Protocol of the Session on April 1, 2009

Herr Jürgens hat das Problem benannt: soziale Rahmenbedingungen. Wenn zwei Drittel der Studierenden zusätzlich arbeiten müssen, um sich die Grundsicherung zu ermöglichen, dann kann das für ein Studium nicht gut sein.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Sie haben heute die Hausaufgaben hier nur in andere Richtungen verteilt. Ich hatte auch eher das Gefühl, dass der hochschulpolitische Sprecher der CDU heute im gewissen Sinne seinen Abgesang gemacht hat. Er stand neben der gesamten Situation, als habe er nicht über mehrere Jahre, rund ein Jahrzehnt, damit zu tun gehabt.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Betrachten wir die brandenburgischen Bedingungen. Sie haben das Ziel formuliert: 10 % des Bruttoinlandsprodukts bundesweit. Das ist Ihr Ziel; okay. OECD-weit haben wir 5,4 % Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt. In Ostdeutschland haben wir im Durchschnitt 5 %, und in Brandenburg - pardon! - liegen wir bei 4,4 %. Dann machen wir doch, bitte, gemeinsam erst einmal diese Hausaufgaben.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Denn mehr Lehrerinnen und Lehrer, mehr Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, bessere Rahmenbedingungen für Schüler und Studierende - und zwar von Anfang an, in Kita und Grundschule - müssen besser finanziert werden. Das sind die Hausaufgaben, die diese Landesregierung hätte machen müssen. Hier sind zehn Jahre verpasst worden. Ich sage Ihnen: Es hat keinen Sinn, auf den September zu warten und vor den Wahlkämpfen alle möglichen Probleme zu benennen. Sie reden davon, dass Sie sie lösen wollen. Sie hätten sie längst lösen können, und das kritisiert meine Fraktion.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Lehmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde immer Ihren diplomatischen Schwenker, Frau Kaiser, sehr interessant, das heißt, wie Sie versuchen, dann das zu relativieren, was Kollegen Ihrer

Fraktion wenige Minuten vorher hier ausgeführt haben. Wenn Sie sagen, dass Herr Niekisch neben sich stand, kann ich nur sagen, dass Herr Jürgens nirgends stand.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich kann ja verstehen, dass Sie als Opposition alles verdrängen, was sich in diesem Land tut.

(Widerspruch bei der Fraktion DIE LINKE)

Aber wenn ich in der Opposition wäre, hätte ich eine ganz andere Strategie. Ich würde mich auf all das draufsetzen, was sich bisher positiv in diesem Lande entwickelt hat,

(Jürgens (DIE LINKE) : Dafür sind Sie doch da!)

und würde als Opposition angeben wie Bolle.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

So würde ich das machen. Das als kleinen Tipp für Sie in der Zukunft. Draufsetzen würde ich mich zum Beispiel auf das gesamte Thema frühkindliche Bildung. Was haben wir da in Brandenburg auf den Weg gebracht? Das verdrängen Sie einfach. Draufsetzen würde ich mich - ich nenne nur einige Punkte, ich könnte vieles nennen - auf die Initiative Oberschule. Dazu habe ich aktuell die Zahlen im Kopf. Wir geben bis 2013 44 Millionen Euro in das System. Genau mit dieser Initiative knüpfen wir an die soziale Kompetenz der Schülerinnen und Schüler an.

Ich würde mich draufsetzen, ich würde angeben wie Bolle, und ich würde mich auch auf die Kampagne der SPD „Schule und Wirtschaft“ draufsetzen. Dann würde ich einmal durchs Land reisen und mir angucken, was allein schon mit dieser Initiative ausgelöst wird, beginnend in den Kitas: Verbindung der Kitas mit Firmen, Studienorientierung in den Schulen. In diesem Bereich passiert sehr viel.

Herr Jürgens, Sie haben hier einen Antrag aus dem Jahr 2005 zum Thema Fachkräftesicherung angeführt. Damit sind Sie aber auch ein paar Jahre zu spät gekommen. Wir haben uns bereits in der Koalitionsvereinbarung im Jahre 2004 darauf verständigt, gemeinsam mit der Wirtschaft, mit den Gewerkschaften und mit der Wissenschaft Strategien zu entwickeln, mit denen der angespannten Arbeitskräftesituation entgegengewirkt werden soll. Das war also bereits im Jahre 2004.

Wir haben weitere Ziele in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, zum Beispiel zur Ausbildung, zur Weiterbildung, zur vertieften Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft. Wir haben das Thema „Konzentration auf Stärken“ und die engere Verzahnung von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik angesprochen. Das alles haben wir getan, darauf haben wir uns verständigt, um auch dem Thema Fachkräftesicherung eine besondere Bedeutung beizumessen.

Ich möchte damit sagen: Die Fachkräftesicherung ist schon lange ein Thema. Es steht lange auf unserer politischen Agenda, wir gehen damit auch sehr offensiv um, und - kleiner Werbeblock, liebe Kollegen der Koalition - wir Sozialdemokraten sind hier treibende Kraft.

(Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

Schon der Sozialminister Günter Baaske hat im Jahre 2003 das zu Ihrem Antrag aus dem Jahr 2005 - eine Fachkräftestudie in Auftrag gegeben. Unsere Sozialministerin Dagmar Ziegler hat sie dann im August 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt. Uns lagen somit frühzeitig Analysen zur Fachkräfteentwicklung vor. Herr Niekisch ist auf diese Studie bereits eingegangen. Das kann ich mir an dieser Stelle also sparen. Deutlich geworden ist in dieser Studie: Fachkräftesicherung betrifft alle Gruppen am Arbeitsmarkt.

Eines muss auch klar sein, meine Damen und Herren: Fachkräftesicherung in den Unternehmen ist und bleibt eine Aufgabe der Unternehmen selbst. Politik kann letztlich nur Rahmenbedingungen setzen. Ich möchte ganz kurz einige Rahmenbedingungen nennen.

Da ist die interministerielle Arbeitsgruppe, abgekürzt IMAG, zu nennen, die unter der Federführung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie arbeitet. In dieser interministeriellen Arbeitsgruppe arbeiten das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz, das Ministerium für Wirtschaft, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur und die Staatskanzlei mit. Damit haben wir das Thema Fachkräftesicherung in der Landesregierung fest verankert. Aber in diesen Prozess müssen natürlich auch externe Partner einbezogen werden wie die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammern, die Gewerkschaften, die Fachhochschulen, die Universitäten, die kommunalen Spitzenverbände, die Bundesagentur für Arbeit, Vertreter der Lehrkräfte und der Elternschaft; also wieder der Bildungsbereich.

Die interministerielle Arbeitsgruppe, angereichert mit den Erfahrungen der genannten externen Partner, bildet den Landesarbeitskreis Fachkräftesicherung, der im Februar 2006 ins Leben gerufen worden ist und der ebenfalls unter der Federführung des MASGF arbeitet. Aufgaben des Landesarbeitskreises Fachkräftesicherung sind unter anderem die Sensibilisierung der beteiligten Partner für dieses Thema, die partnerschaftliche Abstimmung und das gemeinsame Vorgehen bei Problemlösungen, die Erzeugung von Synergien durch Kooperation sowie die Vereinbarung von Zielen und Aktivitäten zur Fachkräftesicherung.

Da Fachkräftesicherung vor Ort in den Betrieben und auf lokaler Ebene stattfindet, fördert das zuständige Fachministerium seit dem Jahr 2006 an sechs Standorten im Land Brandenburg ein landesweites Netz von Regionalbüros für Fachkräftesicherung. Deren Aufgabe ist es, kleine und mittlere Unternehmen und deren Beschäftigte für das Thema zu sensibilisieren und darüber zu informieren. Eine weitere Aufgabe besteht im Aufbau eines Fachkräfteinformationssystems, das regional und branchenbezogen Informationen liefert und zudem auch über das Internet verfügbar ist.

All diese Strukturen bzw. Rahmenbedingungen, aber auch die intensive Diskussion darüber in den letzten Jahren haben in vielen Regionen des Landes Fachkräfteinitiativen ausgelöst. Auch das können wir schlicht und einfach nicht ausblenden.

Frau Abgeordnete, Sie strapazieren meine Geduld über Gebühr.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Diese Initiativen in den Regionen dürfen wir schlicht und einfach nicht verkennen.

Fachkräfte sind also nicht nur ein aktuelles Thema, sondern ein Dauerthema, das uns auch in der nächsten Zeit weiterhin beschäftigen wird. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Während Frau Ministerin Ziegler an das Mikrofon tritt, begrüße ich unsere Gäste von der Kreisverwaltung Märkisch-Oderland. Herzlich willkommen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeiner Beifall)

Weiter begrüße ich die Schülerinnen und Schüler des Oberstufenzentrums „Alfred Flakowski“ aus Brandenburg an der Havel. Auch euch ein herzliches Willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass heute dieses Thema für die Aktuelle Stunde gewählt wurde, denn Innovation und kluge Köpfe brauchen wir auch in Zeiten der Krise, gerade in der Krise. Man könnte auch sagen: Vor der Krise ist nach der Krise. Was Ausbildung, Wirtschaft und Politik jetzt versäumen, fällt uns allen über kurz oder lang auf die Füße. In fünf Jahren würden wir dann wahrscheinlich von der Linken hören: Warum habt ihr damals nicht darüber gesprochen? Wir haben es doch damals schon erkannt.

So mancher fragt zwar verwundert, ob in einer der größten Wirtschaftskrisen überhaupt noch Fachkräfte benötigt werden. Denen antworten wir: Eine schlechte Konjunktur hält die demografische Entwicklung nicht auf. Wo nicht ausreichend und rechtzeitig ausgebildet und qualifiziert wird, fehlt der Nachwuchs und schrumpft altersbedingt allein die Stammbelegschaft mit der Folge, dass viele Branchen und Regionen auch während der Krise Fachkräfte dringend suchen. Das sehen wir an der Zahl der offenen Stellen. Es betrifft Ärzte, Lehrer, Wissenschaftler, Ingenieure und Facharbeiter gleichermaßen. Das muss man deutlich sagen. Wer da nicht vorsorgt, dem passiert es unweigerlich, dass er den Aufschwung, wenn er denn wieder kommt, verpasst und so seine eigene betriebliche Krise verlängert oder sogar erst hervorruft.

Daher erneuere ich an dieser Stelle unseren ständigen Appell an die Betriebe und Unternehmen: Das Gebot der Stunde heißt jetzt „Qualifizieren statt entlassen“. Dafür gibt es genügend Angebote der Bundesagentur für Arbeit und auch der Landesregierung.

Frau Prof. Dr. Wanka hat einen weiteren Aspekt genannt. Einerseits wird der fehlende akademische Nachwuchs beklagt, andererseits wird er aber ausreichend ausgebildet. Das resultiert aus der Realität, dass Angebot und Nachfrage regional leider nicht immer 1:1 zusammenpassen. Hochschulen müssen wissen,

was die Regionen an Arbeitsmöglichkeiten bieten. Sicherlich ist die Zusammenarbeit zwischen Betrieben und Hochschulen in diesem Bereich noch weiter ausbaufähig. Aber junge Akademikerinnen und Akademiker wollen konkret wissen, was an interessanter Arbeit, aber auch an Entlohnung dafür geboten wird. Sie sind mobil, gut informiert und rechnen sich ihre Chancen sehr genau aus.

Brandenburg steht in nationaler wie in internationaler Konkurrenz im Anwerben von Fachkräften. Es geht also um die Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen in den Regionen. Unternehmen und Kommunen gestalten diese größtenteils selbst. Aber natürlich brauchen sie auch Unterstützung, um die regionalen Chancen noch besser zu nutzen.

Die Fachkräftestudie war Thema in allen Fraktionen. Das ist eine gute Startposition gewesen. Eine Berufs- und Studienorientierung spielt darin eine wichtige Rolle. MWFK und MBJS haben dafür wesentliche ESF-Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Aber die Sicherung von Fachkräften ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von hohem Rang.

Gerade wurde der Landesarbeitskreis angesprochen. Es fehlte noch ein Gremium, das dort auch vertreten ist, nämlich der Landeselternrat, ein sehr wichtiges Gremium, weil durch ihn die Interessen der Schülerinnen und Schüler über die Eltern in diesem Facharbeitskreis hineingebracht werden. Das ist kein sich mit sich selbst beschäftigendes Gremium, wie ich es gerade von der Linken gehört habe. Das tut diesem Facharbeitskreis einfach nicht gut und es schädigt den Ruf dieses Gremiums, weil dort genau die Experten sitzen, die ich in Ihrer Fraktion vermisse.

(Frau Stobrawa [DIE LINKE]: Danke!)

Darunter gibt es beispielsweise ein Projekt von fast insgesamt 100, das die Qualifizierung von Akademikerinnen und Akademikern in Unternehmen fördert, um so ihre Arbeit zu sichern und durch die Entwicklung neuer Kompetenzen weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Auf diese Weise wurden im Vorjahr beispielsweise fast 1 300 Akademiker, darunter 420 Frauen, in 130 Betrieben qualifiziert. Ein zweites Beispiel: In diesem Sommer startet ein Programm zur Förderung der beruflichen Chancen von jungen gut qualifizierten Frauen. Mit speziellen Maßnahmen sollen sie für die Regionen attraktiver und chancenreicher werden. Das Programm läuft bis Ende 2013. Im Rahmen eines INNOPUNKT-Ideenwettbewerbs des MASGF wird demnächst ein Wettbewerb für mehr Durchlässigkeit gestartet, und zwar zwischen Berufsbildung und Hochschule, wo sich dann zum Beispiel ein Mechatroniker schneller zum Ingenieur entwickeln kann.

Die optimale Förderung braucht Beratung, Information und Transparenz. Deshalb unterhält die LASA sechs Regionalbüros für Fachkräftesicherung, in denen die Unternehmen zunehmend Beratung suchen und Hilfe finden. Es gibt eine Fachkräfteplattform des Landes im Internet. Es gibt also jede Menge Impulse. Von der gemeinsamen Fachkräftestudie mit Berlin, die zum Jahresende vorliegen wird, werden weitere Impulse ausgehen. Die Landesregierung macht das also wirklich vorsorgend und hinkt dem Thema mit Sicherheit nicht hinterher.

Es ist vieles auf den Weg gebracht. Wichtig ist für Fachkräfte, dass deren Ausbildung mit den Bedürfnissen der Betriebe und