Das ist schlimmer als sein Victory-Zeichen, das er damals im Gericht gezeigt hat. Es sind bei dieser Rallye Dinge unter die Räder gekommen, ohne die menschliches Zusammenleben nicht funktioniert oder wo es am Ende wieder zu Mord und Totschlag kommt: Wenn nämlich Augenmaß, Vernunft, Anstand und Verantwortungsgefühl in den wichtigen Etagen die Verantwortlichen verlassen, dann fängt die Welt an, aus den Fugen zu geraten, und genau das erleben wir derzeit.
Als Kinder und Heranwachsende - viele werden sich erinnern - sind wir nicht selten mit Schneeballbriefen konfrontiert worden nach dem Motto: Steck 10 Pfennig hinein, du bekommst dann 5 Mark, musst nur 10 Leute finden, denen du auch noch einen Brief schreiben kannst. - Viele haben nicht mitgemacht, weil wir mit normalem Menschenverstand gewusst haben, dass das irgendwann vor die Wand gehen muss. Trotzdem spielen Investmentbanker auf dieser Welt genau dieses Schnellballsystem, und es ist krachend vor die Wand gegangen!
Meine Damen und Herren, wir müssen konstatieren - wir werden es morgen in der „Super Illu“ lesen -, dass bei 52 % der Ostdeutschen - bei 52 %! - das Vertrauen in unsere Marktwirtschaft verschwunden ist.
Ein anderer Befund, der erhoben wird, sagt, dass 43 % der Ostdeutschen die Frage: „Wollen Sie die sozialistische Planwirtschaft wiederhaben?“, mit Ja beantworten. Ich nehme diesen Befund außerordentlich ernst, denn er sagt ganz klar: Wir haben nicht nur eine Finanzkrise, sondern wir haben auch eine ernsthafte und erstzunehmende Vertrauenskrise. Wir alle zusammen werden harte Arbeit leisten müssen, um hier verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen und aufzubauen. Das wird nicht von heute auf morgen gelingen. Ich glaube nicht, dass die Menschen - ich kann mich jetzt nur auf die Zahlen im Osten Deutschlands beziehen -, die die zweite Frage mit Ja beantwortet haben, die DDR 1 : 1 wiederhaben wollen. Das wäre zu billig, und das wäre zu einfach.
Hier liegt etwas anderes zugrunde. Man will irgendwo in der gesellschaftlichen Entwicklung wieder Leitplanken haben. Man will Sicherheiten verspüren. Man will wieder durchsehen können bei dem, was um einen herum passiert. Man will auch mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit in den gesellschaftlichen Prozessen haben und nicht davorstehen und sagen: Es ist alles unüberschaubar geworden, und ich kann es weder beeinflussen, noch kann ich es verstehen.
Ich denke, wir werden infolge dieser Finanzkrise nicht nur eine finanzpolitische Debatte führen - die ist wichtig, und die haben wir soeben auch geführt -, sondern wir werden uns auch gesellschaftspolitisch verständigen müssen, und wir sollten auch dabei Vernunft und Augenmaß wahren. Ich glaube, dass sozialistische Planwirtschaft - so verständlich der Reflex für mich auch ist - am Ende ihres Wegs bewiesen hat, dass sie nicht in der Lage war, die Kreativität und Initiative der Menschen zu wecken. Anderenfalls wäre es in vielen Ländern Europas nicht zur Implosion dieses Systems gekommen.
Aber wir erleben genauso 1 : 1, dass Kapitalismus ohne Leitplanken ein entfesselter Kapitalismus ist, der die Märkte zerstört und die Menschen ratlos zurücklässt. Deshalb bin ich der festen Überzeugung: Wir werden weiterhin mit aller Kraft - das ist ja manchmal denunziert worden - einen dritten Weg suchen müssen. Es wird eine immerwährende Aufgabe sein, Balance zu halten, denn wir brauchen beides: Wir brauchen klare Regeln, wir brauchen strenge - ich sage ganz bewusst: strenge - Kontrolle. Warum schaffen wir denn Straftatbestände gegen Diebstahl? Weil wir wissen, dass nicht alle Menschen edel, hilfreich und gut sind. Anderenfalls bräuchten wir das nicht. Menschen, die nicht edel, hilfreich und gut sind, sind in allen Etagen vertreten. Es sind übrigens auch sehr viele verantwortungsvolle Menschen in Chefetagen; das sollten wir jetzt nicht alles in einen Topf tun. Den Schaden haben die angerichtet, die über diese Eigenschaften nicht verfügen.
Deshalb sage ich: Wir sind uns unter den demokratischen Parteien - das habe ich wahrgenommen - einig, dass dieses Stabilisierungs- und Rettungspaket kommen muss, wenn auch zu modifizierten Bedingungen - der Finanzminister hat das deutlich gemacht -, weil ich die Lastenverteilung so als nicht akzeptabel empfinde. Es muss aber ein Stabilisierungsund Rettungspaket kommen, weil die Folgen - Ralf Christoffers hat es gesagt - noch viel schlimmer wären, wenn wir es nicht täten. Das ist für die Menschen aber im Moment noch nicht plausibel; das sollten wir uns nicht einbilden. Ich denke, jeder, der in den letzten Tagen in seinem Wahlkreis oder anderswo mit Menschen geredet hat, weiß, dass da nicht die Zustimmung auf dem Tisch liegt und gesagt wird: Jawohl, wendet da mal richtig Mittel auf und stabilisiert den Finanzmarkt. - Wir werden diese Plausibilität nur erreichen und Zustimmung von den Menschen nur bekommen, wenn wir mit dem Regelwerk, das darauf fußt, einigermaßen versichern können, dass das so nicht wieder passieren wird. Das ist für mich die Grundbedingung dafür, wenn wir Vertrauen und Zustimmung zu diesem Paket bei den Menschen wirklich erlangen wollen.
Wenn es eine gute Folge gibt - es war vorhin davon die Rede, dass in jeder Krise auch eine Chance liegt -, dann hoffe ich, dass es die ist, dass mit dieser Krise die Phase des Neoliberalismus endgültig vorbei ist.
Sie hat dieser Welt geschadet und nichts genutzt. Ich hoffe sehr, dass die lauten Antiregulierer - „der Staat soll weg und die freien Kräfte des Marktes regeln das ganz allein“ - endlich wieder die Füße auf den Boden bekommen und wissen: Die Kräfte des Marktes regeln nichts allein,
und soziale Marktwirtschaft heißt, dass die Gesellschaft sich ihre Rechte herausnimmt und die Geschicke des Finanzwesens bestimmt und sich nicht von den Finanzinstituten bestimmen lässt. Das sollten wir deutlich in die Zukunft hineintragen.
Letzter Satz von meiner Seite: Ich hoffe auch, dass die Bestrebungen, unser Sparkassensystem auszuhöhlen, endgültig der Vergangenheit angehören. - Danke schön.
Meine Damen und Herren, damit hat die Landesregierung ihre Redezeit um elfeinhalb Minuten überzogen. Besteht bei den Fraktionen Bedarf, diese Zeit nachzuholen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass es Ihnen besonders schwerfällt, in diesem Parlament nach rechts zu blicken. Aber Sie müssen sich einfach damit abfinden,
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da der Ministerpräsident das Wort ergriffen hat und die Fraktionen im Anschluss daran noch einmal Rederecht haben, möchte ich es nicht versäumen, an dieser Stelle auf etwas hinzuweisen. Vielleicht kann ich dann auf meinen Redebeitrag heute Nachmittag verzichten.
- Ja. - Die DVU-Fraktion beantragte am 1. Oktober 2008, dass sich der Landtag damit befassen solle, wie sich die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Brandenburger Wirtschaft darstellen. Da ich weiß, dass Sie in diesem Hohen Haus unseren Antrag ablehnen werden, weil DVU-Anträge hier immer abgelehnt werden, sage ich Ihnen ganz krass ins Gesicht: Alles das, was Sie hier gesagt haben, ist erstunken und erlogen und wird heute Nachmittag, nämlich genau um 17.25 Uhr, nicht mehr wahr sein.
Ich will der Bevölkerung im Land noch mitteilen - nachmittags erfährt sie es nicht -, was wir mit diesem Antrag bezwecken. Es geht darum, dass die Landesregierung dem Landtag im Dezember dieses Jahres eine die internationale Finanzkrise berücksichtigende Risikoprognose für die Brandenburger Wirtschaft, bezogen auf den Zeitraum der nächsten zehn Jahre, vor
legt und die Fragen beantwortet: Welche Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts wird erwartet? Wie sieht es mit den geplanten bzw. in Vorbereitung befindlichen Risikoabsicherungsmaßnahmen der Landesregierung bei der ZAB, der ILB und der Bürgschaftsbank Brandenburg aus?
Meiner Meinung nach noch viel wichtiger ist, dass die Landesregierung aufgefordert wird - das haben wir in den Haushaltsberatungen mit unseren Änderungsanträgen im Wirtschaftsausschuss immer wieder gefordert -, dass zur Abwendung von Liquiditätsrisiken für die Brandenburger Wirtschaft zusätzliche Landesprogramme aufgelegt werden. Ich bin gespannt, wie Sie, meine Damen und Herren, sich heute Nachmittag verhalten werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hesselbarth, um Ihre Frage zu beantworten: Wir werden Ihren Antrag ablehnen - nicht, weil die Finanzkrise etwa kein Problem wäre, sondern weil das Stellen von Anträgen durch eine Partei, die selbst ein Problem für die Gesellschaft darstellt, kein Problem lösen wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich erwarte mit Spannung die von Ihnen ebenfalls als notwendig erachtete breite gesellschaftliche Debatte - wie gesagt: nicht als Folge der Finanzkrise, sondern der allgemeinen Vertrauenskrise in der Gesellschaft. Diese gesellschaftliche Debatte ist um Jahre verzögert worden.
Ich stimme Ihnen sehr zu: Die Verantwortlichkeit von Personen, insbesondere von Vorstandsmitgliedern, muss benannt werden. Wenn das Feuer brennt, muss gelöscht werden, auch wenn Brandstiftung die Ursache ist.
Ich will an dieser Stelle auch klar sagen: Die Politik würde versagen, wenn sie sich auf das Rettungspaket reduzieren und die auch von Ihnen geforderte gesellschaftspolitische Debatte nicht endlich einleiten würde. Diese Debatte darf sich - ich wiederhole mich - nicht auf die Regulierung der Finanzmärkte beschränken, sondern muss die Kernfragen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, die diese Gesellschaft zu nehmen hat, aufgreifen. Auch die Art und Weise der Finanzierung ist zu thematisieren. Beispielhaft habe ich schon auf die unterschiedlichen Rentenversicherungssysteme hingewiesen.
Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen - zweitens - dankbar, dass Sie die Umfrage erwähnt haben, und stimme Ihnen ausdrücklich zu: Eine zentral verwaltete Planwirtschaft wird das Problem nicht lösen. - In der Umfrage wird nicht nur ein Unbehagen, sondern auch ein bei vielen Bürgern vorhandenes Unverständnis, wie diese Gesellschaft funktioniert, deutlich. Sie
können oft nicht mehr nachvollziehen, was abläuft. Dass man sich Alternativen sucht, halte ich für völlig normal.
Der neoliberale Ansatz ist tatsächlich gescheitert. Ich habe insbesondere an die CDU die Bitte, vielleicht doch den Satz von Heiner Geißler, geäußert in einer Fernsehsendung, aufzugreifen: Das Kernverständnis der Gesellschaft ist nicht Kapitalismus, sondern soziale Marktwirtschaft.
Dazu kann ich nur sagen: Ja, dem kann ich folgen, allerdings nur unter den vorhin von mir genannten Konditionen.