Protocol of the Session on June 23, 2011

Genau hier müssen wir ansetzen. Wir benötigen in Brandenburg eine standardisierte Arbeit mit Straffälligen und eine Vernetzung von Vollzugs- und Nachsorgeeinrichtungen, um die Rückfallquote von Straftätern effektiv zu senken. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einer wegweisenden Entscheidung zum Jugendstrafvollzug eine verzahnte Entlassungsvorbereitung angemahnt. Es darf nicht sein, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut.

Notwendig ist aber auch ein gutes Angebot an Therapiemaßnahmen und Berufsqualifizierung in den Vollzugsanstalten selbst. Die SOFA in Brandenburg ist dafür ein gutes Beispiel. Doch durch die Personalsituation und die von der Landesregierung beschlossenen Stellenkürzungen genügt der Brandenburger Strafvollzug nicht mehr den Ansprüchen einer modernen und effektiven Resozialisierung. Der Krankenstand bei den Vollzugsbediensteten ist enorm hoch. Sie haben Stellen für Ärzte, Sozialarbeiter und Psychologen gestrichen, sodass sich in fast allen Anstalten Probleme in der Dienstgestaltung ergeben. Man kann nicht einen modernen, an den Zielen der Resozialisierung orientierenden Strafvollzug propagieren, aber weder eine Vollzugsplanung noch genügend Personal hierfür zur Verfügung stellen. Deshalb müssen Sie an dieser Stelle erst einmal Ihre Hausaufgaben machen.

Ferner benötigen wir, was man heute - Neudeutsch - „case management“ nennt, also das Kümmern um den Einzelfall und eine Behandlung, die auf den einzelnen Gefangenen abgestimmt ist. In Belgien haben beispielsweise die Kommunen mit sogenannten Job-coaches sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir brauchen eigentlich gar nicht so weit zu gucken. Wir können uns an Hamburg oder Mecklenburg-Vorpommern orientieren. Hier gibt es gute Resozialisierungskonzepte. In MecklenburgVorpommern beispielsweise wird seit dem Jahr 2007 das Konzept der integralen Straffälligenarbeit umgesetzt. Hier wurden die Aufgaben der Führungsaufsicht, der sozialen Dienste und der forensischen Ambulanzen zu einer Organisationseinheit zusammengefasst. Dadurch wurden Informationsverluste verringert und die Kontrolldichte erhöht. Dieses Konzept von der dortigen CDU-Justizministerin wurde übrigens auch von Bran

denburgs Generalstaatsanwalt Dr. Erardo Rautenberg als beispielgebend gelobt.

Lassen Sie uns gemeinsam ein neues, modernes und wegweisendes Resozialisierungskonzept in Brandenburg als Bestandteil eines neuen Strafvollzugs erarbeiten, um die Rückfallquoten von Strafgefangenen zu reduzieren und damit die Sicherheit im Lande zu erhöhen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Eichelbaum. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Frau Abgeordnete Mächtig wird sprechen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Protokoll der Sitzung des Rechtsausschusses vom 13.01.2011 finden wir folgende Notiz:

„Zu Punkt 4.4 Arbeitsgruppe zum Resozialisierungsgesetz - :

Abgeordnete Niels (GRÜNE/B90) fragt hinsichtlich der bestehenden Arbeitsgruppe zum Resozialisierungsgesetz nach, wann diese erste Ergebnisse vorlegen werde. Minister Dr. Schöneburg teilt mit, dass ihm die Ergebnisse noch nicht vorgelegt worden seien. Bisher habe er einen Zwischenbericht erhalten. Mit konkreteren Ergebnissen rechne er im Sommer dieses Jahres. Derzeit bestünden Überlegungen, einige Regelungen in das geplante Strafvollzugsgesetz aufzunehmen. Zu diesem solle der erste Entwurf der Länderarbeitsgruppe, in der zehn Länder miteinander arbeiten, im Sommer vorliegen. In das Strafvollzugsgesetz würden eventuell Regelungen des Übergangsmanagements aufgenommen. Diese konzeptionellen Überlegungen würden dann mit der Arbeitsgruppe zum Resozialisierungsgesetz diskutiert werden. Aus diesem Grunde erwarte er konkrete Arbeitsergebnisse erst im Sommer 2011. Sobald diese vorliegen, könnten sie im Rechtsausschuss vorgestellt und diskutiert werden. “

Kollegin Niels, Kollegin Teuteberg, Kollege Eichelbaum: Haben Sie Ihre Fraktionsvorsitzenden nicht über diese Aussage informiert? Oder ist Ihnen möglicherweise entgangen, dass der Sommer justamente vorgestern begonnen hat und - falls es Ihnen entgangen sein sollte - erst am 21. September endet? Bis dahin haben wir mindestens noch zwei Sitzungen trotz Sommerpause.

Was also soll Ihr Antrag? Ich habe jetzt erkannt: Sie signalisieren als Opposition unserem Minister und der Koalition: Sie haben sich gut auf die Diskussion im Rechtsausschuss vorbereitet. Sie sind mittlerweile mit dem Thema vertraut, und wir können auf eine qualifizierte Diskussion hoffen. Das freut mich sehr. Dafür hat sich dieser Tagesordnungspunkt heute gelohnt.

Ich bin ganz sicher, dass Sie selbstverständlich unseren Koalitionsvertrag kennen und wissen, dass diese Aufgabe Bestandteil dieses Vertrages ist. Sie können sicher sein, dass wir ihn erfüllen werden.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Sobald wir Ergebnisse haben - das sagte der Minister -, werden wir sie diskutieren. Ihre Ungeduld verstehe ich. Ich habe einmal in einem Protokoll nachgeschaut, als die Linke noch in der Opposition war. Da ging es uns ähnlich. Wir waren immer etwas ungeduldig, was die Arbeit der Regierung anging. Mittlerweile lerne ich, dass Qualität vorgeht, bevor man der Opposition Schnellschüsse anbietet.

(Senftleben [CDU]: Inklusion!)

Eines möchte ich Ihnen noch sagen. Da haben Sie zugestimmt, hochgeschätzte Kollegen: Wir haben in Vorbereitung auf dieses Resozialisierungsgesetz und in der Diskussion gemeinsam eine Bildungsreise im September verabredet. Vielleicht sollten wir diese Reise gemeinsam auswerten und uns in bewährter Weise gemeinsam dazu verständigen. Ich habe gesehen, Sie haben sich vorbereitet. Ich bin sicher, wir werden es in Qualität tun und dann gemeinsam.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mächtig. - Wir setzen mit dem Beitrag der FDP- Fraktion fort. Herr Abgeordneter Büttner, Sie haben das Wort.

Ich stelle mir hier vorn irgendwann einen Stuhl hin.

(Zuruf: Einen Barhocker!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Resozialisierung steht nicht erst seit der Debatte um die Reform der Sicherungsverwahrung auf der Tagesordnung. Für den Strafvollzug gilt der Grundsatz, dass der entlassene Strafgefangene nach Maßgabe der Gesetze einen Anspruch auf Hilfe zu seiner Wiedereingliederung hat. So beschreibt es wörtlich Artikel 54 Abs. 2 Brandenburgische Landesverfassung.

Welche Maßnahmen notwendig sind, um diese Hilfe zur Wiedereingliederung wirklich sicherzustellen, darum geht es in unserem heutigen gemeinsamen Antrag mit CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir sind der Auffassung, dass das geplante Strafvollzugsgesetz eine optimale Resozialisierung gewährleisten muss. Es muss eine spezielle psychologische und therapeutische Begleitung geben, um Straftäter auf ihre Freilassung vorzubereiten und es ihnen damit zu ermöglichen, sich in die Gesellschaft wiedereinzugliedern.

Solche Maßnahmen muss es nicht nur für die besonders Rückfallgefährdeten geben, sondern dies sollte Handlungsmaxime für den Strafvollzug insgesamt sein. Es geht eben nicht um die reine Verwahrung von Strafgefangenen, sondern im gesamtgesellschaftlichen Interesse und zum Schutz der Allgemeinheit um die Chance auf einen Start in ein ehrliches Leben.

Das gemeinsam mit den Fraktionen der CDU und GRÜNE/B90 geführte Fachgespräch zu diesem Thema vom September 2010 hat uns in dieser Auffassung noch einmal bestärkt: Prävention ist der beste Opferschutz.

(Beifall FDP, CDU sowie GRÜNE/B90)

Denn eine qualitativ gute Resozialisierung führt zur Senkung der Rückfallquote bei den Gefangenen. Wir haben uns im vorliegenden Antrag deshalb darauf konzentriert, durch geeignete Grundsätze und Maßnahmen die bestehenden Lücken im Strafvollzug zu schließen.

Zentraler Punkt ist die bessere Vernetzung derjenigen, die während der Haft für die Gefangenen zuständig sind, mit denjenigen, die sich nach der Haftentlassung um sie kümmern und deren Ansprechpartner sind. Hier entstehen beim Übergang von der Haft in die Freiheit immer noch zu große Reibungsverluste durch eine fehlende oder unzureichende Abstimmung zwischen den Justizvollzugsanstalten und den sozialen Diensten. Dabei ist es gerade die Zeit unmittelbar nach der Haftentlassung, die für die ehemaligen Strafgefangenen als Hochrisikozeitraum gilt. Es ist genau diese Übergangsphase, in der möglicherweise neue Straftaten begangen werden.

Oft hat ein Haftentlassener mehrere Baustellen in seinem Lebenslauf. Es gilt, eine Wohnung und eine Arbeit zu finden sowie das familiäre und soziale Umfeld wieder aufzubauen und sich im täglichen Leben neue Strukturen zu schaffen. Eine möglichst nahtund reibungslose Verständigung und Zusammenarbeit aller, die für die Haftentlassung zuständig sind, ist hier dringend geboten, um diesen Prozess zu begleiten und so die Rückfallquote zu senken.

Wichtig ist uns dabei auch, dass der Datenschutz beachtet und die Einwilligung der Betroffenen in entsprechende Maßnahmen frühzeitig eingeholt wird. Ziel unseres Antrags ist es, genau dort mit konkreten Maßnahmen anzusetzen, wo dieser Teufelskreis aus Straffälligkeit, Haftverbüßung und Strafrückfälligkeit durchbrochen werden kann. Ein Weg aus dieser Sackgasse beginnt nicht erst mit Maßnahmen nach der Haftentlassung, sondern bereits während der Haft. Geeignete therapeutische Maßnahmen müssen Bestandteil des Strafvollzugs sein. In Zukunft ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne Straftaten zu führen - das ist das Ziel des Strafvollzugs.

(Beifall FDP, CDU sowie GRÜNE/B90)

Dies dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor neuen Straftaten.

Unter das Stichwort „bessere und strukturierte Kooperationen“ fällt auch unsere Forderung, alle Maßnahmen der stationären und ambulanten Resozialisierung im Ministerium der Justiz zu konzentrieren. Das Ministerium hat bereits die Fach- und Dienstaufsicht für die sozialen Dienste und Justizanstalten. Insofern sollten auch die Resozialisierungsmaßnahmen hier gebündelt werden, um Informationsverluste zu vermeiden und die Aufgaben zu koordinieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem die Diskussion um die Sicherungsverwahrung hat uns den Handlungsbedarf noch einmal deutlich aufgezeigt, im Bereich der Resozialisierung tätig zu werden. Die große inhaltliche Übereinstimmung, die es zum Thema Resozialisierung gibt, darf deswegen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir ein eigenes Strafvollzugsgesetz in klar absehbarer Zeit dringend brauchen. Insofern will ich zum Schluss meines Beitrags unsere Forderung an die Landesregierung, ein solches Gesetz bis zum Ende des Jahres vorzulegen, hier nochmals unterstreichen. - Ich danke Ihnen sehr herzlich.

(Beifall FDP, CDU sowie GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Die Aussprache wird mit dem Beitrag der Landesregierung fortgesetzt. - Herr Minister Dr. Schöneburg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Eichelbaum, es verwundert mich ein wenig, dass Sie heute danach fragen, warum wir das Resozialisierungsgesetz nach 1,5 Jahren noch nicht vorgelegt haben; denn gestern vertraten Sie die Auffassung, dass das Richtergesetz in einem HauruckVerfahren - 1,5 Jahre - verabschiedet wurde. Insofern müssen Sie sich mal entscheiden.

(Eichelbaum [CDU]: Das Richtergesetz war schon vorbe- reitet gewesen!)

- Klar, das haben wir gestern gehört, welche Qualität die Schwarzfassung hatte.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Nichtsdestotrotz freue ich mich über den eingebrachten Antrag in zweierlei Hinsicht. Erstens finde ich es gut, dass dieses Hohe Haus fraktionsübergreifend dem Strafvollzug solche Aufmerksamkeit widmet. Ich hoffe, wir werden bei den Haushaltsdebatten im nächsten Jahr - wenn die Projekte entscheidungsreif sind und entschieden wurden - auch die entsprechende Unterstützung des Hohen Hauses bekommen.

Zweitens finde ich das, was in diesem Antrag steht - insbesondere in der Weise, wie es Frau Niels hier begründet hat -, gut. Bei Herrn Eichelbaum mache ich einige Abstriche, weil der Warnschussarrest in der Wissenschaft der Kritik ausgesetzt ist und als unsinniges Instrumentarium der Kriminalpolitik stigmatisiert wird.

(Zuruf des Abgeordneten Eichelbaum [CDU] - Beifall DIE LINKE)

Ansonsten ist dieser Antrag letztlich eine Zustimmung in die Richtung, die auch ich mit der Kriminalpolitik einschlage und die in meinem Haus vertreten wird.

Manko dieses Antrags ist jedoch: Er kommt zu spät, weil wir seit 2009 genau auf dieser Linie arbeiten. Dies will ich kurz begründen: Seit Herbst 2009 arbeiten wir in einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe - nicht mehr mit zwölf Ländern, sondern mit zehn, die aber auch ausreichen - an einem Musterentwurf eines Landesstrafvollzugsgesetzes. Frau Mächtig hat völlig Recht, wenn sie sagt: Diese Arbeiten werden - insofern ist der Zeitrahmen klar - im Sommer dieses Jahres abgeschlossen sein.

Wenn der Musterentwurf in diesem Zeitraum vorgelegt sein wird, muss man schauen - Herr Büttner, es freut mich wirklich, dass Sie als Fraktionsvorsitzender sich dieses Themas annehmen -, wo man über diesen Musterentwurf möglicherweise hinaus gehend noch Brandenburger Regelungen installiert. Im Jahr 2012 werden wir dann natürlich dieses Gesetz im Parlament beraten und verabschieden. Das ist ein realistischer Zeitrahmen für eine seriöse Arbeit.

Dieses Gesetz wird natürlich an das Strafvollzugsgesetz aus dem Jahr 1977 hinsichtlich der Resozialisierungsintention anknüpfen, aber auch darüber hinausgehen, und zwar in vier Punkten, die ich kurz skizzieren möchte.

Punkt 1: In diesem Gesetz wird geregelt werden, dass wir eine qualifiziertere Diagnose der Behandlungsdefizite von Straftätern installieren.

Punkt 2: Wir wollen eine gezieltere Vollzugsplanung haben.

Punkt 3: Wir wollen natürlich Behandlung intensivieren und bessere bzw. standardisierte Behandlungsangebote einbringen.

Punkt 4 - das ist die Garantie dafür, dass diese Angebote tatsächlich installiert werden -: Wir werden die Angebote in bestimmten Zeiträumen auf ihre Wirksamkeit hin prüfen, sodass nachvollzogen werden kann, ob diese Behandlungsangebote dem wissenschaftlichen Standard entsprechen.