Protocol of the Session on June 23, 2011

(Unruhe bei SPD und DIE LINKE)

Um jetzt noch einmal 100 Lehrkräfte aufzustocken, bräuchten wir noch einmal 5 Millionen Euro. Der Haushaltstitel „Zinsen für Kreditmarktmittel“ wurde, verursacht durch das anhaltende Niedrigzinsniveau, wohl im dreistelligen Millionenbereich zu hoch angesetzt - sagen die Haushälter. Die Steuermehreinnahmen werden auf 300 Millionen Euro geschätzt - da werden wir doch noch einmal 5 Millionen Euro irgendwo finden. Dass das eine Investition ist, die langfristig in mehrfacher Höhe in den Landeshaushalt zurückfließt, können Sie in dem Buch des Ministerpräsidenten „Zukunft braucht Herkunft“ nachlesen.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Der Abgeordnete Günther spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dieser späten Stunde ein schwieriges Thema; es hat mit Mathematik zu tun.

In der Tat hat das IRS Erkner ein Gutachten vorgelegt. Zunächst einmal stelle ich fest: Es ist ein Gutachten. Das gestehe

ich anstandslos zu, auch wenn es gelegentlich in Zweifel gezogen wird. Obwohl es keine großartigen Neuigkeiten produziert hat, bleibt doch festzuhalten, dass der enorme Einstellungsbedarf an Lehrerinnen und Lehrern in den nächsten Jahren eine der größten bildungspolitischen Herausforderungen für Brandenburg ist. Ich weiß nicht, wie oft ich das an dieser Stelle schon gesagt habe.

Wie hoch der Einstellungsbedarf pro Schuljahr genau ist, kann auch das IRS nur schätzen. Die Antwort auf diese Frage hängt von vielen Faktoren ab. Dass es da Ungenauigkeiten gibt, kann bei 16 000 Personalstellen und 19 000 Lehrerinnen und Lehrern wohl jeder nachvollziehen. Aber ich will hier keine Rechnung aufmachen, sondern auf das zurückkommen, was wir politisch vereinbart haben.

Wir haben politisch vereinbart, die Schüler-Lehrer-Relation, die in Brandenburg ohnehin gut ist, bis zum Ende der Legislaturperiode bei 15,4:1 zu halten und dafür Stellen und Geld bereitzustellen. Der immense Einstellungsbedarf ist vor allem Folge des demografiebedingten Ausscheidens zahlreicher Lehrkräfte. Die erste Frage in diesem Zusammenhang bezieht sich nicht auf Geld, sondern lautet, ob wir die Lehrerinnen und Lehrer überhaupt bekommen. Die zweite Frage ist noch viel wichtiger: Bekommen wir sie passgenau für Brandenburg? Denn bestimmte Fächerkombinationen sind bei uns besonders gefragt. Auch benötigen wir Sonderpädagogen.

Frau von Halem, wenn Sie hier sagen, wir bekämen die nicht, wenn wir im kommenden Schuljahr nicht noch mehr einstellten, dann ist das Ihre Behauptung. Für Ihre Annahme haben Sie keinerlei Belege gebracht. Ich erinnere mich an eine Debatte, die vor einem oder anderthalb Jahren stattfand. Auch damals wurde gerätselt, ob wir es schaffen würden. Der Einstellungsbedarf für das jetzt laufende Schuljahr wurde damals mit 450 neuen Lehrerinnen und Lehrern angegeben. Viele haben gesagt: „Das schafft ihr nie!“ Und siehe da - oh Wunder! -, wir haben es geschafft. Die Lehrer sind im Land und haben die richtige Fächerkombination. Sie sind noch dazu bereit, in die schwierigen, strukturschwachen Gegenden zu gehen.

Ich gebe zu: Das heißt noch nicht, dass wir es in den kommenden Jahren auch schaffen werden. Das wird schwierig, zumal sich die Zahl der ausscheidenden Lehrer erhöhen wird.

In diesem Zusammenhang ist die reine Zahl der Abgänger, die die Unis produzieren, nicht primär von Bedeutung. Es ist vielmehr relevant, welche Fächer diejenigen, die die Universität verlassen, in das Referendariat gehen und dann in den Schuldienst wechseln, unterrichten können.

Schon ab August, mit Beginn des neuen Schuljahres, bietet sich die Chance, uns für die kommenden Jahre, in denen der Einstellungsbedarf deutlich steigen wird, Luft zu verschaffen. Wir stellen mehr Lehrerinnen und Lehrer ein, als wir eigentlich bräuchten, um die Schüler-Lehrer-Relation von 15,4:1 zu halten.

Ich bin sehr froh, dass es uns im Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen - beteiligt waren die Koalitionsfraktionen und zwei Ministerien - gelungen ist, zusätzlich 100 neue Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Das war nicht leicht, gerade vor dem Hintergrund unserer haushaltsmäßigen Voraussetzungen, die auch Sie kennen. Wir verhindern aber - und das ist das Wichtige -, dass die Referendare, die sich momentan im Vorbereitungsdienst befinden und die über eine Fächerkombination

verfügen, die wir hier in Brandenburg brauchen, die Gelegenheit nutzen, in andere Bundesländer zu gehen - das wäre sicherlich das Schlimmste -, weil wir ihnen hier vielleicht kein Angebot machen konnten. Ich bin froh, dass wir das können. Damit betreiben wir ein Stück weit Zukunftsvorsorge; das ist in der Politik nicht oft der Fall. Ich bin froh, dass uns das gelungen ist. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE und von Minister Dr. Markov)

Der Abgeordnete Hoffmann spricht für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Beitrag von Frau von Halem nur noch wenige Bemerkungen hinzufügen. Sie hat detailliert dargelegt, warum die Landesregierung gut daran täte, weitaus mehr Lehrer einzustellen und diese Neueinstellungen kontinuierlicher zu realisieren, als es für das nächste Schuljahr geplant ist. Das wäre angesichts der Herausforderungen, vor denen das Bildungssystem steht - ich erinnere an unsere Aktuelle Stunde heute Morgen -, eine sehr wichtige Maßnahme.

Die Argumente, die die Regierungskoalition, immer wieder bringt, sind fadenscheinig und haben nichts mehr mit dem zu tun, was Sie immer wieder postulieren, dass Bildung bei Ihnen Priorität habe.

Herr Günther sagte, in dem Gutachten stehe nichts Neues. Damit geben Sie also zu, die ganze Zeit zu wissen, dass Sie nicht das tun, was Sie tun müssten, nämlich genügend Lehrer einstellen.

(Beifall CDU, FDP, GRÜNE/B90)

Diese Einschätzung wird durch einen weiteren Umstand unterstützt: Als Kollege Rupprecht noch Bildungsminister war, gab es einen ziemlich einmaligen Vorgang. Der Finanzminister, der sonst dafür bekannt ist, dass er versucht, die Ausgaben niedrig zu halten, rechnete dem Bildungsminister vor, dass eigentlich viel mehr Lehrer notwendig seien. Herr Markov hat sich nur geringfügig verrechnet, wenn man das mit dem Ergebnis des Gutachtens vergleicht, das die Grünen in Auftrag gegeben haben. Er kam auf 1 800 Lehrer. Das war jedenfalls deutlich mehr als das, was Sie in den Koalitionsvertrag geschrieben haben.

Das alles führt zu der Erkenntnis, dass Sie vehement die tatsächlichen Bedarfe vernebeln. Wir fordern von der Landesregierung endlich Transparenz und einen Plan, wie viele Einstellungen sie tatsächlich für die nächsten Schuljahre plant.

Schön wäre es, wenn die Landesregierung das gleich mit dem seit einem halben Jahr überfälligen Schulressourcenkonzept verknüpfen könnte und die Karten auf den Tisch legen würde.

Aus den genannten Gründen unterstützen wir den Antrag der Grünen und tragen die Überweisung in den Ausschuss mit. Danke schön.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete Große spricht für die Linksfraktion.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sie müssen mich ein letztes Mal heute ertragen.

(Minister Dr. Markov: Ich freue mich immer wieder!)

Frau Kollegin von Halem, vielen Dank für Ihren Antrag. Gleichwohl werden wir ihm nicht zustimmen können. Ich werde das begründen, auch wenn das Problem natürlich ein riesiges ist.

Ich mache einen anderen Aufschlag als Sie. Bei Klaus Klemm, Universität Essen, wurde eine Lehrerstudie zur Entwicklung des Lehrerbedarfs in Auftrag gegeben. Demnach haben wir deutschlandweit bis 2015/2016 einen Bedarf an ca. 34 000 Lehrerinnen und Lehrern. Ausgebildet werden bis dahin aber nur ca. 28 000. Wir bewegen uns deutschlandweit - ich betone: das ist kein spezifisches brandenburgisches Problem - auf ein großes Problem zu. Wenn wir bis zum Schuljahr 2015/2016 keinerlei Lehrer einstellen würden, wären dann nur noch 61 % aller heute im System befindlichen Lehrer verfügbar, im Schuljahr 2019/2020 wären es nur noch 40 %. Wir haben also bis zum Jahr 2019 bei stabil bleibenden Schülerzahlen einen Einstellungsbedarf von 60 %. Das ist die Dimension, in der wir uns befinden. Jedes Land muss also bedarfsgerecht ausbilden und heute schon bedarfsgerecht einstellen, um dann, wenn es noch enger wird, die entsprechenden Einstellungen schon vorgenommen zu haben.

Bis zum Schuljahr 2015/2016 werden uns 3 100 Lehrerinnen und Lehrer verlassen. Deren Beschäftigungsumfänge sind unterschiedlich; insofern ist das nicht zwangsläufig gleich der Zahl der Stellen. Fest steht aber: 1 500 davon gehen in die Freistellungsphase der Altersteilzeit. Das heißt, wir bezahlen sie letztlich voll, sie sind aber nicht in der Schule. Dieses Modell wurde damals maßgeblich von grünen Referatsleitern favorisiert.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich sage aber auch: Wir haben diese Altersteilzeit gewollt, weil: Sonst hätten wir die Situation, dass wir noch mehr Kranke und noch mehr Dauerkranke hätten. Fakt ist aber, dass dieses Modell der Altersteilzeit - was ein teures Modell ist - für die Kolleginnen und Kollegen und damit auch für die Schülerinnen und Schüler wunderbar ist, weil sie es nicht mit ausgebrannten Lehrerinnen und Lehrern zu tun haben und es uns auch die Möglichkeit eröffnet, neu einzustellen. Insofern war das schon richtig, aber wir müssen das immer mit bedenken. Ausfälle haben also auch mit diesem teuer finanzierten Altersteilzeitmodell zu tun. Für das haben wir uns damals politisch - auch wir in der Opposition - gemeinsam entschieden, aber Ihre Leute haben das auf den Weg gebracht.

Nun sage ich, was wir eigentlich müssten: Natürlich müssten wir im nächsten Jahr 764 Menschen einstellen. Im System gibt es aber eine große Anzahl von Lehrern - ca. 3 000 -, die Angestellte sind und aufgrund der Festlegungen in den Tarifverträgen jetzt ihre Beschäftigung aufstocken können. Das werden

sie auch tun; wir wissen nur noch nicht genau, in welchem Umfang. Durch diese etwa 3 000 Menschen, die aufstocken können, und durch die Situation, dass wir 250 oder vielleicht auch noch den einen oder anderen mehr neu einstellen, um diese Referendare an uns zu binden, erreichen wir eine deutlich bessere Lehrer-Schüler-Relation. Das werden die Lehrerinnen und Lehrer und vor allem die Kinder an den Schulen hoffentlich auch merken. Trotzdem will ich jegliche Illusion hier zunichtemachen, dass es dann weniger Unterrichtsausfall geben wird, weil: Mit 500 dauerkranken Lehrerinnen und Lehrern und denen, die „nur so“ mal für 14 Tage krank werden, ist das System extrem ausgereizt.

Herr Büttner und Herr Hoffmann, die Sie immer mehr Stellen fordern: Wir müssen uns das bei den Haushaltsverhandlungen hinlegen. Es wird diesen Einstellungsbedarf von ca. 600 geben, und jeder Vorvertrag, den wir schließen, mit dem wir junge Lehrerinnen und Lehrer in einem höheren Maße einstellen können, als wir zunächst annahmen, ist gut.

Jetzt dazu, warum wir Ihren Antrag ablehnen, Frau Kollegin von Halem: Sie haben die Überweisung an den Bildungsausschuss beantragt. Nun sage ich: Das Problem wird zu Schuljahresbeginn da sein. Wir müssen die Leute jetzt binden, weil: Jetzt haben sich knapp 2 000 Menschen in diesem Land beworben; 2 000 Referendare - 340 aus Brandenburg, 1 400 aus anderen Bundesländern - haben sich hier beworben. Wenn wir ihnen bis zum Schuljahresbeginn nicht die Chance geben, dann sind die weg. Wir haben also gar nicht die Chance, hier noch Ausschussberatungen abzuwarten. Wir müssen sofort handeln, und deswegen hat sich die Koalition entschieden, das auch zu tun. Es ist vielleicht der Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist der notwendige Tropfen auf den heißen Stein, und ich bin froh, dass wir diesen Kraftakt gemeinsam hinbekommen haben. Danke schön.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE, SPD sowie GRÜNE/B90)

Der Abgeordnete Büttner spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nicht mehr viel zu sagen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Bei 14 Reden ist das okay!)

- Es ist mir klar, dass sich dann alle freuen. Ich sage auch nicht mehr viel, denn das, was die Kollegin von Halem und der Kollege Hoffmann hier gesagt haben, teile ich inhaltlich völlig.

Aber, Frau Große, die Pirouetten, die Sie hier gerade gedreht haben, machen mich ganz schwindlig.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall FDP, CDU sowie GRÜNE/B90)

Das war schon eigenartig. Sie müssen mir zu einem späteren Zeitpunkt einmal erklären, welches inhaltliche Problem Sie mit

dem Antrag haben, außer dass er überwiesen werden soll. Ich kann jetzt nicht für die Grünen sprechen, aber ich hätte nichts dagegen, über ihn sofort abzustimmen,

(Beifall FDP sowie vereinzelt Beifall CDU und GRÜNE/B90)

und wenn Sie dem dann zustimmen - falls das das Angebot war -, bitte! Dann können wir das machen.

Mal ganz ehrlich: Gestern gab es diese Eilmeldung: Das Land Brandenburg stellt 100 Lehrer mehr als ursprünglich geplant ein. - Das ist eine Taktik, die durchaus eigenartig ist.

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE])