Ich erkläre noch einmal: Ich habe die Meldung zur Kurzintervention des Abgeordneten Dombrowski zur Kenntnis genommen und gesehen, dass er dann seinem Kollegen Herrn Burkardt das Rederecht überlassen hat. Damit war diese Kurzintervention weitergegeben. Ich gestatte keine weiteren Kurzinterventionen zu diesem Thema an dieser Stelle.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Vielleicht kann ich mit einer Einladung Ihre Gemü
ter etwas beruhigen. Ich lade Sie recht herzlich zum Sozialgipfel der Landesarmutskonferenz des Landes Brandenburg am 21. Juni dieses Jahres in der Landeshauptstadt Potsdam ein.
Ich finde, diese Reaktion passt zu dem, was Sie vorhin hier gesagt haben. Das muss ich Ihnen sagen: Sie sollten diese Landesarmutskonferenz, die sich in Zusammenarbeit mit vielen Spitzenverbänden gebildet hat, genauso wenig geringschätzen wie Familien mit wenig Einkommen. Das sollten Sie sich durchaus ins Stammbuch schreiben lassen.
Auf dieser Landesarmutskonferenz beschäftigt man sich mit solchen Themen: Wie wirkt sich Einkommensarmut auf Familien, und zwar im weitesten Sinne des Wortes, aus? Sie können dort mit Vertretern von Vereinen und Verbänden sprechen. Sie können aber dort genauso mit Betroffenen reden, mit denjenigen - und da bin ich bei Ihnen, Frau von Halem, Sie sprachen von einem Placebo -, für die das Schüler-BAföG kein Placebo ist, sondern Akuthilfe, um einmal in Ihrem Bild zu bleiben. Wenn man es unter sozial schwierigen Bedingungen bis zur 10. Klasse, an welcher Schule auch immer, geschafft und gute Ergebnisse erzielt hat, dann soll das Schüler-BAföG wie Medizin wirken; die Überlegung, ob man es sich leisten kann, den Weg weiter bis zum Abitur zu gehen, soll damit nicht mehr so weh tun.
Deshalb brauchen wir jetzt und nicht später dieses Schüler-BAföG als ein Mittel, um Kindern und Jugendlichen aus einkommensarmen Verhältnissen schnellstmöglich zu helfen. Das ist ein Aspekt im Gesamtkontext. Weil Sie immer so viel von Studien sprachen: Es gibt eine aktuelle World-Vision-Studie, die demnächst veröffentlicht wird.
Der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Hurrelmann hat eine Einschätzung gegeben, die uns bestärken muss, das Schüler-BAföG ohne Verzögerung zu etablieren. Das heißt nicht, dass wir dadurch andere vernachlässigen müssen; ich glaube, darüber besteht hier Konsens. Wir müssen den Bildungsprozess von Anfang an begleiten. Daher kann ich Sie von der CDU-Fraktion nicht verstehen, wenn Sie hier heute sagen, Herr Dombrowski, die Auslese beginne in Klasse 5 - Sie haben davon gesprochen, dass das heute so üblich sei. Genau das ist aber kontraproduktiv! Bei dem, was Sie vorhin gesagt haben, widersprechen Sie sich selbst. Genau hier darf diese Auslese nicht stattfinden, und ich sage Ihnen jetzt auch mit Prof. Hurrelmanns Worten, warum: Er hat festgestellt - und zwar mit Erschrecken -, dass sich eine wachsende Zahl von Kindern - rund 20 % aller Kinder - bereits im frühen Alter massiv benachteiligt fühlt. Diese Kinder sehen ihre Zukunft negativ. Wer negativ in seine Zukunft blickt, ist nicht in der Lage, positive Leistung zu erbringen. Das Schüler-BAföG ist ein positiver Aspekt mit Ausblick in die Zukunft - ein Punkt von vielen, den wir hier setzen.
Lassen Sie mich noch etwas zu dem Vorwurf, Kinder aus Hartz-IV-Familien würden ab dem nächsten Jahr in puncto Schüler-BAföG leer ausgehen, sagen. Es ist doch wirklich
nicht vermittelbar, dass die Linke nach Ablauf des Monats Dezember 2010 Kinder, deren Eltern ALG II beziehen, sitzen lässt und sagt: „Nun seht mal schön zu, wie ihr klarkommt.“ Das sagt auch der Koalitionspartner nicht. Wenn Sie das Gesetz und auch die Begründung zum Gesetz lesen, werden Sie erkennen, dass eine Lösung in Aussicht gestellt wird, sobald der Bundesgesetzgeber die Regelsätze für Kinder in den Hartz-Gesetzen geändert hat. Dass wir auf diese Regelung zurückgreifen mussten, hat schlicht und einfach mit dem gegenwärtigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu tun. Bildungsmittel sind bisher im Regelsatz nicht berücksichtigt. Deshalb läuft das so bis Dezember 2010. Ab Januar 2011 - das kann die Koalition hier jedem Jugendlichen versprechen - gibt es eine andere Lösung, die nicht schlechter sein wird als die bisherige, bis Dezember 2010 geltende. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wöllert. - Ich erteile nun dem Abgeordneten Dombrowski von der CDU-Fraktion das Wort zu einer Kurzintervention.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wöllert, wissen Sie, was der Ministerpräsident mit seiner Klassenkampf-Rhetorik angerichtet hat? Ich bin ja schon dankbar, dass er nur „am Rücken vorbei“ gesagt hat und nicht an einem anderen Körperteil vorbei. Dadurch, dass Sie der CDU-Fraktion und vielleicht auch anderen Fraktionen die schlimmsten Dinge unterstellen, zum Beispiel, dass wir an Problembereichen der Gesellschaft vorbeischauen würden, wird der von Ihnen eingebrachte Gesetzentwurf nicht besser.
Sie wissen natürlich, dass das Unsinn ist. Sie, Herr Ministerpräsident Platzeck, und auch die SPD tun ja so, als ob Sie 20 Jahre in diesem Land nichts zu sagen gehabt hätten.
Es müsste Ihnen ja noch bekannt sein, wann die Verbesserungen bei den Ergebnissen der PISA-Vergleichstests eingesetzt haben und mit welchen Anstrengungen und welchen Diskussionen dies verbunden war. Ohne auf alte Zeiten zurückschauen zu wollen, glaube ich, dass auch die CDU einen großen Anteil daran hat, meine Damen und Herren. Wenn ich dann hier höre, dass Sie den Kollegen Burkardt angreifen, obwohl er nichts weiter getan hat, als auf seine eigene Bildungsbiografie hinzuweisen, dann ist das nicht gerecht. In dem Zusammenhang, dass der Herr Bildungsminister vorhin - wenn er sich auch verbessert hat - in seinem Redebeitrag erwähnt hat, dass Schüler von ihren Eltern ausgehalten werden, ist es doch richtig, dass ein älterer Abgeordneter auch einmal darauf hinweist, wie mühsam er sich seine Bildung verdient hat und dass eine Familie zusammenhalten muss. Das, so scheint es, wollen Sie hier ein bisschen auseinanderbringen. Wenn ich dann hier von dem Kollegen Krause höre, dass der Landesschülerrat gar nicht legitimiert sei, zu solchen Dingen Stellung zu nehmen, finde ich das einfach absurd.
Sie malen sich das hier so, wie Sie es haben möchten. Sie haben immer unsere Unterstützung, die Unterstützung der CDUFraktion, wenn Sie für Schülerinnen und Schüler und für alle anderen benachteiligten Gruppen in Brandenburg Verbesserungen herbeiführen wollen. Da haben Sie uns stets an Ihrer Seite, nur tun Sie es bitte an Stellen, wo ausgewiesene Fachleute auch der Meinung sind, dass es dort funktionieren und wirken kann. Hören Sie also auf mit dieser Symbolpolitik!
Vielen Dank, Herr Dombrowski. - Ich weise noch einmal darauf hin, dass Kurzinterventionen dazu da sind, sich zu einem Redebeitrag zu äußern und darin konkret zu intervenieren, nachdem man sich gemeldet hat. Das wäre in Ihrem Fall der Beitrag von Frau Wöllert gewesen. Wir wollen doch künftig bitte so verfahren, dass wir uns hier an die Geschäftsordnung halten.
Wir setzen die Debatte mit dem Redebeitrag der Landesregierung fort. Frau Ministerin Münch hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, es gelingt, die Gemüter wieder etwas zu beruhigen, denn im Grunde haben auch gerade die jungen Menschen, die der Debatte folgen, nicht verdient, dass wir hier den nötigen Umgangston vermissen lassen und uns in einen Streit begeben, wobei es uns allen doch zumindest auf dem Papier um Bildung geht.
(Zuruf von der CDU: Schauen Sie doch einmal den Mi- nisterpräsidenten an, der hat damit angefangen! - Oh! bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)
Ich denke, es würde auch der Opposition guttun, etwas mehr Respekt vor dem höchsten gewählten und demokratisch legitimierten Amt in diesem Land zu haben, Herr Dombrowski!
Lassen Sie mich einmal einen Rückgriff auf die Geschichte nehmen; vielleicht beruhigt das ja etwas. Als die Regierung Kohl/Genscher im Jahr 1983 das BAföG für Schüler, die im Elternhaus wohnen, abgeschafft hat, gab sie eine Begründung. Ich zitiere:
„Die knapper werdenden finanziellen Mittel des Staates müssen gezielter eingesetzt werden als bisher.“
„Dazu sind in erster Linie die Länder in der Lage, weil sie die darüber hinausgehenden konkreten Bedürfnisse einer individuellen Ausbildungsförderung im jeweiligen Land besser beurteilen können.“
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, halten wir also fest: Noch unter dem „Kanzler der Einheit“ waren Ihre Par
teien überzeugte Anhänger der Landesausbildungsförderung auch für allgemeinbildende Schulen. Zugegeben: Es brauchte die Gründung des Landes Brandenburg und 27 lange Jahre, aber jetzt sind Sie dank unserer Entschlossenheit am Ziel.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie unter diesen Umständen gegen diesen Gesetzentwurf stimmen können. Erlauben Sie mir trotzdem noch, einige Worte zum Gesetzentwurf zu sagen:
Das Wissenschaftsministerium wird aufgrund seiner Erfahrungen und seiner Fachzuständigkeit im Bereich der Ausbildungsförderung nach dem BAföG die Fachaufsicht auch für das Brandenburgische Ausbildungsförderungsgesetz übernehmen. Mit der Durchführung des Gesetzes werden die Kreise und die kreisfreien Städte beauftragt, die über ihre Ämter zur Ausbildungsförderung bereits das Verfahren zur Ausbildungsförderung nach dem BAföG für nicht bei den Eltern wohnende Schülerinnen und Schüler realisieren. Dieses Verfahren funktioniert sehr gut. Es gibt eine vertrauensvolle und enge Beratung zwischen meinem Haus und diesen Kreisen, und es hat bis jetzt niemals bemerkenswerte Beanstandungen gegeben. Die Ämter verfügen daher im Wesentlichen bereits über die verwaltungstechnischen Voraussetzungen für die Umsetzung einer derartigen Förderung. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, den Kolleginnen und Kollegen in den BAföG-Ämtern für die von ihnen bisher geleistete, hervorragende Arbeit zu danken. Ich bin mir ganz sicher, dass in den Kreisen und kreisfreien Städten auch die neuen Aufgaben nach dem Brandenburgischen Ausbildungsförderungsgesetz gemeistert werden und dass diese Schreckensszenarien, die immer wieder an die Wand gemalt werden, nicht eintreten.
Die Einführung der Landesausbildungsförderung bereits zum nächsten Schuljahr ist organisatorisch ambitioniert, aber machen Sie sich keine Sorgen - wir werden das hinbekommen. Die Software wird entwickelt werden, und wir haben einen gezielten Plan, ab wann ausgezahlt werden wird. Dieses Geld wird auch rückwirkend zur Verfügung stehen. Es ist wichtig, das BAföG jetzt einzuführen, denn wir wissen: Verpasste Bildungschancen können wir - im Gegensatz zu Verwaltungsvorgängen - nicht ohne Weiteres nachholen.
Bildung ist von zentraler Bedeutung für die Zukunft unseres Landes. Sie ist der Schlüssel für einen modernen Sozialstaat, der soziale Vorsorge in den Mittelpunkt stellt und von Anfang an in alle Menschen und ihre Fähigkeiten investiert. Erst Bildung versetzt Bürgerinnen und Bürger in die Lage, aktiv einen Beitrag für das Gemeinwesen zu leisten. Eine größere Bildungsbeteiligung bedeutet auch, mehr Menschen bessere Lebenschancen zu eröffnen und ihnen den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.
Bildung und Fortschritt hängen unmittelbar zusammen. Gut ausgebildete Fachkräfte bilden das Rückgrat der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung dieses Landes. Wir brauchen, nicht zuletzt auch aufgrund des demografischen Wandels, jede einzelne Brandenburgerin und jeden Brandenburger und können es uns nicht leisten, jemanden zurückzulassen.