Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/7255 an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung gibt, bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Überweisungsantrag? - Mit übergroßer Mehrheit ist gegen diese Überweisung gestimmt worden.
Wir kommen demzufolge zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 4/7255 in der Sache. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Wer enthält sich? - Auch in diesem Fall ist mit übergroßer Mehrheit dagegen gestimmt worden. Der Antrag ist somit abgelehnt.
Ich eröffne die Aussprache. Der Abgeordnete Christoffers von der Fraktion DIE LINKE erhält das Wort. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor wir uns darüber streiten und diskutieren, ob es überhaupt der richtige Weg ist, einen Nachtragshaushalt einzubringen, und auch darüber, ob er überhaupt gesetzlich erforderlich ist, lassen Sie mich bitte kurz zu Beginn noch darstellen: Was ist denn eigentlich passiert?
Die Bundesregierung hat mit dem Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland das gesamtwirtschaftliche Ungleichgewicht erklärt, und zwar mit gravierenden dramatischen Auswirkungen auf die Situation der öffentlichen Haushalte. Infolge dieses Gesetzes, das ja aus mehreren Ar
tikeln besteht, wird die Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland von geplanten 63 % auf 72,8 % des Bruttoinlandsprodukts steigen. Allein das macht vielleicht schon ein Stück weit die Dramatik der Situation deutlich.
Bestandteil dieses Gesetzes ist das Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder. Das ist der Teil, über den wir jetzt reden, auch in unserem Entwurf zum Nachtragshaushalt.
Es wurde argumentiert, dass es einen sehr hohen Zeitdruck gibt, weil man logischerweise der Krise begegnen will. Man will sehr viele Projekte so schnell wie möglich beginnen, man will Beschäftigung sichern. Das ist ein sehr gutes und lobenswertes Vorhaben. Man begründet das auch aus dem Gesetz heraus - mit § 1 Abs. 2, der da sagt:
„Die Mittel sollen mindestens zur Hälfte des Betrages nach Absatz 1 bis zum 31. Dezember 2009 abgerufen werden.“
Das heißt im Klartext entsprechend der Formulierung, „es soll die Möglichkeit bestehen“, es natürlich nicht in diesem Umfang zu tun, wenn die Projekte und Vorhaben, die es zu fördern gilt, nicht die strukturelle Bedeutung haben, dass es sinnvoll ist, die Gelder jetzt einzusetzen. „Soll“ ist keine Muss-Vorschrift. Insofern besteht der Zeitdruck, der öffentlich teilweise thematisiert worden ist, aus meiner Sicht nicht.
„Investitionen können gefördert werden, wenn sie am 27. Januar 2009 oder später begonnen wurden. Soweit Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbän- de) schon vor dem 27. Januar 2009 begonnen wurden, aber noch nicht abgeschlossen sind, können sie gefördert werden, wenn gegenüber dem Bund erklärt wird, dass es sich um selbstständige Abschnitte eines laufenden Vorhabens handelt...“
Meine Damen und Herren, wie ist es in Brandenburg gelaufen? Das Gesetz war verabschiedet. Dann bildete sich eine Arbeitsgruppe, die nicht zu einem Kompromiss finden konnte. Dann wurde weiterverhandelt, und es wurde eine Einigung erzielt. Diese Einigung hielt zwölf Stunden. Dann wurde weiterverhandelt, und es wurde ein noch besserer Kompromiss gefunden, der jetzt gilt.
Mit ein bisschen mehr Zeit und ein Stück weit auch einer parlamentarischen Befassung hätte man vielleicht eine Reihe von Fragen klären können. Erstens: Was heißt zum Beispiel § 5 für solche Projekte - aus meiner Sicht ebenfalls von landespolitischer Bedeutung - wie die weitere Umsetzung der Wasserinitiative Nord? Was würde das für die Flughafenumfeldentwicklung des BBI bedeuten? Was würde das beispielsweise auch für die Mitkonzentration auf Jugend- und Bildungseinrichtungen bedeuten?
Richtigerweise ist im Paket der Landesregierung beispielsweise auch Telemedizin erwähnt. Die Frage ist selbstverständlich: A) Reichen die Mittel aus? B) Wofür sollen die dann eingesetzt werden? Das ist doch unklar - bis jetzt zumindest, Frau Ministerin.
Die Frage der Entwicklung kommunaler Brachflächen steht an. Ja, sie ist notwendig. Gibt es noch weitere Flächen, die möglicherweise ebenfalls einen hohen Stellenwert gehabt hätten und in diese zentrale Liste des Landes hätten aufgenommen werden sollen? All das hätte man doch in Ruhe debattieren können. Denn wie ist die Situation? Die Verwaltungsvereinbarung, die zur Umsetzung dieses Gesetzes zwingend vorgeschrieben ist, gibt es noch gar nicht. Die werden wir vielleicht in 14 Tagen oder drei Wochen haben. Solange die Verwaltungsvereinbarung nicht vorliegt, sind natürlich auch die Modalitäten nicht klar, mit denen das Geld dann tatsächlich auch weitergereicht wird. Da geht es nicht nur um ein Abrechnungsverfahren, also darum, ob man das Geld beim Bund beantragen soll oder nicht. Ich darf hier auf den § 6 des vorliegenden Gesetzes verweisen. Dort heißt es eindeutig:
„Der Bund stellt die Finanzhilfen den Ländern zur eigenen Bewirtschaftung zur Verfügung. Die zuständigen Stellen der Länder sind ermächtigt, die Auszahlung der Bundesmittel anzuordnen...“
All das zeigt doch wohl deutlich, dass es hier eine Handlungsmöglichkeit, einen Handlungsbedarf seitens des Landtages bzw. des Landes gibt. Das Instrument, das zu tun, ist der Nachtragshaushalt, weil: Entsprechend unserer Landeshaushaltsordnung müssen Ausgaben, die aufgrund der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zusätzlich getätigt werden, wie außer- und überplanmäßige Ausgaben behandelt werden.
In dem betreffenden Passus der Landeshaushaltsordnung heißt es, dass es eines Nachtragshaushalts bedarf, wenn es die Zeit ermöglicht, einen solchen vorzulegen. Natürlich ermöglicht es die Zeit, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, auch vor dem Hintergrund, dass die Verwaltungsvereinbarung als wesentlicher Teil des Gesetzes noch gar nicht existiert. Aber das ist möglicherweise nur Ergebnis einer unterschiedlichen Auslegung der Landeshaushaltsordnung. Darum geht es im Kern eigentlich nicht.
Auf der Grundlage von Artikel 7 des Gesetzes zum Konjunkturpaket II für die Bundesrepublik Deutschland stehen dem Land einschließlich Kofinanzierung durch Land und Kommunen - insgesamt über 450 Millionen Euro zusätzliche Investitionsmittel zur Verfügung. Im Jahr 2008 hatte das Land Brandenburg Investitionsmittel in einer Größenordnung von ca. 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir reden hier von 27 % der Gesamtinvestitionssumme, die über den Haushalt im Jahr 2008 zur Verfügung gestellt waren. Allein angesichts der Dimension dieser Summe finde ich, dass eine parlamentarische Befassung angebracht und auch sachgerecht wäre, weil - ich sage es noch einmal - eine Zeitverzögerung nicht eintritt. Bis die endgültigen Regelungen getroffen sind, können wir hier über einen Nachtragshaushalt beraten.
In dem von uns vorgelegten Antrag geht es nicht nur um die Verteilung der Mittel, sondern wir stellen Ihnen zugleich zwei weitere Fragen zur Entscheidung vor. Zum Ersten geht es um die Absenkung des Betreuungsschlüssels an Kitas, insbesondere in der Altersgruppe von 0 bis 3 Jahren, wofür zusätzlich 16 Millionen Euro in den Landeshaushalt eingestellt werden sollen. Ich habe durchaus zur Kenntnis genommen, dass der Parteitag der SPD diesen Punkt zu einer Hürde erklärt hat, an
der sich alle möglichen politischen Partner der SPD zukünftig messen lassen müssten. Ich darf Sie daran erinnern, dass meine Fraktion schon 2008 - aus meiner Sicht sogar finanziell untersetzt - einen entsprechenden Vorschlag eingebracht hat. Die CDU erklärt, dass sie jetzt auch dafür sei. Damit kann nicht mehr von einer Hürde gesprochen werden, sondern es ist eine Durchgangsstraße, weil alle diesen Punkt umsetzen wollen. Wenn es aber alle wollen und die finanzielle Situation des Jahres 2010 vermutlich nicht besser ist als die des Jahres 2009 -, warum fassen wir nicht schon jetzt einen entsprechenden Beschluss und verbinden die notwendige Sanierung von Kitas zumindest in einem ersten Schritt mit einer Verbesserung des Betreuungsschlüssels? Das wäre doch tatsächlich ein Paket, mit dem wir die Situation im Land Brandenburg massiv verbessern würden.
Nebenbei bemerkt: Wir würden uns im Wahlkampf viel Kraft, Zeit und Argumentationsnotwendigkeit ersparen, denn darüber, was wir ohnehin alle wollen, brauchen wir nicht zu streiten. Angesichts dessen finde ich, dass hier ein Ansatz gefunden werden könnte, mehrere Ziele miteinander zu verbinden.
Ich will einen letzten Punkt erwähnen, den Planungsfonds. Aufgabe des Konjunkturpaketes ist es auch, zwischen strukturschwachen und strukturstarken Regionen zu vermitteln - selbstverständlich! Deswegen muss man finanzschwachen Kommunen die Möglichkeit geben, Planungsleistungen überhaupt zu erstellen. Dabei geht es nicht um Ortsumfahrungen oder Ähnliches, sondern es geht schlicht und ergreifend darum, auch diesen Städten und Gemeinden die Möglichkeit zu geben, ihre Einrichtungen, zum Beispiel Kitas oder Schulen, je nachdem, was vorhanden ist, planungstechnisch zu überziehen. Mit einem Planungsfonds in Höhe von 10 Millionen Euro bewegt man Bauleistungen von 100 bis 130 Millionen Euro. Das würde mehr als ausreichen.
Meine allerletzte Bemerkung in meinem ersten Statement: Es geht auch um den Verteilungsschlüssel von 70 zu 30. Selbstverständlich erreicht man diesen, wenn man sich, wie in dem Vorschlag der Landesregierung, auf die Bundeszuweisungen bezieht. Wir gehen von der Gesamtsumme aus. Daraus ergeben sich 100 Millionen Euro mehr, die an die Kommunen durchgereicht werden sollen. Unabhängig davon halten wir es für selbstverständlich, dass auch für das Land Mittel reserviert bleiben sollen. Genau über die Frage, wofür diese eingesetzt werden können, hätten wir gern mit Ihnen debattiert, und zwar im Wege eines Nachtragshaushalts. - Vielen Dank.
Herzlichen Dank. Herr Abgeordneter Christoffers, für Ihr zweites Statement haben Sie dann noch eine halbe Minute Zeit.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche jetzt insbesondere die Fraktion DIE LINKE an, weil Sie es sind, die den Antrag eingebracht haben und uns in die Diskussion
über einen Nachtragshaushalt mitnehmen wollen. Um es gleich vorweg zu sagen: Die SPD wird Ihrem Anliegen nicht Rechnung tragen können. Wir sehen zurzeit keine Notwendigkeit für einen Nachtragshaushalt für das laufende Haushaltsjahr 2009.
Zuerst lohnt ein Blick in § 37 Abs. 1 Satz 4 der Landeshaushaltsordnung. Ferner empfehle ich Ihnen, § 8 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes für die Jahre 2008/2009 zur Kenntnis zu nehmen, vor allem die genannte Zahl. Herr Christoffers weiß, wovon ich rede; er hat sich soeben selbst darauf bezogen. Vergessen Sie bitte auch nicht die Ausnahmeregelungen. Angesichts all dessen stehen wir nicht in der Pflicht, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Der Finanzminister wird sicherlich noch Gelegenheit nehmen, Ihnen das zu erläutern.
An dieser Stelle sollte übrigens auch die DVU zuhören, weil ich gestern auch Frau Hesselbarth nach einem Nachtragshaushalt habe rufen hören. Für Sie gelten dieselbe Landeshaushaltsordnung und dasselbe Haushaltsgesetz.
Ich dachte wirklich, Sie würden angesichts der Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden Ihren Antrag zurückziehen. Diese Einigung ist von allen Beteiligten gelobt worden. Ich habe niemanden im Nachhinein rufen hören, das sei zu wenig und gehe so überhaupt nicht. Wollen Sie diese Einigung hier wirklich wieder infrage stellen? Wollen Sie den Kompromiss, der unter der Leitung des Ministerpräsidenten ausgehandelt wurde, wirklich aufkündigen? Ich vermute, dafür werden Sie nicht einmal vom Landkreistag oder vom Städte- und Gemeindebund einen Dank bekommen.
Unter Punkt 1 Ihres Antrags - ich gehe gern darauf ein, Herr Christoffers; das gebietet die Fairness - wollen Sie den Kommunen das Geld entsprechend dem Verteilungsschlüssel im FAG ausreichen. Eine aus meiner Sicht abenteuerliche Vorstellung, wenn man bedenkt, dass dann auch die Hauptansatzstaffel und nicht nur die Bevölkerungszahl Anwendung finden würde. Damit käme es wiederum zu einer Verschiebung von starken zu weniger starken Kommunen.
Nach der nunmehr erzielten Einigung fließen 52,8 % der Mittel aus dem Konjunkturpaket II direkt an die Kommunen, und zwar mit dem schon viel zitierten Verteilungsmodus 70 zu 30. Rechnet man aber alle kommunalbezogenen Investitionen zusammen - dazu gehören Sportstätten, der Hafen in Mühlberg, Krankenhäuser, Telemedizin, Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft, Eltern-Kind-Zentren -, kommt man auf 84 % des Gesamtpakets. Summa summarum sind es 384 Millionen Euro für Kreise, Städte und Gemeinden im Land Brandenburg. Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich: Das ist gut so. Wo sonst spielt sich das Leben ab? Wo sonst sind die Bedarfe tatsächlich vorhanden? Wo sonst kann das Geld in kurzer Zeit zielgerichtet eingesetzt werden?
Die finanzschwachen Kommunen - der Bund schreibt uns vor, dass wir sie berücksichtigen - werden in Brandenburg mit einem Eigenanteil von nur 10 % bessergestellt. Ihnen stehen für fünf Jahre zinslose und für zehn Jahre verzinsliche Darlehen
zur Verfügung. Der von Ihnen vorgeschlagene Planungsfonds hilft, jedenfalls aus meiner Sicht, nicht wirklich weiter. Planungskosten sind übrigens in den Gesamtsummen zu berücksichtigen.
Darüber hinaus lehnen wir den Einsatz der Rücklagen aus dem Haushaltsjahr 2008 für den Planungsfonds und auch für die Kita-Finanzierung ausdrücklich ab.
Was ich verstehen kann - da bin ich bei der Opposition -, ist Ihr Bedürfnis, die Dinge zu diskutieren, Ihr Wunsch nach Klarheit und danach, den Kuchen gemeinsam aufzuschneiden und auch zu verteilen. Ich denke, dafür ist der Haushaltsausschuss der richtige Ort. Wir haben in einer Runde übrigens schon über bestimmte Punkte aus dem Konjunkturpaket II miteinander diskutiert. Wenn die Verwaltungsvereinbarung zu Ende verhandelt ist und alle Dinge klar sind, dann können wir das gern fortsetzen. Da bin ich durchaus bei Ihnen.
Um es noch einmal zu sagen: Der Haushaltsausschuss ist dafür der richtige Ort. - Ich danke Ihnen für die wenigstens punktuell vorhandene Aufmerksamkeit.
Frau Melior, ich hoffe, dass die übrigen Abgeordneten das gehört haben und in Zukunft noch mehr punktuell zuhören.