen. Derzeit ist es jedoch nicht möglich.

Die Patentierung ist in der Tat ein Punkt, den ich auch sehr ernst nehme. Nur sollte man diesbezüglich auch einmal offen darüber sprechen und nicht immer so tun, als wäre das etwas ganz Neues; denn die Zeiten, in denen in irgendwelchen Garagen die Glühbirne erfunden wurde und das Patent bei lediglich einem Forscher lag, sind seit vielen Jahrzehnten vorbei. Patente liegen heute fast immer in den Händen größerer Firmen. Die gesamte Automobilindustrie wäre nicht denkbar, wenn die Patente nicht in der Hand weniger großer Automobilunternehmen liegen würden.

Zudem laufen Patente nicht unbegrenzt, sie laufen irgendwann aus. Insofern sollte man einfach mal emotionslos - diesbezüglich schließe ich mich der Aussage der Vorredner an - darüber sprechen, wie wir diese Probleme lösen. Das wäre das Entscheidende.

Abschließend sage ich ausdrücklich: Wir als Liberale haben überhaupt nichts gegen gentechnikfreie Regionen. Ganz im Gegenteil. Ich betrachte das unter der Rubrik „Bürgerschaftliches Engagement“. Jedoch sind das freiwillige Zusammenschlüsse. Wenn es freiwillige Zusammenschlüsse bleiben sollen - dafür stehe ich -, dann sehe ich nicht ein, warum wir dazu von gesetzlicher Seite Verordnungen und entsprechende Regelungen erlassen müssen. Das ist ein Widerspruch in sich, das unterstützen wir auf keinen Fall.

(Dombrowski [CDU]: Das verlangt auch niemand!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grünen sind wie fast immer, ich will schließlich fair bleiben - gegen die ganze Sache und sagen nein, die Liberalen sagen ganz klar ja, und in der Mitte liegen alle anderen. Insofern sind die Weltbilder gewahrt. In diesem Sinne - wir haben noch einige Tagesordnungspunkte vor uns - danke ich Ihnen.

(Beifall FDP)

Die Abgeordnete Steinmetzer-Mann spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich könnte ich es mir heute einfach machen und meine Rede aus dem Jahr 2007 aus der Schublade holen;

(Dombrowski [CDU]: Au ja!)

denn die Positionen und Argumente, die unsere Fraktion damals vertreten hat, passen heute noch immer.

Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, wie damals die Debatten im Landtag zwischen Regierungsfraktionen und Opposition liefen. Da sind Welten aufeinandergeprallt. Ich kann wirklich mit ruhigem Gewissen sagen, dass wir hier als Linke eine gerade Linie fahren. Nach wie vor sehen wir die grüne Gentechnik nicht als Zukunftsmodell. Sie bedroht die ökologische und konventionelle Landwirtschaft sowie unsere Umwelt. Die Verbraucher lehnen sie mit mehr als 80 % eindeutig ab.

Der Antrag damals und heute beschäftigt sich mit der Stärkung der gentechnikfreien Region, mit einem Gentechnikverbot auf Landesflächen, mit Abstandsregelungen und Kennzeichnungspflichten. Auch damals als Opposition haben wir die Forschung zur Erkennung von Risiken und Chancen der grünen Gentechnik befürwortet. Damals stellten wir diese Forderung als Opposition und haben keine negativen Stimmen in der Öffentlichkeit vernommen. Ganz im Gegenteil sogar. Nun unter Regierungsbeteiligung haben wir einen nahezu identischen Antrag mit dem Partner SPD hinbekommen, und uns kommt der Vorwurf des Umfallens und Schlingerns entgegen. Davon kann aber nun wirklich keine Rede sein, da unser damaliger Antrag zu fast 100 % im jetzigen aufgefangen ist. Man muss ihn sich einfach mal ansehen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Im Koalitionsvertrag heißt es:

„Die Landesregierung unterstützt die Forschung zu Risiken und Chancen der modernen Gentechnik. Die Koexistenz bei Anbau, Saatgut und Futtermitteln muss gesichert werden. Gentechnikfreie Regionen in Brandenburg werden unterstützt.“

Genau diese Positionen, meine Damen und Herren, wurden von uns übertroffen. Ich bin froh, deutlich sagen zu können, dass wir in Brandenburg erstmals ein klares Bekenntnis, ein klares Nein zum kommerziellen Anbau der grünen Gentechnik erzielen konnten.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist ein Plus für die Landwirtschaft und ein Imagegewinn allgemein für Brandenburg.

Wenn man die Presseartikel über den Antrag der Koalition liest, muss man automatisch einen seltsamen Eindruck bekommen. So etwas passiert nun einmal, wenn über einen Antrag zu einem Zeitpunkt geschrieben wird, an dem dieser noch nicht vorliegt. Insofern empfehle ich den Verbänden und jedem, der sich dafür interessiert, sich diesen Antrag genau anzusehen.

Mir ist an dieser Stelle deutlich geworden, dass man den grundlegenden Unterschied zwischen kommerziellem Anbau

und Freisetzung im Rahmen der Forschung noch einmal erklären muss. Der kommerzielle Anbau betrifft gentechnisch veränderte Pflanzen, die von der Europäischen Union zum Anbau zugelassen sind und ohne besondere Genehmigung von den Landwirten angebaut werden können. Brandenburg war diesbezüglich immer negativer Spitzenreiter.

Die Freisetzung im Rahmen der Forschung ist mit sehr hohen Hürden verbunden. Sie benötigt eine Einzelfallgenehmigung mit einer umfassenden Risikobewertung und wird zumeist auf sehr kleinen Flächen angebaut. In den letzten Jahren waren es zwischen 1 und 2 ha im gesamten Land, aktuell sind es 0 ha.

Ausdrücklich möchte ich erwähnen, dass wir im Antrag die Rechte Dritter bei Anbau oder Freisetzung schützen wollen. Das Honig-Urteil - das wurde heute bereits genannt - stärkt die Position der Linken, dass Koexistenz eigentlich unmöglich ist.

An dieser Stelle möchte ich noch ein Wort in Richtung GRÜNE/B90 sagen: Ich kann Ihre Empörung, dass wir der Forschung zustimmen, nicht nachvollziehen; denn Ihr Antrag wendet sich auch nicht gegen die Forschung. Kollegin Niels hat dies bei der Anhörung sogar ausdrücklich betont und sich bei den Fachleuten vergewissert, dass der Antrag der Grünen die Forschung nicht behindern würde.

Meine Damen und Herren, wenn wir heute der Beschlussempfehlung folgen, wäre das wirklich eine neue Qualität hier im Land. Wenn dem Bund und den Ländern zukünftig mehr Kompetenz zugesprochen wird, dann lassen Sie uns für eine gentechnikfreie Zone Brandenburgs zum Wohle der Landwirtschaft und zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher hier im Land streiten.

(Beifall DIE LINKE)

Die Abgeordnete Niels spricht für die Fraktion GRÜNE/B90.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste! Wir haben einen Antrag gestellt, der das Feld Forschung auslassen konnte, weil laut Bundesrecht Forschung möglich ist und unser Antrag dem also überhaupt nicht widerspricht. Aus diesem Grund haben wir in der Anhörung auch noch einmal nachgefragt, ob es diesbezüglich einen Widerspruch gibt.

Meine Kritik und die meiner Fraktion an dem Antrag der SPD ist einfach die, dass es insofern völlig überflüssig ist, zu erwähnen: Wir wollen mehr Forschung. Wenn es Forschungsanträge und diese ganzen Verfahren gibt, dann findet dies einfach statt und fertig. Daran ändert auch der Antrag vom Land nichts.

Auch wenn Frau Steinmetzer-Mann sagt, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE aus dem Jahr 2007 mit dem heute vorliegenden Antrag identisch ist und sie die gleiche Rede wie damals halten könnte, hat sich doch einiges bewegt. Man muss die beiden Urteile vom Europäischen Gerichtshof beachten. Beim Honig-Urteil ging es nun einmal darum, dass man jemanden haftbar machen kann, wenn der Honig aufgrund der benachbarten Fläche verunreinigt ist. Das ist nicht nur beim Mais der Fall. Vielmehr gibt es auch Probleme bei der Kartof

fel Amflora. Wenn nämlich Blattläuse, die Honigtau produzieren, als Nahrungsquelle von Bienen verwendet werden, kann es ebenfalls zur Übertragung kommen.

Zum Thema Forschung: So besonders anspruchsvoll sind die Anträge gar nicht. Wir hatten auch eine Anzuhörende - die dann leider nicht anwesend war -, die ihren Antrag ständig nachbessern musste, weil sie einen von vor zehn Jahren vorgelegt hat. Da gibt es ganz starken Handlungsbedarf. Vor allen Dingen ist bis heute nicht geklärt, wie man einer Biene klarmacht, ob es sich um ein Forschungsfeld oder kommerziellen Anbau handelt.

Insofern hat der Europäische Gerichtshof klargemacht: Es muss ganz neue Richtlinien geben. Leider drückt sich die Bundesregierung darum, etwas zu den Abstandsregelungen zu sagen. Wir brauchen jedoch wirklich Klarheit darüber, weil es keine Koexistenz zwischen gentechnikfreien Feldern und Feldern - auch Versuchsflächen -, die Gentechnik benutzen, gibt.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die SPD-Fraktion im Bundestag einen Antrag eingereicht hat, der sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2010 bezieht, in dem genau das klargemacht wurde: Gentechnik, AgroGentechnik ist eine Risikotechnologie, und deswegen will man den Verbraucher schützen. Zumindest die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion wollten dies und wollten daher den Anbau von agro-gentechnisch veränderten Pflanzen aussetzen. Im Bundestag wurden sie von den Linken - natürlich auch von den Grünen - unterstützt, sind aber damit nicht durchgekommen.

Ich finde schon, dass Politik für Klarheit sorgen und etwas Rückgrat haben sollte, damit sich Wählerinnen und Wähler sicher sein können: Wenn ich die und die Partei mit den und den Grundsätzen wähle, setzt sie sich auch für deren Umsetzung ein. - Insofern kann ich überhaupt nicht verstehen, was dieses Herumgeeiere soll, denn letzten Endes folgen Sie allem, nur nicht dem Beitritt zum Europäischen Netzwerk, zur Europäischen Charta „Gentechnikfreier Regionen“, obwohl das zum Beispiel bei der SPD in Nordrhein-Westfalen funktioniert und auch, wie gesagt, der Ansicht der Bundestagsfraktion absolut entspricht.

Es ist doch einfach so, dass das zu unserem Ökolandbau gut passen würde. Wir werden überall gelobt; wir sind mit 10 % Anbaufläche bundesweit ganz weit vorn. Insofern hätte Brandenburg da wunderbar hineingepasst. Man kann auch nicht sagen, das sei Etikettenschwindel oder so etwas, denn das Land Brandenburg ist einfach Vorbild für andere Landwirte. Jetzt ist es ein stilles Vorbild, weil man die Pachtverträge entsprechend gestaltet, und das Signal, diesem Netzwerk beizutreten, bleibt aus.

Mir ist das alles völlig schleierhaft. Die Reden haben mich noch mehr verwirrt, weswegen ich mir Mühe gegeben habe, Bundesrecht und Europarecht hier noch einmal klarzulegen. - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt CDU)

Frau Ministerin Tack spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte der Verwirrung gern etwas entgegensetzen. Ich bin der Meinung meiner Kollegin Steinmetzer-Mann: Wir haben über dieses Problem, über die Agro-Gentechnik in Brandenburg und darüber, dass wir keine wollen, hier schon des Öfteren debattiert; Frau Steinmetzer-Mann ist darauf eingegangen. Aber da eben neue Dynamik in die Diskussion gekommen ist - zum Beispiel das Honig-Urteil -, will ich gern noch einmal auf einige Gedankensplitter eingehen, die mir wichtig sind.