Protocol of the Session on January 20, 2011

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir kommen zum Beitrag der Landesregierung. Es spricht Frau Ministerin Tack.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dioxinvergiftung, Dioxinskandal heute zum Thema der Aktuellen Stunde zu machen war eine kluge Entscheidung. Ich bin froh, dass die FDP ihr Vorschlagsrecht für dieses Thema genutzt hat. Denn so haben wir die Chance, am Vorabend der Grünen Woche hier deutlich zu machen, dass es der Landesregierung, dass es uns ernst ist mit der Lebensmittelsicherheit in Brandenburg und dass wir auch in Zukunft eine gute Lebensmittelqualität haben wollen.

Dennoch habe ich, Herr Beyer, ein wenig geschmunzelt, dass ausgerechnet die FDP im Vorfeld der Aktuellen Stunde mehr Kontrollen, mehr Personal, mehr staatliche Aktivitäten gefordert hat. Da kann ich nur fragen: Wie passt das mit einer Partei, die eine Steuersenkungspartei ist, also dem Staat weniger Steuergelder zur Verfügung stellen will, zusammen?

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Aber das werden Sie uns noch einmal erklären, denn es passt eigentlich nicht zusammen. Aber immerhin freue ich mich, dass Sie so initiativ geworden sind. Dadurch kann ich heute noch einmal auf die aktuelle Situation in Brandenburg und auf unsere Verbraucherschutz- und Agrarministerkonferenz vom Dienstag eingehen, zu der wir Frau Aigner eingeladen hatten - nicht umgekehrt. Das war etwas missverständlich. Frau Aigner musste ja auch ein bisschen handeln, denn wir hatten sehr kritisiert, dass sie in der vergangenen Woche eher zur Jagd getragen werden musste. Deshalb kam es ihr sehr zupass, dass die SPD-geführten Länder einen 10-Punkte-Plan vorgeschlagen haben. Diesen hat sie dann zu ihrem gemacht, was gut war.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir haben dann gemeinsam mit ihr und den CDU-Kollegen aus diesem 10-Punkte-Plan einen 14-Punkte-Plan gemacht. Das ist ein guter Kompromiss, auch wenn die Kollegin Niels sagt, man müsse viel mehr machen. Das muss man zwar immer machen, aber es ging hier um eine Kompromissfindung.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal deutlich sagen: Es war ein Skandal, und wir können uns in Brandenburg glücklich schätzen, dass wir gut herausgekommen sind und nicht in der Größenordnung getroffen waren wie zum Beispiel Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Es waren 3 000 t dioxinbelastetes Futtermittel hergestellt und in Umlauf gebracht worden. Dieses ist an 25 Futtermittelhersteller in vier Bundesländer weitergeliefert worden, und es sind zeitweise bundesweit 4 700 Betriebe gesperrt gewesen. Es sind immer noch über 900 Betriebe gesperrt, weil die Risikobewertung und der Dioxinnachweis noch fehlen. Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen zu sagen, dass im Freistaat Bayern 240 000 Eier sichergestellt wurden, bei denen sich der Dioxinverdacht bestätigt hat. Dort ist der Dioxingehalt dreimal höher als zulässig.

(Petke [CDU]: Das können Sie in Bayern erzählen, Frau Tack!)

Das sind schon Auswirkungen, von denen wir erfreulicherweise nicht betroffen sind. Es gibt ja oft zwischen den Ländern Handel, Herr Petke, aber das ist Ihnen vielleicht noch nicht so geläufig.

(Petke [CDU]: Viel Spaß!)

Zur Situation in Brandenburg: Es gab acht betroffene Betriebe, davon waren drei nicht Produktionsbetriebe, sondern Vermittlerbüros, die Tiertransporte organisiert haben. Sie sind beobachtet worden, und diese Beobachtung ist aufgehoben worden. Es gab drei Betriebe, von denen inzwischen Kontrollergebnisse vorliegen. Die Werte liegen unter der Höchstgrenze, und wir konnten Entwarnung geben. Zwei Betriebe in Ostprignitz-Ruppin

sind - anders, als heute in der Zeitung zu lesen ist - noch unter Beobachtung bzw. unter Sperrung. Das ist auch deutlich gesagt worden.

Die betroffenen Betriebe - um Futterströme und Verteilströme noch einmal nachvollziehen zu können - haben ihr Futter aus Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen bezogen. Diese Mitteilung ist für Herrn Petke bestimmt, damit er weiß, wie Futterströme im Land funktionieren. Brandenburg wurde von diesen Firmen nicht beliefert, und das war für uns ein Glücksfall.

Das Landeslabor ist im Vorfeld von Herrn Wichmann schon sehr kritisiert worden. Dabei war folgender Hinweis sehr richtig: Wer heute beklagt, dass zu wenig Personal vorhanden ist, den will ich daran erinnern, dass er sich hätte bei Ihrer Fraktionsvorsitzenden, bei Herrn Dombrowski, bei Frau Blechinger, ja überall sachkundig machen können.

(Beifall DIE LINKE)

In der vergangenen Legislaturperiode ist in Ihrer Regierungsverantwortung der Staatsvertrag zur Bildung des gemeinsamen Landeslabors geschlossen worden.

(Petke [CDU]: Sie sind seit einem Jahr im Amt, das zieht nicht mehr!)

- Das zieht schon, weil der Staatsvertrag gilt. Er wird umgesetzt, und wir werden ihn gut umsetzen. Da können Sie noch eine Weile herummosern, es ist aber so.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Deshalb möchte ich hier noch einmal deutlich sagen: Mit der Bildung des gemeinsamen Landeslabors haben wir, glaube ich, eine gute Entscheidung getroffen. Es ist ein hochqualifiziertes, gut ausgestattetes Labor. Sie wissen, dass auch wir an dem Laborverbund der norddeutschen Kooperation teilhaben und dass auch andere Länder bei uns Prüfungen vornehmen lassen, wie Thüringen, Schleswig-Holstein und andere. Die Analysen sind schnell und kompetent durchgeführt worden. Wir wissen, dass eine Dioxinanalyse fünf Tage Zeit braucht. Da können Sie über Beschleunigung reden, wie Sie wollen.

(Wichmann [CDU]: Mit Handarbeit, ja klar!)

- Sie waren dort und haben es sich angeschaut. Es ist hochmodern, das werden Sie bestätigen. Herr Wichmann, ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie auf dem Weg von Ihrer ersten Presseerklärung bis heute immerhin einen kleinen Lernprozess durchgemacht haben: dass man sich erst sachkundig machen muss und danach Sachen öffentlich macht, die dann Hand und Fuß haben. Ich bin schon der Meinung, dass wir hier keine Panikmache betreiben sollten und dass Sie sich weiter qualifizieren werden; wir werden im Ausschuss dazu beitragen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es ist schon gefährlich, wenn man im Zusammenhang mit Lebensmittelqualität falsche Behauptungen und Unterstellungen in die Öffentlichkeit bringt. Wir werden uns in der Ausschusssitzung am 26. Januar sehr wohl auch in Beantwortung Ihrer Fragen damit auseinandersetzen. Wenn ich

Zeit habe, werde ich auch heute noch auf das eine oder andere eingehen.

Wenn wir Konsequenzen aus dem Dioxinskandal ziehen, muss ich erstens feststellen: Ausgangspunkt des Skandals waren kriminelle Handlungen. Mittlerweile ist die Staatsanwaltschaft aktiv. Es ist vorsätzlich so gehandelt worden, und das hat uns diesen Schaden eingebracht. Hier hat ein Unternehmen zulasten der Gesundheit der Bevölkerung agiert, und das kann man nur verurteilen. Für uns gilt das Verursacherprinzip. Leidtragende sind Verbraucherinnen und Verbraucher - es ist Vertrauensverlust eingetreten - sowie landwirtschaftliche Betriebe, wobei noch nicht feststeht, wie deren Verluste ausgeglichen werden.

Zweitens kann ich feststellen, dass das Futtermittelkontrollsystem funktioniert, Herr Wichmann. Wenn aber ein Unternehmer das ist hier beschrieben worden - Eigenkontrollergebnisse, wie im März vergangenen Jahres geschehen, nicht an die Behörde weitermeldet, dann ist das zu kritisieren, denn das darf nicht sein.

Es ist eine wichtige Schlussfolgerung aus diesem Skandal, dass die bis 2005 in Deutschland geltende Meldepflicht für alle Personen, die feststellen, dass Grenzwertüberschreitungen stattgefunden haben, wieder eingeführt wird. Wir haben am Dienstag verabredet, dass ein Schwerpunkt sein muss, dass alles gemeldet wird, dass zum Beispiel auf der genannten Internetseite alle Länder gemeinsam im Zusammenhang mit der Lebensmittelwarnung auftreten.

Drittens: Der Informationsfluss zwischen Bund und Ländern funktioniert. Das hat sich wieder unter Beweis gestellt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat Informationsplattformen bereitgestellt, die sämtliche Informationen der Länder zusammenfließen lassen, die dann auch zur öffentlichen Auswertung kommen.

Die Informationspflicht ist auch wichtig, weil wir gegenüber der Europäischen Union verpflichtet sind zu melden. Das ist richtig so, um zeitnah zu informieren. Jetzt ist die spannende Frage damit haben sich die Kollegen und meine Vorrednerinnen und Vorredner schon auseinandergesetzt -: Was schlussfolgern wir Bund und Land? Da sage ich: Hier gibt es nur ein gemeinsames Handeln. Wir brauchen Maßnahmen auf regionaler, auf nationaler und auf europäischer Ebene, sonst wird es nicht funktionieren. Das hat dieser Skandal noch einmal deutlich gemacht.

Wir haben in unserem 14-Punkte-Programm sehr deutlich gemacht: Zum einen geht es um das Futtermittelgesetz des Bundes - das muss weiter ausgestaltet werden. Es müssen begleitende Festlegungen getroffen werden. Und es geht um das Verbraucherinformationsgesetz, was gegenwärtig zur Novellierung im Bundestag ist. Ich richte noch einmal die Bitte an die Kollegen von FDP und CDU, in den Bundestagsfraktionen dafür zu werben, damit es besser ausgestaltet wird als der Vorschlag, der jetzt in den Regierungsfraktionen diskutiert wird. Ich kann hier nur noch einmal die Bitte äußern: Engagieren Sie sich, damit das VIG besser ausgestaltet wird.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Ich habe keine Zeit, alle 14 Punkte darzustellen, weshalb ich nur auf die wesentlichen eingehen möchte. Ganz wichtig: Die Zulassungspflicht für Futtermittelhersteller hat ein Muss zu sein. Bei den Produktionsströmen muss eine strikte Trennung bei technischen und Futterfetten erfolgen. Das ist, glaube ich,

auch eine wichtige Konsequenz. Die Meldepflicht für alle Beteiligten habe ich beschrieben; festgestellte Grenzüberschreitungen sind zu melden. Auch brauchen wir eine verbindliche Futtermittel-Positivliste. Die lässt sich aber nur EU-weit regeln, weil wir Importe und Exporte haben; das muss also länderübergreifend geregelt werden.

Wir brauchen eine Betriebs- oder Produkthaftpflichtversicherung, damit das Verursacherprinzip auch zur Anwendung kommt, denn - Herr Folgart hat es beschrieben -: Der Verursacher dieses Skandals hat sich in die Insolvenz geflüchtet, und niemand ist im Augenblick haftbar zu machen.

Wir sind auch dafür, den Strafrahmen und die Strafverfolgung zu verschärfen - unbedingt. Wir haben aus der Ministerkonferenz unser Anliegen an die Justizministerkonferenz übermittelt, dass diesbezüglich Vorschläge unterbreitet werden und zur Umsetzung kommen.

Wir sind für den Aufbau eines Frühwarnsystems und für eine Erhöhung der Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher und vor allen Dingen für eine rechtzeitige Veröffentlichung bei Grenzwertüberschreitungen. Das ist wichtig; darauf sind wir eingegangen.

Für die meisten Maßnahmen - es tut mir leid, Kollege Wichmann - ist der Bund zuständig. Das sehen Sie auch in dem Maßnahmenkatalog. Wir haben uns gemeinsam verabredet, und zu dem einen oder anderen Punkt - das gebe ich zu - mussten wir die Bundesministerin etwas drängen, dass die meisten Schritte unverzüglich, das heißt, im Jahr 2011 zur Anwendung kommen und umgesetzt werden. Und wir haben verabredet, dass wir die übrigen Punkte natürlich gemeinsam leisten.

Ich möchte an dieser Stelle Schluss machen und ein zweites Mal reden wollen, Herr Präsident. - Vielen Dank.

Vielen Dank. Sie haben möglicherweise sogar ein drittes Mal Gelegenheit, denn der Kollege Wichmann hat eine Kurzintervention angemeldet, auf die Sie reagieren können, wenn Sie denn wollen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst muss ich sagen: Die Linksfraktion hat mir ja unterstellt, hier unwahre Behauptungen aufgestellt zu haben, was die Personalsituation im Landesamt für Verbraucherschutz angeht. Ich bin froh, dass wenigstens die Ministerin nicht auch in diese Kritik eingestimmt hat, sondern später etwas dazu sagt. Fakt ist mit diesem Fakt müssen wir uns auseinandersetzen -, dass Personalstellen nicht wiederbesetzt worden sind, dass in den letzten sechs Monaten Personalstellen konsequent abgebaut wurden, dass Referatsleiterstellen nicht besetzt sind oder nicht wiederbesetzt werden sollen, dass sich quasi die Abteilung Verbraucherschutz im LUGV mehr oder weniger auflöst, und darüber müssen wir reden, Frau Tack.

Ich kann nur hoffen, dass die Kollegen der Linksfraktion sich nicht nur darauf verlassen - sie sind ja jetzt in der Regierung -, dass die Minister alles richtig mitteilen,

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

sondern sich auch vor Ort sachkundig machen. Ich war im Landeslabor in Frankfurt (Oder),

(Beifall CDU)

und ich bin sehr froh, dass die Kritik, die ich geäußert habe, im Vorfeld doch zumindest dazu geführt hat, dass der Staatssekretär sehr viel mit dem Leiter des Landeslabors telefoniert hat und jetzt immerhin ein Automat angeschafft wird, um die Proben, die bisher einzeln per Hand fünf Tage vorbereitet werden müssen, künftig in Serie etwas schneller bearbeiten zu können, weil: Für die unter Verdacht stehenden Landwirte geht es um die Existenz,

(Zuruf des Abgeordneten Krause [DIE LINKE])

und wenn wir für einen Teil dieser acht Proben bis heute kein Ergebnis haben, und wenn wir für 100 Proben, die im Schwerpunktlabor in Frankfurt angekommen sind - wir haben sechs Bundesländer im Laborverbund, Brandenburg und Niedersachsen sind schwerpunktmäßig für Dioxin verantwortlich -, drei Wochen brauchen, dann frage ich mich: Was machen wir, wenn wir in Situationen wie in Niedersachsen, wie in anderen Bundesländern geraten? Wie lange wollen wir dann auf Ergebnisse warten?