Protocol of the Session on July 1, 2009

Ich will auch sagen: Das war nur möglich, weil ein Mann wie Birthler und ein Mann wie Klein und viele andere auch keinen Wert darauf gelegt haben, jemanden zu diffamieren und auszugrenzen. Insofern finde ich, wenn wir über die Perspektive für dieses Land nachdenken: Lassen Sie uns ein bisschen was von einem Stil aufnehmen, der Souveränität zum Gegenstand hat, eine politische Kultur, die Akzeptanz und das Interesse am Anderen beinhaltet! Ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir uns alle bemühen - da habe ich in meiner Partei genauso zu tun wie vielleicht die anderen in ihrer; und ich sage, diese Arbeit dürfen wir uns, auch miteinander machen -, dann tun wir das Richtige, denn es gibt wirklich etwas Schönes: Das ist ein Brandenburg, in dem wir uns wohlfühlen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion setzt der Abgeordnete Baaske die Debatte fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in der Rede eben die Sachlichkeit vermisst, die wir bei der 1. Lesung zu diesem Tagesordnungspunkt hatten; ich will das ehrlich zugeben. Kollege Vietze, ich habe mich gewundert, warum Sie heute Vormittag eine noch längere Redezeit beantragt haben, als wir sie beim letzten Mal hatten. Das hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass ein Spagat etwas länger dauert als ein klarer, einfacher Schritt. Das habe ich vorhin so wahrgenommen.

Natürlich kann man sich fragen, ob Handlungsbedarf besteht. Die Frage ist berechtigt. Andererseits weiß man, wenn man ein Angebot unterbreitet hat, wie groß die Nachfrage ist. Genau dieses Angebot soll jetzt unterbreitet werden.

In Ihrer Rede kam zum Ausdruck, dass es nicht Stolpe war, der den Beauftragten lange Zeit verhindert hat.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Wenn Sie sagen, wir sollten uns mehr Zeit lassen und mehr diskutieren, dann will auch ich den von Ihnen zitierten Kronzeugen des Prozesses der letzten Woche zitieren. Ich habe die Schreiben vorliegen, die wir nach unserem Gesetzentwurf unter anderem von Hans Altendorf bekommen haben, der im Auftrag von Frau Birthler schreibt:

„Bezugnehmend auf Ihr Schreiben an Frau Birthler vom 19.06....“

19.06. war das Datum, an dem wir ihr den jetzt vorliegenden Entwurf geschickt haben.

„... möchte ich Ihnen mitteilen, dass die BstU diesen Entwurf nachdrücklich unterstützt und es begrüßen würde, wenn es eine Entscheidung des Landtages noch in dieser Legislaturperiode gibt.“

Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft - Herr Wagner war auch in der Anhörung zugegen schreibt:

„Sehr geehrter Herr Baaske! Im Namen der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft e. V. möchte ich Ihre Fraktion dringend ersuchen, das Gesetz über die Einrichtung eines Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen noch vor der Sommerpause im Landtag zu verabschieden. Auf keinen Fall darf es, wie die Linksfraktion es fordert, in die nächste Legislaturperiode verschoben werden.“

Oder Rüdiger Sielaff aus Frankfurt (Oder), der auch an der Anhörung teilgenommen hat, schreibt:

„Mit der Klarstellung des Gesetzeszweckes wird den Einwänden der angehörten Experten Rechnung getragen. Ich hoffe, dass der Gesetzgebungsprozess zügig abschließbar ist und das oben angeführte Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann.“

Dieses Gesetz, Herr Vietze, bei aller Liebe, soll überhaupt nicht dazu beitragen, irgendjemanden zu denunzieren, zu diskreditieren, anzuklagen oder sonst etwas. Es geht darum, aufzuklären und Opfern zu helfen - um nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich hätte mir - das gebe ich ehrlich zu - ein anderes Gesetz gewünscht.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Ich habe auch oft genug begründet, warum. Ich habe das, denke ich, schon sehr deutlich gesagt.

Ich habe im vergangenen Jahr an einer Gedenkstättenreise teilgenommen. Dazu hatten wir Sozialdemokraten eingeladen, die in der Zeit des Nationalsozialismus in Sachsenhausen, im Lager 2, das jetzt auch ein bisschen deutlicher hervorgehoben wird, gesessen haben. Wir sind in Hohenschönhausen gewesen, wir waren in Sachsenhausen und in Potsdam in der Lindenstraße.

Als wir dann abends beisammen saßen, war uns klar: Es darf keine Opfer zweiter Klasse geben. Es gab dringende Appelle von den Genossen der Sozialdemokratie - ich weiß aber auch von gleichgerichteten Appellen von Genossen der kommunistischen Parteien -, dass wir uns bemühen müssen, dass es genau diese nicht geben wird.

Ich habe in den letzten Wochen viel mit den Verbänden der Opfer der beiden Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts telefoniert und diskutiert. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einmal klarzustellen, dass wir auch mit dem ersten Ihnen vorgelegten Entwurf niemals auch nur ansatzweise vorhatten, Opfer zu vergleichen oder nationalsozialistische Verbrechen zu relativieren.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Auch wenn wir das in der Präambel explizit ausgeschlossen haben, musste ich erkennen, dass die Angst davor geblieben ist. Ich habe gelernt, was ich eigentlich schon wusste, nämlich dass ich als Gott sei Dank zu späteren Zeiten Geborener niemals werde ermessen können - niemals! -, was Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus angetan wurde. Man sollte sich davor hüten, sich in diese Rolle hineinzuversetzen zu versuchen, oder zu meinen, dass man verstehe, wie die Menschen, die das erlebt haben, heutzutage auf bestimmte Worte, Reflexionen usw. reagieren.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen zu danken, die uns Hinweise zu diesem Gesetzentwurf gegeben haben, die dazu geführt haben, dass der Entwurf in der jetzigen Fassung vorliegt. Es war kein einfacher Prozess; für mich war es das erste Mal, dass ich an einem solchen Beauftragten-Gesetz mitgeschrieben habe.

Ich bin froh, dass ein Gesetzentwurf vorliegt, der - davon bin ich fest überzeugt und das haben auch die Stellungnahmen bewiesen, die wir bekommen haben - wenigstens einen kleinen Teil dazu beitragen wird, dass die Menschen, die in den schlimmen Zeiten, die mehr als zwanzig Jahre zurückliegen, auch in dieser Region Deutschlands entwürdigt wurden, ein Stück weit ihre Würde und ihre Anerkennung wiederbekommen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die DVU-Fraktion spricht der Abgeordnete Norbert Schulze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute soll nun also der historische Schritt in Richtung Schaffung eines StasiBeauftragten in Brandenburg vollzogen werden. Dass ich den Begriff „historisch“ sarkastisch meine, liegt darin begründet, dass Brandenburg nach nunmehr zwei Jahrzehnten jenen Schritt vollzieht, der in den anderen neuen Bundesländern schon seit Jahren politische Selbstverständlichkeit ist.

Ich komme hier nicht umhin, noch einmal daran zu erinnern, dass unsere DVU-Fraktion in der Vergangenheit bereits derartige Anträge in diesem Hohen Hause eingebracht hat, und zwar im Juli 2001, im November 2007 sowie im März 2009. Das Ergebnis ist bekannt. Alle DVU-Anträge wurden schlichtweg abgelehnt, und die Ablehnungsbegründungen waren mehr als scheinheilig.

Die Wirklichkeit lag jedoch darin, dass es sich bei dem Antragsteller, nämlich der DVU-Fraktion, um eine freiheitlich-demokratische Fraktion handelt, die sich im Interesse der Zehntausenden Stasi-Opfer eine ehrliche Aufarbeitung der SED-Dikta

turfolgen auf ihre Fahnen geschrieben hat. Meine Damen und Herren, wie heißt es doch so schön: Was nicht sein darf, ist eben nicht. - Also wurden seit unserem Einzug in den brandenburgischen Landtag vor zehn Jahren alle unsere für die Bevölkerung stets sinnvollen Anträge abgelehnt.

(Zuruf von der SPD)

Darin zeigt sich doch Ihre wahre politische Haltung und dass Ihnen der Volkswille und die Anliegen der Brandenburger prinzipiell egal sind.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie sind Gott sei Dank nicht das Volk!)

Dass dennoch von den Koalitionsfraktionen ein entsprechender Gesetzentwurf eingebracht wurde, obwohl - so unser Eindruck ursprünglich gar nicht gewollt, dürfte einzig dem vehementen Druck unserer DVU-Fraktion

(Allgemeine Unruhe)

im Auftrag einer Vielzahl von Stasi-Opfern geschuldet sein.

(Beifall bei der DVU)

Die im Rahmen des Hauptausschusses am 18. Juni durchgeführte öffentliche Anhörung machte schließlich das Ausmaß der Unzulänglichkeit des ursprünglichen Gesetzentwurfs deutlich. Die in der Gesetzesbezeichnung verankerten Worte „von Diktaturfolgen“ sorgten für reichlich Diskussionsstoff, weil damit auch die Zeit der NS-Diktatur von 1933 bis 1945 gemeint sein soll.

Es kam unter anderem zum Ausdruck, dass durch die Vermischung zweier Diktaturen eine Spektrumserweiterung und dadurch eine Verwässerung der Aufgaben des Landesbeauftragten die Folge sei und somit für die verschiedenen Opfergruppen erhebliche Nachteile entstehen könnten.

Im Ergebnis der Anhörung und der Beratung in den Ausschüssen liegt nunmehr der Änderungsantrag zum Gesetzentwurf von CDU und SPD vor. Das zu verabschiedende Gesetz lautet nun „Gesetz über den Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur“. Das ist gut so und findet unsere Zustimmung.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Dombrowski spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Vortrag des Kollegen Vietze hätte man vergessen oder irritiert sein können, über welches Gesetz wir reden. Denn der Kollege Vietze hat sich im Grunde genommen - so sehe ich es jedenfalls nicht auf den vorliegenden Gesetzentwurf bezogen.

Ich hatte nach der 1. Lesung im Landtag die Erwartung, so wie die Diskussion verlief, dass der Landtag Brandenburg die Gelegenheit nutzt, im 20. Jahr der friedlichen Revolution dieses

Gesetz mit einer großen Mehrheit zu beschließen. Die Diskussion im Rahmen der Anhörung halte ich für keinen schädlichen, sondern für einen nützlichen Prozess.

Selbstverständlich, nicht alle Opferverbände haben den Gesetzentwurf in der damaligen Form begrüßt. Der Hauptausschuss, der federführend war, hat die Anregungen verarbeitet. Diese finden sich im vorliegenden Gesetzentwurf wieder. Von daher ist ein weitestgehender Konsens zumindest zwischen den Betroffenen, die angehört wurden, hergestellt worden.

An der Stelle darf ich im Publikum sieben Vertreter von Opferverbänden kommunistischer Diktatur begrüßen. Das macht sonst der Präsident; vielleicht macht er es noch.

Meine Damen und Herren! Herr Vietze hat sich in seiner Rede auf den ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe bezogen. Ich möchte Ihnen, Herr Vietze, widersprechen. Sie haben den Eindruck erweckt, als hätten 54 % der Brandenburger bei der Landtagswahl symbolisch ihr Votum bezüglich der tatsächlichen oder vermeintlichen Belastung des ehemaligen Ministerpräsidenten abgegeben. Das halte ich für falsch. Ich weiß nicht, woher Sie wissen, dass die absolute Mehrheit aus diesem Grunde zustande gekommen ist. Vielleicht lag es einfach daran, dass die damalige Landesregierung und der Ministerpräsident es verstanden haben, die breite Politik der Dinge, die es zu verarbeiten galt, den Menschen nahe zu bringen. Das auf das Thema Stasi zu reduzieren halte ich für daneben. Im Grunde genommen glaube ich, dass Sie hier missbräuchlich das Ansehen des Altministerpräsidenten Manfred Stolpe nachträglich schädigen, weil Sie sich in seinen Schatten stellen wollen, wo sie nicht hingehören.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Wenn Manfred Stolpe und andere gesagt haben, allen Menschen müsse nach einer solchen dramatischen Wendung der Gesellschaftsordnung eine Chance gegeben werden, dann haben sie Recht.