Protocol of the Session on May 6, 2010

unseres Landes ist, werden wir gern kritisch-konstruktiv die gegenwärtige Landesregierung auf ihrem Weg hin zu mehr Beschäftigung begleiten. Allerdings glauben wir auch, dass die Landesregierung mit der Vorlage des Haushalts in diesem Bereich auf dem falschen Weg ist. Lassen Sie mich deshalb zunächst auch auf den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor kommen.

Aus dem Evaluationsbericht zu den Arbeitsförderprogrammen, welcher noch von der alten Bundesregierung im damals sozialdemokratisch geführten Bundesarbeitsministerium erstellt wurde, ist eindeutig herauszulesen, dass die Arbeitsförderprogramme vor allem viel Geld kosten und wenig bringen. Die Menschen erleben einen Jo-Jo-Effekt: Sie sind arbeitslos, bekommen dann eine öffentlich geförderte Beschäftigung, um nach dem Auslaufen selbiger wieder in der Arbeitslosigkeit zu landen.

Ziel einer vernünftigen Arbeitsmarktpolitik muss doch die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt sein. Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Landesregierung helfen nicht den 750 000 Brandenburgerinnen und Brandenburgern, die noch in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung stehen und jetzt den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor und die sich anschließende erneute teure Arbeitslosigkeit finanzieren müssen. Über die gesamte Legislatur kommen so 40 Millionen Euro zusammen, die Sie besser in Maßnahmen der beruflichen Ausund Weiterbildung gesteckt hätten. Da nämlich würden sie eine Rendite, eine Bildungsrendite bringen, da Sie die Erwerbslosen aktivieren.

(Beifall FDP)

Ich freue mich, dass ich in der Frage der Bewertung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors gleicher Meinung wie ver.di bin. Ich schließe mich gern den Ausführungen von Susanne Stumpenhusen an: Das ist noch nie eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt gewesen.

(Zuruf)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Einzelplan zeichnet sich auch in besonderer Weise dadurch aus, dass er eine Reihe arbeitsmarktpolitischer Programme und Strukturen fortführt, die kontraproduktiv für die derzeitige und künftige Struktur des Arbeitsmarktes in Brandenburg sind. Die aktuelle Fachkräftestudie der Länder Berlin und Brandenburg sagt bis zum Jahr 2030 einen Fachkräftemangel von bis zu 460 000 Personen voraus. Bereits heute zeigen die mittelständischen Unternehmen an, dass ihnen der Nachwuchs ausgeht. Unsere wichtigste Aufgabe ist es also, einerseits Menschen zu qualifizieren, andererseits aber eine auch weiterhin hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Hier erwarte ich Antworten der Landesregierung, die ich bisher nicht erkennen kann.

Wir fördern zum Beispiel in diesem Jahr mit etwa 11 Millionen Euro unter anderem überbetriebliche Ausbildung in der Landwirtschaft. Wir versuchen, mittels eines bunten Straußes sich überschneidender Eingliederungsprogramme die Zahl der Schulabbrecher zu reduzieren und diese in den Arbeitsmarkt zu integrieren, und wir fördern in Zeiten rückläufiger Bewerberzahlen im Handwerk überbetriebliche Ausbildungsgänge. Die LASA fördert die Qualifizierung in Kultur- und Gesundheitsberufen, in der Kinder- und Jugendhilfe und in Unternehmen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Frau Wöllert.

Herr Büttner, wie sehen Sie denn die Verantwortung der Unternehmen für die Ausbildung?

Ich sage dazu gleich noch etwas. Auch die Unternehmen - um kurz darauf einzugehen, Frau Wöllert - haben eine Verantwortung. Selbstverständlich. Ich erwarte auch von den Unternehmen, dass sie mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Wir dürfen ihnen dann aber das Leben unter anderem mit dem von Ihnen geplanten Vergabegesetz nicht zusätzlich erschweren.

(Frau Lehmann [SPD]: Genau! - Frau Mächtig [DIE LIN- KE]: Ausbildung und Vergabe haben nichts miteinander zu tun! - Zurufe SPD und DIE LINKE: Oh!)

Aber warum bietet die LASA diese Programme an, wenn die berufliche Fortbildung parallel dazu auch über den Bildungsscheck gefördert wird? Die Vielzahl ähnlicher Arbeitsmarktprogramme bringt uns in Brandenburg nicht weiter und belastet den Landeshaushalt. Ich kann Sie nur ermuntern, alle Programme auf ihre Kosten und ihren Nutzen hin evaluieren zu lassen und die LASA-Angebotsstruktur komplett neu zu konzipieren.

Würden Sie endlich die Eingliederungszahlen der vergangenen Jahre zur Kenntnis nehmen, müssten Sie sich eingestehen, dass dieser Weg in der Vergangenheit nicht die Ergebnisse geliefert hat, die den Einsatz solch horrender öffentlicher Mittel rechtfertigt und dass die Politik des Sich-Kümmerns gescheitert ist.

Als ob das noch nicht genug sei, vollziehen Sie mit dem von Ihnen geplanten Vergabegesetz das, was Sie uns an Tagen wie dem 1. Mai so gern vorhalten. Sie greifen in die Tarifautonomie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein und untergraben so gültiges Tarifrecht.

Meine Damen und Herren, einer der großen Posten dieses Haushalts sind die Zuweisungen an die Landkreise und die Kommunen für soziale Projekte und Maßnahmen. Rund 300 Millionen Euro schlagen hier zu Buche. Gesellschaftliche Solidarität ist ein Grundpfeiler unseres Staates. In diesem Punkt sind wir uns einig. Unsere Wege trennen sich aber, wenn es um den Einsatz dieser Mittel geht.

Eine Menge Geld ließe sich einsparen, wenn Sie bei der Mittelbewilligung auf Transparenz, Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb setzen würden. Allein im Jahr 2007 wurde durch freie Träger deutschlandweit ein Umsatz von 27,3 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Ihre Regierung täte gut daran, wenn Sie die Bewilligung von Mitteln für soziale Maßnahmen daraufhin überprüfen würde, ob durch die Maßnahme erstens die betroffenen Personen akti

viert werden, anstatt Abhängigkeit zu verwalten, und zweitens das Gebot der Wirtschaftlichkeit erfüllt ist.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Wenn Sie es dann noch schaffen würden, verbindliche und nachprüfbare Ziele zu definieren, die Sie mit sozialen Maßnahmen erreichen möchten, werden die nächsten Haushalte in diesem Bereich schon bedeutend erfreulicher aussehen.

Lassen Sie mich noch auf zwei grundsätzliche Dinge eingehen, die in Ihrer Sozialpolitik immer wieder ausgeklammert werden und für die wir als Freie Demokraten in den letzten Wochen und Monaten heftig gescholten wurden. Nicht jeder, der Hilfe sucht, ist auch wirklich hilfebedürftig. Das wissen Sie, und das weiß ich. Anders als Sie trauen wir uns aber zu sagen: Wir leiden in diesem Land nicht an einem Mangel an sozialer Sicherung, sondern in vielen Fällen an einem Dschungel sozialer Angebote, Fördermöglichkeiten und finanzieller und organisatorischer Unterstützung.

(Zuruf von der SPD: Und deshalb weniger Staat!)

Sie sagen die Unwahrheit, wenn Sie immer wieder behaupten, der Sozialstaat stehe - gerade von der FDP gefordert - vor dem Ausverkauf. Wir wissen, dass die von der FDP angestoßene Debatte schwierig ist, weil interessierte Kreise die FDP in eine sozial kalte Ecke stellen wollen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Ihr seid noch nie herausgekommen! - Weitere Zurufe SPD und der Frak- tion DIE LINKE)

Wir wissen, dass diese Diskussion kontrovers ist. Wir werden sie trotzdem führen. Wir wollen mündige Bürger, für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eine Selbstverständlichkeit ist. Wir wollen keine Bittsteller. Wir wollen denen helfen, die Hilfe wirklich nötig haben,

(Frau Alter [SPD]: Wir auch!)

denen, die Pech im Leben hatten und sich nicht oder nicht mehr selbst helfen können. Anders als Sie sagen wir aber auch allen, dass sie in erster Linie eine Verantwortung für sich selbst haben und der Staat erst dann die Lebensrisiken absichert, wenn sie sich nicht mehr selbst helfen können.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Aha!)

Transferleistungen sind Steuergelder. Es ist das Geld der Menschen, die morgens aufstehen und pflichtbewusst ihrer Arbeit nachgehen.

(Krause [DIE LINKE]: Es gibt aber Menschen, die leider keine Arbeit haben!)

Die Mitte der Gesellschaft ist solidarisch. Wir wollen, dass dies so bleibt. Wir erleben jedoch seit Jahren, dass es in einigen politischen Parteien verpönt ist, über die Leistungsträger in unserer Gesellschaft zu sprechen.

(Beifall FDP und CDU)

Dass wir diese Menschen in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen, die den Karren ziehen und die das System am Laufen

halten, dafür steht die Freie Demokratische Partei und im Übrigen auch die christlich-liberale Koalition in Berlin. Das sind diejenigen, die dafür sorgen, dass Ihre Regierung die Mittel, die sie jetzt zur Verfügung hat, verteilen kann.

(Zurufe der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE] und der Abgeordneten Alter [SPD])

Wir wissen, dass man das Solidaritätsprinzip nicht gegen das Leistungsprinzip ausspielen kann. Wir wollen, dass Menschen aktiviert werden. Ich halte das Anliegen der von der SPD und den Grünen eingeführten Hartz-Gesetze für grundsätzlich richtig. Was ich jedoch für grundsätzlich falsch halte, ist die Tatsache, dass viele von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen eine wahre Odyssee und beschämende Behandlung über sich ergehen lassen müssen, um die ihnen zustehenden Leistungen zu erhalten. Deswegen sage ich hier ganz klar: Das gegenwärtige System von Hartz IV ist falsch und muss weg. Ich bin deshalb sehr froh, dass die christlich-liberale Koalition in Berlin im Koalitionsvertrag den Einstieg in ein Bürgergeld vereinbart hat. Das ist die Änderung des Sozialstaats hin zu mehr Effizienz und vor allem hin zu mehr menschlicher Würde.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren, was ich soeben in der Arbeitsmarktund Sozialpolitik skizziert habe, lässt sich auch auf geschlechterspezifische Fragen anwenden.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

Wir haben nicht nur in Brandenburg, sondern in ganz Deutschland erhebliche Probleme, wenn es um die Chancengleichheit von Frauen und deren Schutz vor Diskriminierung geht.

(Frau Lehmann [SPD]: Das sagt jetzt der Richtige!)

Dieses Problem tangiert den respektlosen Umgang, den einige Männer mit Frauen pflegen, setzt sich bei der Staffelung der Versicherungstarife fort und findet die größte Beachtung in Fragen der Lohngleichheit zwischen beiden Geschlechtern. Noch immer werden Frauen in vielen Fällen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Dies hat etwas mit der Beschäftigungsstruktur zu tun. Frauen arbeiten häufiger im tertiären Sektor und sind häufiger in flexible Arbeitszeitmodelle wie Teilzeitarbeit eingebunden. In nicht wenigen Fällen entsteht Frauen aber auch aufgrund ihrer geschlechterspezifischen Rolle ein Nachteil. Arbeitgeber, die Frauen nur befristete Arbeitsverträge anbieten, weil sie befürchten, im Falle einer Schwangerschaft finanzielle Nachteile zu erleiden, sind hier nur ein Beispiel. Entsprechend wirkungsvoll und nachhaltig muss daher Politik reagieren, um Frauen noch mehr in den Arbeitsprozess zu integrieren.

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Unter uns herrscht auch Einigkeit, dass der beste, weil effektivste Weg aus der Armut ein fester Job mit einem auskömmlichen Einkommen ist. Den Anfang zur Benachteiligung von Frauen hat jedoch auch der Staat gemacht, indem er beispielsweise die Steuerklasse V eingeführt hat. Wenn Sie als verheiratete Frau in diese Steuerklasse eingegliedert sind, dann rechnen Sie zweimal, ob es sich lohnt, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen, weil der Staat Ihnen nämlich gut die Hälfte Ihres Lohnes wegsteuert. Nun werden einige von Ihnen sagen, dafür werde ja

der verdienende Ehemann steuerlich entlastet - die Steuerdiskriminierung der Frauen wird dadurch jedoch nicht gemindert. Umso wichtiger ist das Zeichen, das die christlich-liberale Bundesregierung zum 01.01.2010 gesetzt hat. Seit Jahresbeginn können sich beide Ehepartner, sofern dies gewünscht wird, unter Hinzuziehung eines steuermindernden Faktors in die Steuerklasse IV eintragen lassen. Dadurch wird die steuermindernde Wirkung des Ehegattensplittings bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt. Die Folge ist, dass besonders Frauen ein höheres Nettoentgelt erhalten, was es für sie attraktiver macht, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Dieser Schritt macht nicht alles gut, aber vieles besser. Er baut nämlich die Ungerechtigkeiten in der Besteuerung des Einkommens von Männern und Frauen ab. Dies ist ein Ergebnis einer soliden Gleichstellungspolitik der von Ihnen so abgelehnten christlich-liberalen Regierungskoalition im Bund.

(Vereinzelt Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, vielleicht werden Sie meiner These zustimmen, dass in den Bereichen der Frauenschutzprogramme, der Gewaltprävention oder der Schwangerschaftskonfliktberatung noch Verbesserungen nötig sind. Frauenhäuser und Konfliktberatungsstellen sind Träger sozialer Leistungen, die wir unterstützen wollen. Auch wenn ich ein überzeugter Vertreter des Subsidiaritätsprinzips bin, sage ich Ihnen hier: Die Finanzierung von Frauenhäusern und Schutzwohnungen muss endlich bundeseinheitlich geregelt werden.

(Frau Melior [SPD]: Na denn mal los!)

Dazu stehen wir als FDP-Fraktion hier im Haus und werden dies auch weitertragen.