Protocol of the Session on June 23, 2011

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Inklusive Schule darf nicht - das fordern die Behindertenverbände massiv ein - bei den Förderbedarfen Lernen, emotionale und soziale Entwicklungen sowie Sprechen aufhören, sondern auch die Schüler mit schweren Behinderungen - körperliche und geistige Behinderungen sind schon fast alle inkludiert wollen es. Fragen Sie doch einmal die Kollegen an den Förderschulen und die Eltern. Sie wollen diesen Prozess und an ihm beteiligt werden.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Richtig!)

Inklusive Schule muss über Jahrgangsstufe 6 hinaus gedacht und konzipiert werden.

Nun bin ich bei Ihrem Flyer. Darin steht: „Vielfalt fördert alle“. Dazu sagen wir: „Alle“ umfasst natürlich auch die Schüler an den Gymnasien. Warum wollen wir ihnen die Kompetenzen im Umgang mit Kindern mit Behinderung ersparen? Warum wollen wir sie auslassen? Es meint alle, das haben Sie auch geschrieben, und dann sagen Sie aber, wann inklusive Bildung sinnvoll ist. Das will die CDU-Fraktion entscheiden, und das mache ich nicht mit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Nun komme ich zum Nachweis dessen, dass Sie auch vor Lügen nicht zurückschrecken. Frau Kollegin Dr. Ludwig: Nein, die Linke will keine Einheitsschule. Sie waren diejenigen mit den Einheitsprüfungen. Sie waren diejenigen mit dem Einheitsabitur. Die Linke will eine Gemeinschaftsschule, und das ist etwas anderes.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Erstens. In der Gemeinschaftsschule der Linken wird den Förderbedarfen eines jeden Kindes entsprochen, und ich hatte die Hoffnung, dass wenigstens ein wenig von dieser Finnlandreise auch bei Ihnen nachhaltig gewirkt hätte. Aber das war offensichtlich falsch. Das mit den finnischen Förderschulen können wir noch einmal persönlich besprechen. Dem Modell der Gemeinschaftsschule entsprechen in unserem Land am ehesten die Gesamtschulen. Diese sind fast alle deutlich übernachgefragt. Die Gesamtschulen in diesem Land gehören gestärkt, und das wollen wir tun.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Zweitens. Nein, die Linke schafft kein Gymnasium ab. Am Ende der Bildungsbiografie wird auch nach den Vorstellungen der Linken das Abitur an einem beruflichen oder humanistischen Gymnasium oder einer gymnasialen Oberstufe abgelegt. Das haben wir nie und nirgendwo anders aufgeschrieben. Hören Sie auf, diese Lüge zu verbreiten!

(Beifall DIE LINKE - Frau Wehlan [DIE LINKE]: Genau!)

Drittens. Nein, die Linke schafft auch die Förderschulen nicht ab. Schon im nächsten Haushalt haben wir 8,2 Millionen Euro mehr dafür eingestellt.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Tatsache!)

Jetzt noch etwas: Die Schulen - das hat Kollegin Theiss gerade gesagt - sind sehr viel weiter, als Sie es sich vorstellen können. Diesen Prozess nun von unten anzustoßen ist unsere Aufgabe. Die Regionalkonferenzen waren ein richtiger Aufschlag. Dort sind die Sorgen und Ängste der Betroffenen und Akteure geäußert worden, aber es kam auch sehr viel Ermutigendes. Herr Kollege Hoffmann, wir waren zusammen in Neuruppin, und Sie können nicht verdrängen, was dort an Forderungen vorgetragen wurde.

(Zurufe von der CDU)

Es ist so, dass die größte Ermutigung für das Projekt von den Eltern betroffener Kinder kommt. Jürgen Maresch hat dies noch einmal zu verdeutlichen versucht. Das ganz dicke Brett

liegt noch vor uns, darüber sind wir uns alle im Klaren. Ich weiß auch in allen Fraktionen Menschen, die es mitbohren wollen. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Abgeordnete Senftleben hat eine Kurzintervention angemeldet.

Vielen herzlichen Dank! Da kommt bei mir wieder die Leidenschaft beim Thema Bildung durch. Liebe Frau Große, Ihre Leidenschaft kenne ich, und ich schätze sie auch. Das wollte ich vorwegsagen.

Wenn Sie allerdings sagen, die Linke sei für eine Gemeinschaftsschule, dann muss man unbedingt hinzufügen, dass das nichts anderes heißt, als dass Sie alle anderen Schulformen abschaffen wollen. Das heißt, Sie wollen das Gymnasium in Brandenburg beerdigen. Das ist Ihre Gemeinschaftsschule.

(Beifall CDU und FDP - Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

Sie haben dazu aufgefordert, doch einmal die Eltern der Kinder mit erhöhtem Förderbedarf zu befragen. Die Eltern der Kinder, die an der Grundschule Schipkau unterrichtet werden, haben Ihnen eine Antwort gegeben. Das ist übrigens die Grundschule, an der Sie, Frau Ministerin, vor wenigen Wochen mal so nebenbei erklärt haben, dass die Förderschulen zum Jahr 2019 abgeschafft werden sollen. Die Lehrer der genannten Schule haben sich auf den Weg gemacht, eine Schule für alle zu sein. Was ist das Ergebnis? Sie kürzen die Stunden. 30 Eltern von Kindern der 1. Klasse haben gemeinsam erklärt: „Wir wollen unsere Kinder so nicht unterrichtet wissen!“ Die Eltern, die wir doch fragen sollen, sagen - das ist nachzulesen -, dass sie die an dieser Schule gefundene Lösung für unbefriedigend halten. Moderne Lernmethoden sind aus der Sicht der Eltern so nicht realisierbar, zumal zusätzlich zu der ohnehin großen Klassenstärke - noch ein Kind mit erhöhtem Förderbedarf unterrichtet werden sollte. Das ist Fakt. Die Eltern, die Sie angeblich mitnehmen wollen, teilen Ihnen genau das mit. Dabei sind sie durchaus bereit, gegebenenfalls auf dem vorgeschlagenen Weg mitzugehen. Aber die Voraussetzungen müssen stimmen! Die stimmen nun einmal im Land Brandenburg nicht. Nur um Ihre Ideologie geht es!

(Beifall CDU und FDP)

Frau Abgeordnete Große, möchten Sie darauf reagieren?

(Frau Große [DIE LINKE]: Es ist alles gesagt!)

- Frau Große möchte nicht reagieren.

Wir setzen mit dem Beitrag der Abgeordneten von Halem fort. Sie spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was uns hier an Anträgen unterschiedlicher Reifegrade in der vergangenen Woche vorgelegt wurde, kann man eigentlich nur mit dem Begriff „Wendekreis des Krebses“ bezeichnen. Sie erinnern sich: zwei Schritte vor, einer zurück, und dann eine Wende.

Vorweg: Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Frau Ministerin Münch sich das Inklusionsthema auf die Fahnen geschrieben hat. Wir unterstützen das Ziel eines inklusiven Bildungssystems, das alle Kinder und Jugendlichen, ob mit oder ohne Förderbedarf, ihren Anlagen und Besonderheiten entsprechend fördert. Nur dann, wenn wir schon in Kindheit und Jugend, also in Kita und Schule, zusammenleben, erreichen wir die volle gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung und gleichzeitig mehr Bildungsgerechtigkeit für alle.

(Zaghafter Beifall GRÜNE/B90 und DIE LINKE)

- Sie dürfen gern klatschen. Mehr Bildungsgerechtigkeit für alle - das ist das, was wir wollen.

Gemeinsames Aufwachsen und Lernen tragen nicht nur für Kinder mit Förderbedarf Früchte; die soziale Kompetenz aller Kinder wird gefördert.

(Beifall GRÜNE/B90)

In diesem Sinne begrüßen wir die schrittweise Öffnung - oder eben auch Schließung - der Förderschulen. Aber es muss ganz klar sein: Da ist beides möglich. Es geht um den Umbau des Bildungssystems hin zu einer Schule, die alle Kinder gleichermaßen fördert.

Die Ankündigung, 2019 werde das Schließungsjahr sein, ohne parallel den Betroffenen den Weg dorthin aufzuzeigen, halten wir allerdings für einen schweren strategischen Fehler. Das ist eine Kommunikationsform, die dem Muster folgt, das gegenüber den Schulen in freier Trägerschaft angewendet wurde: Ich verkünde drohendes Unheil, ohne die Menschen dafür zu wappnen - der beste Weg, um maximale Verunsicherung zu erreichen.

Sehr geehrte Frau Ministerin Münch, vielleicht wäre es hilfreich, Ihrem Referat „Strategische Kommunikation“ - ich weiß, dass es das gar nicht gibt - eine Fortbildung zu gönnen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Auch wir wollen dringend ein Umsetzungskonzept und nicht noch ein drittes Jahr mit Regionalkonferenzen. Aus diesem Konzept muss hervorgehen, wie der notwendige Umbau ohne Einschnitte bei der Förderqualität zu bewältigen ist. Alle Betroffenen haben ein Recht darauf zu erfahren, wie die personellen Ressourcen verteilt werden, in welcher Form mit sonderpädagogischer Unterstützung zu rechnen ist, wie die räumlichen Erfordernisse umgesetzt werden und wie die Lehrkräfte mit Weiterbildung unterstützt und alle Beteiligten ausreichend informiert und eingebunden werden.

In diesem Sinne haben wir sowohl den Antrag der CDU-Fraktion auf Durchführung der Aktuellen Stunde begrüßt als auch den Antrag der FDP-Fraktion, der zunächst als eigenständiger Antrag vorlag - zumindest bis gestern. In dem Antrag der CDUFraktion wird eine Diskussion über die richtigen Rahmenbedingungen dafür gefordert, „wie das Niveau von individueller Förderung für Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gehalten werden kann.“ Hundertprozentige Zustimmung! Der FDP-Antrag zum alten Tagesordnungspunkt 16 forderte ein Konzept und nannte die konkret darin aufzunehmenden Punkte. Auch dazu hundertprozentige Zustimmung!

Seit gestern Nachmittag sieht das alles ganz anders aus. Das hat noch keiner erwähnt, aber für uns macht das tatsächlich einen großen Unterschied; denn jetzt schauen CDU und FDP plötzlich nicht mehr nach vorn, sondern ziehen zurück und machen den „Wendekrebs“. Nunmehr soll die Landesregierung aufgefordert werden, die Ankündigung, die Förderschulen bis 2019 zu schließen, zurückzunehmen. Ferner soll das geplante Pilotprojekt ausgesetzt werden. Das meinen Sie doch nicht wirklich?

(Frau Dr. Ludwig [CDU]: Wenn die Voraussetzungen nicht da sind!)

Der Effekt Ihres Vorschlags wäre doch eine viel größere Verunsicherung bei allen Beteiligten und bedeutete eine kaum zu verantwortende Verzögerung des Gesamtprojektes. Ich war auch in Groß Köris, ich weiß von dem Vorbehalt. Ich weiß, dass die Beteiligten händeringend klare Regelungen verlangen. Ich weiß, dass die Einrichtung einer Klasse mit 30 Schülerinnen und Schülern in Schipkau kein guter Einstieg in ein solches Pilotprojekt ist. Ich weiß, dass in den FLEX-Klassen der Teilungsunterricht zum großen Teil ausfällt, so in Oranienburg, aber es gibt auch andere Beispiele. FLEX ist eine tolle Einrichtung, aber der Teilungsunterricht muss tatsächlich stattfinden können. Ich weiß, dass der Förderunterricht immer wieder der Vertretungsreserve zum Opfer fällt. Da nutzt es nichts, die Ansage zu machen, dass das so nicht weitergehen solle, sondern da gibt es nur eine Möglichkeit: Wir brauchen eine bessere Ausstattung.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wenn wir jetzt aber den Rückzug fordern würden, erreichten wir damit keinen Schulfrieden, sondern nur Verunsicherung.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt DIE LINKE)

Jetzt brauchen wir stabile Leitplanken und einen klaren Blick nach vorn. Noch ein kleiner Exkurs: Uns ist klar, dass Inklusion nicht heißen kann, alle Förderschulen in den nächsten Jahren zu schließen. Wir beginnen mit den Förderbedarfen „Lernen“, „Sprache“, „emotionale und soziale Entwicklung“. Der Weg wird sehr, sehr lang. Das Fernziel kann jedoch nicht heißen, Wahlfreiheit in Stein zu meißeln, also zwei Systeme, inklusive Schule und sondierte, parallel zu perfektionieren. Das kann es nicht sein. Das wäre die teuerste Variante und entspräche auch nicht dem Geist des Begriffs „Inklusion“.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Sehr geehrte Frau Ministerin, jetzt sind Sie gefragt. Gehen Sie mutige Schritte und hüten Sie sich vor den Krebsen!

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)