Protocol of the Session on November 19, 2008

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin rief zum Bildungsgipfel nach Dresden, und in der Tat wäre ein Gebirge wie die Alpen nötig gewesen, um die Bildungsmisere in Deutschland zu beheben.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herausgekommen ist nicht einmal ein popeliges Mittelgebirge. Meine Kollegin Große hat bereits ausführlich beschrieben, welche Enttäuschung dieses Treffen für den Bildungsbereich war. Diese Enttäuschung setzt sich im Hochschulbereich fort. Die kälteste Dusche haben die Studierenden abbekommen: Man konnte sich auf dem Treffen nicht auf einen bundesweiten Verzicht auf Studiengebühren einigen, und darüber war selbst Matthias Platzeck enttäuscht.

Damit bleibt es in vielen Bundesländern bei einer sozial ausgrenzenden und abschreckenden Politik; denn bereits im Vorfeld des Treffens wurde durch eine Studie bekannt, dass fast 20 000 junge Menschen des Abiturjahrgangs 2006 wegen der Studiengebühren ein Studium nicht anfangen. DIE LINKE bleibt deshalb weiterhin lautstark bei ihrer Forderung nach einem Verzicht auf jegliche Studiengebühren.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

An dieser Stelle muss ich einen Irrtum aufklären. Die SPD geriert sich ja in letzter Zeit gern als die große Gegnerin von Studiengebühren. Bildungsminister Rupprecht hat auf dem Bildungskongress in der Staatskanzlei letzte Woche noch einmal betont, die SPD sei gegen Studiengebühren im Erststudium in der Regelstudienzeit. Das sind bereits zwei Einschränkungen. Das heißt im Klartext, die SPD ist für Studiengebühren im Master und für Studiengebühren bei Menschen, die länger als die festgelegte Studienzeit studieren.

Lieber Herr Rupprecht, in Brandenburg liegt die Studiendauer in fast allen Studiengängen über der Regelstudienzeit. Deswegen ist die Ablehnung von Studiengebühren durch die Sozialdemokraten bestenfalls halbherzig. Sorgen Sie lieber dafür, dass ein Studium in Regelstudienzeit möglich ist!

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die größte Enttäuschung ist mit Sicherheit die Unverbindlich

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme aus Cottbus. Die Lausitz ist bekanntermaßen relativ flach. Wir sind nicht so sehr verwöhnt mit Bergen, und an die Alpen wagen wir schon gar nicht zu denken. Man ist schon froh, wenn es einen sanften Hügel gibt, und ein sanfter Hügel ist ja bei dem Bildungsgipfel herausgekommen.

Ich schließe mich ausdrücklich dem Bildungsminister an, der gesagt hat: Wenn die Bundeskanzlerin die Bildungsrepublik Deutschland aufruft und Bildung zur Chefinnensache macht, hätte man natürlich schon ein bisschen mehr erwarten können. Ein bisschen mehr Hügel wären schön gewesen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei der Fraktion DIE LINKE)

Ein Gutes hat der Bildungsgipfel sicherlich: Es war zumindest möglich, in zehn wichtigen Bereichen Konsens zu finden. Es ist in unserem föderalen Staat nicht selbstverständlich, dass es über scheinbar Selbstverständliches Konsens gibt. Liest man diese zehn Punkte, liest sich das eigentlich wie ein Katalog von Regierungsprogrammen und Dingen, die wir in Brandenburg tatsächlich seit Jahren tun. Vielleicht wurde damit auch wieder einmal deutlich, welche Vorreiterrolle wir im Land einnehmen und dass wir Probleme längst erkannt haben und seit Jahren an der Problemlösung arbeiten, bevor sie im übrigen Teil der Republik erkannt werden. Insofern wurde uns immer wieder die Vorreiterfunktion bestätigt, aber wir bekamen auch eine Bestätigung für unser Regierungshandeln, besonders, was Bildungspolitik betrifft.

Herr Jürgens, Sie haben heute einen Teil der Debatte um das Hochschulgesetz schon vorweggenommen. Ich denke, das ist hier nicht der richtige Ort, um auf die Details einzugehen. Aber was die Studiengebühren betrifft, kann ich Ihre Kritik einfach nicht nachvollziehen. In dem neuen Gesetz steht ausdrücklich, dass das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss plus konsekutive weitere Studiengänge gebührenfrei ist.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Sie haben in der Debatte klar gesagt: Nur das Erststudium!)

Es geht um einen berufsqualifizierenden ersten Abschluss. Es geht nicht darum, dass ich Berufstätigen, die sich weiterqualifizieren, generell das Studium gebührenfrei stellen muss.

Bitte keine Zwiegespräche!

Aber lassen Sie mich noch einmal auf den Bildungsgipfel zurückkommen. Selbstverständlich bleiben Forderungen an den Bund bestehen. Es geht mir hier vor allen Dingen um das Thema Neuberechnung des Kinderbedarfs der Regelleistungen im Bereich von SGB II und SGB XII. Es geht darum, dass der

Bund endlich anerkennt, dass er die Leistungen für die Grundversorgung - das betrifft die Mittagsverpflegung, in diesem Zusammenhang auch die Ganztagsversorgung - tatsächlich mit übernimmt.

Wir hätten uns gewünscht und fordern auch weiterhin, dass das bereits angesprochene Thema Schulsozialarbeit übernommen wird. Es steht hier als Forderung der Länder. Warum soll beispielsweise die Schulausstattung für jedes Kind aus einer ALG-II-Familie nur bis zur 10. Klasse gezahlt werden? Wir wollen ja gerade, dass Kinder aus bildungsschwachen Familien auch Abitur machen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und bei der Fraktion DIE LINKE)

Hier bleibt die Forderung bestehen, entweder weiter zu bezahlen oder, was noch besser wäre, sich unserer Förderung für ein Schüler-BAföG anzuschließen, das genau in diese Lücke springen wird.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Es ist mir auch unverständlich, dass eine Bundesfamilienministerin, die ein solches Herz für Kinder hat, dieses Problem einfach nicht wahrhaben will. Das scheint der „tote Winkel“ zu sein. Was ist mit den wirklich sozial schwachen Kindern, die unsere Betreuung besonders nötig haben, die es besonders nötig haben, durch kostenlose Mittagessen in den Kitas, durch eine sehr gute qualifizierte Kitabetreuung, durch Mittagessen in den Schulen, durch Schulausstattung gefördert zu werden? Was bleibt denn diesen Kindern tatsächlich übrig? Das sind Fragen, die sich sowohl die Bundesfamilienministerin als auch die Bundeskanzlerin stellen lassen müssen, die diese Politik ja maßgeblich tragen.

Es wird eine Strategiegruppe zur Frage der Finanzierung eingerichtet. Wir wissen: Es ist nicht einfach, in unserem föderalen Staat zu gemeinsamen Entscheidungen zu finden, und insofern wird diese Strategiegruppe, die den konkreten Auftrag zu berichten hat, ein Ergebnis vorlegen. Es ist aber auch bekannt und auch hier sind wir vielleicht in Brandenburg wieder Vorreiter -, dass wir das Thema Föderalismus ein Stückchen anders sehen als andere Bundesländer. Schon als die Föderalismusdebatte anstand, hat sich Brandenburg gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern ganz klar für mehr Bundeszuständigkeit in der Bildung und für weniger Föderalismus eingesetzt. Vielleicht werden wir es ja auch noch erleben, dass wir nicht immer nur Vorreiter sind, sondern sich auch der Rest der Republik auf diesen vernünftigen Konsens einlässt.

Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, damit Sie wissen, wie weit wir tatsächlich mit unseren Bildungserwartungen sind, möchte ich Sie sehr herzlich zu unserer Zukunftskonferenz Bildung einladen. Die wird am 4. Dezember stattfinden. Dort werden wir diese Konzepte vorantreiben, die in diesen zehn Punkten alle schon erwähnt sind.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Ich denke, unsere Bilanz kann sich sehr gut sehen lassen. Der Bildungsminister hat es beschrieben. Wir haben zahlreiche Initiativen. Wir werden die in den nächsten Jahren fortsetzen, und

ich denke, der Rest von Deutschland tut gut daran, ein Stückchen nach Brandenburg zu schauen, denn der heimliche Gewinner der PISA-Studie ist Brandenburg.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und bei der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort erhält noch einmal die Landesregierung. Es spricht Frau Ministerin Wanka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Bemerkungen - erstens zum Geld. Ich nehme gern Geld, am liebsten ohne Kofinanzierung, am liebsten ohne Forderungen vom Geldgeber, und - ich stehe dafür - ich kann es effektiv einsetzen. Das heißt, unter dem Gesichtspunkt bin ich sehr froh, dass wir es im Hochschulbereich, im Wissenschaftsbereich in den letzten Jahren wirklich nicht nur in Brandenburg, sondern in Deutschland geschafft haben, was jahrelang unmöglich schien: dass frisches Geld in Größenordnungen ins System gekommen ist, beispielsweise bei der Exzellenzinitiative 1,9 Milliarden. Das ist eine Menge. 1,9 Milliarden! Davon zahlt der Bund 75 %. Auf dem Gipfel wurde festgelegt, dass die Exzellenzinitiative mit Geld, mit beträchtlichen Summen fortgeführt wird.

Zweitens: Seit dem Jahr 2006 flossen vom Bund in den Pakt für Forschung und Innovation 6 Milliarden. Das Ergebnis des Gipfels ist: Der Pakt läuft weiter.

Drittens: Eine halbe Milliarde floss in den Erhalt von Studienplätzen im Osten und in neue Studienangebote in den alten Bundesländern - Hochschulpakt 2020. Auf dem Gipfel wurde festgelegt, dass es weitergeht. Es wurde festgelegt, Herr Jürgens, bis 2015 275 000 Studienplätze zu schaffen, und es wurde festgelegt, das hatten Sie vorhin nicht verstanden, bedarfsgerecht - klare Ansage des Bundes - in der nächsten Phase mehr Geld pro Studienanfänger zu geben. Das heißt, dieses „bedarfsgerecht“ - wie viel sie drauflegen - muss noch genau definiert werden.

700 Millionen fließen in die DFG-Forschung. Bisher war es so - das war nicht Ergebnis des Gipfels, sondern davor festgelegt -, dass man in der Forschung einen Forschungsantrag stellt, und dann muss man als Hochschule einen Eigenanteil bringen. Das ist natürlich für die Hochschulen, die nicht so super ausgestattet sind, schwierig. Der Bund hat es vor zwei Jahren geändert, er legt 700 Millionen drauf. Die Hochschulen müssen einen geringeren Eigenanteil aufbringen, der Bund finanziert das zu 100 %.

Ich will an die BAföG-Novelle im letzten Jahr erinnern. Das kostet mehr Geld, das ist klar. Es gibt mehr Antragsberechtigte und andere Sätze. Das kostet den Bund jedes Jahr über 300 Millionen Euro mehr. Beim Gipfel, wofür ich sehr werbe, wurden Aufstiegsstipendien vereinbart. Das heißt, es gibt jetzt - Annette Schavan sei Dank - 1 000 Stipendien für Leute, die aus der beruflichen Bildung in den Hochschulbereich kommen.

Durchlässigkeit ist das Thema, in dem wir gut sind, und auf dem Gipfel die Erklärung: Sie legen drauf, wenn mehr Bedarf ist.

Mit unserer Novelle schaffen wir es, dass es zumindest in Brandenburg gutgeht. Mein Kollege Rupprecht sagte vorhin, der Kuchen solle größer werden. Im Wissenschaftsbereich ist er größer geworden. Dennoch kann man natürlich immer mehr gebrauchen; das ist völlig klar.

Zweiter Punkt: föderales System. Ich denke, wer Wettbewerb will, steht zum föderalen System - eindeutig. Aber Bildungsrepublik, die Vokabel, heißt nicht - aus meiner Sicht ist es vielleicht nicht immer ganz stringent - einfach Addition der 16 Bildungs- oder Wissenschaftspolitiken der Länder, sondern heißt auch ein Einfluss des Bundes, und zwar nicht nur in Forschung und nicht nur, indem er Geldgeber ist. Einen vernünftigen Einfluss - das wird jede Bundesregierung wollen. Unter dem Aspekt ist die Föderalismusreform für mich in manchen Punkten nicht optimal gewesen, dennoch ist sie zu akzeptieren; es bleibt auch nichts weiter übrig.

Bei der Föderalismusreform wurden Dinge, die wir in Deutschland, glaube ich, sehr gut geregelt hatten -, hinsichtlich Hochschulzugang oder Abschlüsse - für die Länder sozusagen freier gegeben. Was hat dieser Gipfel unter der Ägide der Kanzlerin jetzt bewirkt? - Die Dinge wurden als Selbstverpflichtung der Länder wieder zusammengeführt. Das erachte ich als positiv. Dies ist jetzt einmal nicht in Euro zu messen, aber entscheidend wichtig für die Bildungsrepublik Deutschland.

Wenn ich mir ansehe, was nach der Föderalismusreform im Hochschulbereich passieren kann, stelle ich Folgendes fest: Es kann einen ruinösen Wettbewerb geben, den wir nicht gewinnen, sondern verlieren. Den kann es geben. Diesbezüglich kann nur eine Selbstverpflichtung der Länder helfen. In dieser Hinsicht bin ich mir mit dem Ministerpräsidenten einig. Wenn wir das mit der Autorität der Kanzlerin hinbekämen, würde ich mich freuen. Da bin ich überhaupt nicht fein; denn das Ergebnis ist entscheidend und wichtig. Dieser Gipfel hat einen ersten Schritt dazu geliefert, dass man so etwas erreichen kann.

Jetzt könnte ich - wie der Bildungsminister - aufzählen, was die einzelnen konkreten Punkte sind, die auf dem Gipfel vereinbart wurden: Fachhochschulen, duale Ausbildungsgänge, Durchlässigkeit etc. Daraus kann man eine sehr gute Bilanz ziehen, was wir bereits in Angriff genommen haben. Bei vielen Punkten - Frau Münch hat es vorhin gesagt - sind wir ein Stück weit Vorreiter. Ich will Sie hier jetzt nicht - so viel Zeit habe ich auch nicht - mit der Aufzählung beglücken. Vielmehr möchte ich sagen: Bildung ist ein Zukunftsthema. Bei allen „Nicklichkeiten“ bin ich fest davon überzeugt: Gemeinsam geht es besser.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die letzten drei Minuten Redezeit erhält noch einmal die Linksfraktion. Es spricht die Abgeordnete Frau Große.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, wir hatten eine gute Debatte. Wenn es gemeinsam so gehen soll, dann wäre es vielleicht auch einmal zuträglich, einem Antrag der Linken zuzustimmen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Nach Ihrem Beitrag, Frau Ministerin Wanka, bin ich diesbezüglich inzwischen fast guter Hoffnung. Vor allem bin ich auch sehr froh darüber, heute von Ihnen gehört zu haben, dass es mit der Föderalismusreform - trotz aller Vorleistungen, in die Brandenburg gegangen ist - doch ziemlich problematisch ist.

Herr Minister Rupprecht, Sie unterstellen, dass sich die Linke freue, wenn es der Bildung in diesem Land schlecht geht und wir deswegen die Rede vielleicht noch einmal umgeschrieben hätten. Das will ich von mir weisen. Das haben Sie meiner Rede nicht wirklich entnehmen können.