Da steht nichts von einer Gesundheitspauschale. Wenn Sie nicht wissen, was eine Kopfpauschale ist, dann tut es mir leid. Oder Sie sagen bewusst die Unwahrheit.
Meine Damen und Herren, Folgendes stammt noch aus meinem alten Staatsbürgerkundeunterricht in der DDR. Karl Marx sagte einmal: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. - Ich glaube nicht daran, aber Sie tun es wahrscheinlich. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Wo kein Sein ist, kann auch kein Bewusstsein sein.
Das scheint mir die Botschaft dieser Diskussion zu sein. Ich frage mich: Was hat es für einen Sinn, so viel Unsinn in der Öffentlichkeit zu verbreiten, so viel Angst zu schüren und die Bürger und Bürgerinnen in dieser Not zu verunsichern? Es liegt doch noch gar kein Papier, irgendein Vorschlag vor. Die Regierungskommission arbeitet doch erst.
Ja, die hört nicht auf Ihr Geschrei. Sie wird die junge und die alte Generation zusammenbringen. Dann werden wir sachlich diskutieren - nicht hier, sondern die Kollegen im Bundestag. Das soll auch so sein.
Was machen Sie, vor allem die Linken? Wir erleben derzeit eine unglaubliche Kampagne. Sie verwirren die Bürgerinnen und Bürger ungewöhnlich scharf und hinterlassen Ratlosigkeit bei ihnen. Die kommen natürlich auf Sie zu, weil sie ratlos sind und nicht verstehen, was Sie sagen.
- 90 % haben Sie ja gerade gesagt. Sie machen überhaupt keinen substanziellen Vorschlag über ein solidarisches System, das wirklich machbar wäre.
Was ist denn Ihre Antwort auf die Einnahmeschwäche der GKV? Sie wissen doch: Unser Problem ist vor allem die Einnahmeschwäche der GKV. Deshalb müsste es darum gehen, diese Einnahmeschwäche in der Finanzierung der Gesundheit bei zunehmenden Demografieproblemen krisensicher zu machen. Das passiert eben nicht mit Polemik. Das kann man nur im Dialog mit den gesellschaftlichen Kräften in diesem Land machen, ohne den einen oder anderen zu überfordern. Das setzt die Einsicht von größeren Gruppen voraus und nicht die Klassenkampfstimmung, die Sie hier verbreiten.
Mich gruselt es einfach bei der Vorstellung der völligen Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze und der Hinzunahme aller Einnahmen. Das bedeutet den völligen ökonomischen Exodus und den Verlust unzähliger innovativer Arbeitsplätze in der Gesundheitswirtschaft und außerhalb.
Außerdem schrammen Sie noch am Grundgesetz vorbei, meine Damen und Herren. Es wird diese Kampagne von der Linken zentral in allen Landesparlamenten Ostdeutschlands durchgezogen.
In Sachsen-Anhalt war letzte Woche das gleiche Thema, beantragt von der Linken: „Für eine solidarische gesetzliche Krankenversicherung - Kopfpauschale verhindern!“ In Sachsen, beantragt durch die Linke war das Thema der Aktuellen Stunde: „Ablehnung der Einführung einer Kopfpauschale in der gesetzlichen Krankenversicherung“.
Jetzt ganz kreativ: Mecklenburg-Vorpommern. „Kopfpauschale stoppen! Für ein solidarisches Gesundheitswesen.“
Jetzt können Sie die Redebeiträge doch austauschen! Sie haben immer die gleichen Diskussionen. Das passt hier doch nicht hinein!
(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Aber die Länder liegen alle in der Bundesrepublik! Gucken Sie doch einmal auf die Karte!)
- Ja, genau. Aber es ist Bundespolitik. Dabei gibt es wirklich wichtige Gesundheitsthemen. So hätte ich mir gewünscht, Frau Wöllert, dass Sie heute die Regionalisierung des Gesundheitsfonds zum Thema gemacht hätten. Dann wäre das Thema „Nein zur Regionalisierung des Gesundheitsfonds!“ gewesen. Das hätte ich wenigstens noch verstanden als regionalen Bezug.
Ja, dann hätten wir als Union sagen können: Mit uns gibt es keine Regionalisierung des Gesundheitsfonds. - Das wäre die Diskussion heute gewesen, meine Damen und Herren.
Aber ehe wir hier über irgendwelche bundespolitischen Dinge diskutieren, sollten wir uns den realen gesundheitspolitischen Problemen im Land annehmen. Da wäre das Thema, das ich vorhin ansprach, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum geeignet. Das interessiert die Brandenburger in diesem Land. Da vermisse ich Ihre Verantwortung. Da vermisse ich Ihre Antworten. Da vermisse ich Ihre eigenen Aktivitäten. Bisher habe ich nur gehört, was Sie ablehnen und wem Sie die Verantwortung zuschieben: den Ärzten, den Kassen, der Landeskrankenhausgesellschaft.
- Ja, aber Sie sind Regierungspartei. Sie müssen hier Vorschläge machen. Dann können wir auch darüber diskutieren. Das erwarten die Menschen und nicht irgendwelche Diskussionen, die ein Phanton sind.
Wenn Sie sich wirklich aus der Verantwortung stehlen wollen, dann lassen Sie wenigstens die Regierung im Bund ruhig arbeiten! Und - bitte - verunsichern Sie nie wieder die Brandenburger mit Ihren Aktuellen Stunden! - Herzlichen Dank.
Herr Kollege Schierack, Sie haben die schlechte Einnahmesituation der gesetzlichen Krankenversicherung beklagt. Stimmen Sie mit mir darin überein, dass das Modell einer Bürgerversicherung, nämlich eine Verbreiterung der Einnahmesituation durch Einbeziehung von Kapitalerträgen, Mieten und Gewinnen, zu einer Verbesserung der Einnahmesituation der gesetzlichen Krankenversicherung führen würde?
Das bringt mehr Geld in die Kasse, aber das macht die Krankenversicherung nicht demografiesicherer. Das kann ich Ihnen sagen. Es wird nur fünf oder zehn Jahre halten.
Vielen Dank. - Die Zulassung dieser Zwischenfrage ist meiner Großzügigkeit geschuldet. Das machen wir bei Aktuellen Stunden eigentlich nicht. Aber wenn sie denn interessant sind, dient es der Sache.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Der Diskussionsbeitrag von Herrn Prof. Dr. Schierack hat deutlich gemacht: Mein erster Satz stimmt. Die Gesundheitspolitik in Deutschland ist schon immer ein sehr streitiges Thema gewesen. In keinem anderen Bereich geht es so ruppig zu wie in diesem.
So mancher Gesundheitsminister bzw. so manche Gesundheitsministerin musste sich schon den Lobbyisten dieser Sparte geschlagen geben. Gesundheitspolitik in Deutschland ist immer auch Reformpolitik. Jede Regierungspartei und jeder Gesundheitsminister bzw. jede Gesundheitsministerin hat sich darin bislang geübt und meistens eben auch gerieben. Jede Reform war in ihrer Struktur unterschiedlich, aber sie hatten alle ein Kernziel: das Solidarprinzip im Gesundheitswesen. Das heißt Chancengleichheit und das wiederum heißt Zugang zu Gesundheitsleistungen unabhängig von Einkommen und Status.
Auch die jetzige schwarz-gelbe Bundesregierung übt bzw. reibt sich an der Gesundheitsreform. Herr Rösler möchte wettbewerblichere Strukturen schaffen. Und er will dafür sorgen, dass die Bedürfnisse der Patienten mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Die Lösung sieht er in der Einführung der Kopfpauschale. Sie ist sein Kernvorhaben in der Gesundheitspolitik. Danach soll die Putzfrau den gleichen Kassenbeitrag zahlen wie der Konzernchef. Niedrigverdiener - ich komme noch darauf zu sprechen - sollen über einen Sozialausgleich aus Steuermitteln finanziert werden. Ich glaube, das ist richtig; so hat er es gesagt.