Protocol of the Session on June 3, 2010

Drucksache 5/1242

in Verbindung damit:

Für freie Ufer und gegen Seenprivatisierung

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/1246

Wir beginnen die Debatte mit dem Redebeitrag des Abgeordneten Dombrowski für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vergangenen Dezember hatten wir schon einmal über das Thema Seenprivatisierung debattiert. Damals lagen zwei Anträge vor, einer von der Regierungskoalition, ein anderer von der CDU-Fraktion.

Beide Anträge hatten Folgendes zum Gegenstand: erstens die Verlängerung des Moratoriums zur Aussetzung der Veräußerung von BVVG-Gewässern, zweitens die unentgeltliche Übertragung dieser Seen an die Kommunen und die Länder und drittens die landesgesetzliche Sicherung des öffentlichen Zugangs zu den Gewässern für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Besucher in Brandenburg.

Meine Damen und Herren, wie ging es dann weiter? Die Landesregierung hatte mit dem mehrheitlich zugestimmten Antrag von Rot-Rot den Handlungsauftrag, sich im Bundesrat der schon längst bestehenden Initiative von Mecklenburg-Vorpommern anzuschließen. In der Debatte am 18. Dezember 2009 im Bundesrat, als Brandenburg zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern eine Initiative in der Länderkammer zur kostenlosen Übertragung von BVVG-Gewässern an die Länder und Kommunen beantragten, redete der Agrar- und Umweltminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herr Minister Backhaus, in der Aussprache. Von Brandenburg liegt seitens des Wirtschaftsministers Herrn Christoffers nur eine Protokollerklärung vor. Beantragt wurde in der Debatte im Bundesrat zudem eine Sofortentscheidung. Die Mehrheit im Bundesrat hatte jedoch beschlossen, die Vorlage Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs in den federführenden Umweltausschuss und mitberatend an den Agrar- und Finanzausschuss zu überweisen. So weit der Ablauf des bisherigen Geschehens.

Eine abschließende Behandlung der überwiesenen Initiative der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg fand bislang nicht statt. Außerhalb des Bundesrates wurden mehr Aktivitäten an den Tag gelegt. So gab es im April dieses Jahres ein Treffen zwischen Bund und Ländern zu Fragen der Seenprivatisierung. Ein abschließendes Ergebnis liegt noch nicht vor. Allerdings hat man sich darauf verständigt, in der zweiten Jahreshälfte noch einmal zusammenzukommen. So lange wird auch im Bundesrat keine abschließende Entscheidung über die Entschließung von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gefällt.

Mit unserem Antrag fordern wir von der Landesregierung im Übrigen auch einen schriftlichen Zwischenbericht über die bislang erzielten Ergebnisse oder - besser gesagt - Zwischenergebnisse der Bund-Länder-Gespräche zur Gewässerprivatisierung sowie eine Darstellung der Position des Landes Brandenburg.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung - und damit auch die BVVG - einen ganz klaren gesetzlichen Auftrag, der heißt: Verwertung und Privatisierung von Seen, die sich im Treuhandbestand des Bundes befinden. Der Bund und auch die BVVG halten sich also strikt an die gesetzlichen Vorschriften, die ihnen zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus ist das Verfahren der Gewässerprivatisierung der BVVG mehrstufig. Zuerst wird das Gewässer der Kommune zum Kauf angeboten, danach den Fischereipächtern bzw. auch Naturschutzorganisationen. Diese Gruppen haben ein Vorkaufsrecht. Erst wenn im Rahmen dieses mehrstufigen Ver

wertungsverfahrens kein Angebot seitens der Kommune, der Fischereipächter oder einer Naturschutzorganisation vorliegt, wird der See bzw. das Gewässer öffentlich ausgeschrieben und der Wert mittels Gutachten ermittelt.

Die CDU-Fraktion steht zu ihren Forderungen, die wir im Dezember in unserem Antrag formuliert haben, der mit der Mehrheit der Regierungskoalition abgelehnt wurde.

Wir sehen aber auch, dass für eine unentgeltliche Übertragung von Seen auf die Länder und Kommunen - zumindest derzeit und aus unserer Sicht auch mittelfristig - keine Mehrheit vorhanden sein wird. Das Problem besteht jedoch und bedarf einer Lösung.

(Beifall CDU)

In der Debatte im Deutschen Bundestag vom Dezember 2009 wurde sowohl von der SPD-Bundestagsfraktion als auch von der Linksfraktion im Deutschen Bundestag ein diesbezüglicher Antrag gestellt. Die Linken forderten einen Privatisierungsstopp und ein Privatisierungsverbot für Äcker, Seen und Wälder. Beide Anträge wurden jedoch vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages im Januar dieses Jahres abgelehnt.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Wer hat denn da die Mehr- heit? Es ist wichtig, wofür man Verantwortung trägt!)

- Frau Kollegin Wehlan, Ihr Zwischenruf gibt mir die Möglichkeit, auf unsere gestrige Diskussion hinzuweisen, in der auch die Regierungsfraktionen deutlich machten, dass es zwischen Bund und Ländern viele Dinge gibt, die völlig unabhängig von der politischen Farbe entschieden werden.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Aha!)

Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte mit dem Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland zeigen, dass nicht so sehr darauf Rücksicht genommen wird, ob in den einzelnen Bundesländern die gleiche oder eine andere Partei regiert als in Berlin oder ehemals in Bonn. Schließlich vertreten die Bundesländer ihre eigenen Interessen. Insofern dürfen wir nicht darauf vertrauen - wenngleich wir auf unser Land stolz sind -, dass sich der Bundesrat, ein Gremium mit Vertretern der Landesregierungen der 16 Bundesländer, ausgerechnet das Brandenburger Problem bzw. die Position der brandenburgischen Regierung zu eigen macht. Schließlich machen wir uns die Probleme der Abgeordneten aus den anderen Bundesländern auch nicht zu eigen. Von daher ist es kein Wunder, dass wir unabhängig davon, dass Deutschland derzeit unter CDU-Beteiligung regiert wird, nicht in der Lage sind, Probleme, die in anderen Bundesländern wahrgenommen werden, zu lösen.

(Beifall CDU)

Kollege Bischoff sprach in der gestern am Rande geführten Haushaltsdiskussion in Richtung CDU von „Ihrer Bundesregierung“. Ich sage Ihnen: Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist genauso Ihre Bundesregierung, wie die rot-rote Landesregierung auch unsere Landesregierung ist. Man muss die Bundesregierung nicht mögen, aber Fakt ist: Die Bundesregierung ist die Regierung aller.

(Krause [DIE LINKE]: Ja, aber wir haben sie nicht ge- wählt!)

Dass wir mit unserer Landesregierung derzeit nicht sehr zufrieden sind, ist eine andere Frage. Wir respektieren den Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland, das Grundgesetz und die Verfassung des Landes. Das sollten Sie auch tun. Insofern haben wir eine Bundesregierung und eine Landesregierung.

(Beifall der CDU und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Meine Damen und Herren, im Februar dieses Jahres führte ich ein Gespräch mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Herrn Kampeter. In diesem Gespräch haben wir uns ausgiebig mit der Frage Seenprivatisierung beschäftigt. Herr Kampeter versicherte mir, dass die Bundesregierung sehr an einer Paketlösung interessiert sei. Mit Paketlösung ist gemeint, dass sich das Land Brandenburg zu Gesprächen mit der Bundesregierung trifft bzw. treffen sollte, um für die in Brandenburg liegenden zum Verkauf stehenden 246 Seen entsprechende Konditionen auszuhandeln, die Gewässer in Landeseigentum zu übernehmen und sich mit dem Bund auf ein faires Verfahren zu verständigen.

An dieser Stelle möchte ich auch eindringlich auf die damit verbundenen finanziellen Belange eingehen. Mit unserem Antrag fordern wir ausdrücklich nicht, dass das Land für den Erwerb der Seen in Brandenburg in Vorkasse gehen sollte; denn das lässt die Haushaltslage des Landes nicht zu.

Nach der gestrigen Ankündigung von Minister Markov verstehe ich auch die Nachfrage des Kollegen Görke in einer der letzten Landtagssitzungen hinsichtlich der Bezahlung in Bezug auf die Gewässer. Da wusste er offenbar schon mehr über den Haushalt des Landes, als wir es ahnen konnten.

(Beifall CDU - Görke [DIE LINKE]: Ich glaube, Sie er- zählen Märchen!)

Wir schlagen mit unserem Antrag vor, dass sich das Land Brandenburg mit potenziellen Interessenten, unter anderem mit Vertretern des Landesfischereiverbandes, der Stiftung NaturSchutzFonds Brandenburg oder auch der Kommunen zusammensetzen sollte, um eine gemeinsame Strategie zur Übernahme der Gewässer zu entwickeln. Einige Verbände sind sogar bereit, selbst Mittel zu investieren, um die Gewässer aus dem Dauerbestand des Bundes herauszulösen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, § 90 der Gemeindeordnung - Veräußerung von Vermögensgegenständen - in Erinnerung rufen. Darin heißt es, dass gemeindliche Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen. Wenn die Kommunen und Gemeinden hier richtigerweise dazu verpflichtet werden, Vermögen nicht zu verschenken, dann stellt sich mir die Frage, warum Sie den Bund dazu auffordern, gegen das geltende Gesetz zu handeln, indem er die Gewässer an die Länder unentgeltlich übertragen soll. Hier passen Topf und Deckel nicht zusammen. Diese Grundprinzipien sollten meines Erachtens für jeden gelten.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir stimmen mit Ihnen darin überein, dass es zielführender ist, die öffentliche Zugänglichkeit der Gewässer mittels einer Novellierung des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes zu gewährleisten. Den Gemeinden und Kommunen sollte der Handlungsrahmen einge

räumt werden, die öffentliche Zugänglichkeit unserer Gewässer in Brandenburg sicherzustellen. Eine Lösung, die unter anderem das Brandenburgische Wassergesetz zum Gemeingebrauch oberirdischer Gewässer einräumt, sollte auch im Rahmen des Naturschutzgesetzes des Landes in puncto Zugänglichkeit der Gewässer möglich sein.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich bin überzeugt, dass die Privatisierung der Gewässer einer praktikablen Lösung bedarf. Das erwarten vor allem die Bürger unseres Landes von uns. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Paketlösung ein Ansatz ist, über den man ernsthaft nachdenken sollte. Regierung und Opposition stehen hier in einer gemeinsamen Verantwortung. Insofern bitte ich Sie, sich nicht zu verweigern, sondern unserem Antrag oder zumindest einer Überweisung in den Ausschuss zuzustimmen, damit endlich gehandelt werden kann und die Bürger sehen, dass gehandelt wird. - Danke schön.

(Beifall CDU und FDP)

Bevor der Abgeordnete Jungclaus für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erhält, begrüße ich unsere Gäste vom Institut für Kirche und Gesellschaft in Herne. - Herzlich willkommen im Landtag in Potsdam!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste aus Herne! Wir befassen uns heute erneut mit dem Thema Seenprivatisierung bzw. mit dem freien Zugang zu Seen. Eigentlich wurde zu dem Thema bereits vor einem halben Jahr in diesem Hause alles gesagt. Dennoch hat die Koalition für diesen Tagesordnungspunkt längere Redezeiten beantragt - für zwei Anträge der Opposition wohlgemerkt. Man war wohl der Meinung, mehr Zeit für Erklärungen, Entschuldigungen und Ausreden zu benötigen;

(Oh! von Frau Geywitz [SPD] - Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

denn eigentlich bestand im Dezember zu diesem Thema weitgehend Einigkeit, die - davon gehe ich aus - wohl inhaltlich auch weiterhin besteht.

Uneinigkeit herrscht indes hinsichtlich des Verfahrens. Hier besteht wohl tatsächlich Diskussionsbedarf. Obwohl die Landesregierung bereits im Dezember aufgefordert wurde, eine verbindliche Regelung für die öffentliche Zugänglichkeit von Seen zu schaffen, ist bis heute nichts geschehen - jedenfalls nichts Erkennbares.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Wer sagt denn das?)

Ich darf Sie daran erinnern: Der entsprechende Antrag wurde von der Koalition selbst eingebracht.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Genau!)

Ein halbes Jahr warten zu müssen ist genug. Das Thema brennt den Bürgerinnen und Bürgern unter den Nägeln. Inzwischen

finden in der Landeshauptstadt regelmäßig Montagsdemonstrationen hierzu statt. In Potsdam kam es sogar zu tumultartigen Szenen, als die Stadtverwaltung Barrikaden von Grundstücksbesitzern räumen ließ. Dennoch hat es die Landesregierung bis heute nicht geschafft, der Aufforderung des Landtags nachzukommen und eine klare gesetzliche Grundlage zu schaffen. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass der Landesregierung nicht ausreichend personelle Kapazitäten zur Verfügung stehen, um ihre eigenen Anträge zu bearbeiten. Überfordert die Koalition etwa ihre eigene Landesregierung? - Das klingt nach vertauschten Rollen; denn eigentlich ist es doch an der Opposition, die Unfähigkeit der Regierung aufzuzeigen. Ich hoffe, das Gleiche geschieht nicht bei der Entwicklung einer Strategie zum Verbraucherschutz, worüber gerade debattiert wurde.

(Zuruf der Abgeordneten Wehlan [DIE LINKE])

Den gegenwärtigen Zustand wollen wir nicht länger hinnehmen. Insofern fordern wir die Landesregierung auf, durch eine unverzügliche Änderung des Brandenburger Naturschutzgesetzes den uneingeschränkten Durch- und Zugang der Öffentlichkeit zu den Gewässern zu gewährleisten.

(Beifall GRÜNE/B90)