Protocol of the Session on January 19, 2011

Während es 1995 - da hatten wir noch doppelt so viele Schüler wie jetzt - ganze 33 freie Schulen gab, sind es jetzt ca. 166. Wir müssen also feststellen, dass das Ganze hat eine unglaubliche Dynamik bekommen hat: je weniger Schüler, umso mehr freie Schulen. Dafür haben die freien Träger viel getan; dafür haben die Eltern viel getan. Und auch das Land hat sich das etwas kosten lassen: Von ursprünglich - 1995 - 24 Millionen Euro Zuschüssen sind wir jetzt bei 166 Millionen Euro, und das, weil wir als Land 94 % der vergleichbaren Personalkosten aus Steuermitteln zahlen. Das mit den Steuermitteln wissen übrigens viele nicht - das stelle ich ganz wertfrei fest.

Meine Damen und Herren, Sie erwarten jetzt - vor allem in der FDP-Fraktion - wahrscheinlich das große Aber, das dicke Aber, das man im Allgemeinen von den Linken erwartet bzw. ihnen unterstellt. Dazu sage ich: Das kommt hier nicht, sondern hier kommt erst einmal ein dickes Ja. Natürlich sind freie Schulen solche mit wunderbaren pädagogischen Konzepten, ganz oft Leuchttürme. Aber auch ganz Durchschnittliches finden wir da. Es sind Schulen, die beneidenswerterweise zu 83 % Ganztagsschulen sind. Es sind ganz oft inklusive Schulen - die Waldhofschule Templin hat dafür den Schulpreis bekommen. Es sind ganz oft Gemeinschaftsschulen - das gefällt uns Linken natürlich, wunderbar! Es sind innovative Schulen, es sind Schulen, in denen die Motivation der Lehrkräfte eine hohe ist. Es sind Schulen, die sich - wenn sie konfessionell gebunden sind - dennoch nicht abschotten, sondern in die Region wirken, sich öffnen. Es sind oft interkulturelle Schulen. Es sind Schulen mit einer guten Zusammenarbeit mit Eltern und hoher Elternzufriedenheit. Es sind Schulen, die eine gute Kooperationsarbeit leisten, in der Regel kleine Lerngruppen haben, entspannteres Lernen organisieren können und eine große Anzahl an Unterstützungskräften haben.

Dazu sage ich: Das alles, was ich eben aufgezählt habe, finde ich aber auch bei öffentlichen Schulen. Es geht also nicht um „besser sein“ und auch nicht um „Motor sein“, sondern all dies können auch öffentliche Schulen leisten, und das müssen sie auch leisten.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Was die Leistungen betrifft, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist das nämlich ambivalent: Die freien Schulen wollen ja nicht die besseren Schulen sein, sie wollen nur einfach neben den öffentlichen Schulen da sein. Das muss man hier unterstellen. Ich bin die Letzte, die es an Mathematik- oder Deutschnoten festmacht, aber wir wollen auch einmal feststellen: Im Grundschulbereich ist das alles ganz gut, während es im Bereich der Gymnasien - beispielsweise bei der Abschlussprüfung der 10. Klasse in Mathematik und in Deutsch - auch an den freien Schulen viele unterdurchschnittliche Leistungen gibt. Das hat etwas damit zu tun, wie freie Schulen ticken, und damit, was gemessen wird, aber wir wollen dies zumindest feststellen.

Nun komme ich noch einmal darauf zurück, Herr Hoffmann und Herr Büttner, dass Sie uns unterstellen, wir würden meinen, das seien Schulen, die sozial auslesen. Das meinen wir ganz klar nicht! Es sind nicht die Schulen der Reichen und der Schönen, es sind jedoch Schulen - das lässt sich statistisch nachweisen -, die eine besondere sozioökonomisch gestärkte Klientel an sich binden. „Sozioökonomisch gestärkt“ heißt nicht reich, es sind in diesen Schulen aber sehr wohl Kinder, die aus sogenannten bildungsnahen Elternhäusern kommen, deren Eltern also einen höheren sozioökonomischen Status haben. Das ist so.

(Senftleben [CDU]: Was ist daran verkehrt?)

Jetzt komme ich doch zu einem kleinen Aber: Was ich problematisch finde, ist, dass inzwischen 55 % aller Fachschulen im Land Brandenburg und knapp 40 % aller Berufsfachschulen durch freie Träger verantwortet werden. Das sind doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt. Berufsschüler haben in diesem Land in manchen Berufsfeldern keine Wahl mehr zwischen einem freien und einem öffentlichen Träger. Man muss zumindest einmal dorthin schauen.

Besorgniserregend ist aus meiner Sicht auch, dass wir inzwischen selbst bei den Grundschulen - die bezeichnet das Grundgesetz als „Volksschulen“, und die Väter des Grundgesetzes haben sie nicht in erster Linie im Auge gehabt - schon bei 6,6 % sind. Die Grundschulen sind eigentlich für alle da.

(Senftleben [CDU]: Sie sind doch für alle da!)

In den westlichen, den alten Bundesländern liegt die Quote in diesem Bereich bei 1,9 % - wir liegen bei 6,6 %. Darüber müssen wir nachdenken.

Wir müssen auch darüber nachdenken, was passiert, wenn wir das demografische Echo erleben: Im Jahre 2020 haben wir nur halb so viele Schüler wie jetzt. Wie weit wollen wir unsere Strukturen entwickeln, dass Eltern die Wahl zwischen einem öffentlichen, wohnortnahen System und eben dem einer freien Schule mit einer besonderen Ausprägung haben? Darüber müssen wir alle - auch die freien Träger mit uns zusammen - nachdenken.

Meine Damen und Herren, nun zum Antrag: Sie wollen den Landtag feststellen lassen, „dass Schulen in freier Trägerschaft daran mitwirken, die Vielfalt der Bildungsgänge zu gewährleisten“. Das steht wortwörtlich in § 117 Absatz 1. Das müssen wir doch wohl hier nicht feststellen! So weit wollen wir unsere Gesetze doch wohl ernst nehmen! Darüber hinaus wollen Sie, dass es „keine einseitigen Kürzungen“ gibt. Dann sagen Sie uns, Herr Büttner, wo diese Kürzungen, wenn nicht einseitig, erfolgen sollen. Das wäre ja die logische Konsequenz. Wenn da nicht kürzen, dann sagen Sie, woher nehmen!

Ich sage auch: Ihr zweiter Vorschlag, das Genehmigungsverfahren auf vier Monate zu verkürzen, ist aus Sicht der betroffenen Eltern, der Schulen und der Träger ein vernünftiger Vorschlag. Trotz alledem trägt das Land natürlich eine hohe Verantwortung bei der Prüfung. Denken Sie an Educon, denken Sie an Opus Dei, denken Sie an die Nichtgenehmigungsfähigkeit des Abiturs am Neuen Gymnasium hier in Potsdam; ich könnte hier eine ganze Liste aufzählen.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist die Verantwortung des Landes, dies zu gewährleisten.

Zum Schluss: Bildung ist kein Marktsegment, Herr Büttner. Bildung ist Menschenrecht, keine Ware, die verkauft werden kann.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

An dieser Stelle werde ich doch noch einmal ganz politisch: Wenn Ihre FDP endlich anfangen würde, nicht mehr von diesen Steuersenkungen zu träumen, dann könnten wir vielleicht sowohl die freien als auch die öffentlichen Schulen - hier sitzen Vertreter der öffentlichen Schulen; die haben auch noch eine ganze Menge von uns zu erwarten - ausreichend finanzieren.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE - Beifall SPD)

Die Abgeordnete von Halem spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass unsere Kleine Anfrage vom Oktober letzten Jahres solche Wellen schlägt. Es ist tatsächlich deutlich geworden: Die Zuschüsse für die Schulen in freier Trägerschaft sollen ab 2012 um 2 % gekürzt werden.

An der Antwort der Landesregierung erstaunt mich aber, dass die Kürzungen schon geplant sind, dass aber noch nicht klar ist, wie sie tatsächlich erfolgen sollen. Die Landesregierung spricht zwar von Prüfungen, die vorzunehmen seien, erläutert aber nicht genau, was das Ergebnis sein soll. Das Ergebnis wird vorweggenommen: Die Kürzungen sollen stattfinden. - Geprüft wird hinterher.

Aus unserer Sicht sind die Schulen in freier Trägerschaft eine Bereicherung für das Schulsystem. Sie sind Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements, und wir wollen sie haben. Wir wollen keine Kürzungen bei diesen Schulen!

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir müssen deutlich sehen: Auch wenn diese Landesregierung mit dem Vorsatz angetreten ist, im Bereich Bildung etwas besser zu machen, wird das öffentliche Schulsystem nicht wirklich besser. Es gibt einen besseren Betreuungsschlüssel an Kindertagesstätten. Das wissen auch wir, das ist eine große Errungenschaft. Und was passiert im Schulbereich? Aus unserer Sicht passiert dort fast gar nichts. Das Schüler-BAföG wird den Unterricht in der Schule nicht besser machen. Die Tatsache, dass Englischlehrerinnen und -lehrer jetzt Fortbildungen in diesem Fach bekommen sollen, bedeutet doch nur, dass Fortbildungsgelder, die sonst für andere Zwecke aufgewandt würden, jetzt in Englischkurse gesteckt werden. Insgesamt gibt es nämlich keine Aufstockung.

Angesichts dessen können wir es doch den Eltern nicht verwehren, Alternativen zu suchen und sich für eine gute Schule für ihr Kind zu entscheiden. An dieser Stelle muss ich meiner Kollegin Große widersprechen: Die freien Schulen wollen sehr wohl besser sein. Das ist ihr Anspruch. Noch einmal: Wenn Eltern die Alternative sehen, können wir es ihnen doch nicht ver

wehren, ihre Kinder dort hinzuschicken. Die Kinder haben nur eine Bildungsbiografie; diese ist so schnell vorbei. Angesichts der kleinen Schritte, die im staatlichen Schulsystem gegangen werden, habe ich - auch wenn ich es mit meinen Kindern nicht gemacht habe - großes Verständnis für die Eltern, die ihre Kinder an Schulen in freier Trägerschaft schicken.

Nächster Punkt! Ich verstehe die Diskussion über die Relationen nicht. Hier ist mehrfach darauf eingegangen worden. Auch in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage zur Finanzierung freier Schulen wird das erwähnt. Von Kollegen Günther und Kollegin Große habe ich gehört, es gäbe jetzt ein ausgewogenes Verhältnis. Es war auch die Rede von einem „Aufholprozess“, davon, dass der Anteil der Schulen in freier Trägerschaft nach dem Aufholprozess in den vergangenen Jahren mittlerweile das Niveau der Westländer erreicht habe.

Ich verstehe diese Diskussion nicht. Ich denke, wenn wir darüber reden, wie wir mit Schulen in freier Trägerschaft künftig verfahren, dann müssen wir über pädagogische Argumente und Kriterien reden, nicht aber über die Relationen. Das ist doch nicht das, was den bildungspolitischen Ausschlag gibt!

Jetzt zum Antrag. Dessen Punkt 1 bezieht sich auf die Zuschüsse. Ja, wir stimmen dem zu: Auch wir wollen keine Kürzungen. Darüber hinaus wissen wir auch gar nicht so richtig, was eigentlich billiger für das Land ist. Das Land zahlt 94 % der vergleichbaren Personalkosten für die Schulen in freier Trägerschaft. Kinder, die nicht in Schulen in freier Trägerschaft gehen, besuchen staatliche Schulen. Da müssten 100 % der öffentlichen Mittel aufgewandt werden. Was bedeutet das? Ist das dann wirklich eine Kürzung?

(Unruhe bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir können uns gern damit einverstanden erklären, die Finanzierungsgrundlage neu zu berechnen, denn wir möchten gern wissen: Was kostet eine Schülerin/ein Schüler wirklich? Was sind die tatsächlichen Kosten des Schulträgers? Mit der Doppik müssten auch auf kommunaler Ebene die Kosten für die Gebäude erfassbar sein. Heute stochern wir im Nebel. Nach Auskunft der Schulträger übernimmt das Land ungefähr zwei Drittel der Kosten der Schulen in freier Trägerschaft. Wir würden das gern genauer wissen.

Zu dem zweiten Punkt im Antrag, der Genehmigungsverfahrensdauer, gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen. Einige freie Schulträger sagen, sie würden monatelang warten - bis zum Frühjahr, nach der Antragstellung im Herbst -, bis sie überhaupt einen Bescheid bekämen. Andere sagen, es sei ein Entgegenkommen gegenüber den freien Schulen, wenn man so lange warte, weil sie dann länger Zeit hätten, sich um Gebäude sowie um Lehrerinnen und Lehrer zu kümmern; das sei dann bis kurz vor Beginn des Schuljahres möglich.

Fazit: Insoweit herrscht große Sprachlosigkeit zwischen den Beteiligten. Deshalb ist es aus unserer Sicht nicht vernünftig, eine maximale Genehmigungsverfahrensdauer von vier Monaten festzuschreiben. Vielmehr sollte von dieser Debatte das Signal an alle Beteiligten ausgehen: Setzt euch hin und konkretisiert den Regelfall! Überlegt, ob in dem Genehmigungsverfahren eine Zweistufigkeit sinnvoll ist, etwa in dem Sinne: Ihr erhaltet die Genehmigung, wenn ihr bis dann und dann diese und jene Unterlagen nachreicht.

Es mag sein, dass es hin und wieder sinnvolle Ausnahmen gibt. So fand ich es durchaus sinnvoll, dass es bei dem Antrag des Trägers Opus Dei länger gedauert hat als vier Monate.

Ergo: Wir wollen das Signal, dass die Genehmigungsverfahrensdauer verkürzt wird. Aber das muss im Einklang mit allen Beteiligten passieren.

Wir stimmen dem vorliegenden Antrag zu, wenn auch mit etwas Zähneknirschen. Wir möchten gern das Signal unterstützen, das von der heutigen Debatte ausgehen soll: Keine Kürzungen bei den Schulen in freier Trägerschaft!

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Minister Rupprecht spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit Ihnen, Herr Büttner, und anderen, die sich hier geäußert haben, darin überein, dass die Schulen in freier Trägerschaft zur Vielfalt im Schulwesen beitragen. Sie haben auch Recht, wenn Sie sagen, dass viele dieser Schulen innovative pädagogische Konzepte verfolgen. In der Tat kennt aber auch das öffentliche Schulwesen eine Vielzahl solcher Erscheinungsformen. Diese Vielfalt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Schulwesen muss im Wettbewerb nebeneinander bestehen können.

Herr Büttner, Sie verfolgen heute den - einseitigen - Ansatz, die Finanzierung der Privatschulen langfristig zu sichern. Ich möchte diese Front nicht aufmachen, will aber sehr wohl einige schlichtweg falsche Behauptungen richtigstellen und - um ein Wort von Ihnen aufzugreifen - eine einseitige Darstellung korrigieren.

Mit einem Anteilswert von landesweit 8,8 % - Frau Große hat darauf hingewiesen - befanden sich im Schuljahr 2009/2010 in Brandenburg erstmals relativ mehr Schülerinnen und Schüler an Schulen in freier Trägerschaft als im Bundesdurchschnitt. Ich interpretiere diese Zahl so, dass wir in den vergangenen 20 Jahren ganz offensichtlich erfolgreich Anreize für die Gründung von Schulen in freier Trägerschaft gesetzt haben. Diese Angebote sind angenommen worden.

Der beschriebene Anstieg der Schülerzahlen an freien Schulen hat - auch darauf hat Frau Große hingewiesen - in einigen Regionen Brandenburgs schon zu Problemen geführt, jedem Kind einen Platz in jedem Bildungsgang an einer öffentlichen Schule in erreichbarer Nähe anzubieten. Nach der Verfassung sieht es aber so aus, dass jedes Kind eine Schule besuchen muss wir haben die Schulpflicht - und Anspruch auf einen Platz an einer öffentlichen Schule hat.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Sie, die öffentliche Schule, hat den gesellschaftlichen Auftrag, Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft, unterschiedlicher Leistungsfähigkeit und unterschiedlicher Bekenntnisse gemeinsam zu unterrichten und zu erziehen.

Die private Schule kann - ich betone: kann - die öffentliche Schule ersetzen; deswegen heißt sie auch „Ersatzschule“. Sie

kann aber auch Kinder abweisen oder von der Schule verweisen, wenn sie meint, dass die Kinder oder die Einstellung der Eltern nicht zu ihrer Ausrichtung passen. Die öffentlich getragene Schule kann das nicht. Insofern besteht zwischen beiden ein großer Unterschied.

Herr Büttner, wenn Sie feststellen, dass Privatschulen von Verfassungs wegen nicht schlechter ausgestattet sein dürfen als öffentlich getragene Schulen, und daraus den Schluss ziehen, dass das Land verpflichtet sei, öffentlich getragene und frei getragene Schulen gleich auszustatten, dann ist das schlichtweg falsch.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist der Staat gehalten, das Existenzminimum der Privatschulen zu sichern. Er kann dabei natürlich auch Eigenleistungen berücksichtigen. Damit ist eine gleiche finanzielle Ausstattung keineswegs geboten. Es gibt sie übrigens in keinem einzigen Bundesland in Deutschland. Im Gegenteil, ich sehe für eine Überprüfung der Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft in verschiedener Hinsicht Anlass und kann mich dabei unter anderem auf Erkenntnisse aus unserem südlichen Nachbarland Sachsen beziehen.