„Sofern das Grundstück bereits vor dem 1. Februar 2004 an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen oder anschließbar war, ist für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht das Inkrafttreten der ersten (gegebenenfalls nicht wirksamen) Anschlussbeitragssatzung maßgeblich.“
Bleibt das Argument der Finanznot vieler Verbände. Da hätte ich mir gewünscht, dass der Ministerpräsident auch mit Bezug auf seine frühere Verantwortung als Umweltminister Stellung bezieht, denn die überdimensionierte Ausgestaltung der Abwasseranlagen ist unter seiner Verantwortung gefördert worden.
Fakt ist jedoch, dass erstens die Investitionen in den Verbänden durchkalkuliert sind und zweitens kein Verband mit der Veran
lagung der Altanschließer mehr Geld einnimmt, sondern lediglich eine Umverteilung zwischen Herstellungsbeiträgen und Gebühren stattfindet. Unter dem Eindruck dieser Aussage kam der von der Koalition benannte Rechtsanwalt Becker in der Anhörung zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf zur Einbeziehung der Altanschließer hat, wenn den Verbänden kein Geld fehlt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nicht nur die Verantwortung, sondern die reale Chance, bei der Lösung des Problems der Altanschließer einen echten Fortschritt zu erreichen. Diesem Anspruch wird der Koalitionsentwurf nicht gerecht. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor ziemlich genau einem Jahr war es in der Tat so, dass wir vor der Situation standen, dass erhebliche Unruhe durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg ins Land kam. Wir mussten uns fragen: Lassen wir das so laufen, oder handeln wir? Wir haben uns zum Handeln entschlossen, und DIE LINKE hat sich in Wahrheit dazu entschlossen, nichts zu tun. Das verwundert möglicherweise.
- Ich sehe, Frau Kaiser ist überrascht, zu hören, dass Sie nichts tun. „Wir haben doch einen Gesetzentwurf“, werden Sie gleich sagen, „einen wunderbaren Gesetzentwurf“. Dabei handelt es sich aber um einen Gesetzentwurf, der in Wahrheit nichts tut.
In diesem Gesetzentwurf steht bei richtiger Interpretation: Verjährte Forderungen sind verjährt. - Das ist gut. Da könnte man auch sagen: Wenn es regnet, wird es nass. Wenn wir das ins Gesetz schrieben, hätte es genau die gleiche negative und überhaupt völlig banale Folge, nämlich keine Auswirkungen.
Selbstverständlich sind verjährte Forderungen verjährt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestreitet das gar nicht.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sagt: Es gibt praktisch keine verjährten Forderungen in diesem Bereich.
Sie helfen mit Ihrem Gesetzentwurf in Wahrheit niemandem. Sie erzeugen mit dem, was hier auf dem Papier steht und was Sie zum Gesetz machen wollen, allenfalls den Eindruck, es wäre ein Ansatz zur Hilfe.
Sie würden - möglicherweise auch beim Verband der Wohnungsunternehmen - die Hoffnung erzeugen, es könnte damit
etwas gelöst werden. Dies ginge so lange, bis die Bescheide von den Verbänden kämen, die alle Altanschließer nach der geltenden Rechtslage in voller Höhe in Anspruch nähmen. Wenn man sich dann mit Ihrem Gesetzentwurf - in Ihrem Antrag steht es doch - dagegen wehrte und sagte: „Da steht es doch aber“, vom Oberverwaltungsgericht dann jedoch gesagt bekommt: „Ihr habt Pech gehabt, es war nicht verjährt!“, stellt man fest: Der Gesetzentwurf hilft nicht weiter.
Was soll so etwas? Es soll offensichtlich darüber hinwegtäuschen, dass auch Sie keine Lösung haben, die allen gerecht wird - womit wir bei unserem Gesetzentwurf wären. Ich räume gern ein: Endgültige Gerechtigkeit gibt es in diesem Bereich nicht. Es gibt keine Möglichkeit, alle so zufriedenzustellen, dass hinterher alle kommen und sagen: Wir sind voll überzeugt; das ist Gerechtigkeit.
Wir wollen einen Weg suchen, wie wir einen vernünftigen Ausgleich zwischen Altanschließern und Neuanschließern schaffen, wie wir den Altanschließern tatsächliche Entlastungen verschaffen können, und zwar dort, wo es möglich und nötig ist.
Bitte noch einen Moment! - Wir können aber kein Verfahren finden, das über das ganze Land erstreckt die gleichen Regelungen vorgibt. Das können wir nicht, weil wir an die Autonomie der Kommunen glauben und sie stützen wollen. Das können wir auch deshalb nicht, weil das Rechtschaos, das irgendwer - heute in der Presse - mit unserem Gesetz öffentlich verbreitet sieht, in Wahrheit schon im Lande herrscht.
Es herrscht in allen Verbänden eine unterschiedliche Rechtslage, und es ist überhaupt nicht möglich, ein Gesetz zu machen, das den 120 Verbänden - oder wie viele wir im Land auch immer haben - in jeder Hinsicht gleich gerecht würde. Wir sagen: Zu entscheiden, was geregelt werden muss und was nicht, obliegt den vor Ort Verantwortlichen. - Deswegen enthält unser Gesetztentwurf zwei wesentliche Elemente, nämlich die Differenzierungsmöglichkeit zwischen Alt- und Neuanschließern, aber eben die Möglichkeit - nicht den Zwang - für die Kommunen, davon Gebrauch zu machen. Dies stärkt die Kommunen in der Tat, gibt dort auch Verantwortung, macht dort vielleicht auch Probleme - ich weiß das; so ist das mit der kommunalen Selbstverwaltung -, aber dies schafft die Lösungsmöglichkeit dort, wo sie hingehört, und dies entlastet - im Gegensatz zu Ihrem Entwurf - tatsächlich da, wo man davon Gebrauch macht, Altanschließer in Euro und Cent.
Das ist aber sehr nett, Herr Abgeordneter, dass Sie dem Kollegen Scharfenberg die Möglichkeit geben. Ich hatte ja nicht einmal die Chance, Sie zu fragen, ob Sie es überhaupt zulassen, eine Zwischenfrage zu stellen.
Also, Herr Holzschuher lässt es zu, Herr Dr. Scharfenberg. Sie können jetzt Ihre Frage stellen. Bitte schön.
Erste Frage: Herr Holzschuher, erinnern Sie sich noch daran, dass die Koalition dem Gesetzentwurf zur Änderung des KAG 2004 zugestimmt und damit die Voraussetzung für die jetzige Diskussion geschaffen hat?
Zweite Frage: Was versprechen Sie sich denn nach der jetzt öffentlich gewordenen massiven Kritik tatsächlich von Ihrem Gesetzentwurf?
Dritte Frage: Sie wissen ganz genau, dass wir im Innenausschuss versucht haben, die Begründung unseres Gesetzentwurfs noch einmal zusätzlich zu konkretisieren, um genau der Intention entgegenzuwirken, die Sie uns hier in Ihrer Interpretation unterstellt haben. Haben Sie das zur Kenntnis genommen?
Das waren drei Fragen und nicht eine Zwischenfrage. Ich versuche sie, falls ich sie alle behalte, zu beantworten. Ich darf jetzt beliebig lange darüber reden, hoffe ich. So ist die Geschäftsordnung, wunderbar, danke.
Erstens: 2004 war ich noch nicht im Landtag; das wissen Sie. Ich weiß deswegen nicht ganz genau, was man damals gewollt hat. Da gibt es unterschiedliche Interpretationen. Das ist aber, Herr Kollege Scharfenberg, im Augenblick auch wirklich nicht von Belang,
denn wenn ein Gesetz in der Welt ist, dann entscheidet ein Gericht, wie es zu interpretieren ist. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat es so interpretiert, wie es jetzt auf dem Papier steht. Ob das richtig ist oder falsch, haben wir als Gesetzgeber nicht zu kommentieren. Wir haben nur die Chance, Änderungen zu treffen, die in der Zukunft wirken. Das ist eine der Sachen, die wir hier versuchen.
Die zweite Frage war: Was erreichen wir dadurch? - Wir erreichen eine Entlastung der Altanschließer insofern, als das, was die bloße Erweiterung der Netze angeht, auf die Altanschließer nicht umgelegt werden muss - eine, wie wir sagen, sachgerechte Differenzierung, keine, die, um noch einmal einen juristischen Begriff aufzugreifen, das Gesamtanlagenprinzip infrage stellt, sondern eine, die einen Berechnungsmaßstab schafft, um die unterschiedliche Wertschöpfung zu berücksichtigen, die bei
vor dem 3. Oktober 1990 bebauten Grundstücken entstanden ist - im Verhältnis zu denen, die später bebaut oder später angeschlossen wurden. Das ist der Unterschied. Wir können eine Entlastung dort erreichen, wo es sinnvoll ist. Es ist aber nicht das weiß ich auch - in allen Bereichen des Landes sinnvoll.
Die letzte Frage war: Haben Sie es geschafft, klarzumachen, was wir wollen? - Herr Kollege, der Gesetzestext ist ja unverändert geblieben - wie gesagt: Wenn es regnet, wird es nass; verjährt ist verjährt. Das steht in dem Gesetz, das bleibt so. Mit der Begründung können Sie das auch nicht grundsätzlich infrage stellen. Möglicherweise wollten Sie etwas anderes. Sie wollten das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch ein Gesetz uminterpretieren. Das ist aber ein verfassungsrechtlich nicht zulässiger Weg. Wir können nicht sagen: Das, was das OVG sagt, ist falsch. - Dazu ist ein Gesetzgeber nicht berufen. Es ist nun einmal eine Konsequenz der Gewaltenteilung. Wir dürfen Gerichtsurteile nicht uminterpretieren. Wir können nur Gesetze für die Zukunft machen, die möglicherweise auch Rückwirkung entfalten; auch das mag zulässig sein. Wenn Sie das wollen, eine noch nicht verjährte Forderung für die Zukunft als verjährt zu betrachten, hätte das die Konsequenz, dass wir ganz erhebliche Entschädigungszahlungen leisten müssten. Wenn Sie dies sagen wollten - Sie haben es jedenfalls nicht ins Gesetz geschrieben -, wäre das die Thüringer Lösung. Da haben wir auch gesagt: Eine solche Lösung ist für uns nicht akzeptabel, weil sie den Landeshaushalt, den Steuerzahler belastet. Das ist nun auch nicht gerecht, weil wir wollen, dass diejenigen, die vor Ort von den Anschlüssen profitieren - das sind die Grundstückseigentümer -, vorrangig zahlen und nicht alle, nicht die Mieter, nicht die einfachen Steuerzahler im Land.
Deswegen ist übrigens auch ein Umlagemodell falsch, wie das etwa die Grundstückseigentümer in der Anhörung gefordert haben. Alles über Gebühren zu finanzieren ist in einzelnen Bereichen, in einzelnen Regionen richtig. Potsdam und Brandenburg an der Havel haben ein solches System. Da mag es richtig sein, aber im Großen und Ganzen wäre dies im Land nicht sozial gerecht. Dafür stehen wir Sozialdemokraten nicht, weil wir eben nicht wollen, dass der Hartz-IV-Empfänger für den Grundstückseigentümer den Anschluss finanziert, und darauf läuft es hinaus, wenn man alles, wie Sie ja auch mittelbar fordern, über Gebühren finanziert. Erklären Sie das mal Ihren Leuten, erklären Sie das der Klientel, die Sie immer bedienen wollen, warum Sie die belasten und die Grundstückseigentümer entlasten wollen!
Wir wollen das nicht. Wir wollen Gerechtigkeit, soweit irgend möglich. Es wird nicht hundertprozentig möglich sein, ist aber ein richtiger Schritt, ein guter Weg. Ich hoffe, dass wir nach diesem Tag doch wieder auf einen gemeinsamen Weg kommen und gemeinsam vorangehen. Ich hoffe, dass unser Entwurf die Zustimmung dieses Hauses findet.
Vielen Dank, meine Damen und Herren. Vielen Dank, Frau Präsidentin, für Ihr Verständnis dafür, dass ich Sie nicht zu Wort kommen ließ.
Ist in Ordnung, Herr Abgeordneter. Danke schön. - Das Wort erhält der Abgeordnete Claus. Während er zum Pult kommt,
begrüße ich ganz herzlich Jugendliche aus dem Christlichen Jugenddorf Seelow. Herzlich willkommen in unserer Nachmittagssitzung!
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Es ist ganz gut, dass wir heute die beiden Gesetzentwürfe in einem Aufwasch erledigen. In der Ausschusssitzung am 23. April konnten wir uns noch einmal - mit verschiedenen Experten sowie Vertretern von Kommunen und Zweckverbänden - mit diesen beiden Initiativen auseinandersetzen.
Den Gesetzentwurf der Linken kann ich hier eigentlich ziemlich schnell abhandeln, denn dazu ist in der 1. Lesung bereits alles gesagt worden. Die öffentliche Anhörung hat hierzu nichts Neues zutage gebracht. Der Gesetzentwurf der Linken ist schon deswegen abzulehnen, weil er keinen Regelungsinhalt aufweist; Herr Holzschuher sagte das ebenfalls schon.
Er krankt auch an der Fehleinschätzung, es ginge hier um Beiträge, deren Festsetzungsfrist bereits vor der Änderung des Kommunalabgabengesetzes abgelaufen gewesen sein soll. Tatsächlich ist nicht ersichtlich, dass verjährte und damit erloschene Beitragsansprüche durch die Änderung des KAG am 1. Februar 2004 neu entstanden sind. Ein Beitragsanspruch kann nach den einschlägigen KAG-Änderungen nur entstehen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliegt. Auch das hat die Anhörung gezeigt. Tatsächlich waren aber vermutlich alle Beitragssatzungen vor Inkrafttreten der KAG-Änderungen unwirksam, das heißt, ein Beitragsanschluss konnte daher weder entstehen noch verjähren.
Aber auch für den Fall, dass man der absoluten Mindermeinung des Gutachters Prof. Steiner, der ja von Ihnen geladen worden war, folgen sollte, dass dem nicht so sei, stößt der von den Linken geforderte Weg auf massive verfassungsrechtliche Bedenken; denn in der Konsequenz würde dieser zu einem Gebührensplitting auch zulasten der Mieter führen, für das keinerlei sachliche Differenzierung existiert. Soweit kurz und knapp zu Ihrem Antrag.