ler Jugendlichen nach der 10. Klasse die Berechtigung zum Besuch einer weiterführenden Schule nicht nutzen und ob sie angenommen, sie bekämen die Förderung - weiter die Schulbank drücken würden.
Ob das Schüler-BAföG das erste Mittel der Wahl gegen Bildungsungerechtigkeiten ist, scheint auch niemand mehr zu fragen. Das wird aus der heutigen Debatte und genauso aus der letzten Sitzung des Ausschusses klar. Da wurde nämlich - heute übrigens noch einmal - von den Vertretern der Regierungskoalition freimütig eingeräumt, dass wir alle nicht wissen, ob das Gesetz insgesamt zielführend sein könnte. Es wurde nur noch darüber debattiert, ob es nicht vielleicht in Einzelfällen das gesetzte Ziel erreichen könnte. Da war die Rede vom „Glauben an die gute Sache“ und vom „Neffen des Nachbarn“, der nur deshalb sein Abitur machen konnte, weil die Großeltern ihm unter die Arme gegriffen haben.
Ich möchte gar nicht bestreiten, dass solch eine Ausbildungsförderung grundsätzlich sinnvoll sein kann. Das ist sie sicher. Aber es gibt für dieses Projekt in dieser Form keinen Beleg dafür, dass es sinnvoll sein könnte. Es helfen auch keine Debatten darüber, ob es sich an Leute wendet, die sich etwa ein warmes Mittagessen nicht leisten können.
Jetzt komme ich dazu, was mich in diesem Zusammenhang wirklich erschüttert: Ja, wir wollen Klientelpolitik machen. Wir wollen diejenigen unterstützen, die es am nötigsten haben. Aber muss es uns dabei nicht darum gehen, wie wir das wenige Geld, das wir zur Verfügung haben, so gut wie möglich investieren? Halten wir es wirklich für richtig, Mittel an Stellen zu investieren, von denen nur einige wenige glauben, es könne sinnvoll sein? Können wir uns das wirklich leisten?
Können wir uns das leisten, wenn an anderen Stellen nach Meinung aller Experten das Geld so viel nötiger gebraucht wird?
In meiner ersten Plenarrede zu diesem Thema habe ich den Minister aufgefordert, vom Pferd, das er reite, abzusteigen, weil es tot sei. Aber dieses Bild ist falsch: Ein totes Pferd war immerhin mal ein Pferd - es hat noch vier Beine, die davon Zeugnis legen, dass es einmal laufen konnte. Auch ein totes Pferd hat ein Maul und Lungen, die es befähigten zu wiehern. Aber was Sie hier reiten - offensichtlich unter der Knute des SPD-Triumvirats - ist nur ein Steckenpferd: Von vorn ist es vielleicht ganz niedlich anzusehen, aber hinten ist es nur ein morscher Stecken.
Wenn Sie heute den Antrag stellen, dass das Ganze evaluiert werden soll, ist das eine klasse Sache. Ja, richtig! Aber Sie hätten schon vorher damit anfangen können!
Die Vorschläge haben wir mehrfach gemacht. Es hätte prima Exit-Optionen gegeben, bei denen man auf die veränderten Rahmenbedingungen hätte verweisen können, um sich von dem Projekt zurückzuziehen, zum Beispiel das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den ALG-II-Regelsätzen.
Nachdem wir heute das Tierreich mit Maulwürfen, Giraffen, Pferden und Steckenpferden thematisiert haben, geht es jetzt mit dem Redebeitrag der Landesregierung weiter. Herr Minister Rupprecht, wir sind gespannt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt nichts über Pferde, sondern zum Thema: Die Debatte, die wir gehört haben und zu der ich jetzt meinen Teil beitragen werde, hat eigentlich nichts Neues gebracht. Es ging wieder um die Aspekte, die auch in der Anhörung zur Sprache kamen. Sie sind noch einmal von verschiedenen Seiten beleuchtet worden, und ich kann hier versichern: Ich nehme die heute hier genauso wie die in der Anhörung vorgetragene Kritik sehr ernst.
Aber auch nach Abwägung der heute vorgebrachten Argumente bleibe ich bei meiner Feststellung: Die Einführung unserer Ausbildungsförderung ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Es bleibt bei meiner Überzeugung und, Herr Hoffmann, nicht bei meinem Parteiauftrag, wie Sie vermuten: Diese Unterstützung von Schülerinnen und Schülern aus einkommensschwachen Familien auf dem Weg zum Abitur wird positive Wirkungen haben - Ausrufezeichen!
Was mir wichtig ist: Lassen Sie uns gemeinsam die Situation in zwei Schulformen betrachten, die nach wie vor den Großteil unserer Kinder aufnehmen. Das sind die Oberschulen und die Gesamtschulen. Gehen Sie in diese Schulen - ich habe es getan -, sprechen Sie mit Schülerinnen und Schülern aus den 10. Klassen. Sprechen Sie mit ihnen über ihre Optionen, sprechen Sie dabei nicht mit den Leistungsschwächsten - mit diesen können Sie sich auch unterhalten -, sondern mit den Leistungsstarken, die auf einen guten oder sogar sehr guten Schulabschluss hinsteuern, die aber aufgrund des geringen Einkommens ihrer Eltern einen Weg eingeschlagen haben, der mit der 10. Klasse endet, nämlich: 10.-Klasse-Abschluss, Ausbildung,
Geld verdienen und der Familie das zurückgeben, was sie ihnen zehn Jahre lang gegeben hat. Das ist die Situation in vielen dieser Familien.
Dann doch die Entscheidung zu treffen, an einem beruflichen Gymnasium oder an einer Gesamtschule einen höheren Abschluss anzustreben - das Abitur nach 13 Jahren -, bedeutet für diese Familien die Überlegung: Wie stemmen wir diese Mehrkosten? Wie stemmen wir sie nicht nur zwei Jahre, wie am Gymnasium, sondern drei Jahre? Das bedeutet für die Jugendlichen, sich für drei weitere Jahre von den Eltern aushalten zu lassen, aber auch, eventuell nebenher arbeiten zu gehen, um sich beispielsweise den Laptop kaufen oder zusammen mit Freunden ins Theater gehen zu können. Vieles von dem ist für uns selbstverständlich; für diese Familien ist es das nicht. Deshalb steht dort ein Stoppschild.
Meine Damen und Herren, der Wechsel von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II ist ein ganz besonders sensibler Übergang, denn hier stellt sich erstmalig in der Bildungsbiografie die Frage: Schluss mit Schule oder weiter mit Schule? Eine ganz entscheidende Frage, die natürlich einen Vergleich provoziert: Was passiert, wenn ich den einen Weg gehe - was passiert, wenn ich den anderen Weg gehe?
Herr Minister, halten Sie es für Mitglieder der Landesregierung für angemessen, den Begriff „aushalten lassen“ zu verwenden, wenn es darum geht, dass Eltern für ihre Kinder aufkommen? Ist es nicht so, dass es ein ganz normales Familienverständnis ist, dass die Eltern für die Kinder und die Kinder für die Eltern da sind?
Herr Dombrowski, ich habe erwähnt, dass ich mich in Schulen mit solchen Schülern unterhalten habe. Deren Wortwahl habe ich benutzt, nicht meine. Die jungen Leute empfinden das so, und sie sagen es auch so. So habe ich es erlebt.
Die Entscheidung, weiter zur Schule zu gehen, bedeutet auf der anderen Seite, nicht in die Ausbildung zu gehen und eine nicht unbeachtliche Summe Geld zu verdienen. Ich rede dabei nicht von den tariflichen 890 Euro Brutto, 3. Lehrjahr Bankgewerbe, sondern ich denke, auch 250 Euro Brutto sind eine Menge Geld für Kinder, die aus Familien kommen, in denen
Die Lage am Ausbildungsmarkt entspannt sich, wie wir wissen. Es ist heute zumindest für die Leistungsstarken nicht mehr problematisch, einen Platz im dualen Ausbildungssystem zu erwerben. Da winken dann solche Ausbildungsentschädigungen. Das wird verrechnet bei den familiären Diskussionen. Ich bin überzeugt, die meisten der Mädchen und Jungen, die an dieser Stelle der Schule Adieu sagen, hätten auch gern einen höheren Schulabschluss erreicht. Sie waren aber aufgrund der finanziellen Situation in der Familie dazu nicht in der Lage. Der höhere Schulabschluss ist ihnen verwehrt geblieben. Diese soziale Benachteiligung von Kindern in unserer Gesellschaft finde ich unerträglich.
Meine Damen und Herren, ich habe, wie ich vorhin schon angedeutet habe, in der heutigen Debatte nichts gehört, was mich von meiner Überzeugung abbringt, dass wir ein sinnvolles und auch erfolgversprechendes Projekt auf den Weg bringen. Selbstverständlich, Frau von Halem, müssen Initiativen zur Förderung von Kindern und speziell zur Förderung von Kindern aus einkommensschwachen Familien bereits vor der Grundschule einsetzen, in der Primarstufe fortgesetzt werden und diese Kinder den ganzen Weg durch die Schule begleiten. Ich denke, Bildungsgerechtigkeit und die Verbesserung individueller Lernchancen sind Vorhaben, die wir auf der ganzen Breite bearbeiten.
Ich könnte dazu jetzt ausführlich referieren, aber ich werde nur Stichpunkte nennen. Herr Hoffmann, Sie können das dann wieder als Selbstbeweihräucherung werten. Ich möchte folgende Punkte nennen: beispielsweise die Verbesserung des Personalschlüssels in unseren Kindertagesstätten, die kürzlich vom Plenum beschlossen wurde, die Verbesserung des Übergangs von der Kita in die Grundschule, die Einführung der Grundsätze der elementaren Bildung in den Kitas, die vorschulische Sprachförderung, die individuelle Förderung in der flexiblen Eingangsphase,
Gemeinsam mit den Schulen, mit den Kooperationspartnern und Kommunen haben wir ein beispielhaftes Ganztagsangebot geschaffen. Wir werden zum neuen Schuljahr 450 Lehrer einstellen. All das tun wir, weil wir uns den verbesserten Bildungschancen unserer Kinder verpflichtet fühlen. Das ist ein Gesamtgebäude. Dieses Gebäude wird jetzt um einen Baustein erweitert. Dieser Baustein heißt Schüler-BAföG. Das ist ein sinnvoller Baustein.
Ich will es in Zusammenfassung der Anhörung noch einmal auf den Punkt bringen. Natürlich gab es dort vehemente Kritik, aber es gab für das Schüler-BAföG - und nicht nur für das allgemeine Anliegen Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit durchaus auch Lob, auch vonseiten der Kommunalen Spitzenverbände, deren Kritik sich auf die Durchführung und auf die Probleme bezüglich des Zeitplans und Ähnliches bezog.
Es gibt auch an den Schulen ein positives Echo, und zwar nicht nur von einem gewissen Schulleiter, der demnächst mein Büro leiten wird. Es geht mir, meine Damen und Herren, nicht nur um die Verbesserung von Quoten. Das wird mir manchmal unterstellt. Sondern es geht mir wirklich um jeden einzelnen jungen Menschen, den wir dabei fördern können, sein Potenzial auszuschöpfen. Darum muss es gehen. Da passt jeder Baustein in das Gesamtgefüge des Gebäudes.
In der Diskussion spielten natürlich auch die Hartz-IV-Familien eine Rolle. Das ist problematisch, unbestritten. Wir wissen, dass diverse Fragen in diesem Zusammenhang offen sind. Wir können diese Fragen gegenwärtig nicht beantworten, weil wir nicht wissen, wie der Bund die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen wird. Ich denke, es gibt ein erfreuliches Zeichen vonseiten des Bundes, zumindest was das Jahr 2010 angeht. In diesem Jahr wird auf keinen Fall eine Anrechnung auf die Regelsätze erfolgen. Auf welche Weise wir den beschriebenen Personenkreis unterstützen können, um den es mir auch geht - er macht allerdings nur ein Drittel der betreffenden Schülerschaft aus -, werden wir sehr intensiv prüfen, wenn wir Detailkenntnisse über die Regelungen des Bundes haben. Ich sage hier - das ist ein Versprechen -: Wir werden die Mädchen und Jungen aus den Bedarfsgemeinschaften nicht im Regen stehen lassen. Das verspreche ich an dieser Stelle.