Protocol of the Session on September 9, 2010

Die Polizeireform nimmt immer mehr Kontur an. Die Landesregierung hat, wie vom Landtag im Frühjahr beschlossen, ein Konzept und einen Gesetzentwurf zur Polizeistrukturreform vorgelegt.

(Senftleben [CDU]: Gucken Sie mal in Ihr Wahlpro- gramm!)

Der Auftrag lautet, mit neuen Strukturen die öffentliche Sicherheit im ganzen Land zuverlässig zu gewährleisten. Das ist und bleibt Maßstab der bevorstehenden Reform. Beides wird in der Oktobersitzung in den Landtag eingebracht. Damit ist dann die Voraussetzung für eine parlamentarische Diskussion gegeben - erst dann!

Wir befinden uns also in einer Abfolge, die so verabredet worden war. Dazu gehört auch, dass der Innenausschuss auf Antrag der Koalitionsfraktionen in seiner Sitzung Anfang Juli beschlossen hat, Anhörungen zum Konzept der Landesregierung und zu notwendigen gesetzlichen Änderungen durchzuführen. Weiter heißt es in dem Beschluss:

„Der Innenausschuss ist bestrebt, in die Beratungen möglichst viele Vertreterinnen und Vertreter betroffener Interessen einzubeziehen, Empfehlungen anzuhören und das Verfahren transparent zu gestalten.“

Das haben wir gemeinsam beschlossen. Zu den bereits vorgesehenen Anzuhörenden - auch in dem Beschluss zu finden - gehören die Polizeigewerkschaften, der Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag, wobei das ausdrücklich als nicht abschließend bezeichnet wird; der Kreis kann noch erweitert werden. Das ist der bereits beschlossene Rahmen des weiteren Vorgehens.

Selbstverständlich muss das Ergebnis dieser Anhörung in geeigneter Form in das weitere Verfahren einfließen. Insofern ist die Diskussion auch ergebnisoffen. Man kann jedoch schon jetzt sagen, dass es eine schwierige Diskussion wird. Dazu trägt die CDU mit allen Kräften bei, denn sie versucht, unter allen Umständen politisches Kapital aus diesem Thema zu schlagen; das ist, denke ich, offensichtlich.

(Zuruf von der CDU: Das kommt Ihnen bekannt vor!)

Dabei ist der CDU allerdings ihr Handeln als Regierungspartei mit Zuständigkeit für das Innenministerium zunehmend im Wege, denn in ihre Verantwortung fällt ein Personalabbau - der Abbau von 1 766 Stellen -, eine umstrittene Strukturreform zur Kriminalpolizei und die bereits erfolgte Schließung von sechs Polizeiwachen. Wie oft haben Sie dabei den Landtag beteiligt, und in welcher Form ist das geschehen? Ich kann mich nicht erinnern, Herr Petke, dass Sie in diesem Zusammenhang als Mahner in Erscheinung getreten seien. Gerade beim Thema der öffentlichen Sicherheit - das wissen wir alle genau - verbietet es sich, mit den Ängsten der Bürger zu spielen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte!

Sehr geehrter Herr Dr. Scharfenberg! Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam, Jann Jakobs, hat sich für den Erhalt der Wache Babelsberg ausgesprochen. Wie stehen Sie dazu?

Herr Bretz, Sie wissen ganz genau, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Vorschläge gibt, welche Wachen geschlossen werden.

(Lachen bei der CDU)

Ich halte es in jedem Fall für richtig, die Diskussion darüber zu führen, welche Form von Polizeipräsenz an die Stelle von ge

schlossenen Wachen treten wird. Daran können Sie sich aktiv beteiligen, Herr Bretz. Dieses Thema verbietet sich schon aus der Konstellation heraus, dass die Landeshauptstadt Potsdam in keinem Fall Gefahr laufen wird, eine zu geringe Polizeipräsenz zu haben.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag übernimmt die CDU wesentliche Überlegungen der Expertenkommission, so den Zusammenschluss zu einem Landespolizeipräsidium und die Umwandlung der bisherigen Schutzbereiche in vier Direktionen. Doch die damit verbundenen Schlussfolgerungen und Vorschläge, die einerseits den Abbau von 900 Stellen akzeptieren und andererseits suggerieren, dass alle Wachenstandorte erhalten werden könnten, sind populistisch und widersprüchlich - was ja eigentlich überhaupt nicht zu Herrn Petke passt.

(Beifall DIE LINKE)

Erstens: Sie wollen den Eindruck erwecken, dass alle Wachenstandorte erhalten werden könnten, obwohl bereits heute aufgrund der schon erfolgten Personalreduzierungen eine ausreichende Besetzung gar nicht möglich ist. Das hat die GdP eindeutig festgestellt.

Zweitens: Sie wissen ganz genau - und mahnen es ständig an -, dass die sich verschlechternden finanziellen Rahmenbedingungen nicht ohne Konsequenzen bleiben werden. Dazu gehört auch die absehbare demografische Entwicklung, die zu einem erheblichen Bevölkerungsrückgang führen wird.

Es ist gut und richtig, sich rechtzeitig darauf einzustellen. Das haben ja auch Sie akzeptiert, als Sie sich in den Koalitionsverhandlungen darum bemühten, weiter in Regierungsverantwortung zu bleiben. Sie sagten zu, so in der „Schweriner Volkszeitung“ vom 13.10.2009 nachzulesen, den Stellenabbau in der Polizei mitzutragen. Das hätten Sie dann auch ohne großes Wimpernzucken getan.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt fordern Sie einerseits faktisch Mehrausgaben in Höhe von etwa 40 Millionen Euro, die nach Ihrem Vorschlag ab 2020 anfielen, und wollen andererseits, dass die Landesregierung ihre Bemühungen zur Konsolidierung des Landeshaushalts verstärkt. Damit stellen Sie zugleich die Prioritätensetzung der neuen Landesregierung für Bildung, Kitas und den öffentlichen Beschäftigungssektor infrage.

Mit der Ablehnung des CDU-Antrags, die wir vornehmen werden, verbinde ich die Hoffnung, dass es uns bei der bevorstehenden Behandlung des Konzepts der Landesregierung doch noch gelingt, zu einer sachlichen Diskussion zu kommen und insbesondere die Frage zu klären, wie eine wirksame Polizeipräsenz anstelle der bisherigen Wachen ausgestaltet sein muss. Das muss der Schwerpunkt sein. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Abgeordnete Nonnemacher setzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Herr Präsident! Werte Kollegen! Verehrte Besucher und Herr Minister a. D. Schönbohm! Auch wenn ich in den letzten Monaten gelegentlich ein wenig erschöpft war von den mit steter Regelmäßigkeit vorgelegten CDU-Anträgen zur inneren Sicherheit und zur Polizei, so bin ich dem Kollegen Petke heute sehr dankbar für diesen Antrag, gibt er doch Gelegenheit, den Beschluss der Landesregierung zur Strukturveränderung bei der Polizei Brandenburg von Dienstag und den Beschluss des SPDLandesvorstands vom 5. September zeitnah zu beleuchten.

Dabei stellen wir fest: Die Landesregierung übernimmt die Vorschläge der Expertenkommission „Polizei Brandenburg 2020“ fast gänzlich und unverändert. Lediglich die Empfehlungen der Kommission zur ausschließlichen Neueinstellung im gehobenen Dienst und zur Aufstiegsausbildung von 100 Beamten jährlich werden zurückgestellt. Das Landespolizeiorchester wird ausdrücklich geschützt; es steht ja auch im Koalitionsvertrag.

Die vom Pressesprecher des Innenministeriums im August verkündete Standortentscheidung zu Potsdam als Sitz des Landespolizeipräsidiums wird von der Landesregierung abgesegnet, und es gibt ein Bekenntnis zum Standort Eberswalde in abgespeckter Form. Hatte es schon die Expertenkommission peinlich vermieden, sich zu Wachenstandortfragen und zur Binnenorganisation zu äußern, so bleibt die Landesregierung dieser Linie treu. Die Zahl der Wachen bleibt weiterhin vage. Die interpretationsfähige Zauberformel „15 plus x“, eine „wesentliche Reduktion“, lässt förmlich erahnen, wie sich jetzt die Provinzfürsten der Regierungsparteien warmlaufen zum Kampf um ihre Wachenstandorte.

Ziel der Regierung ist es explizit, die Struktur von „oben nach unten“ spätestens bis zum 01.01.2012 umzusetzen. Die Diskussionen sollen dann zu Ende sein, die Standortfrage bis dahin geklärt.

Bisher klappt das ja prima mit dem „von oben nach unten“. Der Koalitionsvertrag gibt die Kopfzahl Landesbediensteter vor. Der Innenminister gibt die Kopfzahl für die Polizei vor. Und eine willige Kommission aus abhängig Beschäftigten bastelt ihnen die passende Struktur dazu. Der Standort Potsdam ist gesetzt. Die Errichtung des Polizeipräsidiums wird bis zum 01.01.2011 angestrebt. Dies darf der Landtag - als Entscheidung des Gesetzgebers - in diesem Herbst beschließen; der entsprechende Gesetzentwurf kursiert bereits.

Mit der Verabschiedung des Brandenburgischen Polizeistrukturgesetzes ist die Initialzündung erfolgt, und alle weiteren unschönen - Details werden dann auf dem Verordnungsweg abgearbeitet. Bis dahin hat sich der Sturm der Entrüstung in der Provinz etwas gelegt.

Früher war der Zentralismus angeblich demokratisch; heute muss die Demokratie aufpassen, dass sie nicht zentralistisch wird.

Da beruhigt es mich doch sehr, dass der Landesvorstand der Regierungspartei SPD am Wochenende seinen Beschluss „Der Brandenburger Weg im dritten Jahrzehnt“ einstimmig gefasst hat, in dem es heißt:

„Mit einer Politik, die die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt und beteiligt, werden wir auch in Zukunft unseren eigenen Brandenburger Weg fortentwickeln.“

(Schippel [SPD]: Sehr richtig!)

Wie supertoll sich die Brandenburger Bürgerinnen und Bürger mitgenommen und beteiligt fühlen, erleben wir täglich durch nicht abreißende Proteste, Resolutionen von Stadtparlamenten und Kreistagen, in unseren Sprechstunden und in Form der angelaufenen Volksinitiative der GdP.

Die kommunikativen und moderierenden Fähigkeiten unseres Innenministers sind legendär und werden nicht ohne Grund in seiner eigenen Fraktion als „desaströs“ dargestellt.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Der Innenausschuss wird sich in den nächsten Wochen zur gründlichen Vorbereitung der Entscheidung des Gesetzgebers schwerpunktmäßig mit der Polizeistruktur beschäftigen. Sicherlich werden wir zahlreiche Experten anhören; Herr Scharfenberg hat das schon näher erläutert. Vermutlich werden wir mehrheitlich zu dem Ergebnis kommen, dass diese „Von-oben-nachunten“-Strukturreform alternativlos ist. Im Innenausschuss werden wir uns dann auch nicht nur mit dem fabelhaften „interaktiven Funkstreifenwagen“, sondern auch mit den vielen detaillierten Vorschlägen der CDU-Fraktion beschäftigen - auch ohne Überweisung. Ob wir „7 000“ durch „8 000“ ersetzen oder ob wir „15 plus x“ statt eines Bekenntnisses zum Erhalt aller Polizeiwachen nehmen, das geht beides so nicht. Der CDUAntrag ist für uns in der vorliegenden Form nicht zustimmungsfähig.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt SPD - Oh! bei der CDU)

Innenminister Speer setzt für die Landesregierung fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde heute nicht das vorwegnehmen, was ich in der nächsten Landtagssitzung tun werde: für die Regierung einen Gesetzentwurf einbringen und das vom Landtag erbetene Konzept zur Stellenentwicklung bei der Polizei und zu den notwendigen Strukturänderungen im Detail vortragen. Der Zeitplan ist hier mehrfach besprochen worden. Wir sind im Plan. Unsere Bringepflicht haben wir erfüllt. Das Papier ist seit Dienstag, nachdem sich das Kabinett mit dem Thema befasst und sich den Vorstellungen angeschlossen hatte, im Internet abrufbar. Auch hier ist schon daraus zitiert worden.

Ansatzpunkt für die Reform - ich wiederhole das - ist die Aufgabe, die auch der Kommission gestellt wurde, Herr Goetz. Sie hat intensiv gearbeitet und sich auch mit dem Status quo und mit dem, was bisher an Reformen passiert ist, intensiv auseinandergesetzt.

Ansatzpunkt war: Wie gelingt es, das, was wir allenthalben mit dem Begriff „subjektives Sicherheitsempfinden der Bevölkerung“ beschreiben, sicherzustellen auch bei einer Personalstruktur, die der entspricht, die wir in vergleichbaren Ländern haben?

Herr Goetz, Sie müssen einmal erklären, wie wir das auch von der FDP immer vertretene und hochgehaltene Neuverschuldungsverbot - die Grenzen, die wir diskutiert haben, sind auf

grund der Vorstellungen Ihrer Fraktion im Bundestag in die Kommission eingebracht worden - erreichen wollen, wenn wir nicht zu mindestens vergleichbaren Personalstrukturen kommen. Das müssen Sie erklären. Wenn wir im Jahr 2020 7 000 Polizisten haben werden, wovon wir jetzt ausgehen, so sind das pro Kopf mehr als in anderen vergleichbaren Ländern in der Bundesrepublik Deutschland. Wollen Sie denn einen Solidarpakt III aufrufen, um das zu finanzieren? Sind wir nicht in der Lage, unsere Arbeit so zu gestalten, dass wir mit einem vergleichbaren Personalkörper gewährleisten können, was heute schon in vergleichbaren Ländern gewährleistet wird? Wir stellen uns dieser Aufgabe.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Gern.