Wir lassen uns vom Grundsatz des Vertrauens in die Kraft der kommunalen Selbstverwaltung leiten. Wenn jetzt schon wieder darüber geredet wird, wie lang denn eine Freiwilligkeitsphase für die nächste Gemeindegebietsreform sein soll und wann die gesetzliche Phase des zwangsweisen Zusammenschlusses beginnen soll, halten wir das für völlig verfehlt. Wir gehen davon aus, dass die Organe der kommunalen Selbstverwaltung ihre Verantwortung wahrnehmen und sich auf die Herausforderungen des demografischen Wandels und die Zuspitzung der finanziellen Situation einstellen. Sie müssen darin bestärkt und unterstützt werden, Ihrer Eigenverantwortung gerecht zu werden. Dafür hat das Land die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sichern. Die Enquetekommission soll Voraussetzungen für künftige Strukturen, Aufgabenverteilungen und Arbeitsweisen von Verwaltungen im Land Brandenburg schaffen.
Wir gehen in eine ergebnisoffene Diskussion - da gebe ich Ihnen völlig Recht, Herr Petke -, denn als Erstes müssen die Resultate der bisherigen Kommunalreformen, also der Ämterreform 1992, der Kreisgebietsreform 1993 und der Gemeindegebietsreform 2003, analysiert werden. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die gegenwärtigen Kommunalstrukturen auf der Höhe der Zeit sind und worin Entwicklungshindernisse liegen. Das gilt vor allem für die Erschließung der Potenziale der interkommunalen Zusammenarbeit. Die Koalition hat sich auf die Fahnen geschrieben, interkommunale Kooperation zu fördern; denn wenn Aufgaben gemeinsam wahrgenommen und Kräfte gebündelt werden, gestalten sich auch die Voraussetzungen für die Verlagerung von Aufgaben vom Land auf die Kommunen, also für die noch immer ausstehende Funktionalreform, günstiger. Deshalb gibt es Einigkeit zwischen den antragstellenden Fraktionen, dass nicht nur kommunale Verwaltung, sondern auch Landesverwaltung betrachtet werden muss, um zu tragfähigen Schlussfolgerungen und Empfehlungen zu kommen. Das schließt ein, dass es auch künftig Zusammenschlüsse auf kommunaler Ebene geben wird. Unser Anspruch besteht aber darin, das Prinzip der Freiwilligkeit zu wahren und nicht an bisherige Vorgehensweisen anzuknüpfen, nach denen die kommunalen Strukturen von der Landesebene bestimmt werden. Ich hoffe, dass wir über dieses Thema sehr produktiv in dieser Enquetekommission diskutieren werden. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Scharfenberg. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Der Abgeordnete Büttner hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem heutigen Einsetzungsbeschluss für eine Enquetekommission „Kommunal- und Landesverwaltung - bürgernah, effektiv und zukunftsfest - Brandenburg 2020“ reagiert die Landespolitik auf die Herausforderungen des demografischen Wandels und die Notwendigkeit einer Anpassung der Strukturen und Aufgaben in unserem Land.
Ich möchte an der Stelle den innenpolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen ausdrücklich dafür danken, dass es trotz aller Unterschiede, die es eben noch gibt und die Herr Dr. Scharfenberg gerade noch einmal angeführt hat, gelungen ist, ein fraktionsübergreifendes Papier zu erarbeiten.
Die FDP-Fraktion hat vor Erarbeitung dieses Einsetzungsbeschlusses ihre Position dazu ausdrücklich formuliert, die die Voraussetzung dafür ist, dass wir als Liberale diesen Einsetzungsbeschluss mittragen. Ich möchte deshalb die Gelegenheit hier nutzen, diese vier Punkte noch einmal aufzuzählen.
Erstens haben wir gesagt, dass wir eine umfassende Evaluation der Gemeindegebietsreform 2003 und natürlich auch der Ämterreform von 1992 und der Kreisgebietsreform von 1993 benötigen. Die bisherigen Auswertungen zur Gemeindegebietsreform 2003 sind dabei unzureichend, da sie die zentralen Fragen nicht beantworten, zum Beispiel, was eigentlich für die Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen durch die Gemeindegebietsreform besser geworden ist. Ganz offensichtlich hat diese Reform auch nicht lange gehalten.
Es wäre nett, wenn Sie ein bisschen leiser wären. Ein Gespräch über die Sitze hinweg ist doch ein bisschen unangenehm.
Im Lichte der damaligen Auseinandersetzungen, die im gesamten Land stattgefunden haben, ist es auch notwendig, in der Enquetekommission darauf zu achten, dass die Belange der kommunalen Ebene ausreichend und mitentscheidend berücksichtigt werden.
Der zweite für uns ausdrücklich notwendige Punkt ist die Frage einer echten Funktionalreform in Brandenburg. Wir Liberale setzen uns dafür ein, dass das Subsidiaritätsprinzip unter Wahrung des Konnexitätsprinzips stringent durchgesetzt wird. Wir werden die Frage zu klären haben, welche Aufgaben auf welcher Ebene erledigt werden können und welche Aufgaben notwendigerweise nur auf kreislicher und auf Landesebene gemacht werden müssen. Dabei muss es immer darum gehen, dass die Aufgaben dort erledigt werden, wo es auch möglich ist. Wir müssen dabei also zu einer deutlichen Stärkung der kommunalen Ebene kommen.
Herr Kollege Schippel, Sie haben völlig zu Recht die Bürgernähe angesprochen, die dabei gewahrt werden muss. Ich will
einen anderen Punkt dazu anführen: Ich halte es auch aus demokratiepolitischen Gründen für absolut geboten, dass wir mehr Entscheidungen auf die kommunale Ebene geben; denn dort, wo mehr Entscheidungen gefällt werden können, werden sich die Menschen auch mehr für ihre Stadtverordnetenversammlung und für ihre Gemeindevertretung interessieren und vielleicht auch ein bisschen mehr Lust und Interesse bekommen, selbst mitzuentscheiden. Dabei ist es unabdingbar, die Personalbedarfsplanungen aller Ebenen zu berücksichtigen; denn es geht natürlich darum, wie wir im Personaltableau Änderungen hinbekommen, die dieses Land zukunftsfest machen.
Der dritte für uns unabdingbar notwendige Punkt ist die Frage der Finanzbeziehungen zwischen Städten, Gemeinden, Landkreisen und dem Land. Das bedeutet natürlich, dass auch das Finanzausgleichsgesetz erneut in der Diskussion stehen wird, da zum Beispiel der Vorwegabzug in Höhe von 50 Millionen Euro und die Frage eines soziokulturellen Faktors in die Verhandlungen eingeführt werden müssen. Dabei ist für meine Fraktion auch klar - ich habe das schon erwähnt -, dass das verfassungsrechtlich verankerte Konnexitätsprinzip weiterhin gelten muss.
Zum Schluss, wenn wir diese Diskussionen geführt haben, werden wir uns der Neuordnung der Strukturen zuwenden müssen. Aus meiner Sicht verbietet es sich aber, diese Frage vor den anderen Punkten zu diskutieren, da zunächst die Fragen der Funktionalreform zu klären sind und dann die Funktionen der Gebiete angepasst werden müssen.
Mit Sicherheit werden wir zuvor darüber sprechen müssen, welche Bevölkerungszahlen oder welche Größen insgesamt für alle der Maßstab sein werden. Im Lichte der Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt und vor allem des gescheiterten ersten Anlaufs der Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern muss jedoch vorher klar sein, dass die Neuregelung der Gebiete verfassungskonform ist. Der für uns entscheidende Punkt dabei ist, dass die kommunalen Vertreter und insbesondere die Menschen in Brandenburg mit auf diesen Weg genommen werden und wir nicht versuchen, über die Köpfe der Menschen hinweg zu entscheiden.
Wir sollten alle Versuche unternehmen, um juristische Auseinandersetzungen wie 2003 zu verhindern. Ich bin deshalb froh darüber, dass auch der Städte- und Gemeindebund und auch der Landkreistag in der Enquetekommission vertreten sein werden. Deshalb hat auch die FDP-Fraktion gesagt, Herr Dr. Scharfenberg, dass der zu benennende Experte für die FDP durchaus der Städte- und Gemeindebund sein könne.
Da Sie keine Motivforschung machen wollen, warum vier Fraktionen in diesem Haus eine 14er-Regelung wollen, mache ich keine Motivforschung mehr dazu, warum Sie 20 haben wollen.
Nicht ausschließen will ich, dass es im Verlauf der Diskussionen notwendig sein kann, bestehende gesetzliche Grundlagen, die in Zusammenhang mit den Ergebnissen der Enquetekommission stehen, die aber das Gesamtergebnis nicht beeinflussen, bereits zuvor im gesetzgeberischen Verfahren zu klären. Diese Option sollten wir uns offenhalten.
Meine Damen und Herren, wir Liberale können den Antrag mit gutem Gewissen mittragen; denn die Punkte, die ich eben aufgezählt habe, sind alle enthalten. Uns allen hier im Haus ist völlig bewusst, dass wir einen Weg gehen, der schwer wird und
der vor allem viel Kommunikation mit und viel Information für die Betroffenen beinhaltet. Ich bin froh, dass wir diesen Weg nun gemeinsam gehen wollen, und ich habe die Hoffnung, dass am Ende der Diskussion mehr Verbindendes als Trennendes stehen wird. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Frau Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.
„Wir können den Anforderungen von heute nicht mit den Argumenten von gestern begegnen, um die Herausforderungen von morgen zu beherrschen.“
Dieses Zitat - Sie erinnern sich vielleicht - entstammt dem Konzept der Landesregierung zur Zukunft des Brand- und Katastrophenschutzes in Brandenburg. Es könnte als Motto aber auch für die neue Enquetekommission stehen. Ausgehend von den bekannten gravierenden Auswirkungen des demografischen Wandels in Verbindung mit der Notwendigkeit, unser strukturelles Haushaltsdefizit zurückzuführen, darf die Suche nach Lösungsansätzen nicht weiter verzögert werden. Wir Grünen haben die seit letztem Herbst verstärkt geführt Debatte nie als eine verkürzte Gebietsreform mit dem Verschieben von einigen Kreisgrenzen führen wollen.
Ämter - ja oder nein -, Einkreisung von kreisfreien Städten, Fusion von Kreisen, Bildung von Regionalkreisen - diese Diskussion springt von vornherein zu kurz. Sie behindert die Suche nach nachhaltigen Lösungen und aktiviert Blockaden, ehe der freie Fluss der Gedanken und der Wettbewerb um die besten Ideen überhaupt eingesetzt hat. Weder Kleinteiligkeit noch Großräumigkeit sind abstrakte Werte an sich, wenn sie nicht mit politischer und finanzieller Handlungsfähigkeit, guter Aufgabenwahrnehmung und lebendiger demokratischer Mitwirkung verbunden sind. Nein, Zukunfts- und Demokratiefestigkeit erfordert mehr als eine kommunale Gebietsreform, in der die Grenzen neu gezogen werden. Sämtliche staatliche Verwaltungsstrukturen Brandenburgs müssen auf den Prüfstand gestellt, die Aufgaben zwischen Gemeinde-, Kreis- und Landesebene müssen sinnvoll neu verteilt werden.
Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Tag machen wir einen wichtigen Schritt, diese Fragen im Zusammenhang zu diskutieren. Wir Grünen erwarten von der Enquetekommission eine ganze Menge: Sachverstand und Visionen, Offenheit und Mut zu unkonventionellen Lösungen, engagierte Auseinandersetzungen und auch die Bereitschaft zum Kompromiss. Vor allem aber erwarten wir Ergebnisse. Die zu behandelnden Fragen werden schon heute überall im Land thematisiert und zum Teil kontrovers diskutiert: in der Staatskanzlei, in den Ministerien, in Rathäusern und Landratsämtern, aber auch in Verbänden, Parteien und Vereinen. Die Ergebnisse der Enquetekommission werden uns hoffentlich in die Lage versetzen, in den nächsten Jahren gute Entscheidungen zu treffen, die länger als eine Wahl
periode halten, das Verhältnis von Land, Landkreisen, Städten und Gemeinden auf eine neue, belastbare Grundlage stellen und auch Impulse für mehr lokale Demokratie geben.
Demokratie wächst von unten. - Diese Aussage müssen wir mit Leben füllen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen mehr mitentscheiden und gerade auf dem Land, in den nicht mehr selbstständigen Dörfern auch mehr Verantwortung übernehmen. Dafür brauchen wir neue, zusätzliche Mitwirkungsmöglichkeiten. Nur da, wo sich Bürger engagieren und mit dem Gemeinwesen identifizieren, kann der Exodus gestoppt und neuen Entwicklungen Raum gegeben werden.
Außerdem sagen wir: Das Thema Länderfusion darf nicht weiter tabuisiert werden. Jedes Gutachten weist auf die großen Chancen einer Fusion mit Berlin hin. Es entwickeln sich nicht zwei Bundesländer, sondern es entwickelt sich ein Metropolenraum.
An dieser dynamischen Entwicklung muss auch die Peripherie beteiligt werden. Es geht bei der Enquetekommission nicht hauptsächlich um dieses Thema, aber es darf beim Blick nach innen auch nicht der Blick nach übergeordneten Strukturen verlorengehen.
Die gute Zusammenarbeit aller fünf Fraktionen bei der Erarbeitung des Einsetzungsbeschlusses möchte auch ich ausdrücklich loben. Dies macht Mut für die weitere Arbeit der Kommission und könnte stilbildend für die Arbeit in diesem Parlament werden. Dem vorliegenden Einsetzungsbeschluss stimmen wir mit Freuden zu.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Da die Landesregierung Verzicht angekündigt hat, sind wir nunmehr am Ende der Aussprache angelangt.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich Gäste aus Bernau begrüßen; sie kommen von der Bildungseinrichtung Tanmed. Herzlich willkommen!
Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir über den Antrag in der Drucksache 5/2952, eingebracht von allen Fraktionen, Einsetzung der Enquetekommission, ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden - ein seltener Erfolg.
Zum Zweiten steht der Antrag mit Wahlvorschlag in der Drucksache 5/2953, eingebracht von der Fraktion DIE LINKE, Wahl des Vorsitzenden der Enquetekommission, zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Abgeordnete Ludwig als Vorsitzender einstimmig gewählt worden.
Drittens geht es um den Antrag mit Wahlvorschlag in der Drucksache 5/2954, Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden der Enquetekommission, eingereicht von der CDU-Fraktion. Wer dem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung ist dem Antrag einstimmig entsprochen und der Abgeordnete Petke zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden.