Protocol of the Session on January 19, 2011

Was ist in der Wirklichkeit passiert? Seit dem Schuljahr 2006/07, in dem diese Finanzkürzungen relevant geworden sind, hat sich die Zahl der Schulen in freier Trägerschaft - inklusive beruflicher Schulen - von 128 auf 165 - also nicht abwärts - entwickelt. So weit die Wirklichkeit.

Als ich die Rede von Herrn Büttner gerade gehört habe, ist meine Hoffnung leider flöten gegangen, dass die Diskussion, die in den nächsten Wochen und Monaten daraus entspringen wird, sachlich, ruhig und konstruktiv verläuft. Nein, Sie werden wahrscheinlich wieder so reden, wie wir es von Herrn Büttner zu hören bekommen haben: Wir werden ein Katastrophen- und Unglücksszenario und Hiobsbotschaften verkündet bekommen. Ich kann Ihnen sagen: Bleiben Sie fröhlich, denn all diese Hiobsbotschaften sind schlicht und ergreifend falsch.

Die freien - oder privaten - Schulen haben sich im Land Brandenburg gut entwickelt. Sie haben mittlerweile, was die Quantität angeht, einen Status, der vergleichbar ist, der sich auf dem Niveau der Bundesrepublik Deutschland befindet, teilweise sogar darüber liegt. Sie sind nach dem Aufholprozess nach der Wende angekommen.

(Zuruf von der CDU: Bei der Qualität?)

Sie sind hier fest verankert, und ich sage: Das ist auch gut so, weil sie zur Brandenburger Schullandschaft gehören.

Aber nach diesen Jahren des Aufbaus stellt sich nicht nur Brandenburg, sondern stellen sich auch viele andere ostdeutsche Bundesländer - beispielsweise Thüringen und Sachsen - einige Fragen zur Zukunft der freien Schulen. Ich will ein paar Fragen, die Brandenburg betreffen, nennen:

Die erste Frage - an ihr kommt man leider nicht vorbei, wenn man die Ereignisse der letzten Monate rekapituliert - ist die von Nachweisen über - schließlich - staatliches Geld, das freie Schulen erhalten haben. Erster und wichtiger Satz: Wenn da jemand geschlampt hat - und da hat jemand geschlampt -, dann ist das schlimm und muss verfolgt werden. Aber es trifft nicht alle anderen, und es ist kein Ausweis dessen, dass in allen privaten Schulen geschlampt wird - ganz klar und deutlich. Aber wie bei jedem anderen Verfahren, wenn jemand Fördermittel des Landes - öffentliche Mittel - bekommt, besteht eine Nachweispflicht über das Ausgeben dieses Geldes. Deshalb - all das ist kein Geheimnis, es steht ja in der Zeitung; das Ministerium und wir sind mit den Verbänden im Gespräch - fordert das Ministerium eine Liste der Schülerinnen und Schüler, die unterrichtet werden, und die Angaben müssen von den Schülern und Eltern entsprechend bestätigt werden.

Ich finde, das ist ein Stück weit Normalität; denn schließlich geht es hier um die Verwendung öffentlicher Mittel. Es ist auch zumutbar, und zwar im Vergleich zu dem, was andere leisten, die ebenfalls öffentliche Gelder des Landes bekommen.

Zweiter Punkt: Zwei Sätze aus dem Grundgesetz möchte ich gerne zitieren; es geht um Artikel 7 Abs. 4. Das sage ich, damit wir überhaupt wissen, worüber wir hier reden. Es geht mir darum, zu verdeutlichen, was die Grundlage unserer Diskussion ist.

„Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.“

Genau darum geht es, um nicht mehr und nicht weniger. Es geht um Gleichbehandlung und um Qualitätssicherung. Nach 20 Jahren des Aufbaus ist es deshalb auch selbstverständlich, dass das Ministerium sowie die Regierungskoalition mit den freien Schulen über die Fragen von Lehrkräften an freien Schulen reden. Das betrifft auch Fragen der Qualifikation, zum Beispiel wie viele Lehrkräfte ein zweites Staatsexamen haben und wie viele Quereinsteiger es gibt. Das sind keine unverschämten Themen. Das heißt auch nicht, dass wir die Arbeit der privaten Schulen blockieren wollen. Vielmehr zeigt auch das unser Interesse an der Qualitätssicherung des Unterrichts. Darum sollte es auch den freien Schulen gehen.

Ich würde gern eine dritte Frage aufwerfen, ohne dass ich schon eine Antwort habe: Wir als Gesetzgeber sind auch für die freien Schulen zuständig. Deshalb müssen wir die Frage nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen öffentlichen und freien Schulen stellen. Nach diesen 20 Jahren der Aufholzeit ist das wichtig. Ich will dazu ein weiteres Zitat bringen, und zwar aus der bereits genannten Anhörung. Ich zitiere Herrn Fuchs - hier sehr bekannt - von der GEW:

„Wenn wir über Veränderungen in diesem Bereich nachdenken, sind solche Länder wie Sachsen absolut verfassungsfeindlich, denn sie regeln unter anderem eine vierjährige Wartezeit und einen noch deutlich geringeren Finanzzuschuss, was die Personalkosten der Schulen in freier Trägerschaft betrifft.“

Wir sind ein gutes Stück von der Situation in Sachsen entfernt. Das sagt Herr Fuchs ebenfalls. Wenn Sie es in der Presse verfolgt haben, wissen Sie: In Sachsen gab es bereits Ansätze, die Finanzausstattung deutlich zu reduzieren und unterhalb dessen zu gehen, was Brandenburg gegenwärtig vorhält.

Diese Fragen werden auf uns und auch die privaten Schulen in nächster Zeit zukommen. Es gibt eine Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage von Frau von Halem. Auf alle Fragen haben wir jedoch noch keine Antwort. Deshalb halte ich den heutigen Antrag für verwunderlich. In der Aussprache zu Regierungserklärungen oder bei anderen feierlichen Anlässen wird der Koalition immer wieder unterstellt, sie sei nicht veränderungsbereit. Es heißt oft, hier herrsche Stillstand und wir würden Mehltau über das Land gießen. Mangelnder Sparwille wird uns ebenfalls - insbesondere von den Haushaltspolitikern - immer wieder vorgeworfen.

Aber wenn es einmal dazu kommt, dass jemand über Veränderungen nachdenkt - auch wenn er noch nicht alle Antworten parat hat -, dann gibt es unverzüglich einen Antrag, in dem steht,

dass sich zwar alles verändern dürfe, es jedoch bleiben müsse, wie es ist.

(Zurufe von der CDU)

Summa summarum: Dieser Antrag trägt nicht zur Hebung der Glaubwürdigkeit der FDP und der CDU, die diesem Antrag beigetreten ist, bei.

Zu den Antragsfristen: Hier wird vorgeschlagen, vier Monate als Mindestantragsfrist vorzusehen. Nach meinem Kenntnisstand müssen Anträge für private Schulen bis zum 30. September eines Jahres gestellt werden, um für das darauffolgende Schuljahr zum Zuge zu kommen. Ich denke, das ist insgesamt eine ausreichende Frist. Ich denke, die Frist muss auch ausreichend sein; denn hier geht es um ein so komplexes Gebilde wie die Schule. Wenn sich eine Elterninitiative bildet, die unorganisiert ist, dann gibt es Abstimmungsbedarf. Das ist für mich nachvollziehbar.

Wenn Sie jedoch diese Vier-Monats-Frist einführen, dann kann das in der Konsequenz heißen - wenn nicht alle Unterlagen vorhanden sind -, dass die Schule abgelehnt werden muss. Ich stelle deshalb erneut in Frage, ob der Antrag klug formuliert ist. Es könnte nämlich dazu kommen, dass mehr Schulen in freier Trägerschaft abgelehnt werden müssen. Die kompletten Unterlagen sind eine Grundvoraussetzung.

Mit einem letzten Satz möchte ich aber zu Ihrer Beruhigung beitragen: Private Schulen sind und bleiben fester Bestandteil der Brandenburger Bildungslandschaft. Sie waren das in den letzten 20 Jahren, sie sind es heute und bleiben es auch morgen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Der Abgeordnete Hoffmann spricht für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Das, was wir hier immer wieder erleben, wenn es um die freien Schulen geht, ist ziemlich paradox. Es wird den freien Schulen in diesem Land ständig vorgeworfen, sie würden zu sehr ihre Schülerschaft selektieren und ihre Lehrer zu schlecht bezahlen. Beides gehört zu Ihrem Standardrepertoire gegen die freien Schulen, die Sie bei der Gelegenheit immer auch gern als „Privatschulen“ bezeichnen.

Dabei muss man sagen, dass bislang in Brandenburg die freien Schulen dazu verpflichtet sind, ihre Schülerschaft sozial ausgewogen zusammenzusetzen. Zudem wurden von Landesseite keine übermäßigen Anreize geschaffen, die Lehrkräfte schlechter zu bezahlen. Die gegenwärtigen Pläne der Landesregierung zur Absenkung der Zuschüsse für Schulen in freier Trägerschaft werden diesen Erfolg jedoch zunichte machen. Die Pläne werden dazu führen, dass die Schulen zwangsläufig mehr Schulgeld erheben oder eben ihre Lehrer schlechter bezahlen müssen. Möglicherweise wird sogar beides geschehen, wenn es um das Überleben geht.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass genau dann das soeben beschriebene Paradox weiter gesteigert und ad absurdum geführt

wird. Denn genau dann werden Sie es sein, die den freien Schulen wieder vorwerfen, dass sie sozial selektierten. Es wird dann heißen, dass die Ungerechtigkeit weiter gefördert wird. Dabei werden Sie vermutlich verschweigen, dass die Regierungskoalition als Verursacher Teil des Problems ist.

(Beifall CDU, FDP sowie GRÜNE/B90)

Meine Damen und Herren, die Stoßrichtung der Landesregierung ist klar. Diese stufenweise Absenkung der Zuschüsse für die Schulen in freier Trägerschaft hat das Ziel, weniger freie Schulen im Land Brandenburg zu haben. Zuerst werden davon die kleinen Schulen - vor allem in den ländlichen Räumen - betroffen sein. Dann werden aber auch die Träger in große Schwierigkeiten kommen, ihre Schulen in gleicher Form attraktiv zu halten. Deshalb ist das Agieren der Regierungskoalition an dieser Stelle scheinheilig und riskant, weil Brandenburg dadurch Gefahr läuft, eine nächste Schulschließungswelle in Kauf zu nehmen.

(Widerspruch bei der SPD)

- Herr Günther, Sie haben gesagt, dass die Kürzungen damals nicht - wie von einigen prognostiziert - dazu geführt haben, dass es weniger freie Schulen gibt; es gebe sogar mehr. Hier verwechseln Sie allerdings die Kausalität. Sie können zwar Fakten aufzählen, dürfen aber nicht den Eindruck erwecken, als hätten sich die freien Schulen gerade deshalb so gut entwickelt, weil Sie die Zuschüsse gekürzt haben.

(Beifall und Heiterkeit bei CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Vielmehr verhält es sich so, dass sie sich trotz der geringeren Zuschüsse gut entwickelt haben. Das liegt nicht an der guten Bildungspolitik, sondern daran, dass die Eltern und die Schüler in diesem Land das Vertrauen in das staatliche Bildungssystem nach und nach verlieren. Sie haben nicht mehr den Glauben daran, dass Ihr Bildungsminister in der Lage ist, die Probleme in unserem Bildungssystem zu beheben. Das ist die Wahrheit.

(Beifall CDU - Bischoff [SPD]: Wir haben das zehn Jahre zusammen gemacht; vergessen Sie das nicht!)

Die freien Schulen haben sich trotz der Kürzungen ganz gut entwickelt. Herr Günther, Sie verwechseln hier die Kausalität. Wenn Sie wirklich glauben, dass mehr freie Schulen entstehen, wenn Sie die Zuschüsse kürzen, dann fange ich ernsthaft an, mir Sorgen um Sie zu machen. Das wollen wir aber beide sicher nicht.

Fakt ist: Mit diesen Kürzungen sind die freien Schulen im Land Brandenburg tatsächlich existenziell bedroht. Für die Schüler im ländlichen Raum würde das bedeuten, dass sie noch weitere Anfahrtswege und weiterhin eingeschränkte Wahlmöglichkeiten beim Schulbesuch in Kauf nehmen müssten.

Auch auf die Qualität unseres Bildungssystems hat eine solche Entwicklung natürlich verheerende Auswirkungen. Herr Rupprecht, da kann ich Ihre Argumentation nicht ganz nachvollziehen. Sie haben kürzlich in einem Interview mit der von uns geschätzten Zeitung „Der Prignitzer“ gesagt, dass die Schulen in freier Trägerschaft eine weitgehend stabile Struktur erreicht hätten. Damit suggerieren Sie zum einen, dass Sie mit dem erreichten Stand zufrieden sind, zum anderen räumen Sie damit gleichzeitig ein, dass die freien Schulen in Brandenburg eben

nicht auf Rosen gebettet sind. Und dann - viel schlimmer -: Sie schlagen Maßnahmen vor, die ganz klar darauf abzielen, diese erreichten Strukturen zu zerstören. Das, meine Damen und Herren, ist tatsächlich scheinheilig.

Dass die gesamte Thematik insgesamt nicht einfach zu handhaben ist, will ich gern zugestehen. Dass Sie sich dabei aber so unbeholfen anstellen, kann ich nicht verstehen. Herr Günther, Sie haben Sachsen zitiert. Auch da - das ist richtig - wurde darüber nachgedacht, aber die Sachsen haben sich eben nicht dafür entschieden, im Zuge der Haushaltskonsolidierung die Zuschüsse in diesem Bereich weiter zu kürzen, sondern dafür, das Netzwerk von Schulen in freier Trägerschaft zu sichern und die Zuschüsse für die bestehenden Schulen beizubehalten.

Das wollen wir in Brandenburg auch, meine Damen und Herren. Wir setzen uns dafür ein, dass ein pluralistisches Bildungssystem erhalten bleibt. Wir sehen in den Schulen in freier Trägerschaft ein belebendes Element und eine Bereicherung unserer Bildungslandschaft. Für uns sind sie ein wesentlicher Bestandteil des vielfältigen Bildungsangebots in Brandenburg. Wir wollen, dass das so bleibt. Deshalb stellen wir diesen Antrag, und wir freuen uns, wenn Sie ihn - wider Erwarten - unterstützen. - Danke schön.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete Große spricht nun für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Kollegen von der FDP! Sehr geehrter Herr Büttner, die FDP-Fraktion hat hier einen leuchtend gelb-blauen oder blaugelben Rettungsschirm aufgespannt für etwas, was es erst einmal noch gar nicht zu retten gibt. Aber ich verstehe das, es geht um 25 000 Schülerinnen und Schüler, ihre Eltern - etwa 50 000, wenn in den Familien alles gutgegangen ist - und mindestens 3 000 Beschäftigte. Das ist natürlich ein nicht zu unterschätzendes Wählerpotenzial.

(Senftleben [CDU]: Um mehr als beim Schüler-BAföG!)

Das hätten wir alle gern - alles klar. Ich verlasse jetzt diese Ebene. Sie wissen, ich agiere hier in der Regel nicht parteipolitisch, sondern fachpolitisch, und das mache ich jetzt auch.

Sie haben den Antrag „Schulvielfalt erhalten“ genannt. Da sind wir uns doch einig. Es gibt Vielfalt - so unterstellen Sie erst einmal. Es gibt diese Vielfalt, und rein quantitativ - das sage ich ganz klar - liegen wir mit einer Schulquote - also der Anzahl der Schulen - von 14,7 % über dem Bundesdurchschnitt; diese liegt bei 11,9 %. Wir liegen auch bei der Schülerquote mit 8,8 % über dem Bundesdurchschnitt. Wir haben also nicht nur aufgeholt. Die Rahmenbedingungen waren trotz der beiden erfolgten Kürzungen gut. Es gibt ein breit gefächertes Netz, es gibt sehr unterschiedliche Träger, es gibt interessante Angebote. Die Bildungslandschaft ist - das sehe ich wie Sie, Herr Hoffmann - bereichert worden und oft - das ergänze ich - vor dem Austrocknen bewahrt worden.

Die freien Schulen haben das Schulnetz in der Fläche mitgeknüpft, aber es gibt auch Ballungszentren: Potsdam, LOS - wa

rum auch immer -, Frankfurt (Oder). Es gibt natürlich auch ländliche Regionen wie die Landkreise Uckermark und Ostprignitz-Ruppin, die ein ziemlich großes Netz an freien Schulen haben. Andere haben andere Strukturen. Es ist also sehr ausdifferenziert. Es ist beispielsweise bei den Grundschulen unterschiedlich. Wenn in Potsdam schon 22 % aller Grundschulen freie Schulen sind, kann sich hier doch niemand über - vermeintlich - fehlende Vielfalt aufregen.

(Beifall DIE LINKE)

Während es 1995 - da hatten wir noch doppelt so viele Schüler wie jetzt - ganze 33 freie Schulen gab, sind es jetzt ca. 166. Wir müssen also feststellen, dass das Ganze hat eine unglaubliche Dynamik bekommen hat: je weniger Schüler, umso mehr freie Schulen. Dafür haben die freien Träger viel getan; dafür haben die Eltern viel getan. Und auch das Land hat sich das etwas kosten lassen: Von ursprünglich - 1995 - 24 Millionen Euro Zuschüssen sind wir jetzt bei 166 Millionen Euro, und das, weil wir als Land 94 % der vergleichbaren Personalkosten aus Steuermitteln zahlen. Das mit den Steuermitteln wissen übrigens viele nicht - das stelle ich ganz wertfrei fest.