Aus unserer Sicht kann ein solcher Stufenplan, wie wir ihn fordern, sehr wohl solide sein. Er muss folgende Punkte enthalten:
Erstens: Personal. Auch wenn wir begrüßen, dass die Ausbildungskapazitäten für Erzieherinnen und Erzieher vergrößert wurden, wissen wir noch nicht, ob es überhaupt gelingen wird, den Personalbedarf der nächsten Jahre zu decken. Selbst wenn wir die jungen Erzieherinnen tatsächlich für Brandenburg gewinnen, wird uns die Überalterung des Personals noch lange zu schaffen machen. Nicht nur in den berlinfernen Regionen liegt der Anteil der über 50-jährigen Erzieher oft weit über 50 %. Wie hoch der Männeranteil in diesem Metier ist, wissen wir alle.
Zweitens: Qualität. Auf Mitarbeiter der Kitas und insbesondere auf die Kita-Leitungen kommen mit der notwendigen Öffnung für berufsbegleitend und auf Basis individueller Bildungspläne Qualifizierte, weitere Herausforderungen wie zusätzliche Anleitungen und zusätzlicher Koordinierungsbedarf zu.
Allein diese neuen Anforderungen machen deutlich, dass vermehrte Freistellung für pädagogische Leitungsaufgaben in Zukunft unverzichtbar ist.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass bei der Berechnung des Betreuungsschlüssels Ausfälle durch Krankheit nicht berücksichtigt sind. Tatsächlich sind die von den Erzieherinnen betreuten Gruppen oft größer als sechs Kinder bis drei Jahre und zwölf Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren.
Teamarbeit, Elternkontakte, Vor- und Nachbereitung, zeitliche und finanzielle Spielräume für Fachberatung und Fortbildung sind unerlässlich. Für die Entwicklung der Kinder, die jetzt dokumentiert wird, brauchen Erzieherinnen und Erzieher auch eigene Zeitkontingente.
Sprachstandserhebungen waren vorgestern hier schon das Thema. Sie finden in großem Umfang statt. Das Ergebnis ist ein Förderbedarf von knapp 20 %. Können wir den eigentlich leisten?
Wer Ausdrucksfähigkeit von Kindern gezielt fördern will, muss Zeit haben, ihnen zuzuhören und mit ihnen zu reden. Insofern ist der beste Betreuungsschlüssel gleichzeitig die beste Förderung für den Sprachstand von Kindern.
All diese Punkte, die ein solcher Stufenplan enthalten muss, werden wir demnächst in der von uns beantragten Anhörung näher beleuchten können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir hohe Qualität in der frühkindlichen Bildung wollen, dann müssen wir mehr anstreben, als die Koalition jetzt vorgibt. Die vorgeschlagenen Änderungen des Kita-Gesetzes sind noch kein Akt nachhaltiger Bildungsplanung. Denken wir weiter. Wir reden nicht nur über das Kita-Gesetz, sondern im nächsten Tagesordnungspunkt auch über das Ausbildungsförderungsgesetz. Damit sprechen wir über die grundsätzliche Frage, wie und in welchem Alter am besten in Bildung investiert wird.
Auch ich zitiere aus der Bertelsmann-Studie vom März 2008 zur Korrelation von Krippenbesuch und Gymnasium. Sie kommt zu folgendem Schluss:
„Für den Durchschnitt der Kinder aus den untersuchten Jahrgängen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, von 36 auf rund 50 %, wenn sie vorher eine Krippe besucht haben. Für benachteiligte Kinder liegt die Verbesserung durch einen Krippenbesuch noch höher. Von diesen Kindern gehen rund zwei Drittel mehr auf das Gymnasium.... Damit werden durch den Krippenbesuch eines Kindes volkswirtschaftliche Nutzeneffekte ausgelöst, die nahezu dreimal höher sind als die entstandenen Kosten für den Krippenbesuch...“
Wir können in Brandenburg froh sein über die hohe Betreuungsquote. Hier erreichen wir einen viel breiteren Querschnitt aller Kinder. Hier lohnt sich die Investition. Deshalb: Vergessen Sie das Schüler-BAföG und investieren Sie das Geld in die ersten Jahre der Kinder!
Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Rednerliste angelangt und kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/846 - Neudruck - an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Beides ist nicht der Fall. Damit ist dieser Überweisung zugestimmt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich erst noch einmal meiner Freude über diesen einstimmigen Beschluss Ausdruck verleihe; schön. Damit haben wir Teil 1 absolviert.
Ich glaube, jetzt wird es ein bisschen schwieriger, Sie von einem Projekt zu überzeugen, das mir genauso am Herzen liegt.
Meine Damen und Herren, die intellektuellen Potenziale der Menschen in unserem Land zu wecken, die Bildungsreserven zu erschließen, über die unsere Kinder zweifellos verfügen, sind vielleicht die wichtigsten Chancen einer nachhaltigen Zukunftssicherung. In diesem Punkt sind wir uns, glaube ich, auch wieder alle einig. Gleiche Zugangschancen für alle Kin
der und Jugendlichen zu schaffen ist das Gebot der Stunde. Das sind wir als Landespolitiker nicht nur den Kindern und ihren Eltern, sondern auch unserem Land schuldig. Mit einer einzelnen Maßnahme ist dieses Ziel nicht zu erreichen. Hier müssen viele Bausteine zusammengefügt werden. Zu diesen Bausteinen einer verbesserten Bildungsgerechtigkeit gehört unter anderem die Änderung des Kita-Gesetzes, die wir gerade beschlossen haben, aber auch der vorliegende Gesetzentwurf für ein Brandenburgisches Ausbildungsförderungsgesetz.
Meine Damen und Herren, niemand von Ihnen wird bestreiten, dass es insbesondere einkommensschwachen Familien schwerfällt, den Schulbesuch ihrer Kinder finanziell so abzusichern, dass diese vergleichbare Ausgangsvoraussetzungen wie Kinder bessergestellter Eltern haben. Wir streben vor allem in unseren Schulen ein vielfältiges und anregungsreiches Leben an, das natürlich auch Kosten für Schüler und deren Eltern verursacht. Beispiele dafür sind Lernmittel, die von der Lernmittelfreiheit ausgenommen sind, die Grundausstattung einer Handbibliothek oder auch Fachbücher, die Anschaffung notwendiger technischer Hilfsmittel - zum Beispiel Notebooks - oder die zusätzlichen kostenpflichtigen Bildungsangebote wie ein Theaterbesuch. All das kostet nun einmal Geld.
Bisher, meine Damen und Herren, sind diese Ausgaben als Privatangelegenheit der Familie betrachtet worden. Das ist aus vielen Gründen falsch und ungerecht. Wir sind angetreten, diese Situation zu ändern. Insofern freue ich mich, dass wir heute mit der Lesung des Brandenburgischen Ausbildungsförderungsgesetzes einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gehen.
In der Zwischenzeit hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass bei den sogenannten Hartz-IV-Familien Kosten, die der Besuch einer weiterführenden Schule verursacht, im Regelsatz gesondert berücksichtigt werden müssen. Das zeigt mir sehr deutlich, dass wir den Finger genau in die richtige Wunde gelegt haben. Wir wollen nicht, meine Damen und Herren, dass einkommensschwache Familien über den weiteren Bildungsweg ihrer Kinder am Ende der Jahrgangsstufe 10 nach finanziellen Erwägungen entscheiden. Wir wollen nicht, dass sie sich die Frage stellen, ob nicht ein Ausbildungsplatz besser wäre, damit über die Ausbildungsvergütung der Familienhaushalt entlastet wird. Vielmehr wollen wir, dass auch in einkommensschwachen Familien diese Entscheidung auf der Grundlage der Potenziale und der Interessen der Schülerin oder des Schülers getroffen werden kann.
Einen Beitrag dazu wird das Brandenburgische Ausbildungsförderungsgesetz leisten, indem finanziell bedürftigen Schülerinnen und Schülern eine Landesausbildungsförderung in Höhe von 50 oder 100 Euro gewährt wird, wenn sie den Bildungsgang der gymnasialen Oberstufe oder einen zweijährigen vollzeitschulischen Bildungsgang zum Erwerb der Fachhochschulreife wählen. Die finanzielle Bedürftigkeit wird in Anlehnung an das Berechnungsverfahren nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ermittelt. Dadurch erhalten auch diejenigen Schülerinnen und Schüler eine Ausbildungsförderung, die von einer Bundesförderung deshalb ausgeschlossen sind, weil sie noch bei ihren Eltern wohnen.
Parallel dazu, meine Damen und Herren, wird die Landesregierung mittels einer Bundesratsinitiative darauf hinwirken, dass
der Kreis der Anspruchsberechtigten für ein bundesweites Schüler-BAföG ausgeweitet wird. Ich fordere die Bundesregierung hiermit nachdrücklich auf, endlich auch ihren Beitrag zu leisten, diese Regelsätze so zu gestalten, dass Kindern armer Eltern nicht schon am Start ihrer beruflichen Laufbahn Steine in den Weg gelegt werden.
Wir reden hier und heute über Gerechtigkeit, meine Damen und Herren. Deshalb ist es für einen Anspruch auf Ausbildungsförderung auch unerheblich, ob die Jugendlichen eine Schule in öffentlicher oder in freier Trägerschaft oder ob sie eine Schule in Brandenburg oder in einem anderen Bundesland besuchen. Solange sie ihren Wohnsitz in Brandenburg haben und die schulischen und sozialen Voraussetzungen vorliegen, werden wir eine Landesausbildungsförderung gewähren.
Zuständig für das Verfahren zur Durchführung des Gesetzes sind - das wissen Sie - die Landkreise und kreisfreien Städte. Wir wissen sehr wohl, dass die Umsetzung des Gesetzes zum 1. August dieses Jahres allen Beteiligten hohe Anstrengungen abverlangen wird und das verbleibende Zeitfenster äußerst klein ist. Dennoch hoffe ich, dass es uns gemeinsam gelingen wird, dieses wichtige Vorhaben so vorzubereiten, dass die Zielsetzung des Gesetzes nicht gefährdet wird.
Ich hatte bereits das Bundesverfassungsgericht erwähnt und möchte dazu noch Folgendes sagen: Aufgrund des Urteils zu den Hartz-IV-Regelsätzen hat die Rechtslage, die wir hier und heute schaffen werden, erst einmal bis zum 31.12.2010 Bestand. Bis dahin ist die Bundesregierung zur Nachbesserung aufgefordert.
Meine Damen und Herren, gute Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Nur in wenigen anderen Industriestaaten entscheidet die soziale Herkunft so sehr über den Schulerfolg und die Bildungschancen wie in Deutschland. Das dürfen und wollen wir nicht zulassen. Der vorliegende Gesetzentwurf wird diese Situation zwar nicht gänzlich beseitigen, ist jedoch ein wichtiger Schritt dazu. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit für den Moment. Nachher melde ich mich noch einmal zu Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Sehr verehrter Herr Minister! Nach drei Jahren Vorlaufzeit hat die SPD-Fraktion es endlich geschafft, das Lieblingskind von Herrn Baaske das Schüler-BAföG - in den Landtag einzubringen. An der langen Vorlaufzeit sehen Sie, dass es scheinbar nicht so einfach war, einen entsprechenden Entwurf vorzulegen. All diejenigen, die dachten, die SPD hätte diese lange Zeit genutzt, um zumindest ein handwerklich vernünftiges Gesetz vorzulegen, all diejenigen, die dachten und erwarteten, die SPD habe den fertigen und tauglichen Entwurf bereits in der Schublade
Der erste Entwurf vom Januar ist im Kabinett mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Der zweite, nun vorliegende Entwurf ist zum einen nur noch ein Abklatsch von dem, was die SPD-Fraktion ursprünglich als großen Wurf für die soziale Gerechtigkeit im brandenburgischen Bildungssystem feiern wollte, und zum anderen sind noch immer handwerkliche, aber vor allem inhaltliche Probleme das Kernstück dieses Gesetzes.
Der Gesetzentwurf wurde in der Debatte der vergangenen Tage mehrfach angesprochen. Frau von Halem hat bereits am Mittwoch sehr deutlich ausgeführt, warum das Schüler-BAföG nicht das erreichen kann, was Ministerpräsident Platzeck als Zielrichtung - mehr Kinder aus einkommensschwachen Familien zum Abitur zu führen - angegeben hat, weil die Förderung viel zu spät einsetzt. Insofern wäre das Geld deutlich besser in der frühkindlichen Bildung aufgehoben.
Meine Damen und Herren, das Geld, das Sie hier ausgeben ich möchte ehrlich bleiben -, wäre nahezu an jeder x-beliebigen Stelle im Bildungshaushalt, wo es um die Verbesserung der Bildungsqualität geht, besser aufgehoben als dort, wo Sie es jetzt eingeplant haben,