Protocol of the Session on February 26, 2009

Sehr richtig, und genau deshalb wollen wir heute diese Debatte fortsetzen und bringen einen Antrag diesbezüglich ein - mit folgender Zielsetzung:

Die Landesregierung wird beauftragt, sich auf der Bundesebene durch eine Gesetzesinitiative im Bundesrat für eine zügige gesetzliche Neuregelung einer sozial gerechten und ökologisch sinnvollen Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab dem ersten Kilometer einzusetzen.

Was wollen wir? Oder was verstehen wir unter einer sozial gerechten Neuregelung der Entfernungspauschale? Die jetzige Regelung hat ja ein großes Manko für viele Brandenburgerinnen und Brandenburger. Nicht nur die großen Entfernungen in unserem Flächenland sind das Problem, sondern mittlerweile ist auch jeder Vierte im Niedriglohnbereich beschäftigt. Diesen Menschen hilft die jetzige Regelung der Entfernungspauschale wenig. Denn diese ist in ihrer Wirkung an die Einkommensteuer gebunden. Das heißt, nur wer überhaupt Steuern zahlt, kann sie nutzen. Geringverdiener oder Geringverdienerinnen zahlen in der Regel keine oder kaum Steuern, müssen aber trotz Stagnation ihrer verfügbaren Arbeitseinkommen weiter steigende Mobilitätskosten tragen, und das vor dem Hintergrund der Zunahme von Leiharbeiten und Tätigkeiten mit ständig wechselnden Einsatzstellen, unter anderem durch die Ausweitung der Zumutbarkeitsregelung der Bundesagentur für Arbeit. Diese Mehrkosten belasten nicht nur die privaten Haushalte, sondern schwächen auch die Konsumnachfrage und damit die Binnenkonjunktur.

Der Anteil der Niedrigverdiener an der Pendlerpauschale ist nicht gerade klein. Die Zahlen liegen jetzt auf dem Tisch. Von

den rund 860 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten pendeln 580 000 zur Arbeit in andere Gemeinden oder Landkreise und benachbarte Bundesländer, also ein sehr großer Anteil der Beschäftigten in Brandenburg. Deshalb wollen wir die Landesregierung beauftragen, sich für eine sozial gerechte Neuregelung einzusetzen. Vorstellbar ist beispielsweise eine Gutschrift in Höhe der tatsächlichen Fahrtkosten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte für jene Beschäftigten, die aufgrund ihrer geringen Einkünfte keine Einkommensteuer entrichten.

Darüber hinaus - das können Sie ebenfalls unserem Antrag entnehmen - plädieren wir dafür, die Absetzbarkeit der realen Kosten des öffentlichen Personennahverkehrs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch künftig zu gewährleisten und damit die Nutzung dieser Verkehrsmittel besonders zu fördern. Angesichts steigender Spritpreise würden viele Pendlerinnen und Pendler gern vom Pkw auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen, wie aktuelle Umfragen zeigen. Das Verhalten vieler belegt auch diese Sicht. Dies wäre unter anderem durch die Wiedereinführung der sogenannten Günstigerprüfung bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, wie es dies bis zum 31.12.2006 schon einmal gab, gewährleistet. Damit würde der ÖPNV auch für viele Berufstätige wieder attraktiver gemacht. Vielen Dank zunächst für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält die Abgeordnete Melior.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Görke, ich muss Sie enttäuschen, es ist nicht Herr Bischoff, der hier heute steht und mit Ihnen die Diskussion fortführen wird. Über die Pendlerpauschale redet man seit über hundert Jahren. Vor hundert Jahren war es übrigens - das ist auch interessant - das Preußische Oberverwaltungsgericht, das argumentierte:

„Wenn der Erwerbende sich nicht zu seiner Arbeitsstelle begibt, so verdient er auch nichts“,

und dafür gesorgt hat, dass es so etwas wie die Pendlerpauschale schon damals gab. Sie war übrigens nur für den öffentlichen Personennahverkehr vorgesehen und wahrscheinlich ökologischer - so habe ich Sie eben auch verstanden - als das, was wir heute haben.

In den 50er Jahren nahm der Individualverkehr mit dem Pkw sehr stark zu. Im Jahr 1955 wurde eine Änderung vorgenommen, und von da an konnten die Kosten für die Fahrt zur Arbeit mit dem Auto steuerlich geldend gemacht werden.

Wie Sie, Herr Görke, eben zu Recht sagten, ist die derzeitige Regelung gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht verfassungsgemäß. In der Begründung hieß es, dass es nicht ausreichend sei, Haushaltsgründe anzugeben, dass also die Haushaltskonsolidierung allein nicht der Grund sein könne, das Gesetz so auszugestalten, wie es 2007 geschah.

Inzwischen gilt nicht mehr die Regelung von 2007, sondern in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Regelung, dass alle Berufspendler wieder 30 Cent pro Kilometer ohne Beschränkung der Entfernung erstattet bekommen kön

nen. Einige von Ihnen haben vielleicht schon vom Finanzamt einen Bescheid über die entsprechende Erstattung bekommen. Es geht meist um Beträge von 3,50 bis 80 Euro oder auch sehr viel mehr. Diese Beträge werden jetzt nicht auf Antrag, sondern von Amts wegen rückerstattet. Das ist, meine ich, auch nur gerecht.

Wir befinden uns in der Phase, in der dies neu geregelt werden muss. Nicht wir, sondern die Bundesebene muss es neu regeln. Sie wollen mit Ihrem Antrag die Landesregierung auffordern, sich auf Bundesebene für bestimmte Rahmenbedingungen und eine ganz bestimmte, spezielle Ausrichtung der Pendlerpauschale einzusetzen. Ich bin sicher, dass es bei Ihnen auch darum geht, die ökologischen Aspekte in Zukunft stärker zu berücksichtigen. Es gibt im Übrigen an der Pendlerpauschale, wie sie bisher existiert, auch eine Kritik vonseiten des Bundesumweltamtes. Dort würde man die Pendlerpauschale am liebsten abgeschafft sehen. Argumentiert wird dabei vor allem mit dem Auseinanderfallen von Wohnstätten und Arbeitsstätten; damit würde man die Zersiedelungsproblematik befördern. Das sind die Gründe, die aus ökologischer Sicht noch angeführt werden können.

Zurück zur Regelung von 1900 wollen wir auch nicht, als man sagte: Die Pauschale gilt nur für den ÖPNV. Man wird sicher gemeinsam nach gerechteren Lösungen suchen müssen. Sie haben eben zu Recht ausgeführt, dass diejenigen, die keine Einkommensteuern zahlen, davon völlig unbetroffen bleiben, also überhaupt keine Möglichkeit der Absetzbarkeit haben. Dazu zählen auch Familien. Mein Bruder hat fünf Kinder und zahlt keine Einkommensteuer. Das würde sich an dieser Stelle nur hin- und herrechnen. Es gibt also Menschen, die davon gar nicht profitieren. Das wollen wir auch nicht.

An dieser Stelle ist der Bund in der Pflicht. Es gilt die klare Ansage: Die jetzige Regelung - 30 Cent pro Kilometer - gilt weiter bis zur Bundestagswahl. Nach der Bundestagswahl mit einer neuen Bundesregierung müssen diese Verhandlungen zu Ende gebracht werden. Wir als SPD wünschen uns auch, dass ökologische und soziale Aspekte dabei eine Rolle spielen. Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort hat erneut die Abgeordnete Hesselbarth.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir als DVU-Fraktion finden, dass der Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember letzten Jahres gut und richtig war und das rot-schwarze Parteienkartell in Berlin wieder einmal des Verfassungsbruchs überführt wurde.

Wir erklären aber hier und heute auch, dass wir der Meinung sind, dass es eben keiner gesetzlichen Neuregelung zur Pendlerpauschale bedarf, da die wieder geltende Altregelung mit 30 Cent Werbungskosten pro Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Berufspendler genau die richtige Regelung ist, die niemals hätte geändert werden dürfen.

Eine Entschädigungsregelung für Berufstätige, die keine Einkommensteuer zahlen, meine Damen und Herren von links außen, ist übrigens aus einkommensteuersystematischen Gründen nicht möglich. Dazu bedarf es einer eigenen zusätzlichen Subventionsregelung. Die Absetzbarkeit der realen Kosten des öffentlichen Personnahverkehrs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist auch heute bereits einkommensteuerrechtlich gewährleistet. Daher geht Ihr vorliegender Antrag buchstäblich ins Leere, und wir lehnen ihn deshalb ab.

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen die Aussprache fort. Herr Abgeordneter Schrey, Sie erhalten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket II wurde und wird im gesamten Land viel über die finanziellen Belastungen der Bürger diskutiert. Neben den Energiekosten spielen dabei die steuerlichen Abgaben, die der Staat einfordert, eine herausragende Rolle.

Das Steuersystem der Bundesrepublik ist bekanntermaßen eines der kompliziertesten weltweit und bedarf auch aufgrund der vielen Ausnahmeregelungen einer grundsätzlichen Überarbeitung. Von Gerechtigkeit kann dabei leider seit Jahren schon keine Rede mehr sein. Die Diskussionen im Bundestagswahlkampf 2005 um das einfache Einkommenssteuersystem von Friedrich Merz haben aber gezeigt, dass hier noch viele dicke Bretter zu bohren sind und vielen politischen Entscheidungsträgern der Mut dazu fehlt.

Aus diesem Grund ist es für uns wichtig, dass wir im bestehenden Steuersystem eine gewisse Gerechtigkeit bewahren. Dazu gehört auch die Tatsache, dass die CDU in Ostdeutschland in den Beratungen zum Steueränderungsgesetz 2007 gegen die Kürzung der Entfernungspauschale war. Allerdings konnten wir uns damals nicht durchsetzen und sind auch heute innerhalb der Koalition noch unterschiedlicher Meinung.

Das Bundesverfassungsgericht hat - das war absehbar - mit seinem Urteilsspruch Anfang Dezember des letzten Jahres die Kürzung der Pendlerpauschale kassiert. Die Streichung der Pauschale war verfassungswidrig. Die Richter in Karlsruhe entschieden, dass die vom Gesetzgeber angeführte Begründung für die Streichung der Entfernungspauschale nicht ausreiche. Es lag ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung vor, so die Ausführungen der Richter und so weit zu den derzeitigen Fakten.

Den Antrag der linken Opposition auf eine Bundesratsinitiative für eine „sinnvolle Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab dem ersten Kilometer“ halten wir aber für entbehrlich und lehnen ihn deshalb ab.

Der Bund sparte durch die Kürzung der Pauschalen etwa 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Schon allein aus diesem Grund bin ich mir sicher, dass das Thema von den Verantwortlichen diskutiert und beraten wird. Denn solch ein Ausfall von Ein

nahmen kann sich der Bund - gerade in der jetzigen Zeit - nicht erlauben. Hier müssen entsprechende Lösungen her.

Eine Entschädigung für Berufstätige, die aufgrund ihres geringen Einkommens keine Steuer zahlen müssen, halte ich allerdings für falsch. Wir sind der Meinung, dass vielmehr die Leistungsträger in unserer Gesellschaft gestützt werden müssen, damit sie die soziale Sicherheit im Land auch weiterhin bezahlen können. Deshalb halten wir mehr von einem gerechteren Steuersystem als von noch mehr Umverteilung. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Minister Speer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Görke, die ökologischste Form einer Pendlerpauschale ist keine Pendlerpauschale. Deswegen ist der Zusammenhang, den Sie hier darstellen, möglichst ökologisch, möglichst sozial, ein Widerspruch.

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Es ist ein Widerspruch, und es bleibt auch ein Widerspruch, auch wenn Sie das mit der Darstellung oder dem Wunsch kaschieren.

Es ist bei der Frage der Gerechtigkeit des Steuersystems so, dass die soziale Berücksichtigung, und zwar die maximale soziale Berücksichtigung, dadurch erfolgt, dass sozial Schwache keine Steuern zahlen, null, und der Steuerfreibetrag ist gerade angehoben worden, also noch einmal eine Berücksichtigung der Einkommenssituation sozial Schwacher.

Auch die Frage der Mobilität von Bürgerinnen und Bürgern mit geringem Einkommen ist hier in diesem Haus diskutiert worden. Dafür sind Hilfen verabredet worden, was den ÖPNV betrifft, auch als Form des ökologischen Anreizes.

Nun aber zu sagen, jeder, der zur Arbeit fährt, egal von wo nach wo, egal mit welchem Auto, müsste einen Anspruch haben, auch wenn er gar keine Steuern zahlt, wäre sicherlich ein Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie und die Mineralölindustrie,

(Beifall der Abgeordneten Hartfelder [CDU])

aber kein sinnvoller Vorschlag, der uns hilft, das Problem der weiten Arbeitswege in den Griff zu bekommen.

Die Wege zur Arbeit sind zum einen aufgrund entfernt liegender Arbeitsstätten weit, es gibt zum anderen aber auch den umgekehrten Fall, dass Leute von ihrer Arbeitsstätte wegziehen, zum Beispiel aus Berlin ins Grüne. Dies ist etwas, was jemand auf sich nimmt in Form von Fahrzeit, aber auch in Form von Kosten.

Dieses Antrags bedarf es deshalb nicht, weil - es ist gesagt worden - die Koalition sich verabredet hat, einen gemeinsamen Ansatz zu bringen. Diese Verabredung ist von der CSU inzwischen einseitig aufgekündigt worden. Die CSU hat im Bundes

rat einen Antrag gestellt, der in der letzten Woche im Finanzausschuss von den B-Ländern mehrheitlich angenommen wurde, sodass im Bundesrat ein Gesetzentwurf ankommt. Gleichzeitig hat der Bundesfinanzminister erklärt, dass er dazu auch einen Vorschlag macht, der dem entspricht, was wir momentan haben. Insofern wird ausreichend Gelegenheit sein, Herr Görke, auch für Ihre Partei, dies im Bundestag zu diskutieren und Vorschläge einzubringen. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält noch einmal der Abgeordnete Görke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Melior, zum historischen Abriss: Ich möchte mit der Zustimmung dieser Regierung zum Jahressteuergesetz im Jahr 2007 im Bundesrat beginnen. Ich glaube, deshalb ist die Verantwortung dieses Hauses, auch gegenüber dieser Regierung, sie zu beauftragen, sich für eine grundsätzliche Neuregelung einzusetzen, und zwar sozial gerecht und ökologisch sinnvoll, heute hier im Parlament durchaus auf der Tagesordnung.

Ich verstehe natürlich die jetzt aufkommende Begeisterung über die Rückerstattung der Pendlerpauschale für viele hier im Land. Aber es ist doch so, dass nur ein Bruchteil von dem korrigiert wurde, was auf der Agenda steht. Ihr Kollege Baaske hat ja daran teilgenommen und sich auf der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden in Ostdeutschland, ich glaube, vor 14 Tagen war die, für eine sozial gerechte Neuregelung der Pendlerpauschale ausgesprochen. Insofern glaube ich schon, dass wir diese Regierung, die Sie tragen, beauftragen sollten.

Ich glaube, es ist auch Zeit, den Rücken gerade zu machen, nicht Scheinargumente und Ausflüchte zu suchen, sondern jetzt zur Tat zu schreiten und diesen Antrag anzunehmen und nicht auf Berlin zu verweisen.