Protocol of the Session on April 1, 2009

Das Präsidium empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf in der Drucksache 4/7370 an den Ausschuss für Wirtschaft zu überweisen. Wer dieser Empfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke sehr. Damit ist wie vorgeschlagen überwiesen.

Die Fraktion DIE LINKE beantragt darüber hinaus die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/7370 an die Ausschüsse für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie; für Bildung, Jugend und Sport; für Inneres; für Infrastruktur und Raumordnung sowie für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz. Wer diesem Überweisungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen ist auch dieser Überweisungsantrag angenommen worden. Ich wünsche den Ausschüssen bei der Beratung viel Erfolg.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Erstes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Nichtrauchendenschutzgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7371

1. Lesung

Für die Landesregierung ergreift Ministerin Ziegler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Nichtrauchendenschutzgesetz beschäftigt uns erneut. Wie ist die Lage?

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 30. Juli 2008 die Ausnahmeregelungen vom Rauchverbot für abgetrennte Nebenräume in Gaststätten in den einschlägigen Gesetzen Berlins und Baden-Württembergs für verfassungswidrig erklärt.

Als Begründung führte das Gericht an, diese Regelungen würden die betroffenen Gastwirte von Einraumgaststätten in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit verletzen. Gleiches gelte auch für Diskothekenbetriebe, die nach der baden-württembergischen Regelung ebenfalls nicht von den Ausnahmen profitieren sollten, womit auch hier zugleich der Gleichheitssatz verletzt werde.

Nach § 4 Abs. 2 unseres Landesgesetzes inhaltsgleiche und damit ebenfalls verfassungswidrige Ausnahmeregelungen können wir nicht weiter dulden. Deshalb bedarf es auch in Brandenburg - wie in fast allen Ländern - einer Gesetzesänderung.

Wie soll nun diese Änderung aussehen? - Das Bundesverfassungsgericht stellt ausdrücklich klar, dass es den Ländern freisteht, sich entweder unter Verzicht auf sämtliche Ausnahmetatbestände für eine strenge Konzeption des Nichtrauchendenschutzes in Gaststätten zu entscheiden oder aber ein Konzept zu wählen, bei dem der Nichtrauchendenschutz im Ausgleich mit den Freiheitsrechten der Gaststättenbetreiber und der Raucher weniger stringent verfolgt wird.

Brandenburg hat den zweiten Weg gewählt und lässt damit weitere Ausnahmen zu. Mit dem Entwurf werden also Ausnahmen entsprechend den Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts für Diskotheken und Einraumgaststätten unter Verzicht auf verfassungsrechtlich mögliche weitere einschränkende oder erweiternde Änderungen erweitert.

Als Folge der dabei vom Bundesverfassungsgericht verlangten Zutrittsverbote für Kinder und Jugendliche für Einraumgaststätten, in denen geraucht wird, sowie für Diskotheken mit Rauchernebenräumen enthält der Entwurf zusätzlich ein Zutrittsverbot und ein Kennzeichnungsgebot für Kinder und Jugendliche auch für die Rauchernebenräume in sonstigen Gaststätten. Hier besteht bisher eine Regelungslücke. Mit den Änderungen ist dies aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nunmehr auch verfassungsrechtlich geboten. Um die Änderungen verfassungsrechtlich abzusichern, wird in dem Entwurf auf jegliche erweiternde oder einschränkende Regelungen, die über die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen hinausgehen, verzichtet.

Aber das ist noch nicht alles. Auch Spielhallenbetreiber pochen auf Gleichbehandlung und Ausnahmerecht, und zwar um die jüngste Rechtsprechung der Verfassungsgerichtshöfe in Sachsen und Thüringen zu berücksichtigen. Hierzu hat der brandenburgische Landesgesetzgeber bisher keine Erwägungen angestellt, die die Verfassungsmäßigkeit des geltenden Rauchverbots begründen können. Dies wird in der Begründung des jetzigen Änderungsgesetzes nachgeholt. Die schlichte Übernahme der Ausnahmeregelungen für die Gastronomie scheint hier als Lösung nicht geeignet; denn damit wäre weder die Gleichbehandlung kleiner Spielhallen, die keinen Raucherraum einrichten können, geregelt, noch lägen die Voraussetzungen für eine Übernahme der Ausnahmeregelungen für die getränkegeprägte Kleingastronomie, bei den in der Mehrzahl kleinen Spielhallen, vor.

Meine Damen und Herren, ich möchte mit einigen Zahlen nochmals verdeutlichen, warum wir so sehr auf den Nichtrauchendenschutz pochen. In Deutschland raucht etwa jeder dritte Erwachsene, und zwar über 34 % der Männer und mehr als 26 % der Frauen über 18 Jahre. In der Gruppe der 12- bis 17-Jährigen rauchten laut Statistik von 2008 über 15 %, darunter mit ca. 16 % mehr Mädchen als Jungen. Der höchste Anteil an Rauchern findet sich mit mehr als 44 % in der Altersgruppe

von 18 bis 20 Jahren. Das durchschnittliche Einstiegsalter in den Tabakkonsum liegt in Deutschland bei 13,6 Jahren. Jährlich sterben in Deutschland zwischen 115 000 und 140 000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, und jeder zweite ständige Raucher stirbt vorzeitig infolge des Rauchens. Das sind Fakten, die allen bekannt sind. Leben und Lebenserwartung sind eingeschränkt. Die gesellschaftlichen Kosten sind hoch. Ich bedauere sehr, dass ein ausnahmsloses Rauchverbot derzeit politisch in keinem der Bundesländer durchsetzbar ist. Die Gesundheitsexperten fordern es zu Recht. Auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil hält es, wie ich bereits ausgeführt habe, ausdrücklich für zulässig.

Die Ausnahmen vom Rauchverbot konterkarieren auch gerade die gesundheitspolitischen Programme des Bundes und der Länder, im Bund das nationale Aktionsprogramms zur Tabakprävention und bei uns im Lande das Programm „Brandenburg rauchfrei“, mit denen das gesundheitsschädliche Tabakrauchen zurückgedrängt werden soll und die, nebenbei gesagt, den Steuerzahler auch etwas kosten.

Es geht um Gesundheit in großen Dimensionen. Leider setzen sich einige stattdessen lieber sehr kleinteilig damit auseinander, ob die Raucherlaubnis in der Kleingastronomie das Servieren von Salzgebäck oder vielleicht auch noch von kalten oder warmen Buletten ermöglichen soll. Es ist, wie gesagt, bedauerlich, dass wir ein ausnahmsloses Rauchverbot nicht hinbekommen, wie es in vielen anderen Ländern der Welt schon problemlos funktioniert. Angesichts der derzeitigen Möglichkeiten halte ich den vorliegenden Entwurf aber doch für einen vertretbaren Ausgleich der Interessen des Gesundheitsschutzes auf der einen und der Gastronomie auf der anderen Seite. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Die Debatte wird von der Abgeordneten Wöllert von der Linken fortgesetzt.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wären Sie unserer Forderung nach einem konsequenten Schutz vor den Folgen des Passivrauchens vor einem Jahr nachgekommen, müssten wir uns heute hier nicht noch einmal dazu verständigen.

Welche Botschaft geht von dem Änderungsgesetz aus? Die erste: Der Schutz der nichtrauchenden Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens wird zugunsten wirtschaftlicher Interessen eingeschränkt. Ich verstehe gar nicht, Frau Ministerin, warum Sie hier Raucherzahlen aufführen. Um die Raucher geht es überhaupt nicht. Es geht um die, die in Räumen sind und, ob sie wollen oder nicht, passiv mitrauchen müssen. Es geht hier überhaupt nicht um Raucherinnen und Raucher, sondern um den Schutz vor dem Passivrauchen. Auch da gibt es fürchterliche Zahlen, die rechtfertigen, dass wir ein konsequentes Gesetz im Sinne des Gesundheitsschutzes schaffen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Zweitens sollten wir uns - Sie haben es angesprochen - vielleicht einmal daran erinnern, worum es - ich habe es

jetzt gesagt - in dem Gesetz geht: Sie sagen selbst: Was wird jetzt diskutiert? - Ob eine Bulette, eine Bockwurst, die heiß gemacht oder kalt gegessen wird, serviert wird. Als ob das einen Unterschied macht, ob dort jemand etwas isst, was dort gerade gekocht wurde oder kalt serviert wird, wenn es um das Passivrauchen geht! Das steht in keinem Zusammenhang miteinander; das kann mir keiner erklären. Das Problem hätten wir bei einem konsequenten Schutz auch nicht.

Punkt 3: Da wir schon in dem jetzigen Gesetz die mangelnde Konsequenz für einen umfangreichen Gesundheitsschutz kritisieren, werden wir natürlich auch diesem Gesetz nicht zustimmen können. Das können wir heute schon sagen, wir können es kurzmachen.

Um noch etwas Versöhnliches zu sagen: Das einzig Positive an dem Gesetz ist, dass der Kinder- und Gesundheitsschutz konsequenter gefasst wird. Ansonsten wird es von uns keine Zustimmung zu diesem Gesetz geben.

(Zuruf von der SPD: Schauen Sie nach Berlin!)

- Sie brauchen gar nicht mit Berlin zu kommen. Sie führen ja auch nicht das beitragsfreie Kitajahr ein, nur weil es das in Berlin gibt.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und vereinzelt Hei- terkeit bei der SPD sowie Zurufe)

Also: Es reicht!

(Unruhe bei der Fraktion der SPD - Zwischenrufe)

Die Abgeordnete Dr. Münch setzt die Debatte für die SPDFraktion fort.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Ihr überholt uns noch links! - Heiterkeit bei der SPD)

Ich hoffe, wir können in der Debatte fortfahren.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es besteht eigentlich kein Grund zur Heiterkeit, da wir bereits nach einem Jahr das Gesetz nachbessern müssen. Im Grunde genommen müssen wir ausbaden, dass der Bundesgesetzgeber zu feige gewesen ist, letzten Endes im Zuge der Arbeitsstättenverordnung dafür zu sorgen, dass tatsächlich für alle Mitarbeiter ein konsequenter Gesundheitsschutz gilt. Ich denke, da sind wir Gesundheitspolitiker uns quer über die Fraktionen einig, dass ein komplettes Rauchverbot die Lösung wäre, die am meisten zu wünschen wäre. Aber wir stehen jetzt da und müssen diesen Flickenteppich in Deutschland einigermaßen koordinieren. Wir müssen uns vor allen Dingen nach den Vorgaben des Verfassungsgerichts richten, um überall in Deutschland tatsächlich vergleichbare Bedingungen zu haben.

Ich gehe davon aus, dass dieser Gesetzentwurf nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer kompletten Rauchfreiheit in Gaststätten und Einrichtungen ist. Ich gehe auch davon aus,

dass es nicht mehr allzu lange dauert, bis wir durch eine europäische Richtlinie in die Pflicht genommen werden, das auch umzusetzen. Bis dahin ist dieses Gesetz eine Klarstellung, die vor Ort dringend notwendig ist.

Die Verwirrung in den Kneipen in den einzelnen Kommunen, wo geraucht werden darf und wo nicht, und die auffällige Zurückhaltung der Ordnungsämter, ihren Pflichten nachzukommen und zu kontrollieren, rühren eben daher, dass im Grunde sehr irrige Vorstellungen darüber kursieren, was erlaubt ist und was nicht. Unser Gesetz behebt diese Unsicherheit und stellt ganz klar fest - und hangelt sich dabei an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entlang -, dass in Gaststätten, deren Fläche weniger als 75 m2 beträgt - so die Formulierung des Verfassungsgerichts -, die über keinen abgetrennten Nebengastraum verfügen, in denen Personen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt ist und keine zubereiteten Speisen serviert werden, das Rauverbot nicht gilt.

Es ist eine der typischen juristischen Spitzfindigkeiten in diesem Land, dass wir uns jetzt mit der Frage auseinandersetzen müssen: Was bedeutet „zubereitete Speisen“? Im Urteil des Verfassungsgerichts steht „zubereitete Speisen“. Wir haben „keine zum alsbaldigen Verzehr zubereiteten Speisen“ ins Gesetz geschrieben. Die Berliner schreiben in ihr Gesetz: „... keine vor Ort zubereiteten Speisen.“ Das ist im Grunde genommen lächerlich und Haarspalterei.

Im Grunde muss doch klar sein: In Nebenräumen können, wenn die betroffenen Suchtkranken unbedingt ihrem Laster frönen müssen, sie Bier trinken und was auch immer, sollen aber nicht Speisen essen, die zusätzlich diese Schadstoffe aufnehmen, da dies zu einer Verstärkung des negativen Effekts für ihre Gesundheit führen würde.

Ich denke, wir werden uns über diese Begrifflichkeiten in den Ausschussberatungen noch auseinandersetzen und ein Stück weit einigen müssen.

Dieses Gesetz ist notwendig und kommt zur richtigen Zeit. Es ist ein Schritt auf dem Weg zur kompetten Rauchfreiheit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnete Fechner setzt die Debatte für die DVU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben ja dargelegt, worum es heute hier geht. Ich kann es deshalb kurzmachen.

Der Standpunkt der DVU-Fraktion dürfte bekannt sein: Ja, wir sind für einen Schutz der Nichtraucher. Nein, wir sind nicht dafür, dass selbstständige Gastronomen unnötig gegängelt werden. Demzufolge würden wir dieses Gesetz ablehnen. Aber es geht ja heute nicht um die Abstimmung über dieses Gesetz, sondern um eine Ausschussüberweisung. Der werden wir zustimmen können.

(Beifall bei der DVU)

Die Abgeordnete Schulz spricht für die CDU-Fraktion.