Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Wer der Beschlussempfehlung in der Drucksache 4/7722 des Hauptausschusses Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Gegenstimme und wenigen Enthaltungen wurde der Beschlussempfehlung gefolgt. Damit geht dieser Gesetzentwurf in die 3. Lesung.
Es wurde vereinbart, auch hierzu keine Debatte zu führen. Wer der Beschlussempfehlung in der Drucksache 4/7682 Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen ist der Beschlussempfehlung gefolgt worden.
Meine Damen und Herren! Wir setzen die Plenarsitzung fort. Ich begrüße unsere Gäste, es sind Jugendliche aus der Bildungseinrichtung Buckow in der Schorfheide. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg. Ich wünsche euch einen spannenden Nachmittag.
Gesetz über den Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und Folgen diktatorischer Herrschaften
Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Es spricht der Abgeordnete Heinz Vietze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine kurze Vorbemerkung, um Erinnerungen aufzufrischen. Im Dezember 1991 beschloss der Bundestag das - in Kurzform Stasiunterlagengesetz und ermöglichte damit den neuen Bundesländern, in eigener Verantwortung auf gesetzlicher Grundlage Landesbeauftragte einzusetzen. In allen neuen Bundesländern, mit einer Ausnahme - Brandenburg -, wurde daraufhin eine Einrichtung geschaffen.
Brandenburg hat im Ergebnis der geführten politischen Diskussion davon Abstand genommen, eine solche gesetzliche Regelung zu schaffen. Wie war es damals in Brandenburg? Es gab Vorwürfe der informellen Mitarbeit des Ministerpräsidenten Stolpe; es wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Im Rahmen einer sehr umfangreichen, sehr differenzierten Arbeit, alle Unterlagen betreffend, und der Befragung vieler Zeugen aus dem Land Brandenburg, verschiedener Ministerien und Partner des Ministerpräsidenten, vom damaligen Außenminister Genscher bis zum Altbundeskanzler Schmidt, die alle hier waren, wurde ein Thema intensiv aufgearbeitet.
Im Ergebnis dieses Prozesses wurde unterstrichen, dass es notwendig ist, sich diesem Thema mit menschlichem Maß in besonderer Weise zu widmen. Damit verbunden war jener Beschluss „DieVergangenheit mit menschlichem Maß bewerten“, der gern beiseite gelegt wird, den manche gar nicht zur Kenntnis genommen haben, der aber die Arbeitsgrundlage für diesen Sachverhalt im Land Brandenburg war. Denn er verpflichtete die Ministerien, die Verwaltung im Land, nach den Maßstäben des Beschlusses zu arbeiten.
Frau Birthler - damals Ministerin - äußerte, dass dieser Beschluss und das Herangehen im Land Brandenburg nicht ihren Erwartungen entsprächen. Sie war der Meinung, dass es zu einer anderen Entscheidung kommen sollte. Frau Birthler hat die Regierungsarbeit ihrerseits aufgekündigt und ist zurückgetreten. Die damaligen Linken, die PDS, haben eine sozial-liberale Minderheitsregierung toleriert.
In der Zeit danach wurde sehr vernünftig gearbeitet. Die Bürger haben diesen Prozess dergestalt honoriert, dass sie den Sozialdemokraten unter Manfred Stolpe mit über 54 % die absolute Mehrheit bescherten. Das Volk hatte gesprochen, und damit war eine Basis für den Umgang mit diesem Thema und auch die Art und Weise vorgegeben.
Jahre gingen ins Land, und es wurde gesagt: Wir müssen uns stärker mit bestimmten Sachverhalten beschäftigten. Die Opfer beklagten eine nicht hinreichende Zuwendung. Ich spreche von der ungeklärten Entschädigungsregelung, welche sich verzögert hat, und vieles andere mehr. Es hat sich gezeigt, dass der Umgang mit der Geschichte sehr undifferenziert ist und man nicht alle sich damit ergebenden Möglichkeiten nutzte. Es wurde etwas abgefordert, was stärker dem Anspruch einer kritischen Auseinandersetzung mit Vergangenheit Rechnung tragen sollte.
Das hat dazu geführt, dass wir in diesem Parlament einen Koalitionsantrag „Umgang mit Geschichte zur Stärkung der Demokratie“, das Konzept über Leitlinien zur intensiven aktiven Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur, das Konzept zur Erinnerungskultur usw. behandelt haben. Das Parlament hat sich in den Jahren 2007, 2008 und 2009 mit diesem Thema
beschäftigt; in die Diskussion waren übergreifend alle demokratischen Parteien dieses Hauses eingebunden, und sie hat zu gemeinsamen Beschlüssen geführt.
Mit einer gewissen Regelmäßigkeit wird der Vorwurf laut, dass es in Brandenburg keinen Stasi-Beauftragten gibt. Auch bestimmte Ereignisse lassen immer wieder Gedanken aufkeimen, sich vielleicht doch stärker um die Opfer zu kümmern also eine psychosoziale Betreuung einzuführen - und sich im Bildungsbereich um einen fairen Umgang mit Geschichte zu bemühen bzw. Aufklärung zu betreiben. Also hat man gesagt: Es besteht Handlungsbedarf - gut.
Die Koalition hat sich geeinigt, es mit diesem Gesetz zu regeln. Wir haben gesagt: Wir sind bereit, an diesem Gesetz mitzuwirken. Auch wir sehen Regelungsbedarf. - Ich habe mittels einer Kleinen Anfrage erfahren wollen, wo Handlungsbedarf besteht, damit man weiß, wo das Gesetz seine Schwerpunktsetzung hat.
Nun hat es, wie man weiß, verschiedene Gesetzesüberschriften gegeben. Die Überschrift ist nicht unwichtig, denn daraus ergibt sich, welche Aufgabe zu lösen ist. Sie bestimmt den Inhalt. In den Stellungnahmen des Bildungsausschusses und des Wissenschaftsausschusses lese ich: Die Aufgaben des Beauftragten sollen sich im Schwerpunkt auf die psychosoziale Betreuung der Opfer kommunistischer Diktatur begrenzen. Als zweiter Schwerpunkt wird die Koordinierung genannt. Wenn diese Aufgabe als Schwerpunkt gesetzt werden soll, dann stellt sich die Frage, ob das Thema kommunistische Diktatur damit inhaltlich hinreichend bestimmt ist.
Der Innenminister hat den Vorschlag gemacht, man sollte die Funktion beim Landtag anbinden. Das wurde nicht gewünscht, und demzufolge gab es auch keine Diskussion. Im weiteren Verlauf ging es um die Frage, wie es mit der relativen Selbstständigkeit des Beauftragten sei. Natürlich müsse er einem Ministerium zugeordnet, jedoch so frei sein, nicht dessen Rechtsaufsicht zu unterstehen.
Es gab Kauderwelsch. Bei einem so wichtigen Thema, bei dem man Handlungsbedarf sieht, werden leichtfertig Dinge in die Welt gesetzt. Da sagen wir: Wer ein solches Thema so oberflächlich angeht und so viele Formalien nicht beachtet, der erweckt den Eindruck, nur tätig zu werden, weil die 2. Lesung auf der Tagesordnung steht, nach dem Motto: Jetzt ziehen wir das durch. Augen zu und durch! - Das ist für uns kein Prinzip für ein verantwortlich arbeitendes Parlament.
Wir wissen, dass SPD und CDU in diesem Parlament die Mehrheit haben, sie können den Gesetzentwurf beschließen. Sie haben die Möglichkeit, alles zu beschließen; denn sie sind durch das Volk dazu legitimiert.
- Die Verfassungsfragen nicht, das stimmt; denn eine Zweidrittelmehrheit haben Sie nicht, und darüber bin ich froh.
Es wäre gut, aus dem Selbstverständnis der demokratischen Parteien - dieses Merkmal nimmt jeder für sich in besonderer Weise in Anspruch - zu fragen, ob denn nicht in Anbetracht des
von vielen verschiedenen Gutachtern angesprochenen Regelbedarfs in vielen Bereichen eine qualifizierte Umsetzung bzw. eine größere Sorgfaltspflicht und eine wirkliche Wahrnehmung von Verantwortung gegenüber den Opfern geboten wäre. Schauen Sie sich Ihren Gesetzestext an! Er bleibt vieles schuldig, was erforderlich wäre. Wir bedauern das sehr und sagen: Wenn Sie der Meinung sind, dieses Gesetz verabschieden zu müssen, dann tun Sie es; die Möglichkeit dazu haben Sie. Wir würden uns diesem Thema in einer anderen Qualität widmen.
- Frau Funck, zu Ihrem interessanten politischen Konzept komme ich gleich; das wird meine abschließende Bemerkung sein.
Im Zusammenhang mit dem Thema „Mit menschlichem Maß Vergangenheit bewerten“ wurde in diesem Parlament darüber diskutiert, was Wahrnehmung von Verantwortung für einen notwendigen differenzierten, aufgeschlossenen und kritischen Umgang mit Geschichte heißt und wie die handelnden Personen in diesem Prozess zu bewerten sind. Das war nichts, was man aus Daffke in die Welt gesetzt hat. Herr Birthler von der SPD, Herr Lietzmann von den Liberalen, Herr Diestel, der Fraktionsvorsitzende der damals in der Opposition agierenden CDU-Fraktion, Herr Schumann von der PDS und Herr Wettstädt vom Bürgerbündnis waren Unterzeichner des Antrags. Das Parlament hat darüber diskutiert und einen Beschluss gefasst. Es wurde ein Qualitätsmerkmal für den Stil im Umgang mit dem Thema beschlossen.
In der „Berliner Zeitung“ vom 30.06.2009 wird Stolpe zitiert. Es ist zu lesen, es sei ihm wichtig gewesen, allen Menschen eine Chance zu geben und niemanden auszuschließen. Statt in der Vergangenheit zu wühlen und Unruhe zu schaffen, sollte etwas Neues entstehen, eine Identität, ein brandenburgischer Stolz, etwas, das weder mit der DDR noch mit dem Weststaat zu tun gehabt habe. Etwas Eigenes. Es sei ihm immer um den durchschnittlichen, normalen Menschen, der kein Held und kein Opfer gewesen sei und der seine Würde habe behalten wollen, gegangen. In den schwierigen Zeiten nach der Wende sei es wichtig gewesen, den Leuten etwas in die Hand zu geben, einen Halt und etwas Sicherheit. Das sei die Verantwortung gewesen.
Ich bitte alle, darüber nachzudenken, ob die Formulierungen des damaligen Ministerpräsidenten zu der damaligen Zeit die richtige Messlatte waren. Denn es ging wirklich um alle. Es wird gesagt, es sei eine untaugliche Koalition gewesen, die das damals wollte: der Fachanwalt für Stasi-Täter Peter-Michael Diestel, von der PDS der ehemalige Chef der SED-Bezirksleitung Vietze und eben Stolpe. Das wird schön diffamiert. Es wird gesagt, das Modell von Stolpe, alle in die neue Zeit mitzunehmen, sei der bequemste, aber auch der gefährlichste Weg, eine Diktatur abzuwickeln. Ich bitte alle, über meine Worte nachzudenken: Wenn gesagt wird, es sei der bequemste Weg, alle mitzunehmen, so entgegne ich - das hat Herr von Schwerin in demselben Interview gesagt -: Das ist ein Irrtum! Der schwerste Weg ist der, alle mitzunehmen, alle zu integrieren und mit allen ernsthafte Auseinandersetzungen über geschichtliche Abläufe und Verhalten zu führen. Es ist viel leichter und primitiver, jemanden zu kritisieren, zu diffamieren und zu diskreditieren. Das ist der einfache Weg. Ich bin Herrn Baaske dankbar, dass er gesagt hat, ich sei den schwersten Weg gegangen. Ich bin
dafür, dass alle in diesem Land die Chance haben, so wie ich diesen schweren Weg zu gehen. Denn nur das ist die Garantie für eine lebendige Demokratie.
(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE - Frau Dr. Funck [CDU]: Dann sollen Sie sich offen dazu bekennen!)
Wir wollen diesen Weg mit Ihnen gehen. Herr Baaske war so freundlich, vier Männer aus diesem Parlament zu zitieren. Ich weiß, es scheiden auch Frauen aus, und ich will ausdrücklich sagen, es sind immer Nominierungen unterschiedlicher Art. Die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU, mit der ich mich immer streiten konnte, war Frau Blechinger. Zu den Kollegen in der CDU, die mit mir viele Auseinandersetzungen hatten, gehörte zum Beispiel Herr Helm. Er war auch schon im Präsidium der Volkskammer der DDR und hat das genauso mitgemacht. An ihn wurde der Vorwurf gerichtet, dass er Mitglied der DBD war. Nun sage ich einfach mal: Wir haben hier in diesem Parlament immer auf diese Diffamierungen verzichtet, und das war gut so.
Ich will auch sagen: Das war nur möglich, weil ein Mann wie Birthler und ein Mann wie Klein und viele andere auch keinen Wert darauf gelegt haben, jemanden zu diffamieren und auszugrenzen. Insofern finde ich, wenn wir über die Perspektive für dieses Land nachdenken: Lassen Sie uns ein bisschen was von einem Stil aufnehmen, der Souveränität zum Gegenstand hat, eine politische Kultur, die Akzeptanz und das Interesse am Anderen beinhaltet! Ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir uns alle bemühen - da habe ich in meiner Partei genauso zu tun wie vielleicht die anderen in ihrer; und ich sage, diese Arbeit dürfen wir uns, auch miteinander machen -, dann tun wir das Richtige, denn es gibt wirklich etwas Schönes: Das ist ein Brandenburg, in dem wir uns wohlfühlen. - Ich danke Ihnen.