Protocol of the Session on October 21, 2009

Das ist eindeutig. Herr Goetz, wenn Sie das anders auslegen,

dann mag das die Rechtslehre der Akademie für Staat und Recht sein. Das gilt hier nicht. Das ist eindeutig.

(Beifall SPD)

So können Sie hier nicht verfahren. Ich bitte, in Zukunft diese Verfassung zu achten und zu ehren und bei allen Debatten auch auf das zurückzukommen, was tatsächlicher Wortlaut ist.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wenn es nicht allzu sehr in juristische Tiefen geht, aber das kann ich wohl nicht erwarten.

(Heiterkeit SPD)

Herr Kollege Baaske, haben Sie vorhin meine Verweise auf den Absatz 2, wonach Absatz 2 nicht beinhaltet, wer im Präsidium sitzt, sondern wie man wieder herauskommt, und dass zweitens einzeln dort abgewählt wird und dass drittens im juristischen Sinne Einzahl auch die Mehrzahl meint, zur Kenntnis genommen?

Ja, aber ich nehme es Ihnen nicht ab, weil ich weiß, dass die Väter der Verfassung - ich habe mit einigen telefoniert - es damals anders meinten.

(Heiterkeit SPD)

Ich will noch einige Worte zur Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen sagen, weil wir das im Anschluss diskutieren bzw. auch entsprechend darüber abstimmen werden. Die SPD-Fraktion hat überhaupt kein Problem, der Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen zuzustimmen. Da sehen wir überhaupt keine Hürde. Wir meinen allerdings - das sage ich auch im Hinblick auf die vorliegenden Anträge -, dass man sich das beispielsweise für die Debatte in einem Hauptausschuss gut überlegen muss, es gut gestalten muss, da es dort bestimmte Dinge gibt, die man nicht öffentlich diskutieren darf - das sollten wir in der Geschäftsordnung regeln -, und dass man das meiste, was in diesen Ausschüssen diskutiert wird, öffentlich machen sollte.

Wir haben darüber gesprochen - diesbezüglich sollten wir uns die Zeit nehmen -, dass Anfang Januar die endgültige Geschäftsordnung vorliegen soll. Das wird uns auch gelingen. Wir werden einer entsprechenden Debatte nicht abgeneigt sein und werden auch entsprechend abstimmen, allerdings lediglich der Überweisung an den Hauptausschuss zustimmen, um dort das Nähere für die Geschäftsordnung zu regeln. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Für die CDU erhält Frau Prof. Dr. Wanka das Wort.

Frau Heppener! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt in der gesamten Bundesrepublik Deutschland kein einziges Landesparlament - außer in Brandenburg -, in dem die Opposition nicht den Vizepräsidenten stellt, manchmal sogar mehrere. Dafür gibt es sehr gute Gründe. Normalerweise ist es so, dass die Regierungsfraktionen besonders eng mit der Regierung verschränkt sind; das liegt in der Natur der Sache. Umso wichtiger ist es, dass die Opposition die parlamentarische Kontrolle wahrnimmt und dadurch eine herausgehobene Funktion innehat, zum Beispiel, dass sie den Vorsitz des Haushaltsausschusses stellt und genauso eine exponierte Stellung innerhalb des Präsidiums hat, also einen Vizepräsidenten stellt. Ich bin keine Juristin. Wir haben es prüfen lassen. Es ist ohne Weiteres möglich. Man könnte, wenn man wollte, sogar sagen: Die Opposition stellt den Landtagspräsidenten. - Das beantragen wir nicht. Wir sind aber der Meinung, dass der Vizepräsident der Opposition zugehörig sein sollte, und wir könnten uns auch vorstellen, zwei Vizepräsidenten zu haben, denn es hat in der letzten Legislaturperiode - vor allem hier im Haus - sehr oft die Situation gegeben, dass weder der Präsident noch die Stellvertreterin anwesend waren. Von der Größenordnung her sind wir das einzige Bundesland mit nur einem Vizepräsidenten. Herr Baaske sagte, dass das schon immer - seit Anfang 1990 - im Landtag so war. Diese Argumentation, dass das schon immer so war, dass wir das schon immer so gemacht haben, war noch nie ein plausibles Argument.

(Beifall CDU - Zuruf SPD: Sie haben es schon immer so gewollt!)

Diese Argumentation, dass das schon immer so war, dass wir das schon immer so gemacht haben, ist vielleicht in der SPD derzeit nicht ganz en vogue; aber das müssen Sie entscheiden.

Artikel 55 Abs. 2 der Landesverfassung besagt:

„Die Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. Sie hat das Recht auf Chancengleichheit.“

Sie hat das Recht auf Chancengleichheit, und diesem Verfassungsgrundsatz wird an allen Orten Rechnung getragen.

Am Anfang haben wir von 1989 gehört. 1989 haben wir uns engagiert - nicht alle, aber ein Teil von denen, die heute hier sind -, haben Mut gehabt. Damals wollten wir nicht nur aus dem sozialistischen Lager heraus, sondern wir wollten auch Demokratie. Jetzt haben wir demokratische Verhältnisse, und das sollten wir ernst nehmen. In einer Demokratie ist es eben so, dass die Opposition ein lebendiger Bestandteil ist, das heißt, diese Opposition steht weder am Rande der Gesellschaft, noch schaut sie von außen zu. Ich fände es nicht sehr gut, andererseits bin ich aber auch nicht so sehr erstaunt, dass einige derjenigen, die vorher in der Opposition waren, jetzt auf dem Weg in die Regierung meinen, sofort die Rechte der Opposition beschneiden zu müssen.

(Beifall CDU - Zurufe DIE LINKE sowie SPD)

Was die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen betrifft: Unsere Fraktion hat, wenn ein Antrag vorlag, dass eine besonders wichtige Ausschusssitzung stattfinden soll, Öffentlichkeit zugelassen. Wir waren aber immer sehr skeptisch, was Öffent

lichkeit generell betrifft, weil wir vor der Haustür ein Beispiel haben, das wir alle kennen, das nicht funktioniert, wo es Schaufensteranträge und Schaufensterveranstaltungen gibt. Es gibt aber auch gute Beispiele in anderen Bundesländern. Diese Gefahr, dass es sich zum Schaufenster entwickelt, besteht sicherlich. Dass es nicht so kommt, hängt von uns allen ab. Das hängt davon ab, wie wir uns verhalten. Wir reden so oft über Politikverdrossenheit. Derzeit wäre der Zeitpunkt für öffentliche Ausschusssitzungen besonders günstig, weil ich glaube, dass sehr viele Bürger daran interessiert sind, nicht nur irgendwelche Formelkompromisse zu erleben, sondern daran, dass das, was vor der Wahl versprochen wurde, eintritt. In den Ausschusssitzungen kann man Politik sehr konkret erleben. Deswegen denke ich, dass es gut wäre, wenn die Ausschusssitzungen öffentlich sind. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

- Herr Schulze, alle, die das angeblich schon immer wollten, können das jetzt bekommen.

(Beifall CDU - Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Schönen Dank, Frau Abgeordnete Wanka. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Görke. Herr Görke, Sie haben das Wort.

Frau Prof. Heppener! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! So ist es mit dem Perspektivwechsel von Fraktionen oder Parteien innerhalb von drei Wochen.

(Beifall DIE LINKE sowie Heiterkeit SPD)

Ich möchte mit dem Thema Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen beginnen und dabei mit einem Zitat fortsetzen:

„Wir wollen die grundsätzliche Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen. Ausnahmen sollen für den Petitionsausschuss und den Haushaltkontrollausschuss gelten. Im begründeten Einzelfall kann ein Ausschuss Nichtöffentlichkeit für bestimmte Beratungsgegenstände beschließen.“

Diese Sätze sind alt. Sie sind zu Beginn der 4. Legislaturperiode von meiner Fraktionsvorsitzenden, Frau Kaiser, im Namen der Fraktion gesprochen worden. Die damalige Fraktion blieb damit in einer Linie, die sie seit der Arbeit im ersten Brandenburger Verfassungsausschuss hatte. Dort haben wir gemeinsam mit dem damaligen Fraktionsbündnis für die Öffentlichkeit von Ausschüssen gestritten.

Wenn wir jetzt, 20 Jahre später, endlich die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen durchsetzten, wäre das gut. Ich freue mich, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der CDU, die selbst bei gemeinsamen Ausschusssitzungen des Landtages Brandenburgs und des Abgeordnetenhauses von Berlin stets auf Nichtöffentlichkeit gedrungen haben, diesbezüglich mittlerweile besonnen haben.

(Beifall DIE LINKE)

Insofern meine Bitte an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lassen Sie uns im Hauptausschuss beraten, wie die konkreten Regelungen aussehen müssen! Sie wissen, dass die räumlichen Bedingungen derzeit kompliziert sind. Wir unterstützen den Antrag auf Überweisung. Wenn sich alle Fraktionen für die Herstellung von Öffentlichkeit in den Ausschusssitzungen aussprechen - so sieht es derzeit aus -, werden wir sie durchsetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme zum gemeinsamen Antrag der Fraktionen FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU. Zur Vorgeschichte dieser Problematik hat der Kollege Baaske einiges gesagt. Ich will die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die FDP daran erinnern, dass die Entscheidung, in der Verfassung einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten bzw. eine Vizepräsidentin vorzusehen, auf einer Empfehlung des Verfassungsausschusses beruhte. Sie wurde bewusst in Abwägung der damaligen Anforderungen an die Größe des Landes und die Anzahl der Mitglieder des Landtages getroffen. Es war in allen bisherigen Wahlperioden Brauch - daran möchte ich auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU erinnern -, dass wir uns bei der Zusammensetzung des Präsidiums von der Stärke der Fraktionen haben leiten lassen. Das bedeutet auch, dass dieses Prinzip beim Vorschlagsrecht der Fraktionen für den Präsidenten bzw. Vizepräsidenten zum Tragen kommen muss. Das Begehren ist vor diesem Hintergrund zu sehen.

Ich möchte zu Ihrem Antrag auch in der Sache etwas sagen. Natürlich ist es legitim, einen solchen Antrag in einer konstituierenden Sitzung im Rahmen der Debatte zur Geschäftsordnung einzubringen. Allerdings muss er zulässig sein. Dies ist jedoch mit einem großen Fragezeichen zu versehen; denn Sie wollen mit einer Änderung der Geschäftsordnung Einfluss auf die Verfassung nehmen. Sie sollten - das ist die Bitte der Linksfraktion darüber nachdenken, den Antrag zurückzuziehen; denn in der Landesverfassung steht - Kollege Baaske hat es gesagt -:

„Der Landtag wählt in seiner ersten Sitzung aus seiner Mitte ein Präsidium, bestehend aus dem Präsidenten, Vizepräsidenten und weiteren Mitgliedern.“

Das ist die Verfassungslage. Sie ist auch in zahlreichen Veröffentlichungen wie dem Handbuch als Kommentar zur Verfassung dokumentiert.

Frau Prof. Wanka, wenn Sie jetzt - wahrscheinlich aufgrund Ihres Perspektivwechsels - der Meinung sind, dass die Verfassung geändert gehöre und die Rolle der Opposition gestärkt werden solle, dann ist das recht fragwürdig, denn Sie hatten bis Juni dieses Jahres die Möglichkeit, als Fraktion einen solchen Antrag einzubringen. Wir wären bereit gewesen, dies in drei Lesungen in diesem Hohen Haus zu verhandeln. Man hätte darüber diskutieren können. Aber Sie kommen mit diesem Begehren erst jetzt. Vor dem Hintergrund, dass Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer genau wie wir das Gutachten des Parlamentarischen Dienstes zur Kenntnis nehmen musste, worin zum Ausdruck kam, dass dieser Antrag weder mit der Verfassung noch mit dem Abgeordnetengesetz kompatibel ist, bitte ich Sie, darüber nachzudenken, diesen Antrag zurückzuziehen. Es ist ein Schaufensterantrag. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Schönen Dank, Herr Görke. - Das Wort erhält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau von Halem, bitte.

Sehr geehrte Frau Prof. Heppener! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, als erste bündnisgrüne Abgeordnete nach 15 Jahren unfreiwillig-außerparlamentarischer Opposition hier heute vor Ihnen meine bzw. unsere „Einstandsrede“ halten zu dürfen - noch dazu zu einem Thema, das uns so sehr am Herzen liegt, nämlich Transparenz und Respekt vor Meinungsvielfalt.

Transparenz herzustellen ist ja zunächst nur eine Frage der technischen Umsetzung politischen Handelns. Warum ist Transparenz so wichtig? Wir leben in einem Land, in dem ein schwindendes Vertrauen in das politische System und sinkende Wahlbeteiligung zu beobachten sind. Das liegt auch daran, dass politisches Handeln für die Bürgerinnen und Bürger schwer wahrnehmbar geworden und schwer nachzuvollziehen ist. Ich habe in den letzten Jahren und insbesondere im Wahlkampf die Erfahrung gemacht, dass man häufig auf Menschen trifft, die politisch engagiert sind und dennoch Parteien ausgrenzen wollen. Parteien wollen sie nicht dabei haben. Ich erkenne darin eine Unterzeile: Redliches politisches Engagement, ja! Aber Parteien haben damit nichts zu tun! - Ich muss sagen, das erschreckt mich immer wieder sehr. Denn es ist der verfassungsmäßige Auftrag der Parteien, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken.

Ich denke, die Entwicklung, dass das Vertrauen in das demokratische System nicht so groß ist, wie wir es uns wünschten, hat verschiedene Ursachen. Wir als Abgeordnete können eine aktivere Rolle dabei spielen, dies zu ändern. Transparenz verringert den wahrgenommenen Abstand zur Politik und macht deutlich, warum wir was wollen. Öffentliche Ausschusssitzungen bieten Interessierten die Möglichkeit, die Genese politischer Entscheidungen nachzuvollziehen. Die Menschen sollen erfahren dürfen, wie aus Wahlkampfäußerungen politische Entscheidungen werden. Darüber hinaus bieten öffentliche Ausschusssitzungen auch die Möglichkeit, die politische Debatte zu entzerren. Die Bürger sähen nicht nur allmonatlich eine Plenarsitzung, in der eine Fülle von politischen Themen zusammengeballt behandelt wird, sondern es gäbe die Möglichkeit, in bestimmten Abständen kleinteiliger über einzelne politische Inhalte zu berichten.

Zum Thema zweiter Vizepräsident: Wir unterstützen den Antrag auf einen zweiten Vizepräsidenten, aber wir sagen deutlich: Wir hätten uns eigentlich etwas anderes gewünscht, nämlich dass der Vizepräsident - wie in vielen Bundesländern üblich - aus der stärksten Oppositionsfraktion kommt. Dabei geht es natürlich nicht um messbare Privilegien wie Dienstwagen oder dergleichen, sondern es geht um ein politisches Symbol: dass die Opposition gewürdigt wird.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen dafür, eine Vielzahl von Meinungen transparent zu machen und diese als Chance für unser Land zu begreifen, und zwar nicht nur in Gut-Wetter-Zeiten, sondern gerade in Zeiten, in denen unpopuläre Ent

scheidungen bevorstehen. Lassen Sie uns diesen Schritt gemeinsam gehen!