Zudem müssen wir verdeutlichen, dass es nach unserer Erfahrung nichts Vergleichbares gibt, das die Problemlage in der gleichen Weise meistern könnte wie die Demokratie und die soziale Marktwirtschaft.
Brandenburg ist heute wesentlich besser als vor fünf Jahren vor der ersten Krise, die ich persönlich politisch gestaltend miterlebt habe - aufgestellt. Die Arbeitslosigkeit ist um 40 % gesunken. Zum ersten Mal ist am Ende des Konjunkturzyklus die Arbeitslosigkeit niedriger als im vorherigen Konjunkturzyklus an der gleichen Stelle. Dies war schon seit langem nicht mehr der Fall.
Kollege Vietze, ich habe heute ein wenig auf der Internetseite www.rosaluxemburgstiftung.de gegoogelt. Dort müssen Sie einige Ihrer Schriften korrigieren; denn einige Ihrer Aussagen sind nicht zutreffend.
Hinsichtlich der Finanztheorien und Wirtschaftstheorien - auch der modernen Welt und nicht nur der Margen - müssen wir unsere Lehren ziehen.
Unsere Industrie ist derzeit - im Vergleich zu vergangenen Jahren - breiter aufgestellt. Zwar sind wir industriell - dies beklagten wir stets in den vergangenen Jahren - längst nicht so breit aufgestellt wie andere Länder, jedoch kann dies auch ein Vorteil sein, weil wir kleinteiliger und damit auch flexibler in der Wirtschaft agieren können als diejenigen Länder, in denen Arbeitgeber 20 000 oder 30 000 Arbeitsplätze bieten können. Diese spüren viel eher, dass sich eine Krise in der Metallwirtschaft unter anderem auf die Autobranche negativ niederschlägt.
Unser Haushalt war im vergangenen Jahr zum ersten Mal ausgeglichen. Ich hoffe - der Finanzminister ist inzwischen wieder anwesend -, dass uns das auch in diesem Jahr gelingt. Leider sehen wir das für das nächste Jahr wesentlich skeptischer.
Die letzten internationalen Vergleiche haben gezeigt, dass unsere Schulen und Kitas wesentlich besser geworden sind. Des Weiteren haben die Arbeitsmarktreformen - diesbezüglich sollten wir uns, Frau Kaiser, nichts vormachen - dafür gesorgt, dass wir in unseren Arbeitsagenturen und ARGEn sowie in den Optionsgemeinden hinsichtlich der Betreuung und Vermittlung sowohl von Langzeitarbeitslosen als auch von neu hinzugekommenen Arbeitslosen wesentlich besser aufgestellt sind.
Ich möchte mich nicht an die Zeit zurückerinnern und mir auch nicht vorstellen, wie wir dastünden, wenn heute noch auf einen Vermittler 1 000 Arbeitslose kämen. Die Situation aus dem Jahr 2004 ist heute für uns undenkbar. Wir wissen, dass wir noch lange nicht dort angekommen sind, wohin wir wollen. Dennoch sind wir diesbezüglich ein gutes Stück vorangekommen. Das hat deutlich etwas mit der Agenda 2010 und mit den Reformen am Arbeitsmarkt zu tun. All das ist wichtig und richtig. Dies braucht man, wenn man in diesen stürmischen Zeiten in unruhiges Wasser gerät. Die derzeitige Regierungskoalition hat dies vollbracht und dafür gesorgt, dass Brandenburg besser dasteht als in den vergangenen 18 Jahren. Dies ist unser Verdienst, auf das wir stolz sein können.
In den kommenden Monaten wird diese Koalition ihren Job machen. Dies erwarten die Brandenburgerinnen und Brandenburger von uns, und dieser Verantwortung werden wir auch gerecht werden.
Ich möchte deutlich sagen, dass der Wahlkampf in diesem Land erst nach dem 4. Juli 2009 beginnen darf. Das hat nichts mit dem amerikanischen Independence Day zu tun, sondern vielmehr damit, dass der 4. Juli 2009 wahrscheinlich der Tag unserer letzten Plenarsitzung vor der Wahl sein wird. Bis dahin haben wir alle noch viel Arbeit vor uns. Das, was wir an Zielstellungen haben und was sich in der nächsten Zeit noch an Aufgaben auftun wird - es wird noch vieles hinzukommen -, sollten wir auch abarbeiten.
Herr Ministerpräsident, Sie haben - dies möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen - für all die Ideen, die Sie vorhin vorgetragen haben, die volle Unterstützung der SPD-Fraktion.
Für alle Maßnahmen, die Sie vorgeschlagen haben, haben Sie den vollen Rückhalt von uns. Brandenburg braucht - das muss deutlich gesagt werden - insbesondere in dieser Zeit eine starke und handlungsfähige Regierung und einen erfahrenen und starken Ministerpräsidenten. Beides können wir vorweisen, worauf wir auch stolz sein können.
In der Tat sprechen wir über eine weltweite Finanzkrise. Diese Finanzkrise wurde zwar nicht in Brandenburg ausgelöst, betrifft jedoch auch unser Land. Sie wurde von Bankern ausgelöst, die den Hals nicht voll genug bekommen konnten, aber auch von Kunden - Matthias Platzeck hat es vorhin gesagt -, die aberwitzige Produkte gekauft haben. Ich glaube, dass etwas mehr gesunder Menschenverstand, etwas mehr Bodenhaftung und eventuell auch etwas mehr Achtung vor dem, was Menschen mit Händen und Füßen schaffen, insbesondere an der Wall Street, in der City of London und vielleicht auch in Frankfurt/Main dafür gesorgt hätte, dass so etwas nicht geschehen kann.
Mich persönlich ärgert es maßlos - dies habe ich bereits im Oktober gesagt -, mit welcher Arroganz und Selbstherrlichkeit in den letzten Jahren agiert wurde. Zudem ärgert mich, dass es viel zu wenige gibt, die bereit sind, ihre Schuld einzugestehen oder Verantwortung zu übernehmen.
Ich begrüße es, dass der Ministerpräsident gestern mit den Vertretern der Deutschen Bank gesprochen hat. Wenn von dort das Signal kam, hier helfen zu wollen, ist das in gewisser Weise sicherlich ein Eingeständnis. Dennoch fand ich es empörend, dass der Chefvolkswirt der Deutschen Bank in der vergangenen Woche gesagt hat, er rechne - aufgrund der Tatsache, dass die Banken derzeit kein Geld für gute Projekte in Deutschland geben würden - mit einer Rezession von 4 %.
Da muss ich mich tatsächlich fragen: Warum ändert dann diese führende Deutsche Bank nicht ihre Geldpolitik, wenn sie dies als Problem erkannt hat?
An dieser Stelle möchte ich noch Folgendes sagen: Frau Kaiser, es macht keinen Sinn - ich habe dies von Gregor Gysi, von Lafontaine und von Ihnen, Frau Kaiser, gehört -, durch das Land zu rennen und so zu tun, als würde Peer Steinbrück den Banken das Geld hinterherschmeißen. Schließlich müssen diese Banken die Bürgschaften teuer bezahlen. Die eigenkapitalersetzenden Darlehen kosten 8 %. Dies muss in aller Deutlichkeit gesagt werden. Es geht hier nicht um Geschenke an Banken, sondern darum, dass die Banken liquide Gelder bekommen können, dass die Banken Geld und Vertrauen untereinander gewinnen und in der Lage sind, die Volkswirtschaft mit Kapital abzusichern.
An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal deutlich sagen, dass es ein Job dieser Bundesregierung war, dafür zu sorgen, dass Banken dies aus der Verantwortung für die deutsche Wirtschaft können. Wenn die Bundesregierung mit Peer Steinbrück diese Verantwortung ins Land getragen hat, ist es nicht so, dass diese Verantwortung eine Einbahnstraße ist. Schließlich tragen auch die Banken eine Verantwortung. Sie müssen in den nächsten Monaten zeigen, dass sie dieser Verantwortung gerecht werden.
Das Signal von der Deutschen Bank habe ich gehört. Nun bin ich gespannt, wie sich das in der nächsten Zeit entwickelt.
Auf jeden Fall müssen wir dafür sorgen, dass Geld fließt. Ich bin Peer Steinbrück dankbar für seine klare Analyse der vergangenen Wochen, Monate und Jahre, für sein Eingeständnis, dass Fehler gemacht wurden, aber auch für die Handlungsoptionen, die er dieser Republik ermöglicht hat.
Die Finanzkrise geht mit einer Krise eines Wirtschafts- und Produktionsmodells einher, das unter dem Motto „größer, schöner, schneller“ - meinetwegen auch noch „teurer“ - gestartet ist. Dieses Produktionsmodell scheitert. Dies erleben wir unter anderem bei den kleinen und sparsamen Autos. Ich habe erst vor kurzem gelesen, dass der Absatz dieser Autos im letzten Quartal um 20 % gestiegen ist, jedoch die gesamte Branche mit dem Motto „größer, schöner, schneller, teurer“ eingebrochen ist. Dies betrifft nicht nur die Automobilwirtschaft, sondern gegenwärtig auch andere Produkte in der Realwirtschaft. Die Schwierigkeit für uns und die Wirtschaft besteht nun darin, dass beides - die Finanz- und die Produktionskrise - zum gleichen Zeitpunkt über uns hereinbricht.
Das Produktionsmodell der Zukunft muss, glaube ich, anders heißen. Es geht dabei um mehr Effizienz, mehr Intelligenz und mehr Ökologie/Nachhaltigkeit. Wer heute sparsame Autos entwirft und sparsame Produkte verkaufen möchte, ist nach wie vor gut am Markt aufgestellt. Dies wird insbesondere - das sage ich vor dem Hintergrund, dass es vor kurzem einige schlechte Schlagzeilen über die Solarbranche gab - bei den regenerativen Energien die Zukunft zeigen. Das Zeitalter, in dem Rohstoffe unbegrenzt und preiswert zur Verfügung standen, ist zu Ende. Dies muss jedem klar sein. Wir sollten uns auch nicht von den niedrigen Benzinpreisen täuschen lassen; denn diese werden nicht so niedrig bleiben. Vielmehr werden wir auch dort erleben, dass die Preise wieder steigen. Dessen sollten wir uns bereits jetzt bewusst sein.
Zweitens: Worauf kommt es an dieser Stelle in Zukunft an? Effizienter, ökologischer und intelligenter muss die Richtschnur unseres Handelns sein. Wir sprechen derzeit über eine globale Krise. In dem Zusammenhang ist Brandenburg - wir wollen nicht vermessen sein - recht klein. Dies sollte uns jedoch nicht dazu veranlassen, uns zurückzulehnen und zu sagen: Wir können sowieso nichts tun. - Wir wollen und sollen nicht wie ein Kaninchen vor der Schlange hocken und zuschauen, wie andere handeln.
Das kann nicht unser Ding sein. Es gibt keinen Grund, sich zurückzulehnen, und wir wissen ganz genau, dass wir in Brandenburg alles daransetzen müssen, dass wir die Erfolge der letzten Jahre nicht begraben, sondern dass wir das machen, was wir in den letzten Jahren auch gemacht haben. Wir werden auch in der Krise - gerade in der Krise - um jeden Job in Brandenburg kämpfen. Wir Sozialdemokraten werden alles tun, um unser Sozialsystem zu schützen.
Engagement der letzten Jahre auch nur an einer Stelle zurückfahren müssen, weil irgendwelche Fondsmanager den Hals nicht voll genug kriegen konnten.
Wir werden in Brandenburg auch keine sozialen Projekte streichen. Ich denke an den Schulsozialfonds, ich denke an die Unterstützung für die Schülerbeförderung, ich denke an die Unterstützung für Kitas etc., pp. Das werden wir nicht zulassen. Es wäre auch das völlig falsche und fatale Signal in dieser Situation.
Wir werden in den nächsten Wochen, Frau Kaiser, klug investieren. Ich glaube, dass es nicht darum gehen kann, hier mit irgendeiner Tonnenideologie zu starten und massenhaft Geld in die Landschaft zu pumpen. Die Vorschläge, die Sie auf Ihrem Parteitag gemacht haben, erinnern mich an das, was wir Anfang der 90er Jahre gemacht haben. Wir haben mitunter viel Geld wie Luft mit großen Schippen über den Maschendrahtzaun geschippt, und es ist damit längst nicht das passiert, was wir wollten. Wenn es eine Erfahrung gibt, die wir auch als Brandenburger in den letzten Jahren gemacht haben, dann heißt das, dass wir uns nicht auf -
- genau - ein Strohfeuer einlassen dürfen, sondern dass wir wirklich gezielt und effizient dort mit Geld einsteigen müssen, wo wir wissen, dass es Jobs erhält oder Jobs kreiert.
Die vergangenen Wochen haben aber auch gezeigt, dass die alten ökonomischen Weisheiten, auch die der Finanzmärkte, wirklich nicht mehr zutreffen. Ich darf daran erinnern, dass die Zentralbanken in Amerika - Sir Bernanke -, aber auch in Europa massiv ihre Leitzinsen gesenkt haben. Nach der alten Denke müsste das zwangsläufig dazu führen, dass Banken relativ preiswert auf dem Kreditmarkt agieren und Unternehmen Geld geben. Nix da! In Amerika nicht und hier nicht. Das heißt also, auch das alte Geldsystem wird nicht weiter so funktionieren, wie wir das bisher erlebt haben. Auch dort, muss man ganz deutlich sagen, stoßen Geldforscher, stoßen Wirtschaftsforscher, stößt auch die Prognosenfähigkeit dieser Leute an ihre Grenzen. Manchmal geben sie es ja sogar zu. Ich wäre nur dankbar und froh, wenn sie mit diesen haarsträubenden Prognosen, die wir momentan hören, hinterm Berg hielten und nicht andauernd versuchten, damit auch noch Schlagzeilen zu machen.
Ich glaube, dass vor diesem Hintergrund, dass das Geld momentan eben nicht so fließt, jetzt wirklich die Stunde für öffentliche Investitionen ist. Der Staat muss handeln, und der Staat kann auch handeln, aber er kann es eben nur, wenn es ein starker Staat ist. Matthias Platzeck hat das vorhin sehr eindringlich gesagt.
Wir Sozis haben immer dafür gekämpft, dass der Staat handlungsfähig ist. Wir haben immer dafür gekämpft, einen Staat zu haben, der in der Lage ist, auch Geld in die Hand zu nehmen, um Infrastruktur, um Schulen, um Bildung, um all das voranzubringen. Dafür muss er Einnahmen haben.
Ich finde es, ehrlich gesagt, besonders absurd, wenn ich heutzutage Leute höre - auch aus der Bundespolitik -, die daher
kommen und ganz laut rufen: Der Staat muss sofort die Steuern senken!, und schon im nächsten Halbsatz - dazwischen ist nur ein Komma - sagen: Der Staat muss zukünftig stark investieren. Beides zusammen geht nicht, es sei denn, der Staat verschuldet sich wieder stärker, als es in der Vergangenheit der Fall war. Das kann man, glaube ich, miteinander nicht zulassen.