plätze, und zwar gegen den damals in der gesamten Bundesrepublik Deutschland herrschenden Trend, Studiengänge zu schließen.
Wir haben diese Möglichkeit genutzt, um, Herr Jürgens, die Hochschullandschaft auch so zu bauen, dass sie gut zu diesem Land passt. Wir haben zum Beispiel den Anteil der Fachhochschulstudienplätze stark erhöht, weil gerade diese Absolventen von der mittelständischen Industrie in besonderem Maße gebraucht werden. Wir haben nicht gesagt: Okay, 3 500 neue Studienplätze, nehmen wir mal irgendeinen Studiengang, Politikwissenschaften, großes Interesse, also werden dort zusätzliche Professuren geschaffen! - So sind wir nicht herangegangen, sondern wir haben definiert: Es werden nur dann neue Studienplätze eingerichtet, wenn die entsprechenden Studiengänge im Landesinteresse liegen, wobei Landesinteresse nicht immer nur technische Studiengänge heißt.
Dies haben wir konsequent durchgehalten und zum Beispiel solche Effekte erzielt, dass ein Bereich wie die Biotechnologie in den Vordergrund gerückt ist. Sie war Anfang der 90er Jahre bei den Konzepten der Hochschulen im Prinzip nur randständig. Mittlerweile ist das ein Bereich, in dem wir exzellent sind, in dem wir Forschungs- und Produktionsschwerpunkte, zum Beispiel in den Bereichen Genomforschung, molekulare Diagnostik sowie regenerative Medizin haben. Dort sind Arbeitsplätze entstanden und entstehen Arbeitsplätze mit einer Struktur, die erforderlich macht, dass die Hälfte der dort Beschäftigten eine akademische Ausbildung besitzt. Dem haben wir Rechnung getragen. Schauen Sie sich einmal das gesamte Spektrum der bio- und biotechnologischen Studiengänge an der Universität Potsdam, an der Fachhochschule Lausitz, an der Fachhochschule Wildau an! - Es sind auch nicht etwa nur Häuptlinge, sondern auch Indianer! Wir haben also das breite Spektrum dessen, was man braucht, und wir sind nicht jeder Mode gefolgt.
Es reicht natürlich nicht zu sagen: Wir statten die Hochschulen besser aus. Wir genehmigen zusätzliche Professuren. Wir richten neue Studiengänge ein. - Das ist die eine Schiene. Das muss natürlich auch dazu führen, dass wir in diesen Studiengängen auch Absolventen haben. Ich hatte mir die Studierendenzahlen und die Absolventen pro Jahr in manchen Studiengängen angesehen. In Anbetracht der Erkenntnisse haben wir wir haben lange darüber diskutiert - Leistungsanreize für die Hochschulen gesetzt. Das heißt, unsere Hochschulen werden nach Leistung finanziert. Leistung heißt unter anderem: Es wird nur für Studenten in der Regelstudienzeit gezahlt, und es werden Absolventenzahlen honoriert. Das zeigt Wirkungen.
Welche Wirkungen zeigt es? Wir haben das System 2004 eingeführt. Seitdem hat sich die Zahl der Absolventen, der Abschlüsse, die wir bei Ingenieuren erreichen, um 40 % erhöht, bei Mathematikern und Naturwissenschaftlern um 70 %, bei den Ernährungs- und den Agrarwissenschaften - die Fachhochschule Eberswalde war sehr stark daran beteiligt - um 90 %. Schätzen Sie einmal - weil hier gesagt wurde, wir hätten die Entwicklung verschlafen und nicht genügend Ingenieure -, wie viele Ingenieure wir jetzt ausbilden bzw. wie viele die Hochschulen im letzten Jahr verlassen haben! - Es waren im Jahre 2008 1 100.
Hauptkritikpunkt ist unserer Meinung nach der zu geringe Anteil der Ausgaben für Bildung und Hochschule im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt. Es kommt eben immer darauf an, wo ein Land seine Prioritäten setzt. Nach Ansicht von RotSchwarz ist es eben wichtiger, Deutschlands Freiheit am Hindukusch zu verteidigen. Da fehlt dann natürlich das Geld für Schulen und Hochschulen.
Aus Zeitgründen kann ich nur einige Aspekte noch kurz ansprechen: Fakt ist, Hochschulabsolventen haben bessere Beschäftigungschancen, und ihre Erwerbsbeteiligung ist selbst in fortgeschrittenem Alter noch hoch. Dies lässt sich statistisch belegen. Das wiederum ist ein wichtiges Argument, das wir unseren Kindern und Jugendlichen vermitteln sollten, um eine höhere Studienanfängerquote zu erreichen.
Zu beachten ist natürlich auch der Aspekt, dass aufgrund immer noch fehlender industrieller Ansiedlungen und unternehmerischer Dienstleistungen in Brandenburg viele qualifizierte Akademiker für die westlichen Bundesländer ausgebildet werden. Dennoch: Unsere Hochschulen und ihr wirtschaftliches Umfeld müssen ein Angebot für unsere Jugendlichen sein, in Brandenburg zu bleiben und hier eine Zukunft zu planen.
Die demografische Entwicklung in Brandenburg ist mit Ausnahme vielleicht des sogenannten Speckgürtels nach wie vor verheerend. Die Brandenburger Hochschulen können einen kleinen, jedoch nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten, sich diesem Trend entgegenzustellen. Die Hochschulen bieten Chancen, gerade in den Problemregionen junge Menschen zu halten bzw. anzulocken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle hier im Raum wissen, dass wir ein relativ kleines Hochschulsystem haben. Alle wissen, dass das, was bei den Grundschulen passiert ist die Schülerzahlen sind um 40 % gesunken -, bei den Hochschulen in den nächsten Jahren ankommt. Deshalb ist die Frage relevant: Wie wollen wir denn in dieser Situation Fachkräfte für das Land Brandenburg und darüber hinaus sichern?
Es wurde erwähnt, dass Brandenburg im Jahre 1990 eigentlich ein fast hochschulfreier Raum war, dass es eine große Aufbauleistung war - ein Lob in Richtung derjenigen, die damals regiert haben -, dass wir gut aufgestellt sind, obwohl wir von allen neuen Bundesländern die schlechteste Startsituation hatten.
Wir haben im Jahre 2001 - ein Jahr, in dem die Finanzsituation des Landes dramatisch schlecht war, ein Jahr, in dem alles Mögliche gestrichen und gespart wurde - ein weiteres Studienplatzerweiterungsprogramm beschlossen - 3 500 neue Studien
1 100 Ingenieure haben im letzten Jahr diese Hochschulen mit einem Diplom oder einem entsprechenden Abschluss verlassen. Genauso viele Mathematiker und Naturwissenschaftler haben ihr Studium beendet. Damit ist völlig klar, dass wir derzeit das macht nicht nur Brandenburg, sondern machen auch andere ostdeutsche Länder - über den eigenen Bedarf hinaus Fachkräfte zur Verfügung stellen, obwohl wir ein nur kleines Hochschulsystem haben.
Wir wollen die Absolventenquote weiter verbessern, weiter stärken, indem wir vor allem in die Qualität des Studiums investieren. Dem haben wir im Hochschulgesetz durch Vorgaben, die von den Hochschulen nicht einfach zu bewältigen sind, was Beratung, Betreuung etc. angeht, Rechnung getragen. Diese Landesregierung hat bei all den Kürzungsmaßnahmen beim Personal den gesamten wissenschaftlichen Bereich seit Jahren völlig ausgenommen. Dort wird keine einzige Stelle gestrichen. Ich denke, das ist eine gute Voraussetzung für die Zukunft.
Der zweite Punkt ist die demografische Entwicklung. Die Zahl der Schulabgänger mit einem Hochschulabschluss sinkt drastisch, hatte ich gesagt. 2012 wird sich ihre Zahl wahrscheinlich halbieren. Das war uns klar, weil wir als erste Landesregierung Demografieberichte erstellt hatten. Mein Ressort hat schon im Jahr 2000 auf einer wissenschaftlichen Grundlage kalkuliert, wie sich die Zahl der jungen Menschen bis 2015 und darüber hinaus entwickeln wird, und, Herr Jürgens, eine Strategie entwickelt. Was hier von Frau Geywitz, von Herrn Jürgens, von Herrn Niekisch gelobt wurde bei dem, was die Hochschulen machen, ist Teil einer Gesamtstrategie. Da mosert nicht jeder herum. Wir geben Geld dafür. Wir haben auf wissenschaftlicher Grundlage Maßnahmen und Konzepte entwickelt, gerade auch Konzepte, um junge Menschen zu erreichen, die sonst nicht studieren würden, zum Beispiel in den Oberstufenzentren.
Das heißt, all diese gemeinsam mit dem Schulministerium initiierten Kampagnen zur Steigerung der Studierneigung der Brandenburger Jugendlichen zeigen Wirkung. Ich habe hier letztens gesagt, wie sich die Anzahl der Brandenburger, die studieren - Gott sei Dank! - erhöht hat.
Wir versuchen mit den Präsenzstellen zum Beispiel in Schwedt, zum Beispiel in der Prignitz, zum Beispiel in Eisenhüttenstadt und in Zukunft in Henningsdorf, schon ganz frühzeitig Unternehmen, Jugendliche und Hochschulen zusammenzubringen.
Ein weiterer Punkt, der genauso wichtig ist, um die Hochschulen auszulasten - auch dann, wenn unsere eigenen Jugendlichen viel weniger werden -, ist die Zuwanderung von Studierenden aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland. Ich habe es mehrfach gesagt: Die deutschen Studenten sind relativ immobil. Nur 13 % wandern wirklich. Wir dagegen haben sehr gute Wanderungsquoten. Wenn man sich die Resultate der letzten beiden Jahre - seit es den Hochschulpakt auf Bundesebene gibt anschaut, stellt man fest, dass Brandenburg das Land mit der größten Steigerung der Zahl der Studienanfänger ist. Wir könnten noch wesentlich mehr Studenten zum Beispiel an der Universität Potsdam unterbringen, wenn wir nicht viele Studiengänge zulassungsbeschränkt führen müssten. Das machen wir aber, weil wir strategisch denken. Wir können jetzt keine Überkapazitäten haben und diese dann jahrelang vorhalten.
Aus diesem Grund bedauere ich sehr, dass es am Montag keine Einigung, keine Verständigung auf den Hochschulpakt II mit über 3 Milliarden Euro gab. Wir setzen die Gelder des Hochschulpakts zielgerichtet ein, um die Studienqualität und die -attraktivität zu erhöhen.
Eine besondere Zielgruppe bei unseren Bemühungen, junge Leute auch aus anderen Bundesländern nach Brandenburg zu holen - wir haben eine der höchsten Importquoten im Hochschulbereich -, sind junge Frauen. Es geht darum, sie anzusprechen und gerade für technische Fächer zu interessieren.
Wir sind das Bundesland mit dem höchsten Frauenanteil unter den Studenten, obwohl wir auch viele technische Fächer haben. In diesen Fächern studieren zu 31 % junge Frauen. Im Bundesdurchschnitt sind es mehr als 10 % weniger. Das heißt, die Maßnahmen zeigen über viele Jahre wirklich Erfolg. Wenn Bayern und Baden-Württemberg nach der Föderalismusreform die Grundgehälter der Professoren hochsetzen, so können wir das nicht, auch nicht in den nächsten Jahren. Also müssen wir mit Dingen gegenhalten, die dort nicht vorhanden sind, die uns auszeichnen. Ein Punkt dabei ist, dass wir das familienfreundlichste Wissenschafts- und Hochschulsystem der ganzen Bundesrepublik haben werden. Wir sind auf einem sehr guten Weg dahin.
Wir haben junge Frauen, die gute Schulabschlüsse machen, die es gilt zu überzeugen, ein Studium aufzunehmen. Ich habe ein Zitat von Ludwig Erhard, über den wir in der letzten Zeit sehr oft reden, aus den 50er Jahren gelesen: „Ohne Frauen ist kein Staat zu machen.“ Das galt schon damals, und das gilt in Zukunft erst recht.
Meine Damen und Herren, zum letzten Punkt, der das Problem darstellt, der auch ein Grund für die heutige Aktuelle Stunde war: Wir wollen natürlich nicht nur, dass die jungen Leute bei uns gut studieren und es klasse finden, weil die Kinder versorgt werden und das Drumherum stimmt, sondern wir möchten auch, dass sie der Wirtschaft in Brandenburg zur Verfügung stehen und nicht nach dem Studium nach Bayern oder anderswohin gehen. Deswegen sind die Haltefaktoren sehr wichtig.
Wir geben Geld für die Career Center in den Hochschulen, die die Vermittlung unserer Absolventen passgenau an die Firmen im Land übernehmen. 1,3 Millionen Euro geben wir in der nächsten Zeit dafür allein für die Fachhochschulen aus. Zu Lotsendiensten, Jobmessen und ähnlichen Dingen wird die Sozialministerin etwas sagen, weil das ein Thema ist, das uns verbindet, das wir gemeinsam bearbeiten.
Wie ist die derzeitige Situation? Stichwort Fachkräftemangel. Im letzten Jahr hat das Deutsche Institut für Wirtschaft in Köln noch vor der Krise im Sommer eine große Analyse erstellt, bei der diese dramatischen Zahlen von 50 000 oder 60 000 - je nachdem, wie untersucht wird - zutage traten. Es existiert eine Ausnahme: In der gesamten Bundesrepublik Deutschland gibt es eine Region, die zurzeit keinen Ingenieurmangel hat. Das ist Berlin-Brandenburg. So gesehen könnte man sich zurücklehnen und sagen: Thema Ingenieurmangel ist nicht aktuell. - Das wäre aber völlig falsch. Denn im Wissenschaftsbereich kann man nicht den Schalter umlegen und, wenn man
in drei Jahren Akademiker braucht, diese dann plötzlich produzieren, sondern man muss langfristig denken. Deswegen ist das gerade jetzt in der Krisensituation eine Notwendigkeit.
Deswegen geben wir den Hochschulen 70 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket. Deswegen wollen und sollten wir an dieser Stelle an die Firmen appellieren: Was die Wirtschaft machen kann, um junge Leute zum Studium zu motivieren, ist sehr viel mehr, als wir mit allen Marketingkampagnen erreichen. Es bedarf nicht einmal des Geldes. Es bedarf aber der direkten Ansprache und der Aktivitäten, die zum Teil bei kleinen Firmen schon gemacht werden: in die Schulen zu gehen, sich gute junge Leute auszusuchen und diese für ein Studium mit eventueller Stipendienunterstützung zu motivieren.
Wir haben, wie gesagt, ein kleines Hochschulsystem, aber wir haben weitsichtig entschieden. Wir sind gut gerüstet, müssen jetzt aber die Wirtschaft intensiv mit ins Boot bekommen, damit das, was wir gut angefangen haben, über die nächsten Jahre trägt. Dann, meine Damen und Herren, bin ich optimistisch, dass Brandenburg in diesem Punkt sehr gut aussieht. Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Wanka, Respekt gegenüber den Fortschritten, die im Hochschulsystem erreicht wurden! Ich glaube, den hat auch meine Fraktion heute sehr sachlich zum Ausdruck gebracht.
Denn wenn in Brandenburg alles so paletti ist, wenn wir an den Hochschulen wirklich über Bedarf ausbilden, dann frage ich Sie: Warum haben Sie dieses aktuelle Thema gestellt?
Ich sage weiter: Der Fachkräftemangel ist bundesweit nicht nur das bestangekündigte Phänomen, sondern es ist ein politisch hausgemachtes Problem. Das heißt, wir haben auch in Brandenburg zehn Jahre verschlafen; wir, die Regierenden.
Die GEW hat ermittelt, dass der gesamte Jahrgang 1994 bundesweit einen akademischen Abschluss machen müsste, um dem Bedarf zu entsprechen. Ich sage das nur, weil Sie von „über Bedarf“ gesprochen haben.
Wir haben gesellschaftlich das Phänomen Fachkräftemangel trotz hoher Arbeitslosigkeit. Wir haben in Brandenburg das Phänomen der Abwanderung gut qualifizierter, gut ausgebildeter Frauen. Damit sind wir auch im demografischen Teufelskreis. Aus dem sind wir nicht ausgebrochen.
Sie haben die besondere Hinwendung zu Frauen angesprochen. Ja, das ist ein Erfolg. Dennoch sagt ein Viertel der Frauen, dass sie mit den Ausbildungs- und Studienbedingungen in Brandenburg nicht zufrieden sind. Nur 10 % sind zufrieden. Die nicht Zufriedenen führen an: Die Finanzsituation der Studierenden ist ein Hindernis. Die Wohnraumsituation ist ein Problem, auch der öffentliche Personennahverkehr und die Kultur- und Freizeitangebote an den Studienorten.
Herr Jürgens hat das Problem benannt: soziale Rahmenbedingungen. Wenn zwei Drittel der Studierenden zusätzlich arbeiten müssen, um sich die Grundsicherung zu ermöglichen, dann kann das für ein Studium nicht gut sein.